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KALENDERGESCHICHTEN/093: 09-2018   Verkehrte Welt - Treffen am Busch ...(SB)



Gina rennt voller Panik vom Busch weg, aus dem deutlich zwei Augen hervorlugen - Buntstiftzeichnung: © 2018 by Schattenblick

Gina, Henry Maus und der verletzte Marderhund Lukas hatten den Nachbarhof erreicht, wo sie auf eine Entenschar trafen, die jedoch beim Anblick des großen Tieres voller Angst in Richtung Teich flüchteten. Gina konnte der Anführerin der Enten erklären, dass Lukas verletzt sei und sie ihm helfen wollten. Sie erreichte sogar, dass die Ente ihre Hilfe anbot. Als Gina Blätter von einem Busch holen wollte, blickte sie ein funkelndes Augenpaar aus dem Blattwerk an ...


Gina zupfte ein großes Blatt vom Busch ab und erschrak heftig. Als sie die dunklen, unheimlichen Augen in dem Busch erblickte, ließ sie das Blatt fallen, drehte sich so geschwind herum, dass sie beinahe hingefallen wäre, und rannte was ihre kleinen Entenfüße hergaben zurück. Pustend erreichte sie Henry Maus und brüllte: "Da, da hinten ist etwas, etwas Unheimliches, Gruseliges!"

"Beruhige dich, hier bei uns bist du sicher. Also nun noch mal langsam, wer oder was ist da hinten?", wollte Henry wissen und bemühte sich besonders sanft zu sprechen.

"Augen, zwei Augen, nur zwei Augen und sonst nichts, da im Busch, die, die haben mich angesehen und da, ja, ich bin einfach weg gerannt", sprudelten die Worte aus der kleinen Ente hervor.

Alle starrten gebannt in Richtung Busch und warteten, ob jemand oder etwas daraus hervor kommen würde. Nichts geschah. Die Blätter blieben unbewegt und es breitete sich eine sonderbare Stille aus. Aber niemand hatte den Mut, sich dem Unheimlichen zu nähern.

"Was nun? Wir sollten lieber von hier verschwinden", mahnte Rebecca, die Anführerin der Entenschar, "wir wissen nicht, wie groß die Gefahr ist, und als Ente sollte man sich besser rasch in Sicherheit bringen, schließlich haben wir keine Zähne und Klauen, mit denen wir uns zur Wehr setzen könnten."

Sie rief ihre Gefährtinnen zusammen und gemeinsam suchten sie das Wasser in der Mitte des Teichs auf, weit weg vom Ufer. Nun blieben nur noch Gina, Henry und Lukas zurück und überlegten, was zu tun sei.

"Wir sollten diesen Ort auch verlassen, bevor es vielleicht zu spät ist", schlug Henry Maus vor.

"Ähm, hmm", räusperte sich der Marderhund, "und was geschieht nun mit meiner kaputten Pfote?"

"Oh, ja, das hätte ich vor lauter Schreck fast vergessen. Natürlich, natürlich, die müssen wir noch waschen, waschen, ja, ja, und die Blätter drauf legen", verhaspelte sich Henry.

"... Blätter, die wir nicht haben", ergänzte Gina.

Ängstlich blickten wieder alle in Richtung Busch, an dem die begehrten Blätter hingen und in dem sich der Unhold versteckt hielt.

"Darf ich einen Vorschlag machen?", unterbrach Lukas die lauernden Blicke. "Ich bin groß und stark, ich humple da jetzt hinüber und stelle den Unheimlichen zur Rede, fordere ihn auf, sich zu Erkennen zu geben! Dann sehen wir weiter."

Henry Maus und Gina stimmten zu und ermunterten ihn sogar zum Gehen, aber trotzdem vorsichtig zu sein. Wenn der Verborgene zu groß und zu gefährlich erscheint, solle er liebe wieder kehrt machen. Lukas schritt langsam voran in Richtung Busch. Als er nahe genug war, rief er: "Zeig dich, wer immer du bist!" Seine Stimme klang drohend und gebieterisch: "nun mach schon, hervor mit dir, sofort!"

Gina und Henry hörten die lauten Worte des Marderhundes und bemerkten erst jetzt, welch wahrhaft beeindruckende Person er war. Gebannt warteten sie auf das Erscheinen des Unsichtbaren. Doch zunächst geschah nichts. Alles blieb still, bis sich am äußeren Rand des Busches die Blätter heftig bewegten. Gina schrie auf und warf sich schutzsuchend gegen Henry Maus, der alle Mühe hatte, sie zu halten. Dann schrie sie wieder, aber anders, und dann lachte sie, als sie erkannte, wer da aus dem Blättergewirr hervor krabbelte.

"Mika, Mika, wo kommst du denn her, hast du uns einen Schrecken eingejagt, also wirklich, was machst du hier?", stürmte Gina auf ihren verloren geglaubten Freund, den kleinen Fuchs, zu.

Bevor er etwas sagen konnte, schnatterten die Enten auf dem Teich ganz aufgeregt: "Ein Fuchs, ein Fuchs, oh weh." - "Was ist heute nur los?", empörte sich die eine und eine andere Ente meinte, "der ist doch noch klein." Worauf eine ältere entgegnete, dass er schneller wachsen würde, als einem lieb sein kann und dann sei das Malheur groß! "Mir ist das alles zuviel", jammerte die nächste, "erst dieser riesige Marderhund, dann ein Fuchs und all das auf unserem sonst so stillen und gemütlichen Hof!"

Plötzlich begann ein kleines, schüchternes Federtier erst leise und dann mit kräftiger Stimme das Enten- und Gänse-Schutzlied zu singen: "Fuchs du hast die Gans gestohlen, gib' sie wieder her, gib' sie wieder her! Sonst kommt dich der Jäger holen mit dem Schießgewehr, sonst kommt dich der Jäger holen mit dem Schießgewehr! ..."

Nun wurde es Rebecca, der Anführerin zu bunt und sie polterte laut und energisch dazwischen: "Es reicht jetzt mit dem Gejammer! Seht doch mal genau hin. Es sieht doch ganz so aus, als ob die kleine Ente Gina und dieser Fuchs miteinander vertraut sind und er ihr mit Sicherheit nichts Böses will. Also, wir bleiben jetzt ganz ruhig hier auf dem Teich und ich werde dann, wenn ich es für richtig halte, mit Gina sprechen und die Lage klären."

Von all dem hatten Gina, Henry und Lukas nichts mitbekommen, nur der kleine Fuchs erkannte sofort die Melodie, die vom Teich erklang und er fühlte sich gar nicht wohl.

"Oh, ich verschwinde wohl besser wieder, bin wohl nicht gern gesehen hier, war wohl ein Fehler dir zu folgen ...", beschwerte sich der Fuchs und schien beinahe wütend oder enttäuscht zu sein, vielleicht auch beides.

"Nein, nein, Mika, ich freu' mich riesig dich zu sehen", dabei hüpfte sie freudig auf ihn zu. "Nun sag' aber doch, warum bist du auf einmal wieder hier?"

"Nun, ganz einfach, meine Brüder haben mich total genervt und ich habe echt versucht, ihnen klarzumachen, dass sie die Finger von dir lassen sollen, dass du kein Festschmaus bist und alles, aber sie haben mich ausgelacht. Die konnten sich gar nicht mehr beruhigen, sie fanden mich, ach, das will ich dir lieber gar nicht erzählen. Jedenfalls habe ich beschlossen fortzugehen, bei ihnen wollte ich nicht bleiben. Es war gar nicht leicht, deine Spur wiederzufinden, doch nach Tagen des Suchens wusste ich, wo ich dich finde. Ich folge euch, also dir und Henry, schon eine Weile. Dann wollte ich dich überraschen, doch da kam der Marderhund dazwischen und da wollte ich lieber noch mal warten. Aber ich sage dir, wenn er frech geworden wär, ich hätt' dich gerettet, echt!"

"Ah, ja, ich verstehe", Gina legte den Kopf schief und grinste, "und dann war dein Versteck im Busch sozusagen dein Aussichtsposten?"

"Hmm, ja, äh, also, wenn ich ehrlich bin, fürchtete ich mich vor den vielen großen Enten."

Da mussten nicht nur Gina, Henry und Lukas lachen, auch Mika stimmte, zunächst noch etwas verlegen, ins Lachen ein. Lukas hatte über all das nicht mehr an seine Pfote gedacht, die sich jedoch mit einem heftigen Schmerz zurückmeldete, als er einen unbedachten Schritt nach vorn tat. Ein quälender Schmerzenslaut entfuhr ihm und alle drehten sich zu ihm um.

"Nun wird es aber höchste Zeit, dass wir uns um Lukas kümmern", bestimmte Henry Maus.

Fortsetzung folgt ...



zum 1. September 2018


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