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PFLANZEN/032: Mais - volle Felder, leere Versprechen ... (SB)


Eine Welt voll Mais und doch so viel Hunger


Betrachtet man den Mais einfach so als Pflanze, entdeckt man eine wunderbare, starke Getreideart, die auch ohne den Einfluss des Menschen gut wachsen und gedeihen könnte. Ausgerüstet mit einem natürlichen Verteidigungssystem gegen Fraßfeinde, wäre sie auch dort anzutreffen, wo Menschen leben, die sich keinen Dünger und keine Pflanzenschutzmittel leisten können. Die Maispflanze braucht so etwas nicht, sie wächst eigentlich auch so ...


Eine Maispflanze mit Frucht ist zeichnerisch abgebildet - Buntstiftzeichnung: © 2013 by Schattenblick

Eine Maispflanze mit reifer Frucht, dem Maiskolben
Buntstiftzeichnung: © 2013 by Schattenblick

Doch das ist schon seit langer Zeit Vergangenheit! Bei der Maiszucht wurde über viele Jahre das Ziel angestrebt, den Ernteertrag zu erhöhen. Es sollten mehr große und kräftige Pflanzen auf einer Fläche wachsen. Das ist gut zu verstehen, denn die Erdbevölkerung und der Bedarf an Nahrungsmitteln wächst stetig weiter. Allerdings gingen im Verlauf dieser Züchtungen seine Selbstschutzfähigkeiten verloren. Der moderne Mais kann sich nicht mehr selbst helfen und ist auf künstliche, also chemische Pflanzenschutzmittel, angewiesen. Die Erträge erhöhten sich tatsächlich, so dass mehr und mehr Menschen davon hätten satt werden können.

Ein Maisfeld mit sattgrünen, hochgewachsenen Maispflanzen, die in dichten Reihen stehen - Foto: © 2013 by Schattenblick

Ein Feld blühender Maispflanzen
Foto: © 2013 by Schattenblick

Doch seit den 1990er Jahren fand eine ganz andere Entwicklung statt, die dazu führte, dass der Mais heutzutage zum größten Teil nicht mehr zu Nahrungsmitteln verarbeitet wird. Man nutzt ihn als Futtermittel, verarbeitet ihn zu Bioethanol (Zusatzstoff für Benzin) oder aber er gelangt als Biomasse in Biogasanlagen, um daraus Strom herzustellen.


Mais im Wandel vom Nahrungsmittel zum Industrieprodukt - Nur jedes 6 Maiskorn landet auf dem Teller

Der größte Teil der Anbauflächen auf der Welt ist mit Mais bepflanzt. Für rund eine Milliarde Menschen ist er das Hauptnahrungsmittel, das gilt auch für viele in Afrika. Und gerade hier, wo Mais für die tägliche Ernährung so wichtig ist, wird immer mehr Land- bzw. Ackerfläche an Firmen aus dem Ausland verkauft oder auf lange Zeit verpachtet. Das heißt, diese Böden werden von Unternehmen, beispielsweise aus arabischen Ländern, bewirtschaftet, die oft selbst nicht über genügend Ackerland verfügen. Auch immer mehr chinesische Konzerne siedeln sich dort an, um sich Rohstoffe zu sichern. Sie bauen auf großen Flächen Mais als Futtermittel an, um ihre Fleischproduktion zu erweitern. Reis und Maniok wird ebenso in großen Mengen angepflanzt oder es entstehen Palmölplantagen. Die Landwirtschaftskonzerne exportieren die Güter in ihre Heimat oder verkaufen sie auf dem Weltmarkt. Um möglichst hohe Erträge zu erzielen, werden chemischer Dünger und Pflanzenschutzmittel in Mengen eingesetzt. Der Boden wird stark belastet und das Bodenleben stirbt allmählich, der Boden wird trocken und ihm fehlt der Humus, der für das Pflanzenwachstum wichtig ist.

Viele Kleinbauern können nicht mehr genügend Mais, Maniok oder Hirse anbauen, um ihre Familien zu ernähren. Der Boden ist karg und die Flächen sind oft zu klein. Zudem liegen die Anbauflächen der ausländischen Unternehmen in vielen Fällen so, dass die Bauern nicht mehr an ausreichend Wasser gelangen, das sie unbedingt für die Bewässerung ihrer Felder brauchen. Sie haben keinen Einfluss auf die Verhandlungen, die ihre jeweiligen Regierungen mit den ausländischen Unternehmen führen. Eigentlich sollten die Regierungsparteien für das Wohl ihrer Bevölkerung sorgen, aber aus verschiedenen Gründen geschieht dies beim Abschluss der Landverkauf- und Pachtverträge nicht.


In Afrika wurden Land und Rohstoffe früher geraubt

Auch in früheren Zeiten war Afrika mit seinen Bodenschätzen und Rohstoffen bei den reichen Ländern aus dem Norden sehr begehrt. Deutschland, Spanien, England, Frankreich, Holland - um einige zu nennen - nahmen sich Land so viel sie wollten oder kauften es zu unfairen Bedingungen. Da wo die Menschen nicht weichen wollten, wurden sie vertrieben oder getötet. Die Eroberer, die sogenannten Kolonialmächte, gründeten auf "ihrem" Land Kolonien. So wurde der Boden Afrikas mit allem was sich darin und darauf befand unter ihnen aufgeteilt. Von den Kolonialherren wurden Kaffee- und Kakaoplantagen angelegt und Tabak, Baumwolle und Zucker angebaut. Viele einheimische Menschen wurden versklavt und mussten auf den Farmen und Plantagen arbeiten. Die Ernten wurden in die Heimatländer der Eroberer verschifft, um dort vermarktet zu werden.

Heute ist die Lage etwas anders. Die Länder Afrikas haben sich befreit und wurden nach und nach unabhängige Staaten. Jetzt müssen die ausländischen Unternehmen mit den jeweiligen Regierungen verhandeln, um Land für den Anbau von Mais, Weizen oder Palmöl zu erwerben oder zu pachten. So kann es passieren, dass beispielsweise im Sudan, in der Republik Kongo oder in Äthiopien Mais auf weiten Flächen angebaut wird, der dann zu Bioethanol verarbeitet und auf dem Weltmarkt angeboten wird. Auch als Futtermittel findet er seinen Weg in andere Länder. Die eigene Bevölkerung der jeweiligen Länder hat von dieser Art der Nutzung des Ackerlandes kaum einen Vorteil.


Mais im Trubel des Welthandels

In Amerika wird der Maisanbau im großen Stil betrieben. Ein Beispiel: Auf 10.000 Hektar Land wächst dort nur Mais. Das entspricht einer Fläche von ca. 10.000 Fußballfeldern. Nach der Ernte wird ungefähr aus der Hälfte Ethanol hergestellt und die andere wird als Viehfutter, beispielsweise nach China, verkauft. Dort werden große Mengen Futtermittel benötigt. Sicherlich wird in China auch Mais angebaut, doch reicht die Menge nicht aus, um den Bedarf zu decken. Der Fleischkonsum hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Der Pro-Kopf-Verbrauch im Jahr liegt dort bei ca. 63 kg und ist damit zwar noch geringer als in Deutschland, wo ca. 88 kg pro Kopf und Jahr verbraucht werden. Doch ist Chinas Bevölkerungszahl wesentlich höher und damit der gesamte Fleischkonsum viel größer. Die vielen benötigten Hühner, Schweine und Rinder müssen bis zur Schlachtreife gefüttert werden. Um 1 kg Fleisch zu erhalten, werden ca. 3 kg Mais benötigt. Für die Maisfarmer in den Vereinigten Staaten ist das ein lohnenswertes Geschäft. Auch für das Ethanol wird ein guter Preis bezahlt. Es wird zu Biosprit verarbeitet und landet in den Tanks in Autos und anderen Verkehrsmitteln.

Dort, wo Mais wächst, ist kein Platz mehr für andere Getreide wie Roggen, Gerste, Weizen, Hafer, Reis oder Süßmais. Auch mit dem Anbau von Kartoffeln, Rüben oder Kohl kann man nicht so viel verdienen wie mit Futter- oder Energiemais. In Deutschland hat sich der Maisanbau auch aus diesem Grund innerhalb weniger Jahre verdoppelt. Auf etwa einem Viertel unserer Anbauflächen wächst der Mais, um damit Biogasanlagen zu betreiben oder um zu Bioethanol verarbeitet zu werden. Weiterhin werden auch bei uns große Mengen als Futtermais für die Fleischproduktion verwendet.

Es sieht so aus, dass angepflanzt wird, was am meisten Geld bringt und nicht das, was für die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung dringend gebraucht wird. Weltweit hungern ca. 800.000 Millionen Menschen. Sie sind unterernährt und leiden an verschiedenen Mangelerkrankungen und sie haben kaum Abwehrkräfte, um selbst kleinste Infektionen zu verkraften. Viele sterben an den Folgen dieser Mangelernährung. Wer nichts zu essen hat, wird schwach und kann kaum arbeiten. Das ist eine traurige Situation. Ein von Hunger und Armut betroffener Mensch kann sich kaum vorstellen, dass Mais zu Biosprit oder Strom verarbeitet wird, nur weil einige wenige Menschen dafür viel Geld bekommen. Sie wissen nur zu gut, dass man Geld nicht essen kann.


Was könnte getan werden?

Dass so große Mengen Mais angepflanzt und geerntet werden können, ist - für sich genommen - eigentlich eine gute Nachricht. Viele, viele Menschen bräuchten nicht mehr zu hungern, würden daraus Lebensmittel hergestellt werden. Doch das geschieht nicht. Hinzu kommt noch, dass in den Industrienationen im Schnitt ca. ein Drittel der Lebensmittel weggeworfen oder gezielt vernichtet werden. Selbst hier geht es nicht darum, dass die gesamte Bevölkerung eines Landes satt werden kann. Auch bei uns leben viele Menschen, die so arm sind, dass sie nicht genug zu essen haben. Würde es den Regierungen der Staaten oder den Lebensmittelkonzernen darum gehen, die Ernährungslage auf der Welt zu verbessern, gäbe es noch eine ganze Menge Möglichkeiten, die dazu beitragen könnten.


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

http://www.spiegel.de/wirtschaft/neokolonialismus-in-afrika-grossinvestoren-verdraengen-lokale-bauern-a-638435.html

http://www.wetl.de/print/die_welt/wirtschaft/article10329056/Auf-Landraub-in-Afrika.html

http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2016-06/fleischkonsum-china-regierung-regulierung


16. Februar 2017


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