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GUTE-NACHT/3619: Ohne Genehmigung (SB)


Gute-Nacht-Geschichten

Ohne Genehmigung

Für das Wochenende will Oma Lucie einen Braten einkaufen. Enna darf mit. Zwar paßt sie heute auf Charly auf, den Hund von Oma Berenieke, aber der kommt eben einfach mit. Vor dem Metzgerladen will Enna ihren vierbeinigen Freund an den Fahrradständer anbinden - so wie Oma Berenieke es beim letzten Einkauf handhabte. Doch Oma Lucie ist da anderer Ansicht: "Du kannst Charly doch nicht allein hier draußen lassen. Mit in den Laden kann er allerdings auch nicht. Bleib einfach bei ihm. Ich habe durch das Schaufenster einen Blick auf euch zwei."

Schon ist Oma Lucie im Laden verschwunden. Enna hockt sich neben Charly auf den Boden. Im Laden sind ziemlich viele Kunden. "Das kann eine Weile dauern", denkt Enna. Zu Charly sagt sie: "Eine Scheibe Wurst bekommen wir heute bestimmt auch nicht. Aber ich habe Leckerlies dabei." Die kleine Dose in ihrer Tasche ist voll damit. Enna holt sie heraus und reicht Charly gleich eins hin.

Nur ein paar Schritte von den beiden entfernt hockt ein bekanntes Gesicht. Es ist der Mann, der auch vor wenigen Tagen hier gesessen und sie grimmig angesehen hatte. Ihre Blick kreuzen sich auch diesmal, und Enna wird es wieder unheimlich zumute.

Um nicht an den Mann zu denken, von dem sie weiß, daß er sich hier ein bißchen Geld von Vorübergehenden zustecken läßt, schlägt sie Charly vor, mit ihm Seehund zu spielen. Sie legt ihm ein Leckerlie auf die Nase und läßt Charly danach schnappen.

"Prima, Charly", ruft Enna freudig aus, "gleich nochmal." Enna legt Charly das nächste Leckerlie auf die Nasenspitze und stellt die Dose vor sich am Boden ab. Freudig klatscht Enna in die Hände, als Charly auch das dritte Leckerchen ohne es herunterfallen zu lassen, direkt mit seinem Maul aufschnappt.

"Ja, das ist gar nicht so einfach wie es aussieht", meint Enna zu Charly und ist schon dabei auch die letzten drei Leckeries aus der Dose zu nehmen. Sie bemerkt gar nicht, daß sie nicht nur von dem grimmig dreinschauenden Mann, sondern auch von anderen Passanten beobachtet wird. Eine lächelnde Frau wirft ihr im Vorbeigehen sogar eine Münze in die leere Leckerliedose. Ihr folgt einen Moment später ein älterer Mann. "Du bringst deinem Hund ja tolle Kunststücke bei", sagt er und geht weiter. "Kann dein Hund noch mehr?", fragt ein Junge, der vor den beiden in die Hocke gegangen ist.

Enna ruft einige Befehle ab, die Charly schnell ausführt. Schon klimpert das nächste Geldstück in der Dose. Jetzt erst bemerkt Enna, daß Geld in der Leckerliedose liegt. Sie schaut sich fragend um. Es ist niemand in direkter Nähe, auch der Junge ist wieder aufgestanden und zu seinen Eltern zurück gelaufen. Nur der grimmig dreinschauende Mann ist noch da. Aber er hockt nicht mehr am Boden, sondern kommt geradewegs auf Enna zu.

"Was machst du hier eigentlich? Vertreibst mir die Kundschaft und heimst auch noch das mir zustehende Geld ein!", schimpft er. Fast hätte er Enna gar am Arm gepackt, wenn Charly nicht geknurrt hätte. Jetzt ist auch Oma Lucie zur Stelle. "Was wollen sie von meiner Enkelin?", fragt sie scharf. "Fragen sie ihre Enkelin lieber, was sie hier macht! Hat sie überhaupt eine Genehmigung zum Betteln?"

"Meine Enkelin bettelt doch nicht, na hören sie mal", regt sich jetzt Oma Lucie auf. "Und was ist das hier?", fragt der Mann und nimmt die Dose vom Boden auf, in der zwei Euro und zwei Halbe liegen. Oma Lucie blickt auf das Geld und dann auf Enna. Sie versteht nicht ganz ...

Da tritt der Metzger vor die Tür. "Das hier ist mein Laden. Und ich lasse nicht zu, daß meine Kunden belästigt werden, sonst hole ich die Polizei."

Der grimmig dreinschauende Mann begibt sich zurück auf seinen Platz, wo noch seine Decke liegt. Mit dem Metzger will er sich nicht anlegen. "Ist schon gut, danke", sagt Oma Lucie zum Metzger und wendet sich dann Enna und Charly zu, "laßt uns gehen." Sie nimmt Charlys Leine und geht los in die entgegen gesetzte Richtung. Doch was macht Enna. Sie folgt ihrer Oma nicht sogleich. Sie geht auf den grimmig blickenden Mann zu und wirft ihm 2 Münzen in den Becher. "Die andere Hälfte ist für Charly, damit ich ihm neue Leckerlies kaufen kann." Eine Antwort wartet Enna nicht ab, sondern läuft schnell hinter Oma Lucie her.

Gute Nacht


zum 5. Januar 2013