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ARBEITERSTIMME/228: Wahlen in Wien und der Steiermark


Arbeiterstimme, Winter 2010, Nr. 170
Zeitschrift für die marxistische Theorie und Praxis
- Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein! -

Wahlen in Wien und der Steiermark
Oder: der unaufhaltsame Aufstieg des HC-S


Und es half alles nichts! Pünktlich zwei Wochen nach den Wienwahlen präsentierte die Bundesregierung ihr Budget der sozialen Grausamkeiten. Dass damit ein Verstoß gegen die Verfassung vorlag - das Budget hätte viel früher dem Parlament präsentiert werden müssen - wurde mit dem Verweis auf die nicht vorhersehbare wirtschaftliche Entwicklung abgetan. Nach den Wahlen waren die Regierungspolitiker plötzlich fähig, für drei Jahre wirtschaftliche Entwicklungstendenzen zu analysieren und ein entsprechendes Budget mit enormen Einsparungen in den Bereichen Soziales, Bildung etc. zu präsentieren. Das erzeugt zusätzliche Troubles in der eigenen Klientel: Gewerkschaften verabschieden Protestresolutionen, die Salzburger und die oberösterreichische SPÖ verlangen Änderungen und auch in der "Familienpartei" ÖVP gärt es ziemlich heftig! Und die Studenten gehen auf die Straße - weitere Proteste mit Beteiligung der Gewerkschaften und NGOs sind absehbar. Im Bundesland Oberösterreich etwa wird zusätzlich bei Armen, Alten und Behinderten gespart, und das von einer schwarz-grünen Koalition mit sozialdemokratischem Sozialressort.

Das bewirkte ein weiteres Meinungsumfragetief für die beiden Koalitionäre, die in den Wahlen jeweils teils starke Verluste zu verzeichnen hatten. Der eindeutige Sieger war die rechtsextreme FPÖ.

Und alle sahen sie sich dennoch in der Steiermark als Wahlsieger. Die SPÖ, obwohl mit massiven Stimmenverlusten an die FPÖ in den Industriezentren konfrontiert, weil sie für eine zweite Amtsperiode das bis dahin tief schwarze Kernland Steiermark halten konnte (38,4%; -3,3%). Die ÖVP freute sich über weniger Verluste als befürchtet, die Grünen über ein paar Zehntel Prozentpunkte Dazugewinn (5,5%; +0,7%) und die KPÖ trotz Verlusten über den Wiedereinzug in den steirischen Landtag. Die FPÖ konnte ihre Stimmen mehr als verdoppeln - allerdings von einem relativ bescheidenen Ausgangsniveau (von 4,6 auf 10,7%).

Der Wahlkampf der steirischen SPÖ war ganz auf den amtierenden Landeshauptmann zugeschnitten. In der Landesregierung und im Wahlkampf stritt er meist mit dem ÖVP-Spitzenkandidaten Schützenhöfer, um danach wieder ein Regierungsübereinkommen abzuschließen, nicht ohne gleich am Wahlabend zu betonen, dass für ihn auch eine Koalition mit der FPÖ in Frage käme(!) - und damit seinem im Wahlkampf stehenden Wiener Landeshauptmann und Parteikollegen Häupl in den Rücken zu fallen! Voves setzte im flauen Wahlkampf offenbar unglaubwürdig auf die soziale Frage. Im Landtag hatte die SPÖ diesbezügliche Anträge der KPÖ meist abgelehnt. Die Sozialdemokraten profitierten auch vom gesamtösterreichischen Trend. Seit dem Eintritt in die Regierung verlieren sie eine Wahl nach der anderen.

Die ÖVP hatte in der Steiermark bis zur letzten Wahl den Landeshauptmann/frau gestellt. Einige Skandale und eine Gegenkandidatur kehrten die Mehrheitsverhältnisses um. Sie setzte diesmal auf altbekannte Muster, verpasste sich das antiquierte Image des lodentragenden Steirermen. Das fand wenig Zustimmung vor allem bei den weltoffeneren Grazer Stadtbürgern, wo sie massive Verluste einfuhr. Insgesamt verlor die ÖVP nochmals 1,5% (37%). Das war ihr schlechtestes Ergebnis in der Nachkriegsgeschichte!

Die Wahlkampfstrategie der FPÖ gleicht sich wie ein Ei dem anderen: erst provozieren, dann teilweise dementieren, verharmlosen - und die Medien stürzen sich auf die Skandale wie die Geier auf's Aas. Und im Hintergrund der farblosen Kandidaten steht der Erlöser - der "wir werden 's denen da oben schon zeigen"-HC Strache. Dies findet großen Anklang in Österreich, wo generell Protest nicht aktiv wird, sondern die extreme Rechte stärkt. Das stark von der Kaiserzeit und zwei faschistischen Diktaturen geprägte Obrigkeitsdenken ist in weiten Teilen der Bevölkerung verankert. In Graz kam die FPÖ mit einem im Internet erschienen Muezzinvernichtungsspiel in die Medien: die Grünen klagten - das Spiel wurde verboten - Strache dementierte etc. - das Spiel war gewonnen.

Die FPÖ verteilte vor den Werkstoren ausländerfeindliche Flugblätter und hat damit das kleinbürgerliche Besitzstandsdenken vieler Facharbeiter, ob Stammpersonal oder Leiharbeiter, angesprochen. Ausländer als Synonym für Arbeitsplatzgefahr, Angst vor schlechter Schulbildung für die Kinder, Verschlechterung der Wohnsituation etc. Und in diesem Ton geht es dann im Wiener Wahlkampf weiter. Strache appelliert im Sinne der Blut und Boden-Ideologie des Dritten Reiches ans "Wiener Blut" (eine bekannte Operette!) und fordert in einem an alle Wiener Haushalte verteilten Comic "Sagen aus Wien" einen Jungen auf, einen Moslem mit einer Steinschleuder abzuschießen! Auch hier kamen wieder Dementi und Abschwächung - der Medienrummel war wieder sicher.

Die Arbeitslosigkeit geht zwar zurück, aber auf Kosten von Leiharbeit und prekären Arbeitsverhältnissen und der lebenslange Arbeitsplatz wird zur Randerscheinung; Anknüpfungspunkte genug, um an primitive Urinstinkte einer in langjährigem sozialpartnerschaftlichen Denken entideologisierten Arbeiterschaft zu appellieren.

Während die KPÖ durch tagtägliche Kleinarbeit vor allem in den Industriezentren und der Hauptstadt doch zu einem beachtlichen Ergebnis kam, kann die extreme Rechte, bereichert um eine neue Leitfigur, leicht von einem Sieg zum anderen eilen. Selbst die KPÖ Steiermark vermied es tunlichst, auf die rassistischen Auswüchse der Blauen zu konsequent zu reagieren.

Die KPÖ hatte diesmal mit dem Ausscheiden ihres sozial äußerst engagierten, doch wenig ideologiebehafteten Medienstars ("Engel der Armen") Ernst Kaltenegger zu kämpfen. Daher war es fraglich, ob ein weiteres Mal der Sprung in den Landtag gelingen würde. Die KPÖ verlor zwar (von 6,4 auf 4,4%), behielt aber zwei ihrer vier Landtagsabgeordneten. Das kann als ein durchaus erfreuliches Ergebnis gewertet werden. Durch ein Grundmandat in einem Wahlkreis wurde dies erreicht. Die neue Spitzenkandidatin Klimt-Weitthaler trat im Wahlkampf erfreulich kantiger als ihr Vorgänger auf, bekannte sich des Öfteren zum Marxismus und thematisierte auch Systemalternativen. Die Kommunisten setzten vor allem auf die soziale Frage. Honoriert wurde aber auch ihr tägliches Eintreten für die arbeitende und benachteiligte Bevölkerung in der Hauptstadt und den Industriezentren. Wirkliche Tiefenwirkung erzielen die Kommunisten dabei kaum, wie die Resultate bei diversen überregionalen Wahlen zeigen. Viele karitative Aktionen lassen die steirischen Kommunisten zudem bei Teilen der Bevölkerung als die ehrlicheren Sozialisten erscheinen.


Wien

Der weit heftiger ausgetragene Wiener Wahlkampf war in vielen Facetten eine medial inszenierte Show. In den Privatsendern ATV und Puls 4 z.B. matchten sich die Spitzenkandidaten in römischen "Brot und Spiele"-Shows. In ATV etwa mussten die Parteien für ihre Anhänger Eintrittskarten kaufen (!). Die Grünen zögerten anfangs, zahlten aber später brav.

Einer der Schwerpunkte war das Thema Integration, Zuwanderung und Assimilation, das von der FPÖ vorgegeben wurde. Die Stadt Wien betreibt auf kommunaler Ebene viele Betriebe und bedient Bereiche, die in anderen Städten schon längst privatisiert sind. So wird etwa in Gärtnereien Gemüse für Kindergärten angebaut. Ein Hauch vom Roten Wien der 30er Jahre durchzieht noch die Stadt. Dies ergibt eine teilweise durchaus beachtliche städtische Infrastruktur und kommunale Leistungen und als negative Auswirkung eine starke Verfilzung von SPÖ-nahen Großfirmen mit der Stadt Wien. Die Wiener Magistratsbetriebe starteten schon im Frühjahr eine gigantische Werbe- und Inseratenkampagne, die Stadt (sprich SP) befragte kurz vor der Wahl die Bürger, eröffnete U-Bahnlinien und beschloss die Wiedereinführung eines Wiener Originals, des Hausmeisters.

Es half alles nichts! Der immer etwas grantelnde Herrscher von Wien, Michael Häupl, und seine Sozialdemokraten fuhren herbe Verluste vor allen in Arbeiterbezirken ein, während es in eher bürgerlichen Bezirken teilweise sogar Gewinne gab. Sein Gegenspieler H.C. Strache konnte überall massiv zulegen. SPÖ: 44,4% (-4,75%) FPÖ: 25,8% (+11%!)

Die fremdenfeindliche Politik wirkte! Als Beispiel kann etwa der Bezirk Simmering mit einem relativ geringen Ausländeranteil dienen, in dem die SPÖ massiv an die FPÖ verlor. Der diskothekengeile Schönling H.C. Strache erfreut sich zudem unter den arbeitenden Jugendlichen enormer Beliebtheit, so nach dem Motto: Die Inhalte interessieren uns nicht, aber er ist ein klasser Bursch!

Erfreulich an Häupls Wahlkampf war sein konsequentes Auftreten gegen die Politik der FPÖ und die Person Straches im Besonderen. Und gleich am Wahlabend schloss er jegliche Zusammenarbeit mit der FPÖ aus. Häupl als Gegenpart zu Strache war ein willkommenes Medienspektakel.

Wien ist generell ein Schwachpunkt der ÖVP in der Phalanx der österreichischen Bundesländer. Diesmal ging die Talfahrt weiter. Nur mehr 14% (-4,8%) wählten die Bürgerlichen. Die neue Spitzenkandidatin Christine Marek kam mit dem Image der liberalen Bürgerlichen aus einem Ministerium in die Landeshauptstadt. Auf ihren ersten Plakaten ließ sie allerdings gleich "deutsch lernen" plakatieren und zeigte damit an, wohin der Zug fahren würde: in einen rassistischen Wahlkampf, während ihre Jugendorganisation mit teuren Amischlitten einen "geile Partei" zu vermitteln versuchte. Von ihren Think Tanks schlecht beraten, vergraulte sie die Innenstadtbürger, die, wie erwähnt, zur SP votierten und erreichte mit ihren Hetzparolen natürlich die wenig Betuchten nicht. Wer etwas in dieser Richtung wählt, geht zum Schmied und nichts zum Schmidl, sprich zu H.C Strache!

Die Grünen (12,6%) dachten sich, mehr ist besser und traten in zwei Bezirken mit zwei konkurrierenden Listen an, nachdem es bei der Vorwahlwahlnominierung zu Differenzen gekommen war. Sie verloren dadurch einen ihrer zwei erst errungenen Bezirksvorsteher und fuhren in Gesamten Verluste ein (-2%). Die Spitzenkandidatin Maria Vassilakou kommentierte dennoch erfreut den Wahlausgang. Nach dem Verlust der Absoluten durch die SPÖ hofften die Granen, nicht zu Unrecht, an den Fetttöpfen der Macht mitnaschen zu können. Die Grünen traten konsequent gegen Ausländerfeindlichkeit auf und in sozialer Hinsicht deckten sich ihre Anliegen in vielen Punkten mit denen der KPÖ. Insgesamt macht sich allerdings eine weitere Verbürgerlichung der Partei vor allem in den Innenstadtbezirken bemerkbar. Der einst sehr starke linke Flügel in der Bewegung verliert an Bedeutung.

Dazu passt es, dass nach den Verlusten Versuche zur Abschaffung der Basisdemokratie u.a. vom oberösterreichischen Grün-Landesrat Anschober gestartet wurden. Die Bewegung soll zur kalkulierbaren durchaus regierungsbereiten Bewegung werden, um sich wie in Oberösterreich besser anbiedern zu können. Enttäuschung bei der grünen Bewegung löste das Verhalten des ehemaligen Parteichef s van der Bellen aus. Mit einer Vorzugsstimmenkampagne erreichte er im Wiener Wahlkampf circa 12.000 Stimmen, nur minimal weniger als das regierende Stadtoberhaupt(!), um schlussendlich, nachdem feststand, dass er in der Regierungskoalition mit den Sozialdemokraten den erhofften Spitzenposten nicht bekommen würde, ins Bundesparlament zurückzuwechseln.

Das schönste Ereignis für die wenigen Wiener Kommunisten war wohl das traditionelle Volksstimme-Fest Ende August im Wiener Prater mit zigtausenden Besuchern. Das Ergebnis der Wahlen war zwiespältig. Das Erfreulichste war das Erreichen der flächendeckenden Kandidatur mit der Aufbringung von über 3.000 Unterschriften. Auf Landesebene verlor die Partei 0,35 % und sie sank auf 1,12% - eine herbe Enttäuschung. Das Argument der verlorenen Stimme hat hier sicher auch gewirkt. Die steirischen Kommunisten wären mit ihrem Ergebnis in Wien nicht im Stadtrat. Erfreulich war das konsequent antirassistische Auftreten der Partei. Soziale Forderungen deckten sich teilweise mit grünen Anliegen, sie waren aber konsequenter formuliert.

Auf Bezirksebene war das Resultat erfreulichen. Generell konnten in einigen Bezirken schöne Gewinne erzielt werden. Zu zwei Bezirksräten konnte ein dritter hinzugewonnen werden, obwohl man/frau sich in weiteren Bezirken Chancen ausgerechnet hatte, da es relativ gute Beziehungen zu örtlichen Initiativen gegeben hatte. Die kommunale Arbeit, etwa das Engagement für Mieter und sozial Benachteiligte, wurde in den Bezirken, ebenso wie in der Steiermark, honoriert!

Der Spitzenkandidat Didi Zach ist eine eher farblose mit wenig Charisma ausgestattete kaum medienwirksame Persönlichkeit. Sein Ziel gleicht in etwa dem des ehemaligen Parteivorsitzenden Walter Baier: warten auf eine starke Linke in Österreich, in die sich die KPÖ dann einbringt. Die KPÖ hat in dieser Hinsicht in Wien dringend Erneuerungsbedarf!

Überraschenderweise erklärte Michael Häupl schon kurz nach der Wahl, Koalitionsgespräche mit den Grünen aufnehmen zu wollen. Und nun ist die grüne Stadtchefin Vizebürgermeisterin und mit dem Ressort Verkehr, Energie und Klimaschutz betraut. Die Regierungserklärung, obwohl in einigen Punkten beachtenswert, bleibt in durchaus zu bejahenden Allgemeinphrasen verhaftet und man wird die konkrete Stadtpolitik, besonders die grünen Felder, wie Bildung, Verkehr und Integration, genau beobachten müssen, um Rückschlüsse ziehen zu können.

Nun droht uns ein massives soziales Härte- und Umverteilungspaket mit enormen Belastungen für die "kleinen Leute". Der Salzburger ÖGB- und Arbeiterkammerpräsident Pichler kündigte daraufhin Widerstand an. Er sprach dabei von möglichen Demos, Streiks lehnte er bezeichnenderweise konsequent ab. Sonst würden sich die Arbeiter ihre Grundlagen selbst abgraben! Wahrscheinlich unter dem Motto, wie es die Wirtschaftskammer in einer millionenteuren Werbekampagne jetzt vermitteln will: "Geht's der Wirtschaft gut, geht's uns allen gut!"


F.S.


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Quelle:
Arbeiterstimme, Nr. 170, Winter 2010, S. 22-24
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2011