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AUFBAU/323: Emmely - Neuer Alltag nach Streik, Kündigung und Wiederanstellung


aufbau Nr. 69, mai/juni 2012
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Neuer Alltag nach Streik, Kündigung und Wiederanstellung



ARBEITSKAMPF. Vor vier Jahren wurde Emmely bei der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann AG in Berlin mittels eines vorgeschobenen Grundes fristlos gekündigt. Nun hatten wir die Gelegenheit, von Emmely über die weiteren Entwicklungen ins Bild gesetzt zu werden.


(agfk/agkkzh) Kaiser's Tengelmann AG warf Emmely vor, zwei verloren gegangene Leergutbons im Wert von 1.30 Euro eigenmächtig eingelöst zu haben. Nach ihrer Beteiligung an einem Streik Ende des Jahres 2007 wurde sie also mit einem offensichtlich vorgeschobenen Grund entlassen. Der Fall fand, stellvertretend für viele andere, wochenlange Beachtung in der Öffentlichkeit Deutschlands. In den Aufbaunummern 58 und 59 haben wir ausführlich darüber berichtet. Am 10. Juni 2010 hat das Bundesarbeitsgericht beschlossen, dass die Kündigung gegen Emmely rechtswidrig sei und dass Emmely mit sofortiger Wirkung wieder eingestellt werden müsse. Urlaub und Lohn habe die Firma Kaiser's Tengelmann AG ebenfalls nachzuzahlen. Das Resultat des juristischen Kampfes war also zunächst ein grosser Erfolg und fand in Deutschland breite Aufmerksamkeit. Emmely bot in der Folge bei der Kaiser's Tengelmann AG ihre Arbeitskraft wieder an und erhielt zunächst eine Anstellung, welche eine Stunde Fahrzeit von ihrem Zuhause in Anspruch genommen hätte. Emmely empfand dies zu Recht als Massregelung und lehnte diese Stelle ab, schliesslich war sie zuvor gerichtlich rehabilitiert worden. Es ist ihr gelungen, mit Hilfe des Betriebsrates ihren neuen Arbeitsplatz in unmittelbarer Nähe zu erstreiten, in einem Stadtviertel, in welchem sie auch wohnhaft ist.


Schikanierende Bosse, abwesende Gewerkschaften

Die neuen KollegInnen verhielten sich am Anfang gegenüber Emmely zurückhaltend, da sie nicht wussten, was auf sie zukam. Offenbar erfolgreich wurden zuvor Gerüchte gestreut, dass Emmely ArbeitskollegInnen anschwärzen würde und überdies sehr querulatorisch sei. Sogleich erhielt sie in der neuen Filiale die unbeliebtesten Schichten. Auch wurde versucht, ihren Einstieg möglichst garstig zu gestalten. Sie wurde vermehrten Aufmerksamkeitstests, massiven Kassenkontrollen und anderen Schikanen unterzogen. Es folgten vier Monate Urlaub. In dieser Zeit reiste sie durch ganz Deutschland, um sich bei den UnterstützerInnen zu bedanken, welche während des Kampfes solidarisch waren.

Im Gegensatz dazu muss die Gewerkschaft Ver.di Berlin-Brandenburg erwähnt werden, welche Emmely nach wie vor schlecht behandelt, während Ver.di Deutschland Emmely auch bundesweit zwar gerne zu Podiumsdiskussionen einlädt, sie im konkreten Kampf aber auch im Regen stehen liess.


Solidarische KundInnen und KollegInnen!

Im Laufe der Zeit hatte sich das Verhältnis zu den KollegInnen verbessert. Fortan tauchten vermehrt Fragen auf, wie sich dieser Arbeits- und juristische Kampf tatsächlich abgespielt hat und weshalb ein derartiger Trubel in den Medien entstanden ist. Dabei half auch das Emmely-Kampagnenbuch, welches im November 2011 im AG-SPAK-Verlag erschienen ist.

An der Kasse drückt sich die Solidarität der KundInnen vielfältig aus: Bei Emmely entsteht regelmässig ein Stau, weil die KundInnen und MitarbeiterInnen des Hauses gerne von ihr bedient werden. Manchmal erhält sie kleine Geschenke und rund 80% der ehemaligen KundInnen kommen wieder bei Emmely einkaufen. Täglich erhält sie Gratulationen und Glückwünsche für ihren erfolgreichen Kampf. Sie sagt: "Die KundInnen haben viel dazu beigetragen, dass sich die Stimmung unter den KollegInnen verbessert hat. Sie haben die KollegInnen überzeugt, ihre Meinungen zu revidieren. Selbst aus ganz Deutschland kommen die Menschen um mich zu sehen." Sie ist zu einer Symbolfigur dafür geworden, dass man sich nicht alles gefallen lassen muss. Von den neuen KollegInnen erfährt Emmely ebenfalls Solidarität: Beispielsweise werden die KundInnen zu Emmely geschickt, welche Getränkebons einlösen möchten, was einen ironischen Bezug zum damaligen Kündigungsgrund nimmt. Damit sie weiterhin an Veranstaltungen in verschiedenen Städten teilnehmen kann, unterstützen die KollegInnen sie gerne. Auch ist Emmely zu einer beliebten Gesprächspartnerin geworden, sowohl in juristischer Hinsicht, wie auch bezüglich gewerkschaftlichen oder anderen Fragen. Nach einer anfänglich schwierigen Phase in der neuen Filiale kehrt für Emmely also der Alltag wieder ein und viele haben dazu beigetragen, dass es gelingen konnte, Emmely im alten Betrieb zu integrieren. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, dass Kampf und Solidarität zusammen gehören und Schule machen sollten. Ihr Leitspruch ist bis heute: "Wer nicht kämpft, hat schon verloren. Wer kämpft kann gewinnen. Jeder kann das, Du auch!" Wir wünschen Emmely alles Gute!

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Kulturredaktion (kur), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 69, mai/juni 2012, Seite 10
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, Postfach 348, 4007 Basel
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.ch
Redaktion und Vertrieb Schweiz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2012