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BERICHT/163: Malangatana Valente Ngwenya - Der große Maler Mosambiks ist tot (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 1, Januar/Februar 2011

Malangatana Valente Ngwenya
Der große Maler Mosambiks ist tot

Von Lothar Berger


Er war nicht nur Mosambiks größter Maler, er gehörte auch zu den bedeutendsten und international anerkanntesten Künstlern Afrikas - Malangatana Valente Ngwenya. Am 5. Januar ist er im Alter von 74 Jahren verstorben.


Ältere "Soli"-Menschen erinnern sich vielleicht noch: Im Dezember 1988, zum Höhepunkt der südafrikanischen Aggression gegen die "Frontstaaten" Angola und Mosambik, fand in Bonn-Bad Godesberg die internationale Ecasaama-Konferenz (Europäische Konferenz - Beendet Südafrikas Aggression gegen Mosambik und Angola) statt. Mosambiks künstlerischer Botschafter Malangatana Valente Ngwenya gehörte zur offiziellen Delegation aus Mosambik. Für den berühmten Maler hatte das Organisationskomitee eigens ein großes Atelier im Vorgebirge bei Bonn angemietet, damit er dort eines seiner großen Werke in den Tagen vor der Konferenz vollenden konnte. Malangatana vermachte sein drei mal vier Meter großes Bild mit dem Motto "Solidarität mit Solidarität" der Ecasaama-Konferenz. Als er dort, statt eine Rede zu halten, lieber eine Brahms-Melodie mit mosambikanischem Text anstimmte, löste sich wie von unsichtbarer Hand geführt das rote Tuch und gab das Bild frei für den Blick der erstaunten Zuhörer.

Malangatanas Bilder kommentieren die historischen und politischen Entwicklungen in seinem Land. Sie thematisieren Kolonialismus, Befreiungskampf, Unabhängigkeit und Bürgerkrieg. In seinen großen Werken werden aber auch die Geschichten, Mythen und Zeremonien seines Volkes wach. Dämonen und Geister beherrschen die Leinwand, Tiere und Menschen behüten Schätze, zeugen von Kämpfen, Hunger und Zerstörung, aber ebenso vom Leben und der Liebe. Seine kraftvollen Wandgemälde schmücken zahlreiche öffentliche Gebäude in Mosambik und anderen afrikanischen wie überseeischen Ländern. Sie prägten die Ikonografie des unabhängigen Landes nachhaltig.

Von Malangatanas internationalem Engagement konnten sich 1988 700 Millionen Fernsehzuschauer in aller Welt ein Bild machen. Er hatte damals das Bühnenbild für Nelson Mandelas Geburtstagskonzert im Londoner Wembley Stadion geschaffen, das weltweit übertragen wurde. Das Bild war ebenso wie das für die Ecasaama-Konferenz geschaffene Gemälde oder seine riesigen Wandbilder in Maputo Teil seines gesellschaftspolitischen Engagements.

Malangatana sagte selbst zu seinen Arbeiten: "Die gesellschaftspolitischen Themen sind Teil meiner Sorge. Ich möchte erreichen, dass sich der Mensch wiederfindet in jeder Farbe, in jedem Tropfen Blut, in jedem Biss des Lebens. Ich möchte gehen bis zur Wiege des Menschen, möchte erinnern, wie schön es wäre, die Geschichte zu bauen ohne Zerstörung, ohne Demütigung, ohne Blutbad."

Bilder wie sein riesiges Wandgemälde im Garten des Naturhistorischen Museums in Maputo sind brillante Fresken, die menschliche und tierische Gestalten zeigen, die den Betrachter von drei nebeneinander stehenden Wänden anstarren. Das Auge des Betrachters reagiert eher auf immer wieder neue Details als auf die Gesamtkomposition.

Malangatana Valente Ngwenya wurde am 6. Juni 1936 in dem Dorf Matalane im Marracuene-Distrikt in Südmosambik geboren. Er besuchte eine Missionsschule, half der Mutter bei der Feldarbeit. Sein Vater war als Wanderarbeiter in den Goldminen Südafrikas selten zu Hause.

Sein erstes Geld verdiente er sich als Balljunge in einem Tennisclub in Maputo, was ihm erlaubte, seine Ausbildung fortzusetzen und die Abendschule zu besuchen. Er begab sich auch in die Lehre eines traditionellen Heilers, der den jungen Malangatana in die Geheimnisse der überlieferten Magie einführte. Die in seinen "Lehrjahren" als Heiler gemachten Erfahrungen flossen später in seine eigentliche Leidenschaft hinein - die bildende Kunst. Zunächst arbeitete er autodidaktisch und konnte 1958 erstmals öffentlich ausstellen.

Malangatanas Zugang zur Kunstwelt entsprang eigentlich einer kleinen Episode im Tennisclub. Der Biologe Augusto Cabral, späterer Direktor des Naturhistorischen Museums Mosambiks, war Mitglied des Clubs. Eines Tages fragte Malangatana Cabral, ob er vielleicht ein Paar Sandalen für ihn hätte. Cabral nahm den jungen Malangatana mit nach Hause und dieser hatte am Ende mehr als nur die Sandalen mitgenommen. Cabral war ein Hobbymaler, was die Neugierde von Malangatana weckte. "Lehre mich das Malen", sagte er. Cabral gab ihm Pinsel, Farbe und Leinwand. "Was soll ich denn malen?" "Was in deinem Kopf ist", antwortete Cabral, und Malangatana folgte für das nächste halbe Jahrhundert seinem Rat.

Er wurde ein professioneller Künstler und hatte 1960 seine erste eigene Ausstellung in den Räumlichkeiten des portugiesischen Architekten Pancho Guedes. 1963 wurden einige seiner Gedichte in dem Magazin "Orfeu Negro" veröffentlicht und er wurde in die "Antologia da Poesia Moderna Africana" aufgenommen. Malangatanas Vielseitigkeit zeigte sich auch an Versuchen mit Bildhauerei, Keramik, Stoffdekoration, Poesie, Musik und Theater. In seinem jahrzehntelangen Schaffen hatte er Dramen geschrieben, Musikstücke komponiert, Skulpturen geschaffen und sich mit Ton, Holz und Batik beschäftigt.

Im Jahre 1964 wurde er verhaftet. Er hatte sich der antikolonialen Widerstandsbewegung Frelimo angeschlossen, wurde vom portugiesischen Geheimdienst aufgespürt und musste für 18 Monate hinter Gitter. 1971 wurde er erneut verhaftet, nachdem er kurz zuvor sein Bild "25. September" im Núcleo de Arte ausgestellt hatte. Dennoch gelang es ihm in dieser Zeit, mit Hilfe eines Stipendiums der Gulbenkian-Stiftung Bildhauerei und Keramik in Portugal zu studieren.

Nach der Unabhängigkeit Mosambiks wurde Malangatana 1990 für vier Jahre Parlamentsabgeordneter der Frelimo. Im Jahr 1998 wurde er in die Stadtverordnetenversammlung von Maputo gewählt und 2003 wiedergewählt. Er engagierte sich in der Jugend- und Volksbildung, in politischen Alphabetisierungskampagnen und in der Organisation von Dörfern in der Nampula-Provinz im Norden des Landes. Malangatana war zudem einer der Gründer des "Movimento Mocambicano para a Paz" und gehörte zu der Gruppe der "Künstler gegen Apartheid".

Für sein Engagement wurde er vielfach national und international ausgezeichnet, unter anderem mit der Ernennung zum Unesco-Künstler für den Frieden und mit dem Prince Claus Award. Zu seinem 70. Geburtstag 2006 wurde er mit dem Mondlane-Orden, der höchsten Auszeichnung Mosambiks, geehrt. Im Jahr 2010 bekam er den Titel eines Doktor honoris causa von der Universität Évora in Portugal und er wurde von Frankreichs Regierung als Commandeur des Arts et Lettres geehrt. Malangatana war auch einer der wenigen Ausländer, die als Ehrenmitglieder der Akademie der Künste der DDR berufen wurden.

Malangatana hat eine ganze Generation von Künstlern in Mosambik geprägt. Doch viele junge Künstler haben sich von dem großen Malangatana zu emanzipieren vermocht und wie Kheto Lualuali oder Inácio Matshine ihren eigenen Stil geschaffen.

Nach längerer Krankheit ist Malangatana nun am 5. Januar in der Wohnung seiner Tochter in Matosinhos bei Porto/Portugal gestorben.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 1, Januar/Februar 2011, S. 16 - 17
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. April 2011