Schattenblick → INFOPOOL → KINDERBLICK → NATURKUNDE


TIERE/103: Des Wolfes Feind ... (SB)


Wie der "böse" Wolf böse wurde


Das Gesicht eines Wolfs mit wachsamem Blick - Foto: 2003 by Gary Kramer [Public domain], via Wikimedia Commons

Ein liegender Wolf
Foto: 2003 by Gary Kramer [Public domain], via Wikimedia Commons

Der Wolf hat einen schlechten Ruf. Wohl fast jeder kennt ihn aus den Wolfsmärchen "Rotkäppchen und der Wolf" oder "Der Wolf und die sieben Geißlein". Hier ist er stark, groß, schlau und hinterlistig, verkleidet sich als Großmutter oder streut Mehl auf seine Pfoten, um die kleinen Geißlein zu täuschen. Doch in beiden Märchen erleidet er ein schlimmes Ende durch den Jägersmann. Schon als Kind lernen wir ihn als "bösen" Wolf kennen, obgleich kaum einer von uns einen Wolf in freier Wildbahn gesehen hat oder gar einem begegnet wäre. So hat sich bei gemeinsamen Waldspaziergängen wohl auch so mancher Vater einen Spaß daraus gemacht und durch ein nachgeahmtes lautes Wolfsgeheul seinen Kindern einen Schrecken eingejagt. Aber warum wird uns von Kindesbeinen an erzählt, dass er ein böses Tier ist? Und warum ist er böser als ein Tiger, ein Löwe oder ein Adler? Für die Beute, für das jeweilige Opfer, ist es wohl gleich grausam, ob es von einem Krokodil, einer Hyäne oder einer Katze gefressen wird.


Das Ansehen des Wolfs - stark, gütig, heilig oder böse und gefräßig

Es gibt allerdings auch sehr alte Erzählungen aus anderen Ländern, in denen der Wolf unterschiedlich dargestellt wird. In Indien, in der hinduistischen Zivilisation, gibt es ein bedeutsames Epos (Dichtung, Gedicht), das "Mahabharata", in welcher der Wolf ein tapferer Held ist. In diesem Land verehrte man ihn, neben vielen anderen, als heiliges Tier. In Skandinavien wurde der mächtige Gott Odin nicht nur von zwei Raben, sondern auch von zwei Wölfen, Gere und Freke, begleitet. Alle vier halfen ihm auf verschiedene Weise.

Odin auf dem Thron, unten zu seiner Seite die beiden Wölfe, neben Kopf und Hand je einer der Raben - Foto: 1882 by Carl Emil Doepler (1824-1905) [Public domain], via Wikimedia Commons

Göttervater Odin auf dem Thron mit zwei Raben und zwei Wölfen
Foto: 1882 by Carl Emil Doepler (1824-1905) [Public domain], via Wikimedia Commons

In ganz alten Überlieferungen ("Die Edda") taucht allerdings auch ein zerstörerischer Wolf Fenrir auf. Eine weitere sehr bekannte Geschichte berichtet von den Zwillingen Remus und Romulus, die als Baby ausgesetzt und von einer Wölfin genährt wurden, bis ein Hirte die beiden fand und sich ihrer annahm. Sie beschlossen an der Stelle, wo die Wölfin sie säugte, eine Stadt zu gründen und nannten sie Rom.

Die Statue zeigt die beiden Kinder Remus und Romulus unter der Wölfin, die sie gesäugt hat - Foto: See page for author [Public domain], via Wikimedia Commons

Die beiden Kinder Remus und Romulus unter der Wölfin
Foto: See page for author [Public domain], via Wikimedia Commons

Bei den Inuit, die im arktischen Zentral- und Nordostkanada sowie auf Grönland leben, wird überliefert, wie die Tiere in die Welt kamen. Ganz zum Schluss schickte der Gott des Himmel Kaïla den Wolf, damit er die schwachen und kranken Karibus fresse und so die Herde bei guter Gesundheit halten sollte.


Isegrims erste Annäherungen

Vor ungefähr 16.000 Jahren lebten Wolf und Mensch in gemessenem Abstand nebeneinander her. Zu der Zeit lebten beide von der Jagd. Sie stellten den gleichen Tieren nach. Solange es genügend Beutetiere für beide gab, war das auch kein Problem. Die Wölfe fressen fast alles: Karibus, Büffel, Mäuse, Hasen, Rehe, Obst, Gemüse, Aas und sogar Hausabfälle. Überlegt man einmal, wie es zu den ersten Annäherungen zwischen Wolf und Mensch gekommen sein könnte, lässt sich folgendes denken. Dort wo Menschen ihr Lager aufschlugen, sammelten sich auch Abfälle an, Knochen, Reste vom Essen und ähnliches. Mag sein, dass so mancher hungriger Wolf sich von diesem leicht zu ergatternden Fressen locken ließ. Nun folgte er nicht nur den Karibus oder anderen Wildtierherden, sondern interessierte sich gleichfalls für die Nomaden, die diese Herden begleiteten und immer wieder ihre Lager aufschlugen. Wolfsforscher gehen davon aus, dass im Verlauf dieser Wanderungen irgendwann einmal Menschen verwaiste Wolfswelpen gefunden und großgezogen haben. Einige verließen ihre Ersatzeltern sobald sie groß genug waren. Aber nach und nach blieben die jungen Tiere immer häufiger bei ihnen. Es ist anzunehmen, dass sie sich irgendwann auch untereinander oder mit anderen Wölfen paarten und vermehrten. Die ersten Welpen wuchsen in direkter Nähe des Menschen auf und wurden schließlich zu seinen ständigen Begleitern. So könnte die Entwicklung der Hunde ihren Anfang genommen haben.

Ein Wolfspaar blickt von einem Baumstumpf aus in die Ferne - Foto: 2007 by Gunnar Ries (Own work (own photo)) [CC BY-SA 2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons

Ein Wolfspaar
Foto: 2007 by Gunnar Ries (Own work (own photo)) [CC BY-SA 2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons


Hunger und Not lässt die Feindschaft wachsen

Erst als für beide die Nahrung knapp wurde, verfeindeten sich Mensch und Wolf. Immer mehr Menschen ließen das Jagen sein und wurden sesshaft, bauten Häuser und Siedlungen, betrieben Landwirtschaft und hielten sich Viehherden, um stets einen Vorrat an Getreide, Obst, Gemüse, Milch und Fleisch zu haben. Im Zuge dieser veränderten Lebensweise wurden einst große, dichte Wälder gerodet, um Acker- und Weideland anzulegen und Zäune wurden errichtet, um das Vieh am Weglaufen zu hindern und es vor Raubtieren zu schützen. Durch den fehlenden Lebensraum für das Wild im Wald, verringerte sich deren Anzahl. Sie fanden keine Nahrung, keinen Platz um Nester zu bauen, Höhlen zu graben und es fehlten ruhige, geschützte Orte für die Aufzucht der Jungtiere. In der Folge wurde es auch für den Wolf immer schwieriger einen Fang zu machen. Er musste sich neue Beutetiere suchen und riss bald das Vieh der Bauern, gern Schafe oder junge Rinder, die eingepfercht hinter Zäunen nicht fliehen konnten. Das war ein leichtes Spiel für ihn, der dann oft auch mehrere Tiere tötete. Auch Hühner und Gänse verschmähte er nicht. Leben die Beutetiere des Wolfs in Freiheit und können vor ihm fliehen, ist er schnell mit nur einem Fang zufrieden. Die Wolfsfamilie frisst sich an der Beute satt und erst der Hunger treibt sie erneut zur Jagd.

Eine Wolfsfamilie im Wald. Sie blicken wachsam in die Umgebung - Foto: 2014 by Meles1 (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Wolfsfamilie im Wald
Foto: 2014 by Meles1 (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Doch durch die veränderte Lebenssituation der einstigen Jäger und Sammler, die nun Siedlungsbau, Viehzucht und Landwirtschaft betrieben, wurde im Lauf der Zeit der Mensch zum größten Feind des Wolfs. Wütende Bauern töteten ihn, wo sie nur konnten und kannten keine Gnade. Es war für beide ein Kampf um Nahrung. Überall wurde Jagd auf ihn gemacht, bis er in einigen Ländern nahezu ausgerottet wurde. Einst zählte der Wolf zu den am weitesten verbreiteten Landraubtieren auf der Welt, doch bald war er nur noch in bestimmten Ländern anzutreffen. In Erzählungen wurden dem Wolf Greueltaten nachgesagt, er verschlinge unzählige Schafe und Rinder und er fresse Menschen, besonders Frauen und Kinder. Niemand sollte Mitleid mit dem Tier haben. Über seine Bosheit konnte man in Märchen und Sagen lesen. Dieses Bild entwickelte sich vornehmlich in den Ländern, in denen Mensch und Wolf zu großen Konkurrenten geworden waren.


Der Wolf - Ein Raubtier unter vielen anderen

Wölfe leben in Familien - Vater, Mutter und Kinder in verschiedenem Alter. Sie umsorgen sich und passen aufeinander auf. Die älteren Geschwister helfen den Eltern dabei, den Jüngeren alles beizubringen, was ein Wolf wissen muss. Aber sie spielen auch gern und viel und zeigen einander ihre Zuneigung. Innerhalb der Wolfsfamilie, auch Rudel genannt, arbeiten sie gut zusammen und es wird vermutet, dass sie beim Jagen von großen Tieren eine gemeinsame Fanglist entwickeln, um die Beute zu stellen. Wölfe gelten als sehr schlau. Stehen sie vor Herausforderungen aufgrund veränderter Lebensumstände, sind sie in der Lage, kreativ Problemlösungen zu entwickeln. Innerhalb einer frei lebenden Wolfsfamilie kommt es selten zu aggressiven Spannungen und falls doch, gehen sie sich aus dem Weg. Die Jungwölfe verlassen das Rudel mit zwei oder drei Jahren und suchen sich eine Partnerin, um eine eigene Familie zu gründen. Manchmal werden sie während dieser Zeit auch in einer fremden Wolfsfamilie geduldet oder finden dort vielleicht sogar eine junge Wölfin. Die Wölfe, die nicht wie Nomaden leben, sondern Territorien abstecken, verteidigen ihre Grenzen gegen fremde Wolfsrudel allerdings mit erbitterter Gewalt. Dem Menschen gegenüber sind sie eigentlich eher scheu und im allgemeinen umsichtig und vorsichtig handelnde Tiere.

Die Wölfe zählen zu den Wildtieren. Am besten wäre es, man ließe ihnen Platz und genügend Nahrung. Wo Tiere sich bedrängt und bedroht fühlen, wehren sie sich natürlich. Da durch die Lebensweise des Menschen schon viel Schaden entstanden ist und Tiere aus ihrer Umgebung vertrieben wurden und werden, sollte gerade der Mensch dafür Sorge tragen, dass ihnen Lebensraum überlassen wird.


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

http://home.arcor.de/marri/mythen.htm

https://chwolf.org/woelfe-kennenlernen/mensch-wolf-beziehung/geschichtlier-hintergrund-w-m

http://www.zeno.org/Goetzinger-1885/A/Heilige+Tiere

Brehms Tierleben
Die Säugetiere - Band 3
Bibliographisches Institut Leipzig, 1922
Hrsg.: Prof. Dr. Otto zur Strassen


30. Januar 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang