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KALENDERGESCHICHTEN/026: 02-2013   Käpt'n Carlos Plan (SB)



Buntstiftzeichnung: © 2013 by Schattenblick

Jonathan, Rupert und Käpt'n Carlo

Käpt'n Carlos Plan

Mäuserich Jonathan setzte sich hin, stand aber alsbald wieder auf, trippelte in die eine Richtung, dann wieder in die andere und murmelte vor sich hin: "Einen Plan, einen guten Plan, wir brauchen einen sehr guten, einen fantastischen, einen ..."

Rupert unterbrach ihn: "Halt, stop, wenn du hier so unstet auf und ab läufst, kann ich nicht nachdenken!"

"Du hast gut reden, du kannst ruhig bleiben, dir wird die blöde Katze nichts antun", beschwerte sich die Maus, "aber mir wird ganz übel, wenn ich daran denke, dass sie hinter jeder Ecke lauern könnte."

Rupert war ziemlich besorgt. Ihm wollte einfach nichts einfallen. Was könnten sie nur unternehmen, um die Katze zu vertreiben? Oder sollte er lieber überlegen, wo ein absolut sicheres Versteck für Jonathan zu finden wäre.

Plötzlich wurde es laut auf dem Flur. Der Gast wurde zur Tür gebracht und verabschiedet. Auch das dauerte eine ganze Weile. "... und Bananen und Nüsse mag er besonders gern, Obst aller Art auch und ...", erklärte der Gast. Doch Rupert wollte nicht länger zuhören.

"Jonathan, jetzt ist der Papagei allein im Wohnzimmer, ich schleiche mich zu ihm, du wartest hier, das ist sicherer, einverstanden?", Ruperts Ton ließ keinen Widerspruch zu. Vorsichtig blickte er auf den Flur und sah die beiden Menschen dort in der offenen Haustür stehen und reden. Leise ging er weiter, bis er das Wohnzimmer erreichte.

Der Vogelbauer stand noch immer auf dem Teppich, aber er war leer. Doch neben dem Sessel ragte nun eine dicke, runde Holzstange in die Höhe, an der sich ziemlich weit oben eine weitere Holzstange befand, die wie ein Ast aussah. Auf diesem "Ast" saß der Vogel. Rupert war mächtig beeindruckt und betrachtete den großen, roten Papagei.

"Ich sollte doch lieber etwas sagen, schließlich bin ich der Herr im Haus. Dieser Vogel ist aber wahrhaftig riesig, und wie er da oben so auf seiner Stange thront", dachte Rupert. Also sprach er mit energischer Stimme: "Hallo, wer bist du und warum bist du hier in meinem Haus?"

Der Vogel tat so, als hätte er ihn nicht gehört. Sorgfältig zog er eine Feder durch seinen Schnabel und zupfte dann hier und dort an der einen oder anderen in seinem bunten Federkleid.

"Hallo, ich rede mit dir! Kannst du mich nicht hören oder kannst du nicht antworten?", versuchte Rupert es noch einmal.

Diesmal hob der Papagei den Kopf: "Entschuldige bitte, ich bin ganz in Gedanken, hattest du mich angesprochen?"

"Na, das kann ja lustig werden", dachte Rupert, "ein gedankenvoller Vogel!" Laut sagte er: "Ich fragte, wer du bist und was du in meinem Haus suchst?"

"Oh, ja, also", begann der Papagei ganz langsam, als müsste er tatsächlich darüber nachdenken, wer er sei, bis er schließlich fortsetzte, "man nennt mich Käpt'n Carlo."

Rupert wartete einen Moment, doch schien das schon alles zu sein, was der Vogel zu sagen hatte. "Ja, sehr erfreut", bemühte er sich weiter, den Papagei zum Reden zu ermuntern, "wirst du längere Zeit hier bleiben?"

Wieder vergingen ein paar Augenblicke, dann erst erhielt Rupert eine Antwort. "Lange Zeit, längere Zeit - was bedeutet schon Zeit, was bedeutet schon lange Zeit, wenn man so alt ist wie ich ...?", seufzte Käpt'n Carlo.

Rupert hätte einfach nur gern gewusst, ob der Käpt'n für immer in sein Haus einzieht oder ob er tatsächlich irgendwann wieder abgeholt werden wird. Da er mit der Antwort des Vogels nichts anfangen konnte, ließ er es dabei bewenden und meinte: "Also, schön Käpt'n Carlo, ich denke, solange du mir meinen Platz nicht streitig machst, werden wir miteinander auskommen."

"Oh, was ist Platz, angesichts des großen, weiten Himmelszeltes, der stürmischen Winde und der tosenden See?", sprach der Käpt'n mit bedeutungsvoller Betonung.

"Sprichst du immer so merkwürdig?", platzte Rupert mit seiner Frage heraus.

Doch bevor Käpt'n Carlo antworten konnte, kam Jonathan ins Wohnzimmer geflitzt. Völlig außer Atem bremste er seinen schnellen Lauf vor Rupert ab, stolperte und blieb dann sitzen. "Rupert, die Katze kommt, jetzt, verdammt, gleich, heute schon, wenn 's an der Haustür klingelt ...", pustete und hustete die Maus.

"Woher weißt du das?"

"Telefon, am Telefon, Nachbar angerufen", wieder hustete Jonathan, "bis gleich dann", hat er gesagt, "bis gleich dann, und bringen Sie Peterle mit", hat er gesagt, dann aufgelegt." Erschöpft schnaufte die Maus und sah Rupert erwartungsvoll an.

"Jonathan, hast du dich auch sicher nicht verhört?", drängte er Jonathan zum Nachdenken.

"Nee, nee, ich bin ganz sicher, was nun, Rupert?"

"Beruhige dich erst einmal, ich denke schon nach. Ich weiß, du versteckst dich im Mauseloch und bleibst dort drinnen, bis die Katze weg ist!", schlug Rupert vor.

"Ha, nein, denn genau dort wird sie als erfahrene Mäusejägerin zuerst hingehen, sich davor setzen und vermutlich mit ihrer Pfote hinein greifen. Katzenbeine sind unendlich lang! Ihre Krallen sind messerscharf! Nein, das ist kein guter Plan!", lehnte Jonathan die Idee von Rupert ab.

"Wie wäre es, wenn ich in der Zwischenzeit ...", begann Rupert und wurde von Käpt'n Carlo unterbrochen.

"Angesichts der doch ziemlich gefährlich erscheinenden Situation, der geradezu lebensbedrohlichen Lage, möchte ich die Gelegenheit nicht verstreichen lassen und euch meinen Rat und meine Hilfe anbieten", mischte sich der Papagei ein.

"Könntest vielleicht sagen, was du eigentlich meinst", schimpfte Rupert etwas ungehalten.

Doch Käpt'n Carlo blieb gelassen und erklärte: "Ich will euch helfen! Ich habe eine Idee!"

"Prima, und was für eine wäre das?", wollte Rupert wissen. "Nun, eigentlich ist es ganz einfach: Wasser!", offenbarte Käpt'n Carlo den beiden die Lösung für das Katzenproblem.

"Wasser!?", riefen Rupert und Jonathan wie aus einem Munde. "Ja, gewiss! Zu meiner Zeit auf See, als ich in der Kapitänskajüte residierte und half die Geschicke des Schiffes zu lenken ...", versonnen hielt der Papagei inne und es schien als kehrten just die Erinnerungen an diese Zeit zurück.

Einen Moment wartete Rupert, dann hakte er vorsichtig mit einer Frage nach: "Und was hat das mit unserem Katzenproblem zu tun?"

"Oh, verzeih, gewiss. Ich fasse mich kurz angesichts der schon bald zu erwartenden Notsituation", kündigte Käpt'n Carlo an und Rupert atmete erleichtert auf, "Katzen können Wasser nicht leiden. Der Grund dafür ist mir nicht bekannt, aber sie scheuen es im Allgemeinen. Es soll sogar Katzen geben, die einen riesigen Bogen um Pfützen machen, um keine nassen Pfoten zu bekommen ..."

Rupert wurde ungeduldig. Sagte der Papagei nicht gerade, er wolle sich kurz fassen!

Da klingelte es an der Haustür ...

Buntstiftzeichnung: © 2013 by Schattenblick

Grafik: © 2013 by Schattenblick

Wasser gegen Katzen

Über das schrille Klingeln an der Haustür hatte Rupert sich dermaßen erschrocken, dass er darüber seine Pflicht als Haushund vergaß, nicht bellte und auch nicht zur Tür rannte. Er blieb einfach stehen, erstarrt in seiner Bewegung, genau wie Maus Jonathan. Sogar Käpt'n Carlo, der Papagei, hielt die Luft an.

Als erster hatte der Käpt'n sich wieder im Griff und flüsterte ein wenig zu laut: "Jetzt sollten wir schnell handeln!" Jonathan und Rupert sahen ihn fragend an. Diesmal beeilte sich Käpt'n Carlo mit dem Sprechen: "Mein Plan lautet: Wir brauchen Wasser und einen Gegenstand, in den wir das Wasser hinein füllen können. Ein Becher vielleicht oder ..."

"Ich weiß, im Bad steht ein Zahnputzbecher auf dem Badewannenrand, den kann ich holen", schlug Rupert vor und rannte auch schon los. Im Nu war er zurück, stellte den Becher auf den Boden und sah zum Käpt'n hinauf.

"Vortrefflich, gut", lobte der Papagei und redete gleich weiter, "wie viel Wasser befindet sich in deiner Wasserschüssel?"

"Die ist noch ganz voll, ich habe noch gar nichts getrunken!" Jetzt erst bemerkte Rupert, dass er in der ganzen Aufregung vergessen hatte, wie durstig er war. Aber jetzt durfte er nichts mehr trinken, denn das Wasser würden sie brauchen.

Auf dem Flur waren Stimmen zu hören, Stimmen von Menschen und ein Miauen! Jonathan zuckte leicht zusammen, besann sich dann aber auf seinen Kampfesmut und bemühte sich, seine Furcht im Zaum zu halten. Wieder miaute die Katze und es klang irgendwie übellaunig. Jonathan kletterte an Ruperts Bein hinauf, hangelte sich auf dessen Rücken vor bis zu den Ohren und zischte leise: "Ich brauche meinen Besen! Unbedingt!"

"Und wo hast du ihn denn liegen lassen?"

"Drüben in der Stube, auf deiner Decke", antwortete die Maus im Flüsterton.

"Was tuschelt ihr denn? Ich erbitte mir uneingeschränkte Aufmerksamkeit! Mein Plan ist kompliziert und wir sollten ihn rasch ausführen. Also hört zu!", forderte Käpt'n Carlo und seine Stimme klang verärgert.

"Ja, aber, ich brauche meinen Besen!", protestierte Jonathan. "Ich werde ihn holen, geht ganz schnell, versprochen...", rief Rupert.

"Haaalt, warte, ich bleibe hier, lass mich absteigen!"

Dann flitzte Rupert los.

Kaum hatte Rupert den Flur erreicht, da erklang plötzlich laut und deutlich die Stimme seines Herrchens: "Rupert, komm mal her, hierher, Rupert!"

Rupert zögerte. Er wollte nicht ins Arbeitszimmer! Er wollte keine Begegnung mit der Katze! Er hatte für solche Dinge gerade gar keine Zeit. Es half alles nichts. Wenn er nicht gehorchte, würde er Ärger bekommen. Also trabte er los, setzte sich artig hin und ließ sich den Rücken struffeln.

"Feiner Rupert, mach schön Platz! Sieh mal dort drüben, das ist der Kater vom Nachbarn, der Peterle. Er bleibt bis morgen hier, um die Maus oder die Mäuse zu fangen. Also, vertragt euch. Ich will kein Bellen und kein Fauchen hören, ist das klar!?"

Rupert gab ein vernehmliches "Wuff" von sich, der Kater sagte nichts. Ruhig, fast schläfrig lag er auf dem Schoß des Nachbarn, ließ sich kraulen und schnurrte.

"Der tut ja gerade so, als wäre er total harmlos und ungefährlich, als könne er niemandem ein Leid zufügen, ha, so etwas", dachte Rupert. Er beschloss, noch eine Weile sitzen zu bleiben und sich dann davon zu schleichen.

Als er in der Stube angekommen war, hielt er nach dem Besen Ausschau, fand ihn tatsächlich auf der Decke liegend, hob ihn auf und lief zurück ins Wohnzimmer zu Käpt'n Carlo und Jonathan.

"Wo warst du denn so lange?", empörte sich Jonathan. "Mitten in einer ungeheuer bedeutsamen Planbesprechung den Raum zu verlassen, erschwert die Situation. Wir sollten nämlich alles sehr genau absprechen. Ist das klar?", verlangte Käpt'n Carlo eine Zustimmung.

"Ich bin gerufen worden, was hätte ich tun sollen?", verteidigte sich Rupert.

"Ist ja noch mal alles gutgegangen. Hast du meinen Besen?"

Rupert ließ den Besen auf den Boden fallen und Jonathan schnappte ihn sich.

"Also, könnte ich jetzt bitte meine Idee erklären?", drängte der Käpt'n.

"Oh, ja, natürlich, wir hören ganz genau zu!", versicherten die beiden.

"Ich nehme nun den Zahnputzbecher und stelle ihn auf den Wohnzimmertisch, ganz nah am Rand. Zuvor müsste ich ihn noch mit Wasser füllen. Am besten zeigst du mir den Weg ins Badezimmer oder in die Küche."

Rupert verstand nicht ganz, wie der Papagei dort an Wasser gelangen wollte, zeigte ihm aber ohne zu zögern den Weg ins Bad. Dort staunte er nicht schlecht. Der Vogel hatte den Zahnputzbecher in seinem Schnabel mitgebracht und stellte ihn auf dem Waschbeckenrand ab. Dann setzte er sich selber auf den Rand des Beckens und drehte mit dem Schnabel den Wasserhahn auf. Geschickt hob er den Becher auf, hielt ihn unter den Wasserstrahl bis er randvoll war und flog dann damit zurück ins Wohnzimmer. Dort stellte er den Zahnputzbecher auf dem Tisch nahe am Rand ab. Leider schwappte dabei ein bisschen Wasser über.

"So. Das hätten wir!", freute sich der Papagei.
"Und was jetzt? Wie geht 's weiter?"

"Jonathan ist der Lockvogel...", begann der Papagei und wurde jäh unterbrochen.

"Hey, ich bin eine Maus, doch kein Vogel! Das sieht doch jeder!", regte Jonathan sich auf.

"Das ist doch nur so ein Wort dafür, dass du dich dem Kater zeigst..."

"Nein, bin ich denn verrückt? Dann jagt der blöde Kater mich doch sofort!", widersprach die Maus.

"Aber genau das soll er! Das ist der Plan!"

Jonathan und Rupert sahen sich an, dann den Papagei. Sie schüttelten den Kopf und wunderten sich.

"Der Kater sieht dich. Dann rennt er los. In dem Moment, wo er am Tisch vorbei kommt, stoße ich den Becher um und - platsch - ist der Kater nass! Außerdem schaffen wir Ruperts Wasserschüssel hier ins Wohnzimmer und stellen sie so neben den Tisch, dass der Kater, pitschenass wie er ist, auch noch in die Schüssel stolpert."

"Verdammt guter Plan, dann ist der Kater wirklich total nass und verschwindet sicher, ja, das gefällt mir, also los, holen wir die Wasserschüssel!", begeisterte sich Jonathan.

Rupert überlegte, ob er die volle Schüssel über den Flur schieben oder ziehen wollte, oder ob er sie ins Maul nehmen und tragen sollte.

Aber es kam alles ganz anders ...

Februar 2013