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GUTE-NACHT/3523: Im Schuhschrank ist die Hölle los - Teil 18 (SB)


Gute-Nacht-Geschichten

I m   S c h u h s c h r a n k   i s t   d i e   H ö l l e   l o s


Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn, elf, zwölf - zwölfmal hat die Kirchturmuhr geschlagen. Es ist wieder Mitternacht. Im Wohnzimmer bewegen sich die Gardinen. Das kommt nicht vom Wind, denn kein Fenster steht offen. Es sind die Stiefel, die hinter den langen Gardinen hervorkommen und mit heroischem Schritt in die Mitte des Zimmers treten. "Na, wo seid ihr denn alle?" fragen sie in die Runde.

Da taucht unter dem Sofa zuerst eine schwarze Schuhspitze auf und dann noch eine zweite. "Oh, wie wundervoll hab' ich geschlafen", mit diesem Satz kommt nun auch der erste Wanderschuh unter dem Sofa hervor, gefolgt von dem zweiten.

"Herrje! Wie langsam schleicht ihr denn heute herbei? Seid ihr etwa im Winterschlaf begriffen?" schimpfen die Stiefel, denen es nicht schnell genug losgehen kann. "Was haben wir denn vor?" fragt nun einer der goldenen Damenschuhe, der unter dem Sessel gesteckt hat. Dann ist auch der zweite goldene und sogar die beiden hochhackigen Damenschuhe zur Stelle. "Wo bleiben denn unsere flotten Flitzer?" fragt da einer der beiden Wanderschuhe. Schon spazieren sie zur Wohnzimmertür herein, gefolgt von den beiden kleinen Turnschuhen!

Oh Schuh! Ist das eine Wiedersehensfreude! Wer hätte gedacht, daß die Schuhe so bald die kleinen Turnschuhe wiedersehen würden. Jetzt müssen die Sportschuhe erst einmal berichten. Schließlich, wie konnten sie aus dem Flur kommen, wo sie sich doch gestern auf die Fensterbank gestellt hatten. Aber ihre Neugierde war eben ihr Problem. "Eigentlich wollten wir ja den ganzen Tag aus dem Fenster schauen", beginnt einer der beiden flotten Flitzer, "doch dann wurde es kaum hell da draußen und das Leben begann, schon wurden wir unsanft von der Fensterbank gezerrt und einfach in den Schuhschrank geworfen." Der zweite flotte Flitzer fügt noch hinzu: "Wir wurden auch beschimpft. 'Was soll denn das? Wieso steht ihr im Fenster?' fragte uns die Hausfrau. Als ob sie von uns eine Antwort bekommen wollte. Der Postbote hat uns im Fenster stehensehen und die Frau des Hauses gefragt, ob es bei ihr denn schon Nikolaus sei. Das murmelte sie jedenfalls vor sich hin." Nun ergreift der erste Flitzer wieder das Wort: "Oh, Schuh! Hat sie doch entdeckt, daß im Schuhschrank kein einziger Schuh mehr stand. Sie wäre fast in Ohnmacht gefallen. 'Wo sind denn die ganzen Schuhe geblieben? Kein einziges Paar steht mehr im Schuhschrank drin?' Das konnte sie gar nicht fassen." Nun hat auch der kleine rechte Turnschuh noch etwas zu sagen: "Als wir heute mittag nach Hause gekommen sind, hat Toni gleich Ärger bekommen. Er soll ja seine Turnschuhe ausziehen und in den Schuhschrank stellen. Sonst hätte bald gar keiner mehr, was an die Füße zu ziehen. Toni verstand zwar kein Wort, aber er zog uns aus und stellte uns in den Schuhschrank." Der linke flotte Sportschuh berichtet weiter: "Ja, dort trafen wir sie und erzählten ihnen die ganze Geschichte von unserer Reise in die Freiheit." - "Zuerst wollten wir ja Toni nicht alleine lassen", meinte der rechte kleine Turnschuh. "Doch dann dachten wir daran, wie wir getrennt waren und daß wir das nie mehr sein wollten. Deshalb entschlossen wir uns mitzugehen!" fügt der linke kleine Turnschuh bei.

"Naja, dann kann es ja eigentlich losgehen, oder?" stellt einer der Stiefel fest. "Nein, noch nicht!" greift der linke Wanderschuh ein, "wir haben noch nicht in der oberen Etage nach Schuhen gesucht, die vielleicht auch noch mitgehen wollen." - "Dafür bleibt aber heute nacht keine Zeit mehr", gibt der zweite Stiefel von sich, der gerade auf die Stehuhr geschaut hat, "wir sollten alle schleunigst wieder in ein Versteck zurück." Das leuchtet allen ein. Doch diesmal wollen sich alle besonders gut verstecken, denn morgen wird Mutter sicher sehr aufmerksam durchs Haus gehen, um all die Schuhe zu finden, die sie heute schon vermißt hat. Aufs Fensterbrett stellt sich deshalb kein einziger Schuh mehr. So dumm ist keiner!

Bevor nun alle in ihr Versteck verschwinden, sagen sich
die meisten noch: "Gute Nacht."



zum 31. Januar 2012