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KALENDERGESCHICHTEN/015: 03-2012   Grimbart Wohlgemut - Begegnung mit dem Unheimlichen (SB)



Buntstiftzeichnung: © 2012 by Schattenblick

Begegnung mit dem Unheimlichen

Grimmy tapste langsam um den Holzhaufen herum. Irgendwo musste es doch einen Eingang geben. Schließlich erreichte er wieder den großen, dicken Ast, der sich von den anderen Hölzern durch seine grobe, geschwungene Form unterschied und Grimmy an den Eingang seines einstigen Baues zuhause erinnerte. Doch der Zugang hier schien ihm ziemlich klein und er fürchtete nicht hindurch zu passen. Nachdem er sich schnüffelnder Weise dem Ast genähert hatte, erkannte er, dass der Eingang etwas in die Tiefe führte. "Ha, das ist ja fast so wie bei mir zu Hause", freute sich der kleine Dachs, fasste sich ein Herz und wühlte sich mutig in die dunkle Öffnung.

Er streckte seine Vorderpfoten vor, hieb seine Krallen in den Boden und zog sich nach vorn. "Doch ganz schön eng", fluchte er leise und zwängte sich weiter vor. Kopf und Vorderpfoten befanden sich immerhin schon mal im Inneren des Holzhaufens. Langsam gewöhnte Grimmy sich an das Dämmerlicht. Richtig sehen konnte er trotzdem nicht. Irgendetwas bewegte sich im hinteren Teil der geräumigen Holzhöhle. Der kleine Dachs schnupperte und schnupperte, konnte aber nichts mit dem Geruch anfangen. Nie zuvor hatte er Ähnliches gerochen. Grimmy war sich nicht ganz sicher, ob er weiter krabbeln oder doch lieber den Rückzug antreten sollte.

"Wenn ich erst einmal ganz hier drinnen bin, kann ich nicht mehr flüchten", sann er nach. "Aber draußen bleiben möchte ich auch nicht, das ist zu gefährlich, was mache ich nur?"

Plötzlich kam Bewegung in die hintere Ecke der Höhle. Der Andere hatte sich wohl erschrocken, denn er ließ etwas zu Boden fallen. Kurz darauf versuchte jemand mit tiefer Stimme zu drohen:

"Hallo, wer da? Ich warne dich Eindringling, ich bin riesig und gefährlich, gefräßig und böse. Verschwinde lieber, wenn dir dein Leben lieb ist!"

"Oje", dachte Grimmy und erklärte schnell: "Ich bin zufällig hierher geraten. Ich suche eine Unterkunft. Da sah ich diesen schönen Holzhaufen ..., aber ich gehe sofort wieder, entschuldige bitte. Bin gleich wieder verschwunden."

Das hatte der kleine Dachs nicht erwartet. Ihm schien es, als sei die Welt voller gefährlicher und unfreundlicher Wesen. Grimmy wurde traurig und wünschte sich so sehr in seinen heimatlichen Bau. Er schluckte schwer und schob sich langsam wieder rückwärts durch das Eingangsrund zurück.

"Halt, warte, so war das doch nicht gemeint. Bleib hier. Du scheinst mir ein ruhiger Geselle zu sein, der mir nichts Böses will. Wer bist du?", wollte die Stimme wissen, die jetzt wesentlich höher und freundlicher klang.

Grimmy hielt inne, zögerte, antwortete aber dann doch: "Ich heiße Grimmy, so nennen mich alle."

"Ah, ja, und wo kommst du her?", folgte die zweite Frage der Stimme.

"Ich wohne am Südhang, ja, im Dachsbau am Südhang im Wald und ich habe mich verlaufen. Eigentlich sollte ich jetzt schlafen, zusammen mit meinen Brüdern und meiner Mutter in der Schlafhöhle ..., ich wollte doch nur einen Schluck trinken und sofort weiterschlafen. Also verließ ich unseren Bau, um Tauwasser zu trinken. Dann aber sprang mir ein großer, brauner Hund in den Rücken und schimpfte mit mir", der kleine Dachs konnte gar nicht mehr in seiner Rede stoppen, so aufgewühlt war er, "da bin ich gerannt und gerannt. Plötzlich wusste ich nicht mehr, wo ich war. Nichts kam mir bekannt vor. Wie sollte ich nur wieder zurück zum Bau finden. Ja, und nun stecke ich hier in dem Eingang und weiß nicht vor und nicht zurück", klagte Grimmy.

"Oje, das ist aber eine traurige Geschichte. Sei unbesorgt, Grimmy. Hier geschieht dir nichts."

"Bist du denn nicht gefräßig und gefährlich?", erkundigte sich der Dachs.

"Oh, nein, ganz bestimmt nicht. Obwohl, also, ich muss gestehen, dass ich ziemlich viel essen kann ..." Jetzt unterbrach Grimmy den Sprecher: "Wer bist du denn, wie heißt du?"

"Habe ich mich noch gar nicht vorgestellt, ojeminee, oje, manchmal bin ich ziemlich vergesslich. Ich heiße Gretchen, Gretchen aus der Eichhörnchenfamilie."

"Dann bist du ja gar nicht riesig ..., Eichhörnchen sind nicht riesig. Zwar bin ich noch nie einem von euch begegnet, aber Mama hat mir von euch erzählt."

"Weißt du, Grimmy, ich schlage folgendes vor: Krabbel endlich ganz in meine Höhle. Da es jetzt schon ziemlich finster geworden ist, müssen wir wohl bis morgen warten, um einander sehen zu können. Also legen wir uns jetzt schlafen. Morgen sehen wir weiter. Einverstanden?"

Da es Grimmy an seinem Hinterteil schon ziemlich kalt wurde, schlüpfte er rasch in die warme Höhle unter dem Holzhaufen. "Ja, ich bin einverstanden." Es lagen ausreichend trockene Blätter herum, auch Heu und Moos. Jeder suchte sich ein Plätzchen zum Schlafen. Kurz bevor der kleine Dachs einschlief, meldete sich das Eichhörnchen Gretchen: "Isst du gerne Zapfen?" - "Mmmmh, gerne", murmelte er und schlief erschöpft ein.

Am nächsten Morgen schien helles Sonnenlicht in den Holzhaufen. Grimmy sah sich um und war ziemlich überrascht, als er Gretchen in der Ecke stehen sah. Sie hatte eine ganze Menge Nüsse, Zapfen und ... waren das etwa Äpfel, schöne, schrumpelige Äpfel? ... vor sich aufgetürmt.

"Na, willst du auch etwas essen?" - Was für eine Frage! - "Nach dem Essen überlegen wir, wie du wieder nach Hause findest, einverstanden?"

Grimmy grunzte ein schwer verständliches "Jaammh", während er an einem Apfel kaute. Nachdem er den Bissen hinuntergeschluckt hatte, fragte er Gretchen: "Wieso wohnst du eigentlich hier unten im Holzhaufen. Ich denke Eichhörnchen leben auf Bäumen?"

"Ja, ja, das ist wohl so", meinte Gretchen beiläufig und knabberte sehr konzentriert an einer großen Nuss, "das ist wohl so - nur bei mir nicht. Aber das ist eine lange Geschichte."



zum 1. Februar 2012