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WISSENSDURST/043: Klimawandel und warum - wie ist das passiert ... (SB)



Ben und Stefan - Buntstiftzeichnung: © by Schattenblick

Grafik: © by Schattenblick

Stefan und Ben hatten herausgefunden, dass das Auftauen des Permafrostbodens einen weitreichenden und schwerwiegenden Einfluss auf das Klima ausübt und auf jeden Fall zur Beschleunigung der Erderwärmung beiträgt. Bei ihrer Suche nach Möglichkeiten, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, wurde ihnen das Ausmaß dieses Abtauvorganges und die Auswirkungen auf Mensch, Tier, Pflanze, Erdreich und Atmosphäre deutlich.

Stefan: "Ben, ich habe gerade etwas Gruseliges gelesen."

Ben: "Lass hören, ich nehme an, es betrifft unsere Nachforschungen zum Permafrostboden oder?"

Stefan: "Ja, sicher. Also, es ist nicht nur das Methan, das in großen Mengen freigesetzt werden kann, wenn der Dauerfrostboden auftaut, sondern dort lauern noch ganz andere Gefahren. Im Jahr 2016 ist folgendes passiert: Im Nordwesten Sibiriens lebt ein Nomadenvolk, die Nenzen, die mit ihren Rentierherden eng zusammenleben und von Weidefläche zu Weidefläche ziehen.


Zwei Mäntel aus braunen und hellen Rentierfellen mit bunt bestickter Verzierung - Foto: 2013, by Manfred Werner - Tsui (Own work) [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Traditionelle Kleidung der Nenzen
Foto: 2013, by Manfred Werner - Tsui (Own work) [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Wenn sie ein Rentier schlachten, dann essen sie nicht nur ihr Fleisch, sondern verwerten auch ziemlich alles andere, beipsielsweise das Fell zum Bau von Zelten oder zum Anfertigen von Kleidung. In diesem Sommer 2016 stiegen die Temperaturen in dieser Region auf völlig außergewöhnliche 35° C plus an."

Ben: "Wahnsinn, ich dachte immer dort herrschen nur Temperaturen im Minus-Bereich oder bestenfalls um den Nullpunkt herum."

Stefan: "Ja, eine solch krasse Hitze wirkt schon sehr bedrohlich. Und als auf der nordsibirischen Halbinslel Jamal dann nahe dem See Jarojto hunderte von Rentieren plötzlich starben, ging man zunächst davon aus, dass eben diese ungewöhnliche Hitze die Ursache dafür war."

Ben: "Das ist verständlich, denn für die Tiere bedeutet so eine starke Veränderung bestimmt Streß."


Ein Rentier mit kräftigem Geweih läuft über blassgrüne Tundralandschaft - Foto: 2007, by Alexandre Buisse (Nattfodd) (self- made (https://www.alexbuisse.com/)) [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Laufendes Rentier
Foto: 2007, by Alexandre Buisse (Nattfodd) (self-made (https://www.alexbuisse.com/)) [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Stefan: "Aber das Sterben der Tiere hörte nicht auf, sondern nahm noch zu als die Temperaturen schon wieder normal waren. In einer Nomadensiedlung an diesem See Jarojto verendeten 1500 Rentiere und auch viele Hunde. Die Kinder erlitten dort auffällige Hautgeschwüre. Nach Untersuchungen wurde festgestellt, dass die Tiere an Milzbrand gestorben sind und auch die Hautgeschwüre der Kinder auf diese Milzbranderreger zurückzuführen waren. Im Juli 2016 zählte man bereits 2.300 tote Rentiere. Ein 12jähriger Junge verstarb an Darmmilzbrand."

Ben: "Oh je, hat er etwa das Rentierfleisch gegessen?"

Stefan: "Na, sicher, da wusste keiner, dass die Tiere nicht an der Hitze gestorben sind, sondern an der gefährlichen Infektion durch Milzbranderreger, die tödlich enden kann. Jedenfalls hat man auch noch weitere 90 Menschen ins Krankenhaus zur Untersuchung eingeliefert, bei 23 von ihnen wurde ebenfalls der Milzbranderreger nachgewiesen."

Ben: "Sind sie auch gestorben?"

Stefan: "Nein, es gibt wohl verschieden schwere Milzbrand-Erkrankungen und diese Menschen konnten mit Antibiotika behandelt und gerettet werden."

Ben: "Und wo kamen diese Erreger denn nun so plötzlich her und was ist überhaupt Milzbrand?"

Stefan: "Genau das sollten wir herausfinden, denke ich, denn ich habe zwar schon davon gehört, dass diese gefährlichen Erreger aus dem aufgetauten Permafrostboden stammen, aber ich kann mir nicht recht vorstellen, wie so etwas funktionieren kann, geschweige denn, dass ich wüsste, was das für eine Krankheit ist."


Braungrüne mit kurzem Gras bewachsene Landschaft mit vielen Wasseransammlungen, kleinen Seen ähnlich, durchzogen - Foto: 2000, by Dr. Andreas Hugentobler (Own work) [CC BY 2.0 de (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons

Tundra in Sibirien
Foto: 2000, by Dr. Andreas Hugentobler (Own work) [CC BY 2.0 de (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons

Ben: "Oh, Mann, da haben wir es also nicht nur mit einer hohen Methan-Emission zu tun, sondern auch noch mit aufgeweckten, ich meine, aufgetauten Bakterien oder Viren oder was weiß ich?"

Stefan: "So sieht es aus. Und wenn diese Bakterien tatsächlich aus dem aufgetauten Boden stammen, bleibt noch die Frage, wie sie dort hinein gekommen sind, oder?"

Ben: "Also, wie gehen wir vor? Was hältst du davon, wenn wir zunächst einmal herausfinden, was Milzbrand überhaupt ist, dann wie die Erreger in den Boden gelangen konnten, eingefroren überlebten und nun aufgetaut wieder aktiv werden konnten."

Stefan: "Klingt gut, danach machen wir uns auf die Suche nach vielleicht existierenden Problemlösungen!"

Ben hockte sich vor einen Laptop, Stefan schnappte sich sein Tablet, schien dann aber noch eine andere Idee zu haben und suchte unten im Wohnzimmer auf den Bücherregalen seiner viel belesenen Mutter nach Lexika oder einiger kritischer Lektüre, die irgendwie mit dem Thema zu tun haben könnte. Es verging eine ganze Weile, die die beiden Jungs lesend und forschend nebeneinander verbrachten.

Ben: "Zumindest habe ich etwas über Milzbrand herausgefunden. Also, das ist eine Krankheit, die von Bakterien hervorgerufen wird, dem Bacillus anthracis. Mit Antibiotika kann man diesen Bacillus erfolgreich bekämpfen. Das Gefährliche an der ganzen Sache ist das Gift, das von ihm erzeugt wird. Wenn dieses Gift sich bereits weit im Körper eines Tieres oder eines Menschen ausgebreitet hat, führt das meistens zum Tod. Die Krankheit tritt vorwiegend bei Huftieren auf, also beispielsweise bei Rindern. Sie kann auch vom Tier auf den Menschen übertragen werden. Deshalb waren früher auch Bauern, Schlachter oder Gerber von Berufs wegen besonders in Gefahr, sich anzustecken."

Stefan: "Und wie ist das heutzutage?"

Ben: "Hier in dem Bericht steht, dass aufgrund einer besseren Hygiene im Stall und Tierimpfungen diese Krankheit nur noch selten auftritt. Im Sommer 2012 sollen in Niedersachsen einige Kühe daran verendet sein. Aber, hör' mal weiter, diese Milzbranderreger, sie werden auch Anthrax-Erreger genannt, können Sporen ausbilden und so Jahrzehnte lang in der Erde überdauern, wenn günstige Umweltbedingungen gegeben sind, die da wären: Hitze, Trockenheit oder eben Dauerfrostboden. Wenn sie wieder an die Oberfläche geraten, können sie von grasenden Rindern oder eben von Rentieren aufgenommen werden, die Tiere erkranken und können andere anstecken."

Stefan: "Und wie infiziert sich ein Mensch?"

Ben: "Das passiert, wenn er das Fleisch isst, die Sporen einatmet oder durch Berührung eines kranken Tieres, also über die Haut."

Stefan: "Da war es ja fast unausweichlich, dass die Nomaden in Sibirien, die Nenzen, sich angesteckt haben. Aber ich verstehe noch nicht, wie diese Milzbrand-Sporen in den Permafrostboden gelangt sind."

Ben: "Man vermutet, dass sie in den toten Körpern von Rentieren überdauert haben, die vor ungefähr 70, 75 Jahren in den Boden eingesunken sind. Der Boden taut in jahreszeitlichen Abständen (Sommer) an der Oberfläche auf, die verendeten Tiere könnten dort gelegen haben und sind dabei weiter und weiter eingesunken, dann wieder gefroren. Erst durch diese ungewöhnliche Hitze von 2016, die immerhin über einen Monat anhielt, war es möglich, dass diese Kadaver auftauten und mit ihnen die Milzbrand-Sporen."

Stefan: "Okay, aber wieso sind vor 70 Jahren so viele Rentiere gestorben, deren eingefrorene Körper nun auftauen und wieder an die Oberfläche gelangen. Gab es damals eine Epidemie oder so etwas?"

Ben: "Lass uns mal rechnen, also vor ungefähr 70 Jahren, warte mal, das war ungefähr 1941-1945. Moment mal, tobte da nicht noch der Zweite Weltkrieg? Vielleicht gibt es da einen Zusammenhang?"

Stefan: "Wie kommst du darauf?"

Ben: "Als ich die Beiträge nach 'Milzbrand' durchsuchte, stieß ich auf einen Bericht über sogenannte Anthrax-Sporen (Milzbrand-Sporen), die bereits im Ersten Weltkrieg als biologischer Kampfstoff eingesetzt wurden, das heißt, man infizierte absichtlich die Tiere der Feinde und hoffte wohl, dass auch möglichst viele Menschen dabei sterben würden."

Stefan: "Das ist ja entsetzlich!"

Ben: "Da könnte es doch sein, dass diese Waffe auch im Zweiten Weltkrieg angewendet wurde oder? In dem Text heißt es jedenfalls weiter, dass verschiedene Länder die Anthrax-Bakterien erforschten, um sie im Krieg als biologische Waffe einzusetzen. 1979 soll es in der damaligen Sowjetunion in einer Fabrik für derartige Kampfstoffe zu einem Unfall gekommen sein, bei dem der Erreger freigesetzt worden ist. 66 Menschen fanden dabei den Tod. Und in den USA sollen Briefe mit einem Pulver, das Milzbrand-Bakterien enthielt, verschickt worden sein, das war im Oktober 2001. Fünf Menschen öffneten diese Briefe und verstarben. Das FBI ermittelte, dass die Erreger aus einem amerikanischen Forschungslabor stammten. Also scheint es mehr als genügend von diesen Milzbrand-Bakterien in den Labors verschiedener Länder zu geben, um sie bei Gelegenheit als Waffe einzusetzen."

Stefan: "Und jetzt kommen diese Erreger in großen Mengen völlig unkontrolliert aus dem Boden! Mir reicht 's, lass uns mal eine Pause machen, ich bin ganz schön müde geworden. Ich finde, wir kümmern uns als nächstes darum, ob es irgendwelche Ideen gibt, die dem Auftauen des Permafrostbodens Einhalt gebieten könnten."

Ben: "Gut, das sollten wir uns vornehmen. Also, Stefan, dann mach ich mich jetzt mal auf den Heimweg. Bis denn, Tschüss.

Fortsetzung folgt ...


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

https://www.apotheken-umschau.de/Milzbrand#Wie-entsteht-Milzbrand?

Https://www.focus.de/wissen/klima/klimaerwaermung/bedrohung-durch-klimawandel-erreger-in-permafrostboden-augetaut-milzbrandepidemie-bedroht-mensch-und-tier_id_5795835.html

http://www.naju-wiki.de/index.php/Permafrost


13. März 2018


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