Schattenblick →INFOPOOL →KINDERBLICK → NATURKUNDE

PFLANZEN/021: Misch- und Bündnisackerbau (SB)


Freund-Feindverhältnisse zwischen Pflanzen und Tieren sollen für höhere Ernteerträge sorgen



Die Push-Pull-Anbaumethode in Afrika

In weiten Teilen Afrikas treten gleich mehrere Probleme beim Mais- und Getreideanbau auf. Zum einen sind die Böden ausgelaugt, das heißt sie enthalten kaum Nährstoffe und Mineralien, die für ein Pflanzenwachstum aber wichtig sind. Erschwerend kommt noch hinzu, dass der Boden oft sehr ausgedörrt ist, weil es zu wenig Bäume gibt, die Schatten spenden und die die direkte Sonneneinstrahlung etwas abmildern könnten.

Doch nicht nur der schlechte Boden macht den Bauern zu schaffen. Die Hauptnahrungsmittel, je nach Region Mais, Hirse, Maniok und Getreide, werden durch die Stängelbohrermotte und das Striga-Gras geschädigt. Die befallenen Pflanzen werden nicht mehr ausreichend versorgt und sterben ab. Erhebliche Ernteeinbußen sind die Folge und führen dazu, dass die dort lebenden Menschen nicht ausreichend versorgt werden können.

Blühende parasitische Striga-Pflanze - Foto: 2004 by Marco Schmidt (Own work (own foto)) [CC-BY-SA-2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Common

Blühende parasitische Striga-Pflanze
Foto: 2004 by Marco Schmidt (Own work (own foto)) [CC-BY-SA-2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Common

Vor noch nicht allzu langer Zeit (vor ca. 15 bis 20 Jahren) begannen Wissenschaftler des Insektenforschungsinstituts "icipe" in Kenia damit, eine Lösung für das Problem des Stängelbohrerbefalls auf Mais und Hirse zu suchen. Das Stängelbohrermottenweibchen legt ihre Eier in Mais und Hirse ab. Aus den Eiern entwickeln sich Larven, die sofort mit dem Fressen beginnen. Dabei höhlen sie die Stängel und Halme der Pflanzen aus, die dann nicht mehr mit Nährstoffen versorgt werden können und welken, faulen und schließlich sterben. Aber das war nicht das einzige Problem, vor dem die Wissenschaftler standen. Sie mussten sich auch noch etwas einfallen lassen, wie sie gegen das weit verbreitete Striga, eine krautige Pflanze, vorgehen. Hierbei handelt es sich um ein halbparasitisches Unkraut, das andere Gräser, aber auch Mais, Hirse und Reis bedroht. Die Pflanze selbst betreibt nur noch in geringem Umfang Photosythese und holt sich deshalb den Rest an Nährstoffen von anderen Pflanzen. Dafür hat das Striga eine Art "Saugnäpfe" (Haustorium, ein Wurzelsaugorgan) entwickelt. Damit zapft die Striga-Pflanze beispielsweise die Wurzeln des Mais an und entzieht ihm Nährstoffe und Wasser. Der Mais "verhungert" und stirbt.

Die Methode, die in Zusammenarbeit mit Bäuerinnen und Bauern, einem Agrarforschungsinstitut (dort wird Forschung für die Landwirtschaft betrieben) und den Forschern des "icipe"- Insektenforschungsinstituts entwickelt wurde, erhielt den Namen "Push-Pull". Das bedeutet, dass etwas vertrieben (push) und ebenso etwas angelockt (pull) wird. Das Gute an dieser Methode ist, dass sie gegen beide, gegen den Stängelbohrer und das Striga-Gras, wirkt.


Wie funktioniert die Push-Pull-Methode?

Zwischen den Reihen von Mais oder Hirse wird der Boden etwas aufgelockert und eine Hülsenfrucht (Bohnengewächs) mit Namen Desmodium ausgesät. Denn da wo Desmodium wächst, siedelt sich kein Striga-Kraut an. Zudem vertreibt der Duft der Desmodium Pflanze die Stängelbohrermotte, die vor diesem Geruch regelrecht flüchtet. Am Rand des Feldes wird Napiergras angepflanzt - man nennt es auch "Elefantengras". Dieses Gras wächst sehr hoch und verbreitet einen für die Stängelbohrermotte unwiderstehlich anziehenden Duft. Das Weibchen fliegt nun, vertrieben durch den "Gestank" der Desmodium-Pflanze, zielstrebig auf das Elefantengras zu. Dort legt es seine Eier ab. Die Larven, die später daraus erwachsen, fressen sofort von dem süßen, klebrigen Pflanzensaft - dabei bleiben sie auf dem Blatt kleben und verenden, nur ca. 10% können überleben.

Blühende Desmodium Pflanze - Foto: 2004 by Forest & Kim Starr [CC-BY-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons

Desmodium zählt zu den Hülsenfrüchten
Foto: 2004 by Forest & Kim Starr [CC-BY-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons

Die Desmodium-Pflanze hat noch einen Vorteil für Boden und Pflanze. Sie ist in der Lage, den Stickstoff aus der Luft im Boden anzulagern, der dort als Nährstoff wirken kann. Das ist gut für das Bodenleben, wie auch für den Stoffwechsel der Pflanzen. Da das Desmodium dicht auf dem Feldgrund wächst, hält es die Feuchtigkeit im Boden und wirkt so gegen das Austrocknen der Erde, die sonst leicht fortgeweht werden kann. Diesen Vorgang nennt man Bodenerosion. Man kann sagen, das Desmodium Bohnengewächs schützt vor eben dieser Bodenerosion. Tierdung und Pflanzenreste tragen als natürlicher Dünger ebenfalls zur Bodenfruchtbarkeit bei. Auch für reichlich Viehfutter ist gesorgt, denn das Napiergras (Elefantengras) wird gern von den Rindern gefressen und bietet ein nahrhaftes Futter. Das wiederum hat zur Folge, dass die Kühe bei guter Ernährung auch mehr Milch geben.

Langes, hochgewachsenes Napiergras - Foto: 2006 Forest & Kim Starr [CC-BY-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons

Das Napiergras wird auch Elefantengras genannt
Foto: 2006 Forest & Kim Starr [CC-BY-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons

Zusätzlich bemühten sich die Forscher, einen natürlichen Feind des Stängelbohrers zu finden und wurden schließlich in Indien fündig. Er wurde nämlich vor erst ca. 70 Jahren aus Versehen von Indien nach Afrika eingeschleppt. Seit ungefähr 100 Jahren wird in Afrika Mais angebaut. Der Stängelbohrer fand hier nun ein reichhaltiges Nahrungsangebot. Da seine natürlichen Feinde nicht mit nach Afrika gekommen waren, konnte er sich hier ungehindert vermehren und große Mengen Mais vernichten. 1993 wurde der Feind, eine Schlupfwespenart aus Indien, nachgeholt und an drei Orten in Afrika versuchsweise ausgesetzt. Die Schlupfwespe hatte sich gut angepasst und vermehrt. Die Zahl der Stängelbohrer ging in diesen Gebieten stark zurück. Denn die Schlupfwespe (Cotesia flavipes Cameron) sucht nach den Stängelbohrerlarven im Innern des Maisstängels, sticht die Larve an und legt ihre Eier dort hinein. Die Schlupfwespen schlüpfen aus und beginnen sofort damit, die Stängelbohrerlarve von innen her aufzufressen. Zusammen mit der Push-Pull-Methode erhoffen die Wissenschaftler sich, hier ein System zu errichten, durch das die unterstützenden und vernichtenden Wirkungen der Pflanzen und Tiere zum Vorteil für den Menschen genutzt werden können.

Diese Anbaumethode "Push-Pull" wird bereits von vielen Bauern, die jeweils nur über relativ kleine Flächen Ackerland verfügen, angewendet. Die Ernteerträge dieser Kleinbauern in Äthiopien, Kenia und in Gebieten um den Viktoriasee herum, die nach dieser Methode Mais, Hirse und Getreide anbauen, konnten gesteigert werden. Die Bodenfruchtbarkeit hat sich gut entwickelt, was auch dazu führt, dass die Pflanzen besser wachsen. Durch das zusätzliche Füttern der Rinder haben sich auch die Milchmengen der Kühe erhöht.

Der Mensch hat sich hier das Zusammenspiel beziehungsweise die Feindschaften von Pflanzen und Tieren zu Nutze gemacht, um für seine eigene Ernährung zu sorgen.



Anmerkung:

Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:
http://www.pflanzenforschung.de/index.php?cID=5888
http://www.blauen-institut.ch/tx_blu/tf/tf_icipe.html


22. September 2014