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AUFBAU/351: Nachruf auf die Villa Rosenau


aufbau Nr. 72, märz / april 2013
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Nachruf auf die Villa Rosenau

FREIRÄUME - Seit dem 8. Februar 2013 ist das letzte besetzte Haus in Basel Geschichte.



(rabs) Die Villa Rosenau wurde im September 2004 besetzt. Es war das letzte Haus einer Siedlung, die Mitte des 20. Jahrhunderts erbaut wurde und günstigen Wohnraum zur Verfügung stellte. Die Siedlung musste dem Ausbau der Basler Autobahn weichen, das später besetzte Haus diente eine Zeit lang als Büro für die Bauleitung. Am Rand der Stadt Basel, in einem Industriegebiet direkt an der französischen Grenze gelegen, gehörte die Villa fest zu den dünn gesäten Basler Freiräumen. Sie bot Raum für kulturelle und politische Projekte, für Volksküchen und Konzerte, unkompliziert und für alle nutzbar. Besonders in den ersten Jahren fanden regelmässig Infoveranstaltungen und Solidaritätsanlässe statt, etwa zu Palästina, Kurdistan, Chiapas oder zu dem politischen Gefangenen Erdogan E. Ausserdem bot das Haus zehn bis zwölf Leuten Wohnraum. Die Besetzung erfolgte einen Monat nach der Räumung des langjährigen Kultur- und Wohnzentrums "Elsie", einem grossen besetzten Haus an der Elsässerstrasse ebenfalls im St. Johanns-Quartier. Nach deren Räumung wurden immer wieder Häuser besetzt und mit "Wohnungsnot-Voküs" auf die Problematik der immer teurer werdenden Wohnungen und die verschwindenden Freiräume hingewiesen. Die rund 50 Teilnehmenden einer dieser Voküs, die auf dem Voltaplatz im St. Johann stattfand, zogen gemeinsam zum leer stehenden Haus. Einige Personen besetzten das Haus.

Die Villa Rosenau sollte der einzige Squat bleiben, der für längere Zeit gehalten werden konnte. Er wurde jedoch immer nur geduldet, nie legalisiert. Im Zusammenhang mit dem Autobahnbau geriet die Villa ins Visier der Stadtplanung: Auf dem Gelände sollte eine Grünfläche entstehen, als gesetzlich vorgeschriebene Kompensation für den neuen Strassenabschnitt. Dies führte dazu, dass die Villa im Jahr 2008 für kurze Zeit von einer Räumung bedroht war. Schliesslich wurde aber nicht geräumt - auch dank einer grossen Solidaritätskampagne mit Infoveranstaltungen und einem Camp auf dem Villa-Gelände, zu dem international mobilisiert worden war. Andere Besetzungen wie das Hotel Steinengraben wurden jeweils nach kurzer Zeit geräumt.


Der Brand

Am Morgen des 3. Februar entzündete sich ein Kabel in einem Wohnwagen, der neben der Villa Rosenau stand. Das Übergreifen des Feuers auf das Haus konnte nicht verhindert werden und hatte zur Folge, dass ein Teil des Hauses und das Dach zerstört wurden. Allerdings betraf der Brand nicht das ganze Haus, einige Personen kehrten in die noch intakten Wohnräume zurück. Am 8. Februar folgten Räumung und Abriss. Ob das Haus noch hätte gerettet werden können, ist unklar. Jedoch zeugt die mutwillige Zerstörung von neben dem Haus geparkten Wohnwagen und die Hinderung der ehemaligen BewohnerInnen, ihre Sachen in Sicherheit zu bringen, von dem feindlich gesinnten Vorgehen der Stadt.

Die Villa war vielen PolitikerInnen und Leserbriefschreibern ein Dorn im Auge. So erstaunt es nicht, dass der Brand und der darauf folgende Abriss hämische Reaktionen hervorrief. Zeit ihres Bestehens galt die Villa als Hort "linksautonomer Krawallmacher" und kam entsprechend nach jeder eingeworfenen Scheibe in die Schlagzeilen. Auch die Lieferungen der Schweizer Tafel, einer Organisation, die abgelaufene Lebensmittel an soziale Organisationen verteilt, wurden heftig kritisiert und schliesslich eingestellt - man kann nie wissen, wie überreife Tomaten verwendet werden könnten. Gewissen PolitikerInnen diente die Villa gar als Lieblingsfeindbild, etwa dem LDP-Politiker André Auderset, der sich prompt in der Verpflichtung sah, sich ein "Alibi" für die Nacht des Brandes zuzulegen.


Überwachter Raum

Dazu kam die polizeiliche Überwachung des besetzten Hauses. Als AktivistInnen kurz nach der Besetzung des Hauses auf dem Vorplatz ein Transparent malten, kam eine Frau vorbei, die sich als Arbeiterin im neben der Villa Rosenau liegenden Schlachthof von Beil vorstellte und die NachbarInnen darüber informierte, dass sich oft Leute in ihrem Büro aufhielten, welche die Villa und die dort ein- und ausgehenden Personen filmten. Später war auch die Rede von einer fest installierten Kamera in eben diesem Büro. Der Überwachung entkommen die ehemaligen BewohnerInnen der Villa auch an ihrem neuen Wohnort nicht: Kaum hatten sie eine neue Unterkunft gefunden, nistete sich die Polizei flugs im gegenüber liegenden Schulhaus ein, um den neuen Wohnort im Auge und Objektiv zu behalten.

Dass die Villa Rosenau in Basel eine wichtige Rolle spielte und vielen Menschen ans Herz gewachsen war, zeigten zwei Anlässe, die kurz nach dem Brand abgehalten wurden. Am 4. Februar, 36 Stunden nach dem Brand, fanden sich viele Menschen im Hirscheneck ein, wo eine Solidaritätsparty organisiert worden war. Am 9. des selben Monats zogen gegen 300 Leute von der Kiesfläche, die vom Squat übrig geblieben war durch die Stadt, um ihrer Trauer und der Solidarität mit der Villa Ausdruck zu verleihen. Getrübt wurde der Eindruck des "Abschiedsspaziergangs" durch das mitgeführte Transparent, das aus einem weissen Leintuch bestand und für viele ZuschauerInnen wohl eher eine Inhaltsleere als eine Inhaltsvielfalt darstellte. Als Friedensangebot an die Stadt soll die "weisse Fahne" jedoch nicht interpretiert werden - der Kampf für Freiräume ist nicht an den Raum der Villa gebunden und fiel also nicht den Flammen zum Opfer.

Das Communiqué zu Brand und Demo findet sich auf
www.dmadeimdaig.ch.vu.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Kulturredaktion (kur), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 72, märz / april 2013, Seite 12
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, Postfach 348, 4007 Basel
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.ch
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2013