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AUFBAU/408: "Frieden" als Vorstufe des grossen Krieges?


aufbau Nr. 80, märz / april 2015
klassenkampf - frauenkampf - kommunismus

"Frieden" als Vorstufe des grossen Krieges?


UKRAINE Das Friedensabkommen kommt unter massivem Druck durch USA und NATO zustande. Waffenlieferungen gehen auch an faschistische Verbände.


(rabs) Der Ukraine-Konflikt, so die verharmlosende Bezeichnung für den Bürgerkrieg, zeigt eines deutlich auf: Die Interessen zwischen den verschiedenen imperialistischen Mächten klaffen weiter auseinander denn je. Die USA nehmen offensichtlich einen dritten Weltkrieg in Kauf, um Russland auch noch den letzten verbliebenen Einflussbereich aus den Zeiten der Sowjetunion streitig zu machen. Deutschland und Frankreich setzen auf eine diplomatische Lösung. Allerdings hat sich gerade Deutschland erst im letzten Moment und nur halbherzig auf die eigenen Interessen besonnen. Anfänglich hat die deutsche Regierung, auch gegen den heftigen Protest der eigenen Wirtschaftsbosse, die von den USA geforderten Boykottmassnahmen gegen Russland aktiv mitgetragen.

Trotz der gemeinsamen Friedensinitiative der Bundeskanzlerin Merkel und des französischen Präsidenten Hollande sind die Widersprüche in der Russlandfrage tief. Präsident Hollande hat bereits mit seinem unangekündigten Kurzbesuch bei Putin anfangs Dezember signalisiert, wie wenig er von den EU-Sanktionen gegen Russland hält. Auch in den laufenden Verhandlungen setzt sich die französische Regierung von der harten US-EU-Linie ab und unterstützt die Forderung nach mehr Autonomie für die Region von Donbass. Diese eher prorussische Haltung wird in Frankreich parteiübergreifend vertreten. So erklärte Ex-Präsident Sarkozy, dem Ambitionen für eine neue Präsidentschaftskandidatur nachgesagt werden, am konservativen Parteikongress: "Frankreich und Russland sind Teil einer gemeinsamen Zivilisation. Die Interessen der Amerikaner mit den Russen sind nicht die Interessen Europas und Russlands. Wir wollen keinen neuen Kalten Krieg zwischen Europa und Russland."


Ein brüchiger Frieden

Ob der nun abgeschlossene Friedensvertrag hält, lässt sich zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieser Ausgabe schwer sagen. Sicher ist aber eines: Die Hardliner in den USA werden alles daran setzen, weiterhin einen Keil zwischen Russland und Europa zu treiben. Und dafür haben sie mit Präsident Poroschenko und Ministerpräsident Jazenjuk willfährige Werkzeuge zur Hand. Der ukrainische Aussenminister Pawlo Klimkin fordert denn auch noch während den Friedensgesprächen "Verteidigungswaffen, um Frieden zu schaffen". Sein erklärtes Ziel ist es, "die Kosten für Russland in die Höhe zu treiben". Das sind Worte, aus denen kaum ein ernsthafter Wille zum Frieden erkennbar ist. Wenig verwunderlich auch die prompte Reaktion des Führers des Rechten Sektors, Dimitriy Yarosch, der unverfroren verkündet, die faschistischen Truppen würden nach "eigenen Plänen aktiv weiterkämpfen".

Aber auch in Deutschland selber hat die Stunde der Hardliner geschlagen, welche bedingungslos hinter der US-Forderung nach Waffenlieferungen in die Ukraine stehen. An vorderster Front dieser Politik steht Wolfgang Ischinger, der seinerzeit als OSZE-Vermittler in der Ukraine agierte. Heuchlerisch erklärt er gleichzeitig, niemand wolle eine Konfrontation mit Russland. Und falls Deutschland weiterhin an seiner Ablehnung von Waffenlieferungen festhalte, könne dies die USA ja im Sinne einer "Arbeitsteilung" dennoch machen. Ischinger ist zudem der Organisator der Münchner Sicherheitskonferenz, einem Forum für die Aufrüstung und Kriegsvorbereitung der imperialistischen Mächte.

Ins gleiche Horn stösst auch Carl Bildt, der ehemalige schwedische Aussenminister und Hochkommissar der UNO für Bosnien und Herzegowina. Die Gefahr eines dritten Weltkrieges nimmt er erklärtermassen in Kauf und fordert eine militärische Aufrüstung der Ukraine. In den USA selber gerät Präsident Obama auch von ScharfmacherInnen der eigenen Partei wie der ehemaligen Aussenministerin Albright unter Druck, die ablehnende Haltung gegenüber Waffenlieferung aufzugeben.


Waffen für faschistische Verbände

Die Frage stellt sich natürlich, an wen denn diese Waffen geliefert werden sollen. An eine Armee, die kaum den Sold ihrer Soldaten bezahlen kann und grösste Mühe hat, das Kanonenfutter zu rekrutieren? Wohl nicht nur. Die Waffen werden auch bei den faschistischen Freiwilligenkorps ankommen, die in diesem Krieg eine führende Rolle spielen. Zu nennen sind vor allem zwei Verbände: Das Freiwilligenbataillon Asow, eine faschistische Truppe, in der nebst Ukrainern auch Rechtsradikale aus Russland, Weissrussland, Schweden, Italien und Kroatien kämpfen. Keinen Zweifel über seine Gesinnung lässt der Kommandeur Andreij Bilezki aufkommen: "Die historische Mission unserer Nation in diesem kritischen Moment ist, die weissen Rassen der Welt in einen finalen Kreuzzug für ihr Überleben zu führen." In der Schweiz wird das Asow Bataillon durch die aus Hammerskin-Kreisen stammende "Misanthropic Division Ukraine" unterstützt.

Eine weitere Privatarmee unterhält der Oligarch Ihor Kolomojsky, der seit anfangs 2014 als Gouverneur von Dnipropetrowsk amtet und und gute Beziehungen zu Ministerpräsident Jazenjuk unterhält. Kolomojsky hat einen zweifelhaften Ruf. Selbst die USA haben gegen ihn eine Einreisesperre wegen organisierter Kriminalität, Geldwäsche, Drogenschmuggel und Auftragsmord verhängt. Seine Privatarmee, das 2014 gegründete Batallion Dnipro, mischt mit 3000 bis 5000 Mann am Bürgerkrieg in der Ukraine mit. Diesen Truppen wird auch eine führende Beteiligung am Massaker vom 2. Mai 2014 in Odessa nachgesagt, als bei einem Angriff auf das Gewerkschaftshaus durch einen faschistischen Mob 50 Menschen ermordet wurden. Der Oligarch setzte vor kurzem ein Kopfgeld für jeden gefangenen Separatisten in der Höhe von 10.000 Dollar aus.


Der NATO-Doppelbeschluss

In dieser angespannten Situation verschärft die NATO ihre Aufrüstung gegen Russland und zeigt klipp und klar, wie wenig sie von einer friedlichen Lösung der Situation hält. Anfangs Februar beschliesst das Militärbündnis die Aufstockung der schnellen Eingreiftruppe von 13.000 auf 30.000 SoldatInnen. Zudem wird eine superschnelle Eingreiftruppe geschaffen, die innert 2-7 Tagen im Einsatzgebiet intervenieren kann. Diese Truppe wird von Deutschland, den Niederlanden und Norwegen gestellt. Zudem baut die NATO sechs neue Stützpunkte in Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und Bulgarien auf. Diese sollen den Eingreiftruppen als Basis- und Logistikzentren dienen. Ein Narr, wer da von einer Einkreisung Russlands spricht.

Aufhorchen lässt die Teilnahme Deutschlands. Bereits Ende Januar beschloss der deutsche Bundestag, bewaffnete Soldaten als Ausbilder der kurdischen Peschmerga in den Nordirak zu schicken. Die von Bundespräsident Gauck als Sprachrohr des deutschen Thinktank Politik & Wissenschaft geforderte Militarisierung der Aussenpolitik wird so konkret und ohne grosses Aufhebens in Tat umgesetzt. Seinen Militarismus brachte Gauck in einer Ansprache 2012 vor der Bundeswehr mit den zynischen Worten auf den Punkt: "Wir übernehmen jetzt Verantwortung für Dinge, über die wir früher nicht einmal nachgedacht hätten."

Ob Russland eine imperialistische Macht im Leninschen Sinne des Wortes ist oder nicht, darüber kann man aus jeweils guten Gründen verschiedener Meinung sein. Keinen Zweifel kann es aber über die Tatsache geben, dass der Wille zum Krieg von den imperialistischen Mächten, allen voran den USA, und nicht von Russland ausgeht.

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Redaktion

Revolutionärer Aufbau Basel (rabs), Revolutionärer Aufbau Bern (rab), Revolutionärer Aufbau Winterthur (raw), Gruppe politischer Widerstand Zürich (gpw), Gruppe Arbeitskampf Zürich (az), Arbeitsgruppe Antifa Basel (agafbs), Arbeitsgruppe Antifa Zürich (agafz), Arbeitsgruppe Klassenkampf Basel (agkkbs), Arbeitsgruppe Klassenkampf Zürich (agkkz), Arbeitskreis ArbeiterInnenkämpfe (akak), Arbeitskreis Frauenkampf (akfk), Frauen-Arbeitsgruppe (agf), Frauenkollektiv (fk), Rote Hilfe International (rhi), Arbeitsgruppe Jugend Zürich (agj)

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Quelle:
aufbau Nr. 80, märz / april 2015, Seite 3
HerausgeberInnen:
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Revolutionärer Aufbau Basel, basel@aufbau.org
Revolutionärer Aufbau Winterthur, winterthur@aufbau.org
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2015

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