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DESIGN/060: Wiener Chic statt Dirndlhype (Welt der Frau)


Welt der Frau 2/2012 - Die österreichische Frauenzeitschrift

EDLES HANDWERK
Wiener Chic statt Dirndlhype

Von Andrea Mann


Für die Wiener Designerin Susanne Bisovsky ist die Arbeit mit der "wahren" Tracht ein Eintauchen in die Geschichte alter Produktionsverfahren und ein Entdecken von längst vergessenen Materialien. Aus diesem Mix und einem Hauch von "Hier und Heute" schafft sie Haute Couture.


Wenn die Designerin Susanne Bisovsky durch den 204 Quadratmeter großen Wiener Salon führt, so ist das wie ein Eintauchen in eine unbekannte, aber letztlich doch vertraute Welt. Eine Fülle von Stoffen, Farben, Mustern und Büchern, die wiederum Aufschluss über alte Techniken und die bestechende Qualität und Detailfreudigkeit vergangener Tage geben. Die 44-Jährige hat sich über die Jahre ein Archiv, bestehend aus deutschen, ungarischen, slawischen und österreichischen Trachten oder Teilen, die für sie interessant sind, zugelegt, aber auch einen immateriellen Fundus von Geschichten und Erzählungen, den Berichten von Personen, die für ihre ganz spezielle Herangehensweise von Bedeutung sind.

Dieses Archiv, das sich quer über die ganze Wohnung feinsäuberlich auf sämtlichen Wänden, in Glasvitrinen oder auf Kleiderstangen verteilt, ist Inspirationsquelle für die Designerin und findet sich auch in ihren Haute-Couture-Modellen wieder. In ihren Entwürfen für Modehäuser, wie Sportalm oder seinerzeit Gössl, geht und ging es um einen österreichischen Zugang zu Tracht und Trachtenmode.

Ihre eigene Arbeit jedoch bezeichnet sie nicht als Tracht. Denn der Begriff "Tracht" wird meist falsch interpretiert und inszeniert und als Trachtenhype gänzlich überstrapaziert. "Die Wiesn-Society und deren Ableger sehen heutzutage nur mehr Dirndl und Lederhose. Im Grunde reicht hier eine Badelederhose. Ich versuche abseits von diesen Klischees etwas typisch Österreichisches oder besser gesagt Wienerisches zu kreieren. Es gibt nicht einfach nur das Dirndl", sagt die Designerin und kramt sofort mehrere Beispiele aus ihrem geistigen Archiv hervor, "und schon gar nicht ein Original-Dirndl!" Früher wurde direkte Kommunikation, aber auch Gemeinschaftssinn über das Kleidungsstück transportiert, wie die Werktagstracht, die Kirchgangstracht, die Abendmahltracht oder etwa die Abtrauertracht. War der Ehemann gestorben, ließ die Witwe über die Kleidung wissen, dass sie eine gewisse Zeit nicht zu haben sei. "Die Menschen haben sich zu allen möglichen Gelegenheiten bewusst etwas Bestimmtes angezogen, um etwas zu symbolisieren, um in der Gruppe verständlich zu sein und um respektiert zu werden."


Stoff statt Haut

Angesichts der inflationären High-Society-Trachten-Events, bei denen die scheue Designerin sicher nicht anzutreffen ist, läuft ihr ein kalter Schauer über den Rücken. "Inzwischen geht es vor allem darum, Haut zu zeigen - Beine unten rausquetschen, Dekolleté raufdrücken. Das wird zusehends langweilig. Es gibt schöne Dekolletés, aber das ist nicht unbedingt Ausgangspunkt meiner Arbeit. Ich sehe es eher so: Je mehr Haut bedeckt ist, desto mehr erotischer Anreiz ergibt sich. Es gibt auch mehr Möglichkeiten, den Körper durch Textiles zu gestalten, indem man mehr Haut bedeckt."

Susanne Bisovsky arbeitet konstant daran, einem "Wiener Chic" auf die Beine zu helfen oder noch Reste davon aufzuspüren. Wenn WienTourismus in New York einen Preis für sein Soundbranding gewinnt, dessen inhaltliche Ausrichtung als "elegante Wiener Dame" bezeichnet wird, dann ist das "Wiener Mädel" Susanne Bisovskys nicht mehr weit. "Ich arbeite an der Revitalisierung eines gewissen Wiener Stils, und dazu gehören auch Personen, die das verkörpern. Diese Mädchen, Fräulein, Damen mit der gewissen unschuldigen Anmutung suche ich noch. Und ganz konkret werden dabei auch Wiener Spezialitäten wie Petit-Point-Stickerei und Techniken aus der Porzellanproduktion herangezogen. Teile, die es nicht beim Diskonter gibt."


Wien - Paris

Susanne Bisovsky begann ihr Modestudium in Wien bei Vivienne Westwood. Während ihre Studienkolleginnen an alienartigen Kreationen tüftelten, stand für sie schon bald die völlig aus der Mode gekommene österreichische Tracht als wesentlicher Bestandteil ihres Interesses fest.

Jean-Charles Castelbajac holte die Newcomerin direkt nach Paris. Helmut Lang interessierte sich für ihre neue und innovative Kombination von Trachtenelementen und Latex. Kathleen Madden wurde in Deutschland auf sie aufmerksam und die österreichischen Player dann Step by Step: Gössl, Austrian Embroideries und speziell Sportalm Kitzbühel. Kooperationen gab es auch mit Swarovski, Lobmeyr, Backhausen, Augarten und dem ungarischen Porzellanspezialisten Herend.

In den 90er-Jahren und zum Ende ihres Studiums begann Susanne Bisovsky, sich noch intensiver mit Trachtenmode, Accessoires und seltenen Techniken auseinanderzusetzen, und wurde auf Reisen im In- und Ausland fündig. "Ich bringe alte und neue Dinge zusammen. Man kann nicht museal arbeiten, sondern muss dem Gesamtlook ein Hier und Heute verleihen, damit die Leute das auch wollen und verstehen. Wenn ich Latex zu einer Zeit eingesetzt habe, als noch kein Hahn - geschweige denn die Mitstreiter - danach gekräht hat, dann nicht, um die simple Welt des Fetischs zu bedienen, sondern weil mich die Oberfläche an die Juppen des Bregenzer Waldes oder an speckig abgenützte Anzüge mit den typischen Glanzstellen der Großväter erinnert hat!"


Keine Effekt-Handlungen

Für sie ist es wichtig, sich ohne Ablenkung durch Trends und Modernismen auf ihr Werk zu konzentrieren. Mit Effekthascherei kann sie wenig anfangen. "Wenn kein Unterschied mehr zwischen kurzfristigem Hype und einer lang erarbeiteten Überlegung gemacht wird, dann kommt man mitunter in Erklärungsnot. Warum trägt eine Frau ein Kleid mit nur einem Ärmel, wenn sie zwei Arme hat? Der Körper ist nun einmal symmetrisch aufgebaut und perfekte Proportion ein sehr zentrales Element meiner Arbeit."


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Quelle:
Welt der Frau - Die österreichische Frauenzeitschrift,
Februar 2012, Seite 40-42
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und der Autorin
Herausgeberin: Katholische Frauenbewegung Österreichs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2012