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WISSENSDURST/015: Fracking, zum Kotzen ... (SB)


Der Weg der Fracking-Flüssigkeit:
Erst in den Boden, dann wieder an die Oberfläche, dann als verbrauchtes, giftiges Gemisch wieder in den Boden zur Endlagerung

Ben und Stefan - Buntstiftzeichnung: © 2012 by Schattenblick

Grafik: © 2012 by Schattenblick

Stefan und Ben hatten sich verabredet, den Info-Stand in der Stadt nochmals aufzusuchen. Die Frau schien ihnen recht kompetent zu sein. Bevor sie sich weiter in Schriften des Für und Wider vertiefen würden, wollten sie lieber direkt ihre Fragen stellen. Auf dem Weg dorthin berichtete Ben seinem Freund schon mal von seinen neuesten Informationen.

Ben: "Eins muss ich dir gleich erzählen. Mein Vater hat erfahren, dass mit moderner Simulationstechnik versucht wird, den Verlauf der erzeugten Risse im Gestein im Voraus einzuschätzen. Dort unten, in bis zu 3000 Metern Tiefe, herrschen ganz andere Bedingungen als auf der Erde. Die kann man nur mathematisch und angenähert simulieren. Druck und Temperatur wirken mit gegebenen Gesteinsstrukturen und -beschaffenheiten auf vielfache und kaum vorhersagbare Weise. Man kann also nicht sicher sagen, was dort unten genau geschieht und wie sich die künstlich erschaffenen Klüfte und Risse ausbreiten."

Stefan: "Äh, Moment, du meinst, weil es tief in der Erde viel heißer ist und der Druck natürlich auch viel größer ist als auf der Erdoberfläche ...?"

Ben: "Ja, genau. Erinnerst du dich noch an Chemie bei Herrn Reinken? Was hat der immer gesagt: 'Je höher die Energiezufuhr, sprich die Temperatur, desto heftiger die Reaktion, oder ne, warte mal, desto schneller die Reaktion oder so?'"

Stefan: "Wie könnte ich das vergessen!"

Ben: "Also, nach dem Aufsprengen können die Risse praktisch in alle Richtungen verlaufen. Wenn die künstlichen Gesteinsrisse dann auf schon vorhandene natürliche Klüfte oder Risse treffen, schließen die sich zusammen, bilden praktisch eine Leitung und so könnte die Fracking-Flüssigkeit in Regionen gelangen, die niemand vorhergesehen hat. Auf diese Weise könnte also auch das Grundwasser erreicht und verseucht werden. Mein Vater meint, dass es in Amerika schon Beispiele dafür gibt."

Stefan: "Dieser Anteil der Fracking-Flüssigkeit bleibt dann ja wohl für immer im Boden verschwunden ..."

Ben: "Geplant ist, dass ein Teil der in Boden und Gestein gepressten Fracking-Flüssigkeit wieder nach oben befördert werden soll. Das Ganze muss dann als Sondermüll entsorgt werden."

Stefan: "Und, hast du etwas darüber gefunden, wie und ob das
funktioniert?"

Ben: "Nein, da sollten wir uns jetzt ran wagen, schlage ich vor. Am besten fragen wir das gleich als erstes, okay?"

Die beiden stiegen die Stufen vom U-Bahn-Eingang hinauf und gelangten auf den Marktplatz. Tatsächlich stand dort wieder der Info-Tisch und erfreulicherweise war auch die Frau dort, die ihnen letzte Woche die Informationsbroschüren gegeben hatte. Sie schlenderten in die Richtung, ließen sich aber Zeit, denn die Frau redete gerade mit einer anderen, die neben sich ihre Einkaufstaschen abgestellt hatte und sehr interessiert zuhörte. Da wollten sie nicht stören.

Ben: "Weißt du, ich hab' dir doch gesagt, dass Methan so viel klimaschädlicher ist als Kohlendioxid. Das stimmt auch. Allerdings gibt es verschiedene Angaben darüber. Ein Wissenschaftler, ich weiß seinen Namen gerade nicht, der für ein Institut der NASA arbeitet, kommt zu dem Ergebnis, dass Methan eine 105-mal gefährlichere Wirkung entfalten kann als Kohlendioxid. Er gibt eine Zeitlinie von 20 Jahren an. Ein anderer Forscher errechnet eine 72-fach größere Gefährlichkeit - auch für den 20-Jahres-Zeitraum. Da frage ich mich, ob es nicht besser ist, bei der Kohle zu bleiben?"

Stefan: "Hey, das ist nicht dein Ernst. Denk doch bloß an die Bilder, die wir neulich gesehen haben. Breite Landstriche sind total abgebaggert und zerstört worden, ganze Dörfer mussten umgesiedelt werden. Außerdem wird bei der Kohleverbrennung auch Quecksilber frei ..."

Ben: "Wir sollten Erfinder werden. Irgendwie müsste man doch Energie erzeugen können, ohne so viel zu zerstören, zu verpesten, zu verschwenden. Das muss doch möglich sein, verdammt!"

Stefan: "Wie soll das Methangas denn überhaupt in die Atmosphäre gelangen?"

Ben: "Komm, lass uns rübergehen. Das Gespräch zwischen den beiden ist zu Ende."

Nach wenigen, eiligen Schritten erreichten sie den Info-Stand.

Ben: "Guten Tag, wir waren letzte Woche schon einmal hier. Wir haben Ihre Info-Blätter durchgelesen, aber immer noch einige Fragen."

Frau: "Ach, ja, ich erinnere mich. Na, dann fragt mal los!"

Stefan: "Wissen Sie vielleicht, wie die Fracking-Flüssigkeit, die in Boden und Gestein gepresst wurde, wieder dort hinaus befördert wird, oder ob das überhaupt stattfindet?"

Frau: "O je, das ist ein heikles Thema. Es gibt ein Beispiel aus Deutschland. Das macht die Problematik deutlich. Also, die Firma, die in Niedersachsen an dem Projekt der Schiefergasgewinnung arbeitet, hat eingeräumt, dass sie nur ca. 30% der Fracking-Flüssigkeit, die sie in den Boden gepresst haben, zurück an die Oberfläche bringen konnten, um sie dort zu entsorgen, beziehungsweise aufzubereiten. Millionen Liter Wasser und tausende Liter Chemikalien sind dort unten verteilt und werden wohl lange Zeit dort bleiben. Meine persönliche Einschätzung ist, dass sich dann niemand mehr darum kümmert, nach dem Motto: 'Aus den Augen aus dem Sinn'."

Ben: "Ist das dann das 'Flowback', oder, ich verstehe das nicht ganz ...?"

Frau: "Tja, also. Bei dem Bohrvorgang selbst wird die Fracking-Flüssigkeit oder das Frack-Fluid ins Bohrloch hinein gepresst. Schätzungsweise 30 Tage nach so einer Bohrung tritt dieses Frack-Fluid mit dem Produktionswasser, als Rückflusswasser, am Bohrloch wieder an die Oberfläche. Das Rückflusswasser ist das Flowback. Was genau darin alles enthalten ist, weiß ich nicht. Es können radioaktive Partikel, Quecksilber, Benzol und auch Methan nach oben gelangen und noch mehr. Dieses Wasser hat außerdem einen sehr hohen Salzgehalt."

Gigantisches Wasserbecken nur zur Entsorgung des giftigen Wassers verschandelt die Landschaft - Foto: © by Hannah Hamilton, USGS

Ein großes Wasserbecken, in dem das giftige Wasser zur Entsorgung gesammelt wird
Foto: © by Hannah Hamilton, USGS

Stefan: "Was? Wie kommt das nach oben? Einfach so?"

Frau: "Nun ja, immerhin wurde es mit enormem Druck hinein gepresst. Ein Teil bahnt sich den Weg, auch entlang des Bohrgestänges, aufgrund dieser Druckverhältnisse wieder an die Oberfläche. Dieses Gemisch lässt sich nicht sauber voneinander trennen. So gelangt das Methan mit nach oben und verbreitet sich."

Stefan: "Und was geschieht mit diesem Flowback?"

Frau: "Stoppt mal kurz. Die ganze Angelegenheit ist ziemlich kompliziert. Ich versuche das mal zu vereinfachen. Die Fracking-Flüssigkeit, das sogenannte Frack-Fluid, ist also im Boden und Gestein, auch das Produktionswasser. Bei meinen Recherchen fand ich, dass nur etwa 20% bis 50% des gesamten Flüssigkeitsgemisches wieder zurückgefördert wird. All das, was oben ankommt, wird solange, bis es letztlich entsorgt wird, auf dem Bohrstellengelände gelagert. Entsorgen heißt: Wohin mit dem giftigen Zeug? Wie kann es sicher gelagert werden, kann es das überhaupt?
Eine übliche Praxis der Entsorgung ist, alte, leere Förderstätten zu benutzen, um dieses Flowback in die Erde zu pumpen. Per Lkw und Pipelines wird das Rückflusswasser dorthin transportiert und verpresst. Man nennt es auch 'Versenkbohrung'. So lagern riesige Mengen an Giftstoffen unter der Erde."

Ben: "O je. Ich weiß jetzt jedenfalls ganz sicher, dass ich dieses Fracking-Verfahren ablehne. Die Risiken sind viel zu groß. Selbst wenn alles funktioniert und kein Störfall auftritt ..."

In alten Bohrstellen wird das Flowback zwecks Entsorgung in den Boden gepresst - Graphik: © 2014 by Schattenblick

Die Pfeile zeigen die verschiedenen Möglichkeiten, wie Anteile der Fracking-Flüssigkeit wieder an die Oberfläche gelangen können. Die Fracking-Flüssigkeit kann über die künstlich geschaffenen Wege nach oben gelangen, durch die aufgesprengten Risse entlang der Bohrleitung, durch Störungen in den Bodenschichten, zum Beispiel Einbrüche und Verschiebungen oder auch einfach über zuvor unbekannte Wege
Graphik: © 2014 by Schattenblick

Stefan: "Ja, du sagst es. Der enorme Verbrauch an Energie, Wasser, Sand und Chemikalien, nur damit nicht vorhersagbare Prozesse in der Tiefe des Erdbodens was weiß ich was verursachen können ..."

Frau: "Nun, auch der angeblich sichere Schutz des Grundwassers ist nicht wirklich sicher. Aus Amerika gibt es eine ganze Reihe von Beispielen, wo Grundwasser in Mitleidenschaft gezogen wurde. Das tatsächliche Ausmaß der Verseuchung wird natürlich nicht an die große Glocke gehängt. Am wenigsten verstehe ich das Ganze, wenn ich bedenke, dass selbst der Sachverständigenrat für Umweltfragen, (SRU), bei uns in Deutschland, in seiner Studie urteilt, dass das Fracking, also die Schiefergasförderung, energiepolitisch nicht notwendig sei."

Ben: "Also, Stefan, ich fasse zusammen: Die Risiken für die Umwelt sind mir zu groß und nicht sicher vorhersagbar. Der Verbrauch an Wasser und Sand für so ein unsicheres Verfahren, dass noch nicht einmal wirklich gebraucht wird ..., das ist Verschwendung pur, das ist ..."

Stefan: "Ben, halt. Du hast ja recht. Als nächstes kümmern wir uns um die Verschwendung - sowohl von Rohstoffen als auch von Energie, okay?"

Ben lachte und die Frau hinter dem Info-Tisch schmunzelte.

Frau: "Von eurer Sorte könnten wir gut und gerne mehr brauchen."

*

Quellen:

http://www.klimaretter.info/forschung/hintergrund/8390-schiefergas-klimaschaedlicher-als-kohle

http://www.klima-sucht-schutz.de/klimaschutz/beitrag/article/methan-im-meer-gefahr-fuers-klima.html

http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.riskante-technologie-die-wichtigsten-fragen-zum-fracking.4d87613e-ef6d-4d60-8d87-2b7876c7bfaf.html



11. Januar 2014