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CORREOS/125: El Salvador - Kriminelle Rechte


Correos des las Américas - Nr. 166, 16. Juni 2011

Kriminelle Rechte

Die Mordrate im Land ist bedrückend und die Armee erhält zunehmend mehr Funktionen bei der Verbrechensbekämpfung. Verteidigungsminister Munguía Payés fordert freie, von «garantistischen» Gesetzen ungebremste Bahn für seine Truppen. Die Rechte ruft nach dem Ausnahmezustand und hält die Kriminalitätszustände am Kochen. Drei Beispiele.

Von Dieter Drüssel


Der Generalstaatsanwalt

Beim Transport von kolumbianischem Kokain in die USA durch El Salvador helfen lokale Strukturen. Am 20. Mai 2011 leakte die Internetzeitschrift El Faro Informationen aus dem Sicherheitsapparat über eine dieser Strukturen, das «Cartel de Texis». Bürgermeister, Fussballverbandspräsidenten, Abgeordnete der rechten Parteien wurden als Narcos geoutet. Heiter die Rolle des von der rechten Parlamentsmehrheit gewählten Generalstaatsanwaltes Romeo Barahona. Er hat wie sein Vorgänger Félix Garrid Safie (ebenfalls Arena) in der Sache trotz präziser Polizeiinformationen nie auch nur den kleinen Finger gerührt.

Am 23. Mai 2011 fiel einer Polizeipatrouille ein bewaffneter Mann auf, den sie nach einer versuchten Fahrerflucht kontrollieren konnte. Er hatte drei verschiedene Personalausweise auf sich und etwas Crack dabei. Am 29. Mai liess die Richterin den Mann laufen. Grund: Die Staatsanwaltschaft legte noch nicht einmal die verschiedenen Ausweise vor. Sie klagte dafür die 19-jährige Begleiterin des Señors wegen Crackbesitz an. Der Mann ist Neffe des früheren Generalstaatsanwaltes und Ex-Boss von Barahona, Garrid Safie. Ein Cousin des gleichen Ex lief im April 2009 mit 5 Kilo Kokain in eine Polizeifalle. Er musste nicht ins Gefängnis, da Barahona keine Hinweise auf Handelsabsichten erkennen konnte.


Die Vermögenserklärung

Die lokalen Narcos erhalten für ihre Transportdienste Geld aus den USA. Das wird gewaschen, in Gäste-losen, aber profitablen Luxushotels am Meer, in Schmuck, Bankkonti oder Börsentitel. 2009 brachte der FMLN im Parlament eine Reform durch: Bei über $75.000 Jahreseinkommen oder Besitz von Immobilien von mehr als $300.000 wird eine Vermögensdeklaration fällig. Das traf den enormen Steuerbetrug und die Geldwäscherei. Im Oktober letzten Jahres schaffte die nun geeint auftretende Rechte diese ...Zumutung wieder ab. Begründung: Die Maras könnten via Finanzministerium Wind davon bekommen, wer wie viel Vermögen hat und die Ärmsten entführen ... «als ob die Schwerreichen sich nicht mit ihren Wagen und Luxusvillen verraten würden und als ob sie sich nicht mit ihren Leibwächtern und gut bewachten Residenzen schützen könnten» (Radio YSUCA, 29.10.10). Präsident Funes hatte nun die Möglichkeit, ein Veto oder einen Einspruch einzulegen. Für die Überstimmung des Vetos würde die Rechte eine illusorische 2/3-Mehrheit brauchen, beim Einspruch eine einfache. Funes erhob Einspruch und am 13. April 2011 schaffte die rechte Parlamentsmehrheit die Vermögenserklärung ab. «Hätte Präsident Funes sein Veto eingelegt, wäre das nicht geschehen», sagte die FMLN-Abgeordnete Lorena Peña. «Aber [so] hing das von der Rechten ab» (Contrapunto, 14.4.11). El Salvador gilt wegen der Dollarisierung und seiner Gesetze als noch geeigneter als Mexiko für die Geldwäscherei.


Die Polizeiinspektorin

Das Polizeiinspektorat hat die Aufgabe, die Korpsangehörigen disziplinarisch zu überwachen und kriminelle Machenschaften anzuzeigen. Mit der neuen Regierung und der neuen Polizeiinspektorin wurde aus der blassen Theorie erstmals Realität. Zaira Navas nahm ihren Job ernst. So ernst, dass im Oktober letzten Jahres eine parlamentarische Mehrheit eine Sonderkommission zur Untersuchung der Inspektorin durchdrückte. Grund: Navas hatte gegen 121, teilweise ranghohe Polizeiangehörige ermittelt. Da war die Verbindung des ehemaligen Polizeichefs Ricardo Menesses (2003-2005) mit Luna Pereira, dem Chef einer Narcogruppe im Osten des Landes. Menesses musste 2009 aufgrund von Navas' Untersuchungen seinen Posten als Verbindungsmann für Sicherheitsfragen in der Botschaft in ... Washington räumen. Da war der Fall des Kommissars Douglas Omar García Fuentes. Auch er intim verbandelt mit Luna Pereira, wie sich aus einer formellen Beschuldigung eines Informanten der US-Drogenbehörde DEA ergibt. Er soll wie auch Menesses für die Drogentransporte des Narco Polizeischutz organisiert haben. Andere Fälle führender Polizisten in Navas' Dossier gehören ins gleiche Bild. Für die parlamentarische Rechte nicht mehr hinnehmbar war dann aber interessanterweise eine Untersuchung der Inspektorin des Kommissars in einem anderen Zusammenhang. Ende 2009 wurde in den Räumen der Sprengstoffabteilung der Polizei ein versteckter Koffer mit Sprengstoff gefunden. Er gehörte dem Kommissar, der die Abteilung früher einmal geleitet hatte. Die Rechte und die untersuchten Polizeikader begannen eine Kampagne gegen Navas: Sie betreibe als FMLN-Mitglied einen Rachefeldzug gegen rund 20 frühere Armee- und heutige Polizeioffiziere. Im Oktober letzten Jahres also setzte die geschlossene Rechte eine Kommission zum Schutz der «verfolgten Patrioten» ein. Navas musste antanzen und ihre Unterlagen offenlegen; die Ermittlungen des Inspektorates sind seither blockiert - interessant, da mehrere der untersuchten Delikte demnächst verjähren. Ende Mai 2011 entschied die Mehrheit der Verfassungskammer des Obersten Gerichtes, dass die besagte Parlamentarische Untersuchungskommission gegen Navas illegal sei. Eine PUK sei nur bei generellen Tatbeständen gerechtfertigt, nicht aber, wie im vorliegenden Fall, zu Verfahren gegen Einzelne. Eine Kontrolle des Inspektorats erfolge durch die Gerichte. García Funes darf seit einigen Jahren das Centro Antipandillas Transnacional leiten, welches das FBI und andere US-Sicherheitsbehörden für die Koordinierung (und militärische Integrierung) des Kampfes gegen die Maras für ganz Zentralamerika haben. Auch wenn ihre eigenen Unterlagen den Mann als Narco handeln.


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Quelle:
Correos de Centroamérica Nr. 166, 16. Juni 2011, S. 12
Herausgeber: Zentralamerika-Sekretariat, Zürich
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. August 2011