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KALENDERGESCHICHTEN/087: 03-2018   Verkehrte Welt - Wer bist denn Du ... (SB)



Ein Fuchsbaby, als rotes Fellbündel zu erkennen, kauert unter einem Busch, Entchen Gina steht etwas seitlich und betrachtet es - Buntstiftzeichnung © 2017 by Schattenblick

Henry Maus und Kater Chiko haben Futter für das Entchen aus einem nahen Teich geholt, was gar nicht einfach war, denn dazu musste Henry in eine Tasse hüpfen, damit Wasser und Entenschnatter hineinströmen konnten, was er ziemlich eklig fand. Wieder im alten Stubenschrank angekommen, lernte das Entchen Gina den Kater kennen, den sie für eine Riesenmaus hielt.

Kater Chiko fühlte sich gar nicht wohl in der Rolle als viel zu groß geratene Maus und wollte sich am liebsten aus dem Staub machen. Doch so einfach war das nicht.

"Kommst du auch mit, Henry, dann können wir zusammen viel zu tun haben und vielleicht macht das ja Spaß."

Henry sagte erst einmal gar nichts und überlegte. Chiko war schon ein betagtes Katzentier und geduldig sein fiel ihm schwer, also machte er seinem Unmut darüber, dass das Entchen ihn begleiten wollte, durch ein zwar leises, aber doch sehr übellauniges Fauchen deutlich. Das fand Gina zu komisch, sie lachte und versuchte sogleich, dieses merkwürdige Geräusch nachzuahmen. Bei ihr hörte es sich allerdings etwas, na ja, etwas anders an.

"Chrrrchchschsch, chrrrchsch, das ist aber gar nicht so leicht, warum machen wir Mäuse das", wollte Ente Gina wissen. "Wenn wir zu etwas keine Lust haben und einfach nur verschwinden wollen, oder weil wir uns ärgern oder unzufrieden sind", grummelte Chiko.

"Na prima, dann brauche ich das nicht zu lernen, ist sowieso ganz schön kratzig im Schnabel", freute sich Gina, "ich will nicht verschwinden und unzufrieden bin ich auch nicht. Also, dann können wir uns jetzt auf den Weg machen, oder?"

Jetzt war der richtige Zeitpunkt für Henry Maus einzugreifen und Chiko aus der Patsche zu helfen. Vorsichtig stupste er Gina an, die sich sofort umdrehte und Henry voller Erwartung ansah. "Gina, wir sollten der alten großen Maus jetzt ein wenig Ruhe gönnen. Chiko will nach Hause und schlafen, stimmt 's?"

"Ja, das wäre jetzt genau richtig. Also, dann bis bald, wir sehen uns. Tschüss!", verabschiedete sich der große Kater Chiko in ehrwürdiger Mausmanier, hockte sich auf die Hinterbacken, drehte sich blitzgeschwind herum und fort war er.

"Und was unternehmen wir jetzt?", quakte Gina. "Wir suchen dir einen schönen gemütlichen Schlafplatz!" - "Aber ich habe doch schon einen, dort in der Schale!", protestierte das Entchen.

"Nein, das ist mein Platz, das war er schon immer und so soll es auch bleiben. Also finden wir für dich ein genauso hübsches Plätzchen, das wird dir gefallen", bestimmte Henry Maus.

"Ist gut, wo fangen wir an?", unternehmungslustig blickte Gina sich um und entdeckte ein recht großes Loch in der Rückwand des Schranks, etwas über dem Fußboden, so dass sie leicht hindurch schlüpfen konnte. Dahinter war es finster und Gina blinzelte eifrig mit ihren Äuglein, bis sie schließlich in dem matten Lichtschimmer etwas erkennen konnte. Helle und dunkle Schatten zeichneten sich ab, doch konnte das Entchen sich keinen Reim darauf machen. "Was hat das alles zu bedeuten, wo bin ich hier hineingeraten?" Da entdeckte sie einen langen Lichtspalt, der von der Decke bis zum Boden reichte. Das musste sie sofort untersuchen. Sie spinkste durch den hellen Spalt und zwängte sich hindurch. Auf der anderen Seite gelangte sie auf einen Sandweg, dahinter grünte eine Wiese mit vielen bunten Blumen und einem dicken Busch in der Mitte.

"Huch, wo bin ich denn hier gelandet, alles sieht so fremd aus und so hell", wunderte sich Ente Gina. Staunend besah sie sich alles ganz genau. Dann vernahm sie ein merkwürdiges Geräusch, das ganz jämmerlich klang, ja, sie meinte sogar Traurigkeit und Kummer in diesen Lauten hören zu können. Besorgt bemühte sie sich herauszufinden, woher das Jammern kam und nach einigem Zögern tapste sie vorsichtig auf den Busch zu, denn dort, so war sie sich nun sicher, müsste irgendetwas verborgen sein. Inzwischen hatte sie ganz und gar vergessen, dass sie eigentlich mit Henry Maus zusammen einen Schlafplatz für sie suchen wollten. Also, hier danach Ausschau zu halten war wirklich nicht angesagt. Aber Gina war gebannt und neugierig zugleich. Entenfüßchen um Entenfüßchen näherte sie sich dem gut belaubten Busch und in dem Moos darunter fand sie ein rotes Fell zusammengerollt liegen.

"Hallo, was ist mit dir? Hast du Schmerzen? Was ist mit dir passiert?", fragte das Entchen das Fellbündel, das in dem Moment den Kopf hob und gar nichts sagte, sondern nur völlig erstaunt auf Gina blickte. "Hey, nun sag' schon, was ist hier los?"

"Ich, ich weiß nicht, meine Mutter hat gesagt ich solle hier auf sie warten. Aber ich warte schon soooo lange und sie kommt und kommt einfach nicht wieder", schluchzte das kleine Rotfell. "Oh je, das ist ja furchtbar. Wollen wir sie suchen gehen?"

"Aber ich weiß gar nicht wo wir anfangen sollen. Als sie mich hier absetzte, rannte sie weit, weit fort. Ich sah ihr so lange hinterher, bis ich sie nicht mehr sehen konnte", seufzte der Kleine.

"Ich hab' eine Idee. Du kommst mit mir mit zu Henry Maus, der ist wirklich sehr, sehr schlau und weiß bestimmt einen Rat, wie und wo wir nach deiner Mutter suchen können", schlug Gina vor. "Gern, aber was ist, wenn sie inzwischen doch noch zurückkommt?", sorgte sich Rotfell.

"Tja, das weiß ich jetzt auch nicht. Du musst ja auch nicht mitkommen, das war nur so die beste Idee, die ich hatte", gab das Entchen kleinlaut zu. "Ich komme lieber mit dir mit!" - "Gut, dann los! Wie heißt du überhaupt?"

"Ich heiße Schatz, ja, genau", verkündete der kleine Kerl und richtete sich zum ersten mal zu seiner vollen Größe auf.

"Oooh, bist du aber groß!", staunte Gina, aber ich denke du wirst noch überall durch passen, wo ich auch hindurch gelangt bin. Du kannst mich übrigens Gina nennen."

So machten sich die beiden auf den Rückweg. Zum Glück hatte das Entchen sich den Weg sehr gut eingeprägt und so erreichten sie Henrys 'Palast'. Als er Gina erblickte, fiel ihm ein Stein vom Herzen, so erfreut war er, dass er seinen Schützling unversehrt wieder hatte. Doch was für ein Schreck durchfuhr ihn, als er den kleinen Fuchs hinter ihr erkannte. Zwar war es noch ein Fuchsbaby, aber Mäuse sollten sich vor ihnen lieber in Acht nehmen und Enten ganz bestimmt auch. Doch Henry ließ sich seinen Schrecken nicht anmerken und begrüßte beide herzlich.

"Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt", klagte er dem Entchen, "ich dachte schon, dir wäre Fürchterliches zugestoßen. Auf einmal warst du verschwunden. Ich habe gerufen und gerufen, aber es kam keine Antwort. Bin ich froh, dass du wieder da bist. Aber sag' mal, wen hast du denn da mitgebracht?"

"Das ist Schatz, er wartete unter einem Busch schon gaaaanz lange auf seine Mutter und sie ist nicht wiedergekommen. Wir wussten nicht, wo wir mit dem Suchen beginnen sollten und da dachte ich, dass du bestimmt weißt, was zu tun ist", erklärte Gina ihm die ganze Geschichte.

"Ja, ja, das wird schon", beruhigte Henry die beiden Kleinen. Aber im Stillen war er sich gar nicht so sicher, wie er da helfen konnte. Er sehnte sich nach Chiko, der musste jetzt helfen.

Fortsetzung folgt ...



zum 1. März 2018


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