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AUFBAU/361: Stillstand in Nepal


aufbau nr. 74, sept/okt 2013
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

Stillstand in Nepal

PARLAMENTARISMUS Sieben Jahre ist es her, als die nepalesische Volksbefreiungsarmee den König und mit ihm die Feudalherrschaft stürzte. Seither steht die Revolution im Stillstand. Der Grund dafür kann in der Integration der revolutionären Kräfte in das ermüdende und entwaffnende parlamentarische System gefunden werden.




(agkkzh) Die Vereinigte Kommunistische Partei Nepals (Maoistisch), UCPN(M), hat sich im Juni letzten Jahres gespalten. Der revolutionäre Flügel der Partei wollte die parlamentarische Politik des Vorsitzenden Prachanda nicht mehr mittragen und forderte die Rückkehr zum Volkskrieg. Das Konzept des Volkskrieges wurde von 1996 bis 2006 von der ursprünglichen CPN(Maoist) und ihrer Volksbefreiungsarmee gegen die königlichen Truppen ausgetragen. Es endete mit der Aushandlung eines Friedensvertrags, der den Rücktritt des Königs und das Abhalten von Wahlen vorsah und die Volksbefreiungsarmee aus einem strategischen Patt befreien sollte. Der Kampf sollte vorerst im Parlament weitergeführt werden. Dafür mussten die MaoistInnen die Waffen von der Uno in Container wegschliessen lassen - "Demokratie gegen Waffen", so lautete der Deal. Tatsächlich sollte unter dem Deckmantel der Demokratie die tatsächliche Volksmacht gebrochen werden.


Trotz Wahl keine Veränderungen

2008 wurden Wahlen durchgeführt und die MaoistInnen tatsächlich zur stärksten Partei gewählt; rund ein Drittel aller Stimmen konnte sie auf sich vereinigen. Verändert hat sich seither jedoch wenig und von einer angehenden Revolution kann keine Rede sein. Der Plan, eine institutionelle Revolution durchzuführen, scheiterte: Die Ausarbeitung einer revolutionären, demokratischen Verfassung durch das Parlament, so wie es sich Prachanda erhofft hatte, scheiterte am Widerstand der reaktionären Kräfte. Die Bürgerlichen - hauptsächlich vertreten durch den "Nepali Congress" - schafften es, eine progressive Verfassung zu untergraben, indem sie das Zustandekommen der erforderlichen Mehrheiten verhinderten. Fünf Jahre parlamentarische Arbeit später steht das Land da, wie zuvor - das Kräfteverhältnis wurde nicht zugunsten der MaoistInnen verändert; es steht nach wie vor Patt im Kampf zwischen Ausgebeuteten und Herrschenden.


Die Gründe

Revolutionen werden nicht auf Papier gemacht und Volksmacht entsteht nicht unter Parlamentskuppeln. Dies waren auch die Positionen der nepalesischen MaoistInnen. Es darf deshalb gefragt werden, weshalb die Waffen und damit die erkämpfte politische (Volks-)Macht aufgegeben wurden. Es können drei Gründe umrissen werden:

1. Wie angetönt befand sich die Volksbefreiungsarmee im Jahr 2006 in einer militärischen Pattsituation. Hatte sie auf dem Land die Oberhand, war es unmöglich, die Städte mit dem technisch weit überlegenen Militärarsenal des Feindes zu erobern. Es gab militärisch kein weiteres Vorwärtskommen mehr. So stellte das Eingehen eines Friedensvertrages eine Option dar.

2. "Die politische Macht kommt aus den Gewehrläufen", schrieb Mao. Weshalb also die Gewehre abgeben, wenn man die politische Macht erobern will? Die Führung der UCPN(M) vertraute auf Ersatzmassnahmen und betonte einerseits, dass die Gewehre nicht vernichtet, sondern nur weggeschlossen würden. Die Schlüssel blieben in den Händen der KommunistInnen und könnten bei geeigneter Situation zum Wieder-Aufschliessen gebraucht werden. Zum anderen haben die MaoistInnen das Ziel verfolgt, in den Dörfern die bewaffneten Volkskomittees beizubehalten, welche die wehrhafte Volksmacht garantieren sollten. Schliesslich sollten die maoistischen Bataillons in die staatliche Armee integriert werden - und zwar in der gleichen Zusammensetzung und mit gleicher Hierarchie. So sollten die bewaffneten Strukturen der Kommunistischen Partei weiterhin - im Staat integriert - bestehen können.

Diese Pläne und Forderungen der KP konnten nicht erfüllt werden, da sie die Forderungen auf parlamentarischem Weg durchzubringen versuchte. Welcher bürgerliche Parlamentarier sollte einer Bewaffnung des Volkes zustimmen, wenn er weiss, dass dieses geneigt ist seine Waffen gegen ihn zu richten? Welcher Kapitalist will kommunistische Bataillone in einem Staat, der dazu da sein sollte, sein Eigentum zu schützen. Weshalb sollte der Bourgeois von seinen Klassenprivilegien zu Gunsten der arbeitenden Klassen verzichten, wenn ihm nur Gegenstimmen drohen und ihn nicht der Lauf eines Gewehres dazu zwingt?

3. Das Konzept der maoistischen "neudemokratischen" Revolution sieht ein Klassenbündnis zwischen Proletariat und Bourgeoisie vor. Dies, da beide Klassen ein Interesse an der Überwindung feudaler Strukturen haben. Die Bourgeoisie wird damit in dieser Phase zum natürlichen Verbündeten der ArbeiterInnen und BäuerInnen, soweit es ihr Interesse ist, eine nationale Industrie aufzubauen, und sie nicht in Form einer Kompradorenbourgeoisie eines anderen Landes dient - hier: Indien. Es war dann auch ausgesprochenes Ziel von Prachanda, Nepal zu industrialisieren und von der Abhängigkeit Indiens zu lösen, auf Kosten der sofortigen Diktatur des Proletariats: Erst Industrialisierung, dann Kommunismus. Es wurde übergangen, dass ein Klassenbündnis nur unter der Führung und Autorität des Proletariats zustande kommen darf, da sich Proletariat und Bourgeosie im antagonistischen Widerspruch zueinander befinden (Deng Xiao-Ping lässt grüssen). Prachanda bat die Weltbank und den Westen um Hilfsinvestitionen - und mit der Aussicht auf Investitionen gab er den Forderungen der Bourgeoisie nach. Schritt um Schritt. Bis er schliesslich 2011 der Forderung nach vollständiger Entwaffnung nachgab: Gegen heftigen parteiinternen Widerstand wurden die Schlüssel zu den Waffen abgegeben.


Der Putsch

Dies führte dazu, dass Bürgerliche im April dieses Jahres in einem Putsch den parlamentaristisch-maoistischen Premier Bhattarai absetzten. Nun war der Griff zurück zu den Waffen nicht mehr möglich.

Das Putschregime unter Khil Raj Regmi hat für November Neuwahlen angesetzt um sich selbst Legitimation zu verschaffen. Die revolutionäre Abspaltung von der Vereinigten Kommunistischen Partei unter der Führung des Genossen Kiran hat bereits angekündigt, die Wahlen zu boykottieren und für nichtig zu befinden, was natürlich heisst, dass für sie Parlamentarismus keine Option ist. Damit könnte in Nepal - nach langem - wieder Bewegung kommen.


Dokumente zur revolutionären Abspaltung, bzw. zur neugegründeten CPN-Maoist im Januar 2013 findet ihr unter:
http://kasamaproject.org/files/ Kasama-Nepal_v4.pdf

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau nr. 74, sept/okt 2013, Seite 7
HerausgeberInnen:
Revolutionärer Aufbau Zürich, Postfach 8663, 8036 Zürich
Revolutionärer Aufbau Basel, Basel@aufbau.ch
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.ch
Redaktion und Vertrieb Schweiz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. September 2013