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BERICHT/157: Kulturerbe - In den Farben des Südens (research*eu)


research*eu - Nr. 62, Februar 2010
Magazin des Europäischen Forschungsraums

KULTURERBE
In den Farben des Südens

Von Christine Rugemer


Die natürlichen Pigmente analysieren, die Handwerker und Künstler rund ums Mittelmeer im Laufe der Geschichte verwendeten; diese industriell reproduzieren, um sie Restauratoren und Künstlern von heute zugänglich zu machen - dieses Ziel verfolgt das europäische Projekt MedColour.

Ockerfarben, die vom sonnigen Gelb bis zum tiefen Orange reichen, Rottöne, die bis ins Schwarze gehen und ein einmaliges Blau - seit der Hochantike verwendeten die Menschen am Mittelmeer dieselben typischen Farbnuancen, um ihre Gebäude und Kunstwerke zu bemalen. Sie sind in der Malerei, auf Stoffen und Schriftstücken von Kleinasien bis nach Südeuropa zu finden. In der Tat verwendeten Künstler und Handwerker dieselben Pigmente, die aus Pflanzen, Mineralien, Insekten und Muscheln gewonnen wurden - dabei ist der "Weg der Farben", den sie im Laufe der Geschichte genommen haben, allerdings nur unvollständig bekannt. "Seit dem 19. Jahrhundert haben synthetische Farben die traditionellen Verfahren mit natürlichen Pigmenten verdrängt und diese sind dann in Vergessenheit geraten. Wenn wir alte Werke restaurieren wollen, müssen wir deshalb diese althergebrachten Pigmente bestimmen und analysieren. Gelingt es uns, diese wiederzuentdecken, können wir unprofessionelle Eingriffe vermeiden, wie sie im vergangenen Jahrhundert stattgefunden haben, und unser gesamtes Kulturerbe des Mittelmeerraumes konservieren, ohne dass dieses an Besonderheit verlieren würde. Genau dieses Ziel verfolgt MedColour und wir setzen dazu die modernsten physikalischen und chemischen Verfahren ein", erklärt Ioannis Karapanagiotis, Chemiker und Projektkoordinator.


Hightech im Dienst der Kunst

Die Forschungen konzentrierten sich auf mehr als 130 Kunstwerke und verschiedene Techniken, deren Herkunft und Datierung eindeutig sind. Darunter befinden sich ganz unterschiedliche Zeugnisse der Vergangenheit, wie etwa ein kleiner Teppich aus der Seldschukenzeit im Museum für türkische und islamische Kunst in Istanbul, eine Tunika (sakkos) des Kaisers Ioannis Tsimiskis (Kloster Ivoron auf dem Berg Athos) oder 13 Ikonen kretischer Schule aus dem 15. bis 17. Jahrhundert. Sie ermöglichen uns das Studium der Entwicklung der Rottöne, die Bestimmung organischer und nicht-organischer Farben, und es lässt sich untersuchen, ob in der Zeit nach der Entdeckung der Neuen Welt auch bis dahin unbekannte Pigmente verwendet wurden. Anhand mikroskopischer Proben konnte die Struktur der verschiedenen Farbschichten mit ausgefeilten physikalischen und chemischen Methoden untersucht werden. Zu diesen gehörten auch die Raman-Spektroskopie und die Hochleistungsflüssigkeitschromatografie (HPLC) in Verbindung mit einem Fotodiodendetektor.(1)

Dieses neue Wissen erlaubt die Restauration von Kunstwerken, bei der man ganz genau weiß, welche Pigmente in den einzelnen Lackschichten verwendet wurden, und jede Schicht mit dem entsprechenden Lösungsmittel reinigen kann. Weiterhin hilft die traditionelle Herstellung von Wolle oder Seide den Teppichrestaurateuren dabei, die Farben zu verwenden, die dem Original am nächsten und vor allem sehr viel lichtechter als Industrieprodukte sind.

Um diesen besonderen Aspekt ihres Ansatzes vorzustellen, organisierten MedColour-Partner im November 2008 verschiedene Workshops an der Universität Sidi Mohamed Ben Abdellah in Fez (Marokko). "Wir wollten zunächst die KMU und die im Kunsthandwerk engagierten Organisationen über die Möglichkeit der Herstellung natürlicher Farben informieren, die zwar industriell hergestellt werden, jedoch nach traditionellen Rezepten", erklärt Rachid Benslimane von der Universität Fez. "Bei dieser Gelegenheit konnten wir außerdem Forschern und Spezialisten die jüngsten Ergebnisse unserer Arbeiten zu neuen Diagnose- und Bestimmungsverfahren für natürliche Farbstoffe in Kunstwerken sowie zu Herstellungsverfahren und zur Charakterisierung der Farbstoffe vorstellen."

Ein weiteres wichtiges Ziel der MedColour-Partner ist die Verbreitung dieses Wissens. Zu diesem Zweck bauen sie gerade eine Datenbank auf, mit deren Hilfe sie die Konservierungsstrategien für das Kulturerbe am Mittelmeer dokumentieren können.


(1) Mithilfe der Raman-Spektroskopie als zerstörungsfreiem Verfahren ist es möglich, die molekulare Zusammensetzung und Struktur eines Materials zu bestimmen. Die HPLC oder Hochleistungsflüssigkeitschromatografie ist ein analytisches Trennverfahren, mit dem sich Substanzen identifizieren und quantifizieren lassen. Eine Fotodiode ist ein Halbleiterelement, mit dessen Hilfe sichtbares Licht in elektrischen Strom umgewandelt werden kann.


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Quelle:
research*eu - Nr. 62, Februar 2010, Seite 25
Magazin des Europäischen Forschungsraums
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. August 2010