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DESIGN/058: "Tracht ist nicht mehr ideologisch besetzt" (Welt der Frau)


Welt der Frau 2/2012 - Die österreichische Frauenzeitschrift

"Tracht ist nicht mehr ideologisch besetzt"

Interview von Andrea Mann


Schrille Kleidung, billig produziert, einmal getragen, wieder out. Das "Alles-zu-viel" hat eine Trendumkehr bewirkt. Nachhaltigkeit ist gefragt, altes Handwerk und alte Materialien werden wieder geschätzt. Gexi Tostmann vom gleichnamigen Trachten-Traditionsunternehmen über Knopferln, die wieder aus Perlmutt sein dürfen.


"WELT DER FRAU": Welches in Vergessenheit geratene Material ist nun gefragt?

TOSTMANN: Das sind vor allem Blaudruck, Filz, Knopferln aus Perlmutt und Silber oder die Federkielstickerei. Auch Leinen, Seide und Loden werden wieder mehr geschätzt. In unserem Betrieb ist das jetzt aber nicht das große Thema, denn wir haben schon immer gesucht und gefunden. Dass wir immer wieder fündig wurden, haben wir den vielen Klein- und Mittelbetrieben zu verdanken, die sich mit altem Handwerk über die vielen Jahre beschäftigt haben. Ich finde es sehr gut, Dass dieses traditionelle Handwerk nun wieder von einer breiteren Masse geschätzt wird.

"WELT DER FRAU": Was wird in erster Linie wieder mehr verarbeitet?

TOSTMANN: Das sind sicher Blaudruck und Filz. Einerseits ist es die handwerkliche Produktion, andererseits haben die beiden etwas Archaisches an sich. Das sind Materialien, bei denen man durch archäologische Ausgrabungen weiß, Dass sie schon vor 3.000 Jahren verwendet wurden. Der Blaudruck ist extrem teuer, und man hat den Wert des Handwerks nicht so richtig geschätzt. Der Filz war eine Zeit lang völlig vergessen. Vor 20, 30 Jahren hat es langsam wieder angefangen, Dass er auf Handwerksmärkten angeboten wurde. Dadurch wurde er auch für die Mode wiederentdeckt.

"WELT DER FRAU": Warum diese Rückbesinnung auf Traditionelles?

TOSTMANN: Ich glaube, dieser Trend hat gar nicht so viel mit Tracht zu tun, sondern ist eine Gegenbewegung zu dieser Wegwerfgesellschaft. Viele junge Leute wollen sich wieder unterscheiden und einen Kontrapunkt zur androgynen Mode setzen. Sie wollen Nachhaltigkeit.

"WELT DER FRAU": Sind Sie glücklich darüber, was jetzt alles in Sachen Tracht auf den Markt gekommen ist?

TOSTMANN: Es gibt natürlich ästhetische Unterschiede. Dirndl und Tracht sind etwas Demokratisches und gehen quer durch alle Bevölkerungsschichten. Das ist derzeit sehr extrem. Ich finde es aber gut, Dass man wieder einen spielerischen Zugang zur Tracht gefunden hat. Tracht ist nicht mehr so stark ideologisch besetzt. Meine Generation hat sehr gegen diese Ideologie von den Nazis angekämpft, die mit Tracht verbunden wurde. Das ist nun nicht mehr so. Wir sind eine Event-Kultur geworden. Man hat für Kirtag und Wiesn andere Vorstellungen, als für einen Auftritt zu Fronleichnam, bei der Stubenmusi oder zu den Festspielen.

"WELT DER FRAU": Wollen junge Trachten-Trägerinnen Haut zeigen oder Tradition?

TOSTMANN: Beides. Die Gründe, Tracht zu tragen, sind sehr unterschiedlich. Grundsätzlich glaube ich, Dass die jungen Leute mehr in die Welt hinauskommen und dadurch erkennen, Dass Tracht etwas Einmaliges ist. Die Sprache der Kleidung kommt in der jetzigen Entwicklung mehr heraus.

"WELT DER FRAU": Setzen sich die Leute mit der Bedeutung von Tracht auseinander?

TOSTMANN: Junge Leute setzen sich mit den heimlichen und unheimlichen Gesetzen der Tracht überhaupt nicht auseinander. Was Vor- und Nachteile hat. Manche sind aber schon sehr begierig zu hören, was ist bei diesem Stil erlaubt oder erwünscht und was ist tabu. Da muss man aber unterscheiden. Bei den Festtrachten stecken mehr Gesetzmäßigkeiten dahinter, bei der Dirndlmode eher nicht. Ein Dirndl ist mehr ein Stil, der im Zuge der Sommerfrische entstanden ist, und wurde durch die Trachtenerneuerung eigentlich reduziert.


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Quelle:
welt der frau - Die österreichische Frauenzeitschrift,
Februar 2012, Seite 43
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und der Autorin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2012