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TIERE/104: Erfolgreich flüchten - nur Fliegen ist schöner ... (SB)



Seit jeher hat der Vogelflug die Menschen neugierig gemacht, hat sie staunen lassen und den Wunsch entfacht beziehungsweise den Ehrgeiz geweckt, ebenfalls fliegen zu können. Der Flugversuch von Ikarus und Dädalus mag das berühmteste Beispiel dafür sein, dass es nicht reicht, sich Flügel mit Federn anzuschnallen. In der Mythologie heißt es, dass der begnadete Techniker Dädalus und sein Sohn Ikarus von der Insel Kreta, auf der sie gefangen waren, fliehen wollten. Dädalus baute Flügel aus Federn, die er mit Wachs befestigte und schärfte Ikarus ein, nicht zu hoch zu fliegen, weil sonst die Sonne das Wachs schmelzen würde, und nicht zu tief, weil die Gischt des Meeres die Federn durchnässen könnten. Beides würde zum Absturz führen. Doch Ikarus hörte nicht auf ihn und flog viel zu weit nach oben, das Wachs schmolz und er stürzte ab.

Das war jetzt nur eine Kurzfassung, aber sie soll die Schwierigkeiten aufzeigen, die bei Konstruktionen von Fluggeräten auftreten können. Auch viele der folgenden Bemühungen, es den Vögeln gleich zu tun, scheiterten. Immer genauere Beobachtungen des Vogelflugs sollten die Grundlage für weitere Ideen für Fluggeräte bilden. Doch es schien dem Menschen unmöglich zu sein, das Geheimnis des Fluges ganz und gar zu ergründen, geschweige denn ihn nachahmen zu können.


Abgebildet sind zwei nackte Menschen, Daedalus und Ikarus, mit großen Flügeln am Rücken zu Beginn ihres Fluges - Foto: by Charles Paul Landon [Public domain], via Wikimedia Commons

Das Bild stammt aus dem Jahr 1799
Foto: by Charles Paul Landon [Public domain], via Wikimedia Commons

Erst viel später, als man die Aufmerksamkeit auf die ständig anwachsenden wissenschaftlichen Erkenntnisse verlagerte und sich bemühte, aufgrund dieses Wissens technisches Gerät zu entwickeln, war es möglich, die ersten Flugmaschinen zu konstruieren. Aber es sollte noch lange dauern und es kostete viele Fehlschläge bis die heutigen flugtüchtigen Flugzeuge gebaut werden konnten. Die Grundlage für die technischen Konstruktionen war nicht mehr die genaue Beobachtung des Vogelflugs, vielmehr war es das Wissen über physikalische Prinzipien wie auch eine gute Kenntnis über die Eigenschaften der für den Flugzeugbau geeigneten Materialien.


Im Bau ähnelt das Fluggerät noch sehr einem Vogel - Foto: by Pépin jun., Rue de Siam, Brest (reproduction of the photograph) [Public domain], via Wikimedia Commons

Das Gleitflugzeug "Albatros II" von Jean Marie Le Bris, im Jahr 1868
Foto: by Pépin jun., Rue de Siam, Brest (reproduction of the photograph) [Public domain], via Wikimedia Commons


Leicht wie ein Vogel durch die Lüfte fliegen?

Aus unserer Sicht, den Blick in die Luft auf die dort scheinbar schwebenden oder wenigstens leichtflügelig davonfliegenden Vögel gerichtet, scheint Fliegen ein Leichtes zu sein. Losgelöst vom Erdboden und vermeintlich der Schwerkraft entflohen, bewegen sich die Tiere am Himmel. Aber stimmt das wirklich? Was muss ein Vogel unternehmen, um sich überhaupt in die Luft erheben zu können? Beobachtet man ihn, erkennt man, dass er sich mit einem großen Schwung mit seinen Füßen vom Ast oder Boden abdrückt. Dabei schlägt er seine Flügel kräftig und rasch auf und ab. Beim Senken der Flügel drückt er die darunter befindliche Luft nach unten und erhält dadurch den Auftrieb nach oben.

Zur Veranschaulichung: Nehmt einen Fächer, lasst ihn nur ein wenig geöffnet und hebt ihn nach oben, dann entfaltet ihr ihn vollständig und bewegt ihn nach unten. Das war schon deutlich schwerer. Wärt ihr nun extrem leicht, würde das Niederdrücken des Fächers euch ein Stück anheben. Zurück zum Vogel: Allein das Starten ist eine anstrengende Angelegenheit. Böte die Luft ihm aber keinen Widerstand, könnte sie ihn nicht tragen!


Zwei Stare nebeneinander, einer mit leicht angewinkelten Flügeln in der Aufwärtbewegung, der andere mit ausgebreiteten Schwingen in der Abwärtsbewegung - Foto: © 2017 by Schattenblick

Foto: © 2017 by Schattenblick

Wenn der Vogel sich in der Luft befindet, hat er mehrere Möglichkeiten zu fliegen. Das hängt unter anderem von seiner Größe und seiner Art ab. Bekannt und weit verbreitet ist der sogenannte "Ruderflug". Das bedeutet, der Vogel hebt und senkt seine Flügel gegen den Luftwiderstand. Beim Nach-Unten-Bewegen stellt er sie leicht schräg, so dass die Luft darunter nicht nur nach unten, sondern auch nach hinten gedrückt wird. Dadurch hebt der Vogel sich nach oben und erhält Schubkraft nach vorn. Das verlangt der Flugmuskulatur einiges ab und kostet dem Tier viel Kraft und Energie. Kleine Vögel, die nur kurze Strecken zurücklegen, können diese Flugart anwenden. Bei großen, schweren Vögeln ist das schon deutlich schwieriger. Ihr Gewicht und ihre Körperfläche bietet einen großen Widerstand, sie müssen erheblich gegen die Luft ankämpfen, um von ihr getragen zu werden. Albatrosse, die eine Flügelspannweite von ca. 3,6 Metern erreichen können, bevorzugen fast ausschließlich den sogenannten "Gleitflug".


Foto: 2003, by The original uploader was Kils at German Wikipedia Later versions were uploaded by ArtMechanic at de.wikipedia. [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

Ein Albatros im Gleitflug
Foto: 2003 by The original uploader was Kils at German Wikipedia Later versions were uploaded by ArtMechanic at de.wikipedia. [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

Einige Albatrossarten leben im Südpolarmeer. Dort wehen ständig mehr oder weniger starke Winde, beinahe immer in ein und dieselbe Richtung. Kurz über der Meeresoberfläche bilden sich Luftwirbel und es entstehen leichte Aufwinde. Die Albatrosse breiten ihre Flügel weit aus und fliegen dicht über dem Meer, wo sie die Aufwinde für ihren Gleitflug nutzen. Das heißt, der Wind greift unter ihre Schwingen und "trägt" sie in einer gewissen Höhe und in Windrichtung. Es schaut aus, als würden sie durch die Luft gleiten. Auch der Rußseeschwalbe reichen relativ geringe Winde aus, um mehrere hundert Kilometer ohne einen Flügelschlag über dem Meer zurücklegen zu können. Die Vögel sind in der Lage ihre Flügel je nach Erfordernis den Windbewegungen anzupassen, was ihnen ein optimales Gleiten ermöglicht. Das ist sehr energiesparend. Auch Möwen, Seeschwalben, Falken und Schwalben beherrschen den Gleitflug. Doch beim Starten und auch beim Landen sehen die Albatrosse nicht sehr glücklich aus.

Um sich in die Luft zu erheben, müssen sie einen großen Anlauf nehmen. Sie rennen ein gutes Stück und rudern dabei kräftig mit den Flügeln, bis sie schließlich genügend Luft unter den Flügeln haben, um vom Erdboden abheben zu können. Dasselbe vollführen sie bei der Landung nur in anderer Reihenfolge. Im Ruderflug nähern sie sich dem Boden, dann laufen sie, oft stolpern sie auch, fangen sich wieder und kommen dann zum Stehen.


Beutefang aus der Luft

Gibt es keinen guten Platz, von dem aus ein Vogel sein Jagdgebiet weit überblicken kann, versucht er, in der Luft an einer Stelle zu bleiben, von der aus er ein Beutetier ausfindig machen kann. Dieses Verharren an einem bestimmten Ort wird durch den sogenannten "Rüttelflug" ermöglicht. Auch Vögel, die sich von Fischen ernähren, beherrschen diese Flugtechnik. Mit schnellen Flügelschlägen hält sich der Vogel in der Luft. Doch er richtet seine Flügel so aus, dass keine Vorwärtsbewegung entstehen kann. Der Rüttelflug verlangt dem Vogel eine erhebliche Muskelarbeit ab und verbraucht viel Energie. Vögel wenden ihn nur an, wenn es unbedingt notwendig ist, also bei der Futtersuche und Jagd.


Fliegen ist anstrengend und kostet viel Kraft

Da der Ruderflug für die Vögel sehr kräftezehrend ist, wechseln viele der etwas kleineren Vögel ihre Flugtechnik, wenn es die Windverhältnisse zulassen. Dann legen sie weite Strecken im Gleitflug zurück, um es sich etwas leichter zu machen, müssen aber immer wieder in den Ruderflug wechseln, um in der Luft zu bleiben. Fliegen ist also viel anstrengender als es aussieht. Fasane zum Beispiel strengt es so sehr an, dass sie sich nur ganz kurze Zeit im Ruderflug bewegen können, dann müssen sie in den Gleitflug wechseln. Ihre Energie ist schnell verbraucht. Singvögel wie Rotkehlchen, Amseln und viele andere, wie auch Wellensittiche, Papageien und Kanarienvögel, zählen zu den typischen Ruderfliegern. Bei einer solchen Kraftanstrengung wundert es nicht, dass diese Tiere anscheinend ständig fressen können. Sie benötigen unglaublich viel Nahrung, um ihren Energiebedarf zu decken. Ein Vorteil des Ruderflugs ist allerdings, dass die Vögel fast alle nahezu senkrecht von ihrem Sitzplatz aus in die Luft starten können. Das ist wichtig, um blitzschnell vor Feinden zu fliehen.


Immer noch bietet das Fliegen der Vögel viel Raum zum Staunen

Durch genaue Beobachtung und Kenntnis über den Körperbau eines Vogels kann der Vogelflug einigermaßen erklärt werden. Doch über das Wesen dieser Tiere, über ihre nicht so offensichtlichen Fähigkeiten, erfährt man nicht so leicht etwas.

Vögel bilden Scharen, sie sind Gemeinschaftswesen und viele Arten bevorzugen es, auf bestimmten Schlafplätzen oft zu hunderten oder tausenden gemeinsam zu schlafen. Sie fliegen über weite Strecken ohne Pause von Europa nach Afrika. Woher wissen sie den Weg? Schlafen sie überhaupt nicht? Haben sie während des Flugs keinen Hunger? Hilft es ihnen, dass sie in großen Scharen fliegen? Und wenn ja, wie? Wie organisieren sie sich? Was für eine Rolle spielt die Luft beim Fliegen? Wie gelingt es ihnen, geeignete Windverhältnisse auszumachen, die sie nutzen können? Ideen zu den Fragen und wie sie vielleicht zu beantworten wären, gibt es einige. Um sich wissenschaftliche Klarheit zu verschaffen, werden Untersuchungen mit High Tech Geräten wie beispielsweise Minisendern zur Beobachtung der Tiere eingesetzt. Die an den Tieren befestigten Minisender sollen während des Fluges Daten aufzeichnen. Durch die Auswertung erhofft man sich Genaueres über ihre Flugfähigkeiten zu erfahren.

Im nächsten Teil wird eine besondere Art des Fliegens beschrieben: Der Formationsflug. Er bringt eine ganze Reihe von Vorteilen mit sich, aber kann er sich auch nachteilig auswirken?


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

http://www.geo.de/natur/tierwelt/10296-rtkl-palaeontologie-das-geheimnis-des-fliegens

https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/vogelkunde/gut-zu-wissen/00716.html

TV-Doku-Reihe
"Federleicht und flügelweit"
Die fantastische Reise der Vögel
Dokumentation/Reihe, GB, 2012
Film von John Downer



21. Juni 2017


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