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AUFBAU/336: Rohstoffe - Hunger und Profite


aufbau Nr. 71, januar 2013
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Rohstoffe: Hunger und Profite

Wird Kapital in die Nahrungsmittelspekulation "investiert", führt dies zu steigenden Preisen und zu zunehmendem Hunger.



Die Spekulation mit Rohstoffen dient in erster Linie dazu, Geld zu verdienen. Dies ist in der Krise um so wichtiger, als dass es immer schwieriger wird, Kapital gewinnbringend anzulegen. Zu den Rohstoffen, mit denen spekuliert wird und deren Preise damit in die Höhe getrieben werden, gehören auch so genannte Agrarrohstoffe, Rohstoffe also, die nicht abgebaut oder gefördert, sondern in der Landwirtschaft angebaut werden. Dazu gehören, unter anderem Mais, Soja, Getreide, Kaffee.

Während in einem früheren Stadium des Kapitalismus die Börse als Bank fungierte, den KapitalistInnen also ermöglichte, bei AnlegerInnen Kredit aufzunehmen, dient sie heute praktisch nur noch, als Casino, in dem mit Derivaten, Futures und ähnlichen Finanzgebilden Geld verdient wird. Womit spekuliert wird, respektive worauf gewettet wird, hängt von der Situation ab. Irgendwann platzt dann jede "Spekulationsmode" und das Geld fliesst in die nächste.


Steigende Preise

Je mehr SpekulantInnen an der Börse Agrarrohstoffe kaufen, respektive darauf wetten, dass die Preise steigen, desto mehr geschieht genau das. Das hat einen verstärkenden Effekt auf die Preisschwankungen: Wenn sich durch eine Dürre oder andere externe Faktoren eine schlechte Ernte abzeichnet, schnellt der Preis augenblicklich in die Höhe. Im Sommer 2012 suchte eine Dürreperiode den "Corn Belt" heim, das wichtigste Anbaugebiet für Mais und andere Agrarrohstoffe der USA. Sofort ging der Preis für Mais, Weizen und Reis nach oben. Zwischen Mitte Juni und Mitte August stieg der Maispreis von etwas über 5 US-$ pro Scheffel (24,4 kg) auf über 8 US-$. Der Weizenpreis stieg von 6,2 auf 9 US-$. Auch längerfristig steigen die Preise: Der Index der Esswarenpreise der FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation) stieg von 100 Mitte 2003 auf 215 Mitte 2012(1).

In der westlichen Welt, wo etwa 10-20% des Haushaltsbudgets für die Ernährung aufgewendet werden, fällt ein Preisanstieg nur bedingt ins Gewicht. Ausserdem geht ein Grossteil des Preises, den die KonsumentInnen im Supermarkt bezahlen, an die ZwischenhändlerInnen und an die verarbeitenden Firmen. Der Kaufpreis der Ware besteht also nur zu einem relativ geringen Teil aus dem Preis für die Rohstoffe.

Im Trikont geben die Menschen hingegen einen viel bedeutenderen Teil ihres Geldes - oft gegen 80% - für die Ernährung aus, entsprechend haben auch vor allem diese Menschen darunter zu leiden, wenn der Rohstoffpreis steigt. Die automatische Folge ist also vermehrter Hunger in den Gebieten der Welt, in denen Unterernährung mund Hunger ohnehin schon verbreitet sind.

Ein weiterer Faktor für hohe Preise und also für Hunger ist, dass Agrarrohstoffe nicht nur als Nahrungsmittel verwendet werden, sondern auch zur Fleisch- und seit einigen Jahren zur Ethanolproduktion für den Betrieb von Autos. 2011 importierte die Schweiz mehr als 300.000 Tonnen Soja, das an Hühner, Schweine und Rinder verfüttert wurde, hinzu kommt der Import von Mais, Weizen und sogar Heu. Dies entspricht einer riesigen Vernichtung von Nährwert, da pro Kalorie Futter nur ein Bruchteil an Kalorien in Fleisch und anderen tierischen Produkten produziert wird: Für eine Kalorie Rindfleisch braucht es 10 Kalorien aus Futter. Bei Schweinefleisch ist das Verhältnis immerhin noch 1:3, bei Milch 1:5. Zusammen mit der explodierenden Nachfrage nach Fleisch - seit 1961 vervierfachte sich die konsumierte Menge - erhöht dies den Druck auf die Nahrungsmittel und lässt die Preise weiter steigen.


Exportsubventionen

Die hohen Preise kommen einmal mehr den weltweit operierenden Konzernen zu gute. Sie wissen die Politik zu ihren Gunsten zu beeinflussen. So auch im internationalen Handel: Ein Instrument in der Hand der imperialistischen Staaten, die den Konzernen zudienen, sind die internationalen Organisationen wie die WTO, mit deren Hilfe Handelshemmnisse wie Zölle abgeschafft werden. Dies ermöglicht es den reichen Ländern des Nordens, die Märkte des globalen Südens mit Lebensmittel zu überschwemmen, die viel billiger verkauft werden können, weil sie durch Direktzahlungen und Exportsubventionen gefördert werden. Das zerstört die lokale Landwirtschaft und führt zu verstärkter Landflucht und zur Verslumung der Städte.

Die Ländereien der KleinbäuerInnen können dann günstig von international operierenden Firmen oder auch direkt von Staaten aufgekauft werden (vgl. Kasten "Landgrabbing"). Auf grosser Fläche werden dann darauf Produkte angebaut, die für den Export in die Metropole bestimmt sind. Das tönt paradox, entspricht aber der kapitalistischen Logik: Einerseits wird die eigene Agrarindustrie unterstützt, die neue Märkte erschliessen kann. Der Gewinn des Lebensmittelverkaufs fliesst zurück in die Metropole. Andererseits werden neue Produktionsstandorte eröffnet, bei denen die Profitrate dank tiefer Löhne und fehlender Sozialstandards bedeutend höher ist. Während die Konzerne das praktisch schon als "Entwicklungshilfe" verkaufen und sich damit brüsten, in strukturschwachen Gebieten Arbeitsplätze zu schaffen, geht die andere Seite der Medaille vergessen: Der Mehrwert, der von den LandwirtschaftsarbeiterInnen erwirtschaftet wird, fliesst fast vollumfänglich in die Taschen der Konzernchefs und AktionärInnen in den alten und neuen imperialistischen Ländern. Es findet also auch hier wieder eine Umverteilung von unten nach oben und von "Süden" nach "Westen" statt(2).


Übernutzung des Bodens

Ein weiteres Problem dabei ist, dass die lokalen Produktionsweisen, die auf das Klima vor Ort angepasst sind, verloren gehen. Die landwirtschaftliche Fläche wird von den Agrarfirmen als konstantes Kapital angesehen, das wie eine Maschine eine gewisse Zeit als Produktionsmittel zur Verfügung stehen muss. Sobald es aber abgeschrieben ist, ist keine Notwendigkeit zu seiner Pflege mehr vorhanden. Es wird also während einiger Jahre alles aus dem Boden heraus geholt, was er hergibt, und seine Fruchtbarkeit dabei mit mineralischen Düngern kurzfristig hoch gehalten. Längerfristig geht bei dieser Übernutzung und durch den exzessiven Einsatz von Pestiziden und die schweren Landwirtschaftsmaschinen der Boden kaputt. Der massive Einsatz von Pestizid, das teilweise mit Helikoptern grossflächig ausgebracht wird, hat überdies direkte gesundheitliche Folgen bei den in der Umgebung lebenden Menschen. Auch ist der landwirtschaftlich nutzbare Boden auf unserem Planeten begrenzt und kann nicht beliebig ersetzt werden, wie dies bei einer Fabrik oder einer Maschine eher der Fall ist.

Einmal mehr lassen sich die Ungerechtigkeiten direkt auf den Kapitalismus zurückführen. Das Eigentum an Produktionsmitteln führt dazu, dass die einen sich auf Kosten der anderen bereichern. In einem System, in dem niemand mit dem Hunger der anderen Geld verdienen kann, und in dem die Solidarität gelebt wird, wäre es kein Problem, die gesamte Weltbevölkerung mit genügend Nahrung zu versorgen.


Anmerkungen:

(1) Ein Index drückt die relative Zu- oder Abnahme eines Wertes aus.

(2) Wobei hier auch die neuen imperialistischen Länder wie die BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China zum "Westen" gehören.


KASTEN

Landgrabbing

Beim Landgrabbing kaufen Private oder Staaten riesige Ländereien auf, um darauf im grossen Stil Landwirtschaft zu betreiben, aber auch um Wasser- oder andere Rohstoffvorkommen für die eigene Verwendung zu sichern. Landgrabbing betrifft am meisten die ärmsten Staaten und wird nicht nur von den klassischen imperialistischen Staaten, sondern vermehrt auch von "aufstrebenden" Mächten wie Saudi-Arabien, Katar, China oder Indien betrieben.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Kulturredaktion (kur), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 71, januar 2013, Seite 1 + 7
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, Postfach 348, 4007 Basel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Januar 2013