Schattenblick →INFOPOOL →KINDERBLICK → LESEN UND LERNEN

ELTERN/268: Rezension - Gutbrand. Der Wasserdrache (SB)


Gutbrand

Der Wasserdrache

Eine Vorlese- und Lesegeschichte für kleine und große Leser


Drachen, die Feuer speien, sind uns nicht unbekannt. In dieser Drachenwelt, in der die Geschichte spielt, gibt es allerdings noch eine andere Art Drachen - Gutbrand. Gutbrand speit nicht Feuer, sondern Wasser. Schließlich ist er ein Wasserdrache. Feuer und Wasser ergänzen sich doch hervorragend, könnte man meinen. Leider sehen die Feuerdrachen das ganz anders. So hält sich Gutbrand abseits der Gruppe, da die anderen Drachen ihn nicht mögen.

Dieser Umstand ändert sich erst an dem Tag, als gerade durch Gutbrands Hilfe Rettung möglich wird. Doch die Hilfe allein bringt den Wasserdrachen den Feuerdrachen noch immer nicht näher. Erst als sie erfahren, daß sie und er gar nicht so verschieden sind, wird Gemeinsamkeit und Toleranz möglich.

Im Gegensatz zu der Abneigung der Drachen gegen Andersartige steht die Freundschaft des Wasserdrachens und des kleinen Paradiesvogels Guzzi. "Obwohl sie unterschiedlicher kaum sein könnten, halten sie zusammen wie Pech und Schwefel" und haben viel Spaß bei all ihren Unternehmungen.


Unterschiede sind also kein Grund für Mißachtung oder Ausschluß eines anderen. Gerade durch die Andersartigkeit können Möglichkeiten erwachsen, die dazu beitragen, Dinge anders zu sehen und zu bewältigen - und Neues zu erschaffen.

Genauer betrachtet zeigt sich, daß Gutbrand und die anderen Drachen gar nicht so verschieden sind. Rein äußerlich scheinen sie zwar von unterschiedlicher Farbe und Gutbrand speit Wasser statt Feuer, doch von ihrem Wesen her ähneln sie sich sehr. Allen Drachen ist die Liebe zum Lesen gemein. Am liebsten gehen die Drachen ihrer Lieblingsbeschäftigung "im versammelten Kreis" nach. So ist die Halle der Bücher für alle zugänglich. Bücher sind etwas das uns "glücklich und zufrieden" macht wie den Wasserdrachen und das wir zusammen erleben können. Es ist ein Gut, das schützenswert ist.


Die Illustrationen sprechen Kinder und Erwachsene gleichermaßen an. In Aquarell-Mischtechnik sind die Bilder großzügig in kräftigen und satten Farben und mit schwungvollem Pinselstrich angelegt. Die Zeichnungen sind detailiert strukturiert, und es gibt immer wieder Neues zu entdecken.
Der Hintergrund für die Illustrationen ist durchweg in einem warmen Dunkelblau gehalten und symbolisiert die Höhle der Drachen sowie die Nacht. Im Kontrast dazu ist das eigentliche Geschehen der Drachen in hellblauen oder gelb-orange-farbenen Szenen festgehalten.
Die verwendete weiße Schrift auf dem dunklem Grund verstärkt den Eindruck der Nacht und des Geheimnisvollen. Allerdings ist der Schrifttyp selbst schwer zu erfassen und für Leseanfänger besonders ungünstig. Gerade aber die Fünf- bis Siebenjährigen könnten an dem Buch Gefallen finden. Freundschaft und Abgrenzung sind auch für diese Altersgruppe wichtige Themen, mit denen sie sich täglich auseinander zu setzen haben.

Als Zeit ist die Gegenwartsform gewählt. Die Sätze sind kurz und leicht verständlich, teilweise wird mit wörtlicher Rede gearbeitet. Nach dem ersten Eintauchen in die Geschichte bleiben Fragen: Warum lesen alle Drachen Bücher, nicht nur der Wasserdrache? Wieso sind die Drachen dann so verschieden, wenn sie doch das gleiche tun und lieben? Warum hat Gutbrand so einen kleinen Freund? Beim erneuten Vertiefen in die Geschichte wird der Leser in die Welt der Drachen hineingezogen, die gar nicht so verschieden von der eigenen ist.


Warum dieses Buch gerade in einem Verlag erscheint, der ansonsten keine Kinderbücher herausgibt, sondern wissenschaftliche Werke veröffentlicht, stellt sich der Leser die Frage, zu deren Klärung das Buch selbst keine Informationen, beispielsweise in Form eines Klappentextes, liefert. Auch gibt es keinerlei Hinweise auf dem Cover dazu, was die Autoren mit diesem Buch vermitteln wollen.

Auf der Suche nach einer Antwort auf diese Fragen, findet sich bald eine Erklärung. Der Wasserdrache Gutbrand ist ursprünglich nicht als Held eines Kinderbuchs entstanden, sondern ziert das Cover und durchzieht mit seiner Geschichte den Jahresbericht 2008 des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik (FIT). Diesem steht Gutbrand begleitend und unterstützend zur Seite. Die Texte der inhaltlich gleichen Erzählung sind in dieser Erstveröffentlichung teilweise sogar noch eindrücklicher und ergreifender als in dem gebundenen Kinderbuch und erscheinen sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache [1].

Die einleitenden Worte des Jahresberichts zeigen Gutbrands eigentliche Aufgabe:

"Die Fraunhofer-Gesellschaft fördert den wissenschaftlichen Nachwuchs und versucht, schon bei den Jüngsten Neugierde und Forschergeist zu wecken, etwa mit der Fraunhofer-Talent-School, Beteiligungen am Girls' Day und der "Manege der Innovationen" für Schüler, die die Fraunhofer-Institute in Sankt Augustin organisierten. Dieses Ziel greift die Gestaltung des diesjährigen Jahresberichts mit einer illustrierten Geschichte über den Wasserdrachen Gutbrand auf. Dabei nehmen die einzelnen Gutbrand-Stationen metaphorisch Bezug auf die dazugehörigen Kapitel ..."

Ein Jahresbericht eines wissenschaftlichen Instituts [2] mit seinen Daten und Fakten und ein Kinderbuch können andersartiger nicht sein. Doch wie sich zeigt, passen beide recht gut zusammen, und das eine kann aus dem anderen erwachsen.

Gutbrand. Der Wasserdrache
Gutbrand. Der Wasserdrache
Idee und Text: Simone Pollack, Andrea Esser, Alex Deeg
Illustration: Kadie Schmidt-Hackenberg
Bilderbuch
Copyright by Fraunhofer Verlag, Stuttgart 2010
Hardcover, 21,5 x 21,5 cm
durchgehend farbig bebildert
28 Seiten, ohne Seitenzahlangabe
Euro 14,90
ISBN 978-3-8396-0071-9

[1] http://www.fit.fraunhofer.de/publications/FIT-Annual-Report-2008.pdf

[2] "Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT arbeitet in interdisziplinären Teams und verknüpft Wissen aus der Informationstechnologie mit Fragen aus anderen Lebensbereichen. So entstehen maßgeschneiderte Lösungen, die Menschen in ihren Arbeitprozessen sinnvoll unterstützen und in ihrer Freizeit bereichern."

Eine längere Institutsbeschreibung finden Sie auch unter:
http://www.fit.fraunhofer.de/profil.html


24. Juni 2010