Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

AUFBAU/267: Die Söldertruppe Aegis Defense Services - nur die Spitze des Eisberges


aufbau Nr. 62, September/Oktober 2010
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Aegis Defense Services - nur die Spitze des Eisberges


SÖLDNER - Die Söldnertruppe Aegis Defense Services hat ihre Zelte in Basel aufgeschlagen. Ein illustrer Name mehr in der langen Liste der hiesigen Kriegsprofiteure. In einem Land, das bedingungslos hinter jeder "Friedensmission" steht. Der bürgerlich-sozialdemokratische Aufschrei könnte verlogener nicht sein.


(rabs) Mit der Holding-Gründung der britischen Söldnertruppe Aegis Defense Services in Basel ist die Schweiz sozusagen über Nacht zur direkt kriegsführenden Partei geworden. Definitiv vorbei sind die Zeiten, in denen sich die KriegstreiberInnen hinter "friedensbringenden Massnahmen" und "humanitären Aktionen" verstecken konnten. Jetzt gilt es ernst: Mit der Spicer-Truppe operiert eine der berüchtigsten, derzeit vor allem im Irak und Afghanistan tätige Söldnerarmee aus der Schweiz.

Was nun allerdings nicht heissen soll, die Schweiz sei bis anhin nicht indirekt kriegsführende Partei gewesen in Afghanistan, Irak oder wo auch immer für den Zugang zu Rohstoffen und Märkten im Namen von Menschenrecht und Demokratie Krieg geführt wird. Die in Wimmis ansässige Firma Nitrochemie liefert beispielsweise das Schiesspulver für die Muttergesellschaft Rheinmetall und die schweizerische Waffenfabrik RUAG. Beide dieser Abnehmer beliefern wiederum die kriegsführenden Armeen in Afghanistan und im Irak. Die Firma MOWAG in Kreuzungen liefert der Bundeswehr die in Afghanistan eingesetzten Geländewagen Eagle IV, die letzte Bestellung von 60 Fahrzeugen datiert vom April dieses Jahres. Seit 2003 gehört die MOWAG einem der weltweit grössten US-Kriegsmaterialhersteller, der General Dynamics.

Amnesty International publizierte 2006 im Bericht "Dead on Time" die Namen von zwei weiteren Schweizer Firmen, die via Bosnien Waffen in den Irak lieferten: Die im baslerischen Laufen beheimatete Waffen und Feinmechanik AG von Joray Marius und die im bernischen Riedbach ansässige BT International AG des Heinrich Thomet. Beide beziehen ihre Waffen u.a. bei der Waffenfabrik Brügger & Thomet AG in Thun.

Dick im Kriegsgeschäft ist auch die internationale Logistikfirma Agility Logistics, die seit 2007 ihren Hauptsitz ebenfalls in Basel hat. Zusammen mit der Söldnerfirma DynCorp organisierte sie seit dem Juli 2009 die Versorgung der US-Truppen in Afghanistan. Ebenfalls im Juli 2009, so will es der Zufall, hat auch Clinton-Berater John Negroponte in der Führungsstruktur von Agility Logistics Einsitz genommen. Zahlreiche Verbrechen des US-Imperialismus seit den Jahren des Vietnamkrieges tragen die Handschrift Negropontes. Traurige Berühmtheit erlangte er anfangs der 80er Jahre als Gründer der Todesschwadronen in Honduras, die danach allein in El Salvador über 40.000 Menschen auf brutalste Weise massakrierten. Trotz dieser illustren Besetzung der Führungsetage verlor die Agility Logistics anfangs dieses Jahres den lukrativen Afghanistan Auftrag und geriet wegen Betrügereien auf die Schwarze Liste der US-Regierung. (1)

Für Bunderätin Widmer-Schlumpf sind die helvetischen Verstrickungen in diese Kriege kein Problem, da es sich im Irak und Afghanistan ohnehin um "innerstaatliche Auseinandersetzungen" handle. Die Neutralität kann aus dieser kolonialen Sichtweise somit gar nicht verletzt werden.


Es begann mit dem Balkankrieg

Der Aufstieg der meisten privaten Militärfirmen begann mit dem von den USA und Deutschland entfesselten Balkankrieg. Dick Cheney, in der Bush-Ära Verteidigungsminister und Vizepräsident, hat die Logistikstrukturen der US-Armee privatisiert wie keiner zurvor. Durchaus im eigenen Interesse: 2003 vergab die US-Army während des Irakkrieges einen umfassenden Logistikauftrag von rund 1.7 Milliarden Dollar an die Firma Kellog, Brown und Root (KBR), eine Tochtergesellschaft von Halliburton, in welcher Cheney als CEO amtete. Ausser der eigentlichen Kriegsführung übernahm KBR alle Aufgaben der Armee: Den Bau von Militärbasen, das Postwesen, die Verpflegung der SodatInnen, das Waschen der Uniformen etc.

Die Aegis Defense Services bilden in Grossbritannien die Hauptstütze der seinerzeit durch den Sozialdemokraten Blair vorangetriebene Privatisierung des Krieges im Irak. Welches Ausmass das Söldnerwesen heute erreicht hat, zeigt Afghanistan, wo inzwischen 52 verschiedene Privatarmeen ihr Unwesen treiben. Sehr zum Missfallen von Präsident Karzei, der darin das "Gewaltmonopol der Regierung" untergraben sieht. Trotz der durchaus richtigen Sichtweise wirkt dieses Aussage aus seinem Mund doch eher grotesk. Bekanntlich beschränkt sich sein Gewaltmonopol bestenfalls auf den Regierungspalast.

Die Privatisierung des Krieges hat viele Facetten. Die privaten Militärfirmen, die mit der Waffe in der Hand operieren, sind nur die Spitze des Eisberges. Dazu kommen die militärischen Beraterfirmen, privaten Sicherheitsfirmen (der Übergang von der militärischen zur privaten Sicherheitsfirma ist natürlich fliessend), aber auch der ganze Logistikbereich, von der Wäsche der Uniformen bis hin zur Verpflegung. Kurz, eine eigentlich militärische Dienstleistungsbranche hat sich in den letzten 15 Jahren entwickelt. Für moderne Armeen gilt heute die Faustregel, wonach auf einen mit dem Gewehr in der Hand kämpfenden Soldaten 100 im Hintergrund agierende Personen kommen.

Zur Privatisierung des Krieges gehört schliesslich auch noch die Einbindung der Hilfswerke, die der ehemalige Aussenminister Collin Powell unverblümt "einen Machtmultiplikator, einen wichtigen Teil unserer Kampftruppen" nannte. (2) Ins gleiche Horn bläst der deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel, der die deutschen Hilfswerke auffordert, sich in Afghanistan "besser mit der Bundeswehr abzustimmen". (3)

Die Auftraggeber der militärischen Sicherheitsfirmen sind keineswegs nur Staaten, die ihre Kriege privatisieren. Immer mehr engagieren auch Konzerne Söldner, um ihre Interessen gegen kämpferische ArbeitnehmerInnen zur Sicherung von Rohstoffquellen militärisch durchzusetzen.


Anmerkungen:
(1) USA verzichten auf Dienste von Agility - ITZ Transportjournal vom 27.5.2010.
(2) Humanitäre Hilfe darf nicht die Hure der Politik sein, Brot für die Welt,
     Autorin Cornelia Füllkrug-Weitzel, 2003
(3) Deutsche Finanzhilfe als Interessenpolitik, NZZ 28.8.10


*


Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafb), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkb), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Arbeitsgruppe Winterthur (agw), Rote Hilfe - AG Anti-Rep (rh-ar), Arbeitsgruppe Jugend (agi), Kulturredaktion (kur)


*


Quelle:
aufbau Nr. 62, September/Oktober 2010, S. 3
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, Postfach 348, 4007 Basel
Revolutionärer Aufbau Bern, Postfach 87, 3174 Thörishaus
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.ch
Redaktion und Vertrieb Schweiz
aufbau, Postfach 8663, 8036 Zürich
Fax: 0041-(0)44/240 17 96
E-Mail: info@aufbau.org
Internet: www.aufbau.org

aufbau erscheint fünfmal pro Jahr.
Einzelpreis: 2 Euro/3 fr
aufbau-Jahresabo: 30 Franken, Förderabo ab 50 Franken


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Oktober 2010