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VORSICHT/002: Gefahren bei der Erdölförderung in der Tiefsee (SB)


Gefahren bei der Erdölförderung in der Tiefsee

Kann ausgeströmtes Öl je wieder aus dem Meer entfernt werden?



Wenn Öl aus einem Bohrloch unkontrolliert ins Meer entweicht, treibt es zunächst an die Oberfläche und breitet sich dort mit hoher Geschwindigkeit auf der Wasseroberfläche aus. Öl ist leichter als Wasser und weil es sich nicht in Wasser lösen oder sich damit vermischen kann, schwimmt es praktisch darauf. Je nach Stärke der Meeresströmung erreicht dieser auf dem Wasser schwimmende Ölteppich die Küsten. Dort angekommen, werden die Strände und Küstengebiete verunreinigt. Die hier lebenden Tiere sind in großer Gefahr.

Die Vögel beispielsweise, die ins Wasser gehen, um zu jagen, geraten in diesen sogenannten Ölteppich. Das Öl verklebt ihre Federn. Das bedeutet, dass sie ihr Gefieder nicht mehr aufplustern können und damit ihren Schutz gegen die Kälte verlieren. Fliegen können sie dann auch nicht mehr. Außerdem gelangt giftiges Öl, bei ihren Versuchen sich zu reinigen, in ihren Körper. Diese Tiere sterben sehr oft auch dann noch, wenn Menschen versuchen ihnen zu helfen. Um das Meer und die Küstenregionen zu schützen, muss das Öl aus dem Wasser entfernt werden.


Kann etwas getan werden?

So ein giftiger Ölteppich könnte auf verschiedene Arten "eingesammelt" werden. Mit langen dicken Gummischläuchen, die als Barriere dienen, wird das Öl eingekreist. Dann kann der Öl-Wasser-Teppich aus diesem Bereich in einen Supertanker gepumpt werden, in dem das Öl vom Wasser getrennt wird. Das gereinigte Wasser wird wieder ins Meer geleitet, das Öl in Tanks gesammelt. Doch bei hohem Wellengang und stürmischer See gelingt diese Eindämmung nur mäßig.

Geeigneter ist es, feste meterhohe Wände als Barrieren um den Ölteppich zu platzieren. Diese Wände ragen ein Stück unter Wasser und oberhalb der Wasseroberfläche in die Höhe. Auf diese Weise schwimmen sie. Die Wände sind miteinander verbunden und bilden so eine Front, die die Ausbreitung des Öls stoppen soll. Aber auch hier funktioniert es nur, wenn die See nicht zu stürmisch ist, die Wellen nicht zu hoch sind. Ist die Ölfläche allerdings so riesig wie bei der "Deepwater Horizon"-Katastrophe, bräuchte man ziemlich viele solcher Wände. Dieses Abschöpfen, Aufsaugen und Reinigen dauert natürlich seine Zeit, besonders, wenn sehr viel Öl aus dem Wasser abgetrennt werden muss. Leider muss das Abschöpfen rasch vonstatten gehen, denn wenn das Öl zu lange an der Oberfläche treibt, lösen sich die flüchtigen Stoffe aus dem Öl, es verdickt (das wird "altern" genannt) und sinkt schließlich zum Meeresboden, wo es sich mit Sand vermischt und giftige Klumpen bildet.

Es gibt allerdings auch noch andere Verfahren. Von dem folgenden erhoffen sich Wissenschaftler die Mithilfe von Bakterien, die das Öl abbauen, zersetzen oder auffressen sollen. Dazu muss das Öl allerdings in winzig kleine Teile zerkleinert werden. Um das zu bewirken, werden Chemikalien aus der Luft, also mit dem Flugzeug, auf den Ölteppich gesprüht. Dann geschieht folgendes: das an der Wasseroberfläche treibende Öl wird durch diese - übrigens sehr gefährliche Chemikalie - zerkleinert (Chemikalien, die hierfür verwendet werden, heißen Dispergierungsmittel). Das bedeutet: diese Chemikalie zersprengt den zusammenhängenden Ölteppich in kleine Teilchen und legt sich jeweils um einen Öltropfen. Die Chemikalie hat das Bestreben sich in Wasser zu lösen. Das ist der Grund dafür, dass die Ölfläche in kleinste Tröpfchen auseinander gesprengt wird. Diese unzähligen, winzig kleinen, in der Chemikalie gelösten Ölteilchen schweben nun in alle Richtungen, auch zum Meeresboden.

Diese Methode hat eine katastrophale Auswirkung: die im Wasser befindlichen Öl/Chemikalien-Tröpfchen können nicht mehr aus dem Wasser entfernt werden! Sollten die Bakterien nicht wie erhofft das Öl zersetzen oder auffressen, bleibt das Wasser mit dem Öl und der Chemikalie belastet.

Es scheint zunächst so, als sei alles ganz schnell wieder sauber und das Öl wie von Zauberhand verschwunden. Das stimmt aber nicht. Das Öl ist einfach nur schwerer zu erkennen. Es befindet sich nach wie vor in der gleichen Menge, nur eben ganz fein verteilt, im Meer - so ähnlich, als würde man Salz in ein Glas Wasser einrühren. Du siehst nichts. Es sieht aus wie normales Wasser, schmeckt aber salzig. Und genau das geschieht hier, nur dass zusätzlich zum Öl auch noch eine für Lebewesen sehr giftige Chemikalie ins Meer gesprüht wird - und das in riesigen Mengen. Bei dieser Ölkatastrophe wurden ca. 7 Millionen Liter der Dispergentien eingesetzt, um die ebenfalls gigantische Ölmenge zu zerkleinern.


Ein Versuch veranschaulicht diesen Vorgang

Eine weite, flache Schale oder ein Suppenteller mit Wasser gefüllt dient als "Ozean". Dort hinein wird ein bisschen Speiseöl gegeben. Das Öl verteilt sich auf der Wasseroberfläche. Wir haben damit unseren "Ölteppich" geschaffen. Wenn er eine bestimmte Fläche des Wassers bedeckt und sich nicht mehr ausdehnt, wird ein Tropfen Spülmittel mit einer Sprühflasche (sehr feine Sprüheinstellung) auf den "Ölteppich" gesprüht. Er löst sich auf. Wenn wir noch ein wenig umrühren, bildet sich Schaum und vom Öl ist nichts mehr zu sehen. Das Öl ist aber trotzdem noch in dem Wasser, in der gleichen Menge, nur zerkleinert.


Was erhoffte man sich von der Auflösung des Ölteppich durch die Chemikalie?

Die Idee der Wissenschaftler war: Die Chemikalien zerkleinern das Öl, um es den ölfressenden bzw. -zersetzenden Bakterien zuzuführen. Auf diese Weise sollte es dann verschwinden.

Wie kann festgestellt werden, ob Bakterien in der gewünschten Weise tätig sind? Wenn sie in großen Mengen Öl abbauen, kann es auf einfache Weise nachgewiesen werden. In den Regionen, in denen die Bakterien aktiv sind, ist der Sauerstoffgehalt stark herabgesetzt. Man nennt solche Gebiete "Sauerstofflöcher". Die Bakterien benötigen für ihre Arbeit sehr viel Sauerstoff. Grob geschätzt wird, dass sie für den Abbau von 2 ml Rohöl 80 Liter Sauerstoff verbrauchen. Sauerstoff, den Tiere und Pflanzen zum Leben benötigen. Sie können in diesen Regionen dann nicht mehr existieren. Werden diese sauerstoffarmen bzw. -freien Gebiete nicht entdeckt, kann man davon ausgehen, dass die Bakterien nicht tätig geworden sind. Das ist einerseits gut, weil es noch Sauerstoff im Wasser gibt, andererseits schlecht, weil die Bakterien das Öl nicht, wie erwartet, zersetzt haben.


Öl ist nicht einfach Öl

Es gibt noch ein weiteres Problem: Das Öl ist eine Flüssigkeit, die sich aus mehren Stoffen zusammensetzt. Durch den Einsatz der Dispergentien (die so ähnlich wirken wie Spülmittel), also dieser chemischen Mittel, die das Öl in feinere Tröpfchen zersetzen, können die flüchtigen Bestandteile des Öls zusätzlich freigesetzt werden. Sie gelangen in die Luft über dem Meer und werden von Vögeln und Enten eingeatmet, aber auch von den Menschen, die beispielsweise mit der Säuberung der Strände vom Öl beschäftigt sind. Auch jene, die auf dem Meer Wasserproben nehmen, um sie im Labor zu untersuchen, werden diese Luft atmen. Die Reizstoffe lassen die Augen brennen, führen zu Heiserkeit, Halsschmerzen und zu Schwindel. Flüchtige Substanzen des Erdöls sind beispielsweise Aceton, Benzol, Toluol, Benzin und Ethylbenzol. Die Wirkung dieser Substanzen ist für Mensch und Tier sehr gefährlich.

Die Atemwege werden gereizt und es kann in entsprechenden Mengen zu Nerven- und Hirnschäden führen. Leider kann man sich hierbei nicht auf seine Nase verlassen, denn Benzol ist schon in den Mengen schädlich, die vom Menschen noch gar nicht gerochen werden können. Das fein zerkleinerte Öl kann nun auch leichter vom Wind durch die Luft weit fort getrieben werden. Nicht nur die flüchtigen Stoffe, sogar ganze, kleine Öltröpfchen werden von der Meeresluft transportiert und von Mensch und Tier eingeatmet. Die Wellenbewegung sorgt ebenfalls für eine großflächige Verteilung. Wenn der Mensch das Öl in der Luft riecht oder schmeckt, bedeutet dies, dass er es bereits in seinen Körper aufgenommen hat, sonst könnten die Rezeptoren der Nasenschleimhäute, der Zunge und des Gaumens es nicht erfassen.

Öl bleibt giftig, auch wenn es zerkleinert wurde. Bereits 17ml Erdöl pro 1 Kilogramm Körpergewicht sind toxisch (giftig). 34 ml pro Kilogramm Körpergewicht wirken letal, das heißt auf deutsch: tödlich. Nimmt man als Beispiel einen kleinen Fisch, der 30 g wiegt, so reicht schon ca. 1 ml Öl, um ihn zu töten.

Da im Meer viele kleine Fische, Krebse und andere Schalentiere leben, gelangen diese kleinen Tröpfchen durch die Atmungsorgane, also beispielsweise den Kiemen, in die Tiere. Viele Substanzen des Öls lagern sich im Fettgewebe des Körpers an und können dort Schäden verursachen. Die kleinen Tiere werden wiederum von den größeren gefressen und vergiften auch diese.

Im nächsten Teil werden wir uns um die Auswirkungen auf das Leben und die Gesundheit der Menschen, Tiere und Pflanzen kümmern, die in, auf und um das Meer herum leben.



18. September 2013