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PFLANZEN/055: Wald erzählt - Förster machen keine Wälder ... (SB)



Es klingt einfach fantastisch, Bäume sind unsere Rettung. Mit ihrer Hilfe kann die Klimakatastrophe abgewendet werden. Überall wo geeignetes Land brach liegt, sollten Bäume gepflanzt werden. Eine schöne Idee, doch wie schaut das in der Praxis aus? Viele sprechen im Zusammenhang mit der Klimarettung von umfassenden Aufforstungsprogrammen. Doch sind Forste keine Wälder wie sie notwendig wären, um das Klima zu retten, sondern Ansammlungen von Bäumen, meist von nur einer Art, die wirtschaftlichen Zwecken dienen und somit nicht wirklich wirksam bei der erwünschten Klimaverbesserung sind.


Kerzengerade Bäume mit dünnen Zweigen am Stamm und ohne grüne Blätter auf dem linken Bild, dichter grüner wildgewachsener Altwald rechts - Foto: 2013, by Ökologix [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Vergleich: links Forst, rechts Altwald in Schweden
Foto: 2013, by Ökologix [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons



Aus Fehlern lernen - Chinas Aufforstungsprogramm

Die staatlichen Aufforstungen in China beschränken sich zunächst auf Monokulturen, wie beispielsweise den Anbau von Pappeln. Diese Bäume wachsen schnell, brauchen aber sehr viel Wasser und entziehen dem Boden eine Menge Nährstoffe, so dass kaum noch andere Pflanzen in ihrer Nähe gedeihen können. Trotzdem wird der Pappelanbau von der Regierung gefördert, denn die Papierindustrie verlangt nach Holz als Rohstoff für die Papierherstellung. Bei einem so konzentrierten Anbau gerade dieser einen Baumsorte besteht die Gefahr, dass der Grundwasserspiegel außerordentlich gesenkt wird, was weitreichende Auswirkungen auch auf die Trinkwasserversorgung mit sich bringt. Zudem werden die Bäume nicht alt, denn sobald ihr Holz gebrauchsfertig ist, werden sie abgeschlagen und geben bei der Abholzung wieder CO2 frei, so dass sie grob geschätzt gar nicht dazu nützen, erwähnenswert viel CO2 zu speichern.

Doch inzwischen haben chinesische Wissenschaftler weitere Forschungen betrieben. Im subtropischen Südosten von China wurden 27 Waldparzellen angelegt, die mit verschiedenen Bäumen bepflanzt und genau beobachtet werden. Grundlegend geht man dort davon aus, dass Wälder als Teil des weltweiten Kohlendioxid-Kreislaufs ca. 45 % des Kohlenstoffs aus der Umwelt aufnehmen können, den sie dann für lange Zeit in ihrer Biomasse und im Erdboden binden.


Eine alte, knorrige Eiche mit vielen Ästen, die in verschiedene Richtungen wachsen - Foto: 2007, by Lebrac [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons

Eichenwald in Deutschland /Sababurg
Foto: 2007, by Lebrac [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons


In den einzelnen Parzellen wuchsen drei bis zwanzig verschiedene Baumarten sowie auch unterschiedlich alte Bäume mit einem Alter von 22 bis 116 Jahren. Man wollte herausfinden, ob viele verschiedene Baumarten mehr CO2 speichern als Monokulturen und ob das Alter der Baumpflanzen eine Rolle spielt. Festgestellt werden konnte bisher, dass bei zunehmender Artenvielfalt mehr CO2 in der Biomasse gespeichert werden kann, also in den Stämmen, den Wurzeln, im Totholz und im Boden. Leider hat sich die chinesische Regierung in den Jahren 1977 bis 2008 auf die Förderung des Anbaus von Monokulturen (vorwiegend Pappeln) beschränkt. Es gilt nun eine Veränderung in der Politik aufgrund der neuen wissenschaftlichen Forschungsergebnisse zu erwirken. Die Bedeutung von Wäldern ist seit Jahrtausenden bekannt, doch dieses Wissen ist dem wirtschaftlichen Nutzen von Holz als Brenn- und Baumaterial zum Opfer gefallen. Es wird höchste Zeit, dieses Wissen im Bewusstsein von möglichst vielen Menschen wieder wachzurufen.


Im Vordergrund liegen dicke mit Moos und anderem Grün bewachsene tote Baumstämme - Foto: Lilly M [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Umgefallener Baum im Białowieża-Nationalpark (Polen)
Foto: Lilly M [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons



Lebensraum Wald ein seit 300 Millionen Jahren
funktionierendes System

Am Beispiel eines Mischwaldes: Eine Buche kann mit ihren ca. 200.000 Blättern nahezu 24 Kilogramm Kohlendioxid pro Tag aus der Luft aufnehmen, die durch Abgase von Kraftwerken, Fabriken und Autos ausgestoßen wurden. Außerdem wirkt sie noch als Filter für Bakterien, Pilzsporen und Feinstaub. Was ebenfalls ganz wichtig ist, Blätter tragen zur Kühlung bei. Durch die vielen Blätter verdunstet unsere Buche ca. 500 Liter Wasser pro Tag und erzeugt dadurch eine angenehme Verdunstungskühle. In einem Waldgebiet kann die Temperatur bis zu 15°C niedriger liegen als in einer Stadt. Im Durchschnitt misst man im Mischwald ungefähr 4°C weniger als im umliegenden freien Land. Schon hier wird deutlich, dass ein Wald bei zunehmender Erderwärmung von großem Nutzen sein kann.

Den Nadelwäldern in den nördlichen Regionen der Erde kommt noch eine weitere wichtige Bedeutung zu. Nadelbäume dunsten Terpene aus, das sind Stoffe (Moleküle), die eigentlich zur Abwehr von Krankheitserregern und Parasiten von Nutzen sind. Gelangen diese Moleküle in die Luft, erfüllen sie noch eine andere Aufgabe. An ihnen kondensiert die Feuchtigkeit und die Wahrscheinlichkeit, dass sich hierdurch Regenwolken bilden ist nahezu doppelt so groß wie über unbewaldetem Land und es kommt häufiger zu Regenfällen. Auch das kann gegen eine ansteigende Erderwärmung helfen.


Viele Bäume machen noch keinen Wald

Leben viele verschiedenartige Bäume miteinander auf einem bestimmten Gebiet entwickeln sie ihr Zusammenleben nicht nur mit anderen Bäumen, sondern mit Mikroben, Pilzen, Beeren, Kräutern, Insekten, Säugetieren und Vögeln. All diese Lebewesen sind voneinander abhängig oder wirken positiv aufeinander ein. Gerade die unterirdischen Verbindungen durch Pilzgeflechte und Mikroben beleben den Boden und sorgen für eine gute Ernährung der im Wald lebenden Pflanzen und damit auch der dort heimischen Tiere. Eine überragend wichtige Funktion nimmt der Wald im Kampf gegen die Klimakatastrophe auch dadurch ein, dass er ein enorm großer CO2-Speicher ist und das unerwünschte Kohlendioxid für lange Zeiten in seiner Biomasse und im Boden einzulagern vermag, wo es sogar noch nutzbringend für das Bodenleben wirken kann.

Leider werden gerade alte Baumbestände bei uns in Deutschland abgeholzt, siehe "Stuttgart 21" oder die Vernichtung der uralten Bäume im Hambacher Forst. Doch sind es die Alten, die besonders viel CO2 speichern können und besonders kräftig sind. Das beweist allein ihre lange Lebenszeit, in der sie bereits gegen viele Widrigkeiten standgehalten haben. Unsere Wälder sollten wieder alt werden dürfen. Baumanpflanzungen für die Papierherstellung sollten extra angelegt und es sollten immer nur so viele Bäume abgeholzt werden wie auch wieder angepflanzt werden. Das ist ein uraltes Forstprinzip, dass leider etwas in den Hintergrund geraten ist.


Im Vordergrund liegen kahle Baumstämme auf Haufen, dahinter lichter Baumbestand - Foto: 2007, by Queryzo [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

Forstarbeiten im Harz
Foto: 2007, by Queryzo [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons



1000 Milliarden Bäume pflanzen!

Die Idee weltweit "1000 Milliarden Bäume" zu pflanzen, entstammt der Initiative "Plant-for-the-Planet". Man kann nur hoffen, dass bei diesen Baumpflanzungen ebenfalls darauf geachtet wird, dass keine Monokulturen entstehen, sondern eine reichhaltige Vielfalt zum Entstehen von neuen Waldgebieten führt. Das gleiche gilt für die Massenpflanzungen von Baumsetzlingen in den Jahren 2016-2018 in Indien, Afrika, insbesondere in Äthiopien. Artenvielfalt scheint weitaus wichtiger zu sein als bisher angenommen wurde. Deshalb sollte auch nicht länger von Aufforstung gesprochen werden, sondern von dem Erschaffen neuer Wälder. Sie entstehen am besten, wenn wir sie sich selbst überlassen. Der wirtschaftliche Faktor sollte bei der Klimarettung keine Rolle spielen.


Zwei alte, stämmige, knorrige Eichenstämme im Vordergrund mitten zwischen frischen, grünen Pflanzen - Foto: 2007, by Lebrac [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons

Alte Eichen im Urwald (Sababurg/Deutschland)
Foto: 2007, by Lebrac [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons



Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/felix-finkbeiner-plant-for-the-planet-eine-billion-baeume-pflanzen-fuers-klima

https://www.fr.de/wissen/baeume-pflanzen-gegen-klimawandel-12766941.html


28. September 2019


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