Schattenblick → INFOPOOL → KINDERBLICK → GESCHICHTEN


KALENDERGESCHICHTEN/066: 06-2016   Der Herzenswunsch - guter Rat ist teuer ... (SB)



Zwei Kinder sitzen im Baum auf einem dicken Ast, umgeben vom Blätterdach, und denken nach - Buntstiftzeichnung © 2016 by Schattenblick

Es war ein herrlicher Sommertag. Die großen Ferien hatten vor zwei Tagen begonnen, die Schultasche war gleich am ersten Tag in die hinterste Ecke des Schranks verbannt worden, auf dass Hauke sie sofort vergessen konnte. Er lebte bei seiner Oma in einem kleinem Dorf nahe einer Großstadt. Seine Eltern hatte sich zerstritten und seine Mutter musste weiter in der Stadt wohnen bleiben, da sie dort arbeitete. Und das musste sie, denn das Geld reichte immer nur ganz knapp, um all das kaufen zu können, was sie für sich und ihren Sohn zum Leben brauchte. So oft sie konnte fuhr sie hinaus aufs Land zu ihrer Mutter, also Haukes Oma, um bei ihrem Sohn sein zu können. Aber manchmal dauerte es bis zum Wochenende und erst dann schaffte sie es, sich von ihrer Arbeit als Krankenschwester loszueisen.

Hauke feierte seinen Geburtstag stets in den Ferien, diesmal lag er auf einem Mittwoch, leider. Lieber wäre es ihm gewesen, er hätte an einem Sonntag Geburtstag, aber das änderte sich ja immer wieder. Hauke hatte nur einen einzigen Wunsch: einen kleinen Hund! Er wollte sich so gerne um ihn kümmern, ihn bürsten, ihn füttern, mit ihm spielen, spazieren gehen, toben und all so etwas. Der Hund sollte immer bei ihm sein, überall hin mitkommen. Doch als er seiner Mutter von seinem Wunsch erzählte, schüttelte sie nur den Kopf. "So ein Tier kostet viel Geld, das können wir uns gar nicht leisten, tut mir leid."

"Aber Mama, wenn wir einen aus dem Tierheim holen, dann kostet der doch nichts, oder?" - "Hauke, selbst wenn wir ihn geschenkt bekommen könnten, würden wir ja doch Futter, Leine, Halsband, Körbchen und was nicht noch alles kaufen müssen - und Hundesteuer zahlen", seufzte sie, "das wird teuer." Sie bat ihn, sich etwas anderes zu wünschen, doch Hauke wollte sonst nichts. Er war traurig, aber er konnte auch sehen, dass seine Mutter sehr betrübt war, weil sie ihm seinen Wunsch nicht erfüllen konnte. Also sprach er nicht mehr über den Hund. Das war nun schon ein paar Tage her, aber Hauke kam damit einfach nicht klar. Immer wieder malte er sich aus, wie schön es wäre, einen Hunde-Freund zu haben.

Hauke schlenderte mal wieder quer über die Wiese, klopfte hier und da einer Kuh freundlich auf die Schulter oder kraulte sie zwischen den Ohren. So gelangte er zum Haus, in dem Kati mit ihren fünf Geschwistern wohnte. Hauke verbrachte die meiste Zeit mit Kati. eigentlich hieß sie Katharina, aber alle nannten sie nur Kati. Sie steckte voller Ideen und schien nie wirklich entmutigt zu sein. Wenn etwas nicht so recht gelingen wollte, trotzte sie mit den Worten: "Was für eine Herausforderung - all ihr Misslinge-Geister und Stoperstein-Trolle, nehmt euch in Acht!"

Die Haustür stand wie meistens offen und er ging hinein in die Stube. Niemand war dort. Laut rief er nach Kati, die kurz darauf aus dem Garten in den Flur gerannt kam: "Hallo, Hauke, komm, wir sind alle im Garten und kämpfen mit der riesigen Wasserschlange!" Kati war patschnaß und dort wo sie stand, hatte sich eine kleine Wasserlache gebildet. Sie packte seine Hand und zog ihn mit hinaus. Er sollte das nächste Wasserschlangen-Opfer werden.

Jetzt triefend nass blieb Hauke einfach stehen und rührte sich nicht. Normalerweise wäre er schon gleich los gespurtet und hätte versucht, demjenigen der die Wasserschlange, also den Gartenschlauch, hielt, zu überrumpeln, um selbst den Schlauch auf andere zu richten. Kati wunderte sich sehr, stellte sich schützend vor ihn und nahm ihn abermals an die Hand. "Komm, erzähl mir, was mit dir los ist. Du lachst nicht, du tobst nicht, du hast Kummer."

Sie setzten sich auf einen Baumstumpf und da platzte es aus Hauke heraus: "Ich wünsche mir so sehr einen Hund, aber wir können uns keinen leisten, sagt Mama. Und ich kann ihr nicht mal böse sein, denn sie ist selbst unglücklich darüber. Jetzt muss ich damit fertig werden und mir einfach keinen Hund mehr wünschen - und das will und will mir nicht gelingen."

Sie saßen lange ohne ein Wort zu sagen nebeneinander. Selbst Kati fiel für dieses Problem so schnell keine Lösung ein. Sie versuchte es mit Trost, aber auch das war nicht leicht. "Komm, Hauke, wir klettern auf unseren Lieblingsbaum und überlegen, was wir unternehmen können, damit du doch einen Hund haben kannst", bestimmte Kati, hüpfte vom Baumstumpf und lief in Richtung Baum. Hauke blickte eine Weile ins Leere und folgte ihr dann. Als er ankam, saß sie schon auf dem dicken Ast und ließ die Beine baumeln. Er kletterte hinauf, sie rutschte ein Stückchen, um ihm Platz zu machen, und so schauten beide in die Weite über die Felder. Sie waren davon überzeugt, dass man so am besten nachdenken konnte.

Plötzlich hörten sie die Mutter laut rufen: "Barin, komm her, komm zu Frauchen, Barin, nun komm schon!" Sie konnten von hier oben sehen, wie die große Bernhardiner-Hündin angetrottet kam. Die Mutter war inzwischen zum Auto gegangen und lockte den Hund zur offenen Hecktür des Chrysler. Artig sprang Barin hinauf und legte sich sofort hin.

"Mama, Mama, was machst du denn da?", rief Kati vom Baum herunter. "Ich fahre mit Barin zum Tierarzt, Papa meint, dass sie irgendetwas hat, weil sie nicht mehr toben will und so viel frisst!", brüllte die Mutter zurück.

"Dürfen wir mitkommen?" Kati schaute Hauke fragend an und er nickte. "Wir möchten beide gerne mitfahren, geht das?" - "Na, los, macht aber schnell, wir haben einen Termin."

Blitzgeschwind waren die beiden Kinder unten, sprinteten zum Auto und stiegen ein. Barin war Papas Liebling, er war immer sehr besorgt um sie. Aber er musste ja tagsüber arbeiten und so wurde Barin ein richtiger Familienhund. Doch sobald der Vater das Haus betrat, wich sie ihm nicht von der Seite. Ja, so ungefähr erträumte sich Hauke das auch mit seinem Wunsch-Hund.

Fortsetzung folgt ...


zum 1. Juni 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang