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CORREOS/175: Kolumbien - Aufpasser im "Hinterhof"


Correos des las Américas - Nr. 174, 29. Juni 2013

Kolumbien: Aufpasser im «Hinterhof» Kolumbien ist und bleibt die Sperrspitze der USA für den Angriff auf die lateinamerikanische Aufbruchbewegung.

von José Rodríguez



Die Länder Lateinamerikas und der Karibik sind für die nationale Sicherheit und die wirtschaftliche Zukunft der Vereinigten Staaten von strategischer Wichtigkeit. (...) Eine Zukunft der Prosperität für alle basiert auf der Basis geteilter Werte, effizienter Regierungen, freier Gesellschaften und offener Marktwirtschaften. (...) [Die Pläne des Südkommandos] werden die Sicherheit und Stabilität in den Amerikas gewährleisten und so die Vorwärtsverteidigung der Vereinigten Staaten bieten.
(Aus: United States Southern Command, Command Strategy 2018)

Im Rahmen seiner Reise nach Mexiko und Costa Rica vom 3. Mai dieses Jahres traf sich US-Präsident Barack Obama mit seinen Amtskollegen des zentralamerikanischen Integrationssystems SICA. Die zentralamerikanischen Regierenden konzentrierten ihre Erwartungen auf Fortschritte in zuvor mit dem US-Präsidenten abgemachten Bereichen wie der ökonomischen Kooperation mit der Region, Modifizierungen in der Politik der Militarisierung der Zone oder einer tatsächlichen und effizienteren Kooperation bei der Bekämpfung des Drogenhandels. Doch dann wurde keines dieser Themen angeschnitten, dafür stellte Obama mit der für die US-Regierungen in ihrem Verhältnis zu Lateinamerika charakteristischen Arroganz und Verachtung klar, dass das Hauptinteresse der USA derzeit in der Wiederbelebung des Projekts einer Freihandelszone der Amerikas (ALCA) liege, einem Vorhaben, das Präsident Clinton schon Ende der 90er Jahre durchzusetzen versucht hatte. Der Handel USA/Zentralamerika summiert sich auf nicht zu verachtende 40 Mrd. Dollar pro Jahr.

Dass die USA auf dieses Thema zurückkommen, überrascht. Immerhin hat ihre Propaganda in den letzten zehn Jahren beharrlich weiszumachen versucht, dass man sich von der neokolonialen Politik gegenüber Lateinamerika verabschiedet habe. Als Beleg dafür wurde sogar die Existenz zahlreicher antiimperialistischer und links ausgerichteter Regierungen instrumentalisiert und man stellte sich als bescheidener Partner unter anderen dar. Nichts falscher als dies! Die USA haben nicht nur ihre imperiale und auf Unterwerfung des Rests des Kontinents ausgerichtete Politik nicht relativiert, sondern diese noch intensiviert und an die Erfordernisse der neuen Zeiten angepasst. Dabei wurde das Hauptziel keinen Moment aus den Augen verloren: die Kontrolle der natürlichen und energetischen Ressourcen der Hemisphäre und die Absicherung der politischen, ökonomischen, militärischen und sozialen Vorherrschaft. In dieser Hinsicht mangelte es US-Aussenminister John Kerry nicht an Klarheit, als er im Vorfeld des SICA-Treffens mit Obama und in Bezug darauf am 17. April äusserte: «Lateinamerika ist weiter der Hinterhof» der USA.

Nachdem die Absicht, die gescheiterte kontinentale Freihandelszone wiederzubeleben, explizit gemacht wurde, kam es zu einigen Vorgängen, die uns zeigen, dass Kolonialpolitik der USA in Lateinamerika sich keinen Deut geändert hat: das Treffen der Pazifikallianz in Kolumbien; das Gesuch Kolumbiens um den Status eines «ausser-regionalen» Alliierten der NATO und sein Gesuch um Beitritt zur OECD; der Empfang des gescheiterten venezolanischen Präsidentschaftskandidaten Henrique Capriles durch den kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos und die Gefangennahme von zwei Kommandos der kolumbianischen Paramilitärs, die nach Caracas unterwegs waren, um Attentate gegen staatliche Objekte zu verüben. Dass in all diese Vorgänge von hemisphärischer Bedeutung der kolumbianische Staat verwickelt ist, ist kein Zufall. Denn Kolumbien stellt im US-Projekt der Hegemonie über Lateinamerika wie schon seit den 80er Jahren die Speerspitze dar, nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich und sozial.


Die US-Interessen in Lateinamerika

Der künstlich geschaffene Konsumzwang bewirkt evidenterweise, dass der moderne Kapitalismus mit seiner Wegwerflogik täglich mehr Materialien und Ressourcen, Mineralien und Metalle braucht, nicht nur die altbekannten, sondern auch für die Herstellung der elektronischen «Wunder» nötigen sehr seltenen Metalle. Diese Ressourcen finden sich in Weltgegenden ausserhalb der USA, der EU oder auch Japans und die entwickelten Mächte sind gezwungen, die Versorgungsquellen zu kontrollieren. Die USA, die uns jetzt interessieren, weisen nur 4 % der Weltbevölkerung, aber einen Anteil von 26 % des globalen Konsums an Erdöl auf, von dessen Reserven sie nur 2 % besitzen. In den USA fallen 45 % des Globalkonsums an Benzin und 26 % an Gas an. In einem Moment der ernsthaften Krise ihrer globalen Vorherrschaft, auch wegen ihrer Kriegstreiberei, besteht ihre Strategie darin, sich die Kontrolle über die Ressourcen und das Territorium Lateinamerikas zu sichern. Einige Angaben erklären uns warum:

  • Lateinamerika liefert 25 % aller natürlichen und energetischen Ressourcen, die die USA benötigen.
     
  • Lateinamerika und die Karibik liefern den USA 66 % des dort benötigten Aluminiums, 50 % des Nickels und 40 % des Kupfers.
     
  • In Lateinamerika befinden sich 25 % der Wälder und 40 % der Biodiversität des Planeten.
     
  • Mit nur 12 % Anteil an der Weltbevölkerung weist Lateinamerika 47 % der weltweiten Trinkwasserreserven und 35 % der globalen hydroenergetischen Potenz auf.
     
  • Durch das Amazonasbecken fliessen pro Sekunde 6 Billionen (???) Kubikmeter Wasser und hier entstehen 40 % des Sauerstoffs des Planeten.
     
  • Chile und Peru haben enorme Mineralienvorkommen und sind die beiden wichtigsten Kupferproduzenten weltweit. In allen Ländern Lateinamerikas gab es in den letzten Jahren einen grossen Minenboom, der, wie zu Zeiten der Kolonie, den Appetit grosser Multis aus Europa, Kanada und China geweckt hat, die sich grosse Territorien mit Minenvorkommen angeeignet haben.
     
  • Venezuela ist der drittgrösste Öllieferant der Welt, Mexiko folgt an vierter und Kolumbien an siebter Stelle.
     
  • Eine kürzlich erstellte Studie des Geological Survey der USA geht nur für das venezolanische Orinoco-Gebiet von 513 Mrd. Barrel Rohöl aus, also fast dem Doppelten der Vorkommen in Saudi-Arabien.

[Im Folgenden geht der Autor auf die Pazifikallianz, also das US-gesteuerte Gegenprojekt um Kolumbien, Mexiko, Chile und Peru zur Unabhängigkeitstendenz in Lateinamerika ein, das sich insbesondere gegen ALBA, die Alianza Bolivariana para los Pueblos de Nuestra América richtet. Alba wurde von Venezuela als Alternative zum ALCA-Projekt der USA lanciert, primär ein Bündnis progressiver Staaten in der Region, mittlerweile aber auch mit Präsenz von Sozialbewegungen wie der brasilianischen Landlosenbewegung in Nicht-Mitgliedsstaaten. Wir verweisen auf die Artikel zum Thema in diesem Heft.]


Kolumbien - Mitglied der NATO oder einfach US-Instrument?

Es ist allgemein bekannt, dass Kolumbien von geostrategischem Interesse für die USA ist - wegen seiner geographischen Lage zwischen Zentral- und Südamerika, weil es den Pazifik mit dem Atlantik und die Anden sowie Amazonien mit der Karibik verbindet, und wegen seines grossen Reichtums an natürlichen und energetischen Ressourcen. Vor allem aber auch wegen einer von Beginn weg gegenüber der USA folgsamen und unterwürfigen herrschenden Klasse und wegen eines bewaffneten Konflikts, den die USA für ihre regionalen militärischen Interessen zu instrumentalisieren trachteten.

Für die Umsetzung von ALCA hatten die USA die militärische Regionale Andeninitiative mit ihrer ersten Phase, dem Plan Kolumbien, konzipiert. Dieser richtete sich nicht, wie von der Propaganda behauptet, gegen den Drogenhandel, sondern sollte den Vormarsch der Guerilla der FARC-EP stoppen, die damals drohte, die Kontrolle über das Land zu erringen. Zudem sollte er auch weiterhin eine US-militärische Präsenz in der amazonisch-andinen Region ermöglichen, zur Kontrolle der «Gefahren» durch demokratische und unabhängige Regierungen im Norden und Süden von Kolumbien. Bis 2008 kostete der Plan Kolumbien 66.126 Mio. Dollar, was ihn zusammen mit seinen Annexen zum umfassendsten Projekt für die Rekolonialisierung Lateinamerikas macht. Ohne Zweifel wurden die Ziele der ersten Phase des Plans Kolumbien weitgehend erreicht. Zwischen 1998 und 2008 bildeten die USA in Kolumbien 72'000 Militärs und Polizeimitglieder aus (nur in Südkorea waren es mehr). Die kolumbianischen Streitkräfte umfassen heute eine halbe Million Militärs, sechs Mal mehr als Venezuela und elf Mal mehr als Ecuador. Das Heer von Brasilien, dessen Bevölkerung fünf Mal grösser ist, entspricht nur 80 % des kolumbianischen. In Lateinamerika verschlingen die Militärausgaben im Schnitt 1.5 % des BIP, in Kolumbien 6.5 %. Dies ermöglichte die 2. Phase des Plans Kolumbien: den Krieg in die Nachbarländer hineintragen.

Um jene Aufgaben zu erfüllen, die die offizielle kolumbianische Armee nicht erledigen konnte, brauchte es eine irreguläre Kraft: die berühmten kolumbianischen Paramilitärs. Erinnern wir uns: 2004 ermordeten mit der venezolanischen Opposition verbundene kolumbianische Paramilitärs einen hohen venezolanischen Staatsfunktionär; im gleichen Jahr wurden mehr als 100 kolumbianische Paras und Geheimdienstmitglieder verhaftet, die den Auftrag hatten, den venezolanischen Präsidenten zu ermorden. Die offiziellen kolumbianischen Streitkräfte ihrerseits drangen 2004 auf venezolanisches Territorium vor, um einen Kader der kolumbianischen Guerilla auf diplomatischer Mission zu verhaften. Danach operierten sie mehrmals jenseits der Landesgrenzen und 2008 drangen sie mit Bodentruppen und der Luftwaffe auf ecuadorianisches Territorium vor, um eine grosse Operation auszuführen. Auch auf politischer Ebene verhielten sich die beiden letzten kolumbianischen Regierungen in Übereinstimmung mit dieser internationalen Phase des Plans Kolumbiens: Kolumbien anerkannte als erstes Land die kurzlebige venezolanische Putschregierung von 2002 und der heutige kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos organisierte damals mit Hilfe des spanischen Partido Popular in San Salvador ein Treffen zur Unterstützung des Putsches. Seither gewährt Kolumbien den Putschisten Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung. Kolumbien anerkannte auch als erstes Land die Putschregierung in Honduras.

Im Oktober 2009 kam es mit dem Vertrag über die Errichtung von sieben US-Militärbasen auf kolumbianischem Territorium zu einer neuen Phase des Plan Kolumbien. Zwar hatten das kolumbianische Verfassungsgericht und andere hohe Gerichte den Vertrag wenige Monate später für nichtig erklärt, doch er wird weiter umgesetzt, als sei nichts gewesen. Mit Bestimmungen wie jener zur strafrechtlichen Immunität der US-Truppen wandelt er das Land in ein US-Protektorat um.

In diesem Kontext der internationalen Funktion Kolumbiens ist die Ankündigung von Präsident Santos vom 1. Juni dieses Jahres zu sehen, in der er Kooperationsabkommen mit der NATO «mit Blick auch auf einen Beitritt zu dieser Organisation» angekündigt hatte. Etwas verdächtig in einem Kontinent ohne zwischenstaatliche Konflikte. Erinnern wir uns, dass die USA zu Beginn des letzten Jahrzehnts versucht haben, mit verdeckten Operationen den internen bewaffneten Konflikt in Kolumbien in Richtung Aufstellung von UNO-Blaumützen an der venezolanisch-kolumbianischen Grenze zu internationalisieren.


«Gefährliche Indios...»

1998 äusserte der Republikaner Paul Coverdale in seinem Votum für den Plan Kolumbien im US-Senat, dass es, «um Venezuela zu kontrollieren, nötig ist, Kolumbien militärisch zu besetzen». Zwei Jahre später fügte er an: «Auch wenn viele Bürger ein neues Vietnam befürchten, ist es notwendig, denn Venezuela hat Öl.Venezuela ist feindselig zu den USA eingestellt, und diese müssen in Kolumbien intervenieren,umVenezuela zu beherrschen. Und da auch Ecuador vital ist und die Indios dort gefährlich sind, müssen die USA auch in diesem Land intervenieren. (...) Wenn mein Land im fernen Irak einen zivilisatorischen Krieg führt, bin ich sicher, dass es dazu auch in Kolumbien im Stand ist, um Kolumbien und seine Nachbarn, Venezuela und Ecuador, zu beherrschen».

Dieses Konzept, wonach alles in den Amerikas den USA gehört, kam mit der Monroe-Doktrin zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf und setzt sich seither fort. In den 1960er Jahren hatten wir die «Allianz für den Fortschritt» mit ihrer militärischen Komponente, der Nationalen Sicherheitsdoktrin mit ihrem inneren Feind, in der alle Armeen ausgebildet wurden. Diese Politik der Aufstandsbekämpfung über unkonventionelle und präventive Kriege lebt nicht nur weiter, sondern wird zwecks Zerstörung der aktuellen Befreiungsprozesse modernisiert. 1989 lancierten die USA nach dem Mauerfall in Berlin 1989 die Initiative für die Amerikas, die mittels eines integralen Planes alle noch existierenden Guerillabewegungen im Kontinent beenden sollte. In diesem Kontext sind die zentralamerikanischen Friedensprozesse zu sehen. Der Zwang, angesichts der Entstehung neuer ökonomischer Pole in Europa und Asien den Ressourcenfluss aus «ihrem Hinterhof» zu erhöhen, veranlasste die USA 1998, einen Plan für die Konsolidierung ihrer Macht im Kontinent zu lancieren. Ein integraler Plan, zu dem als ökonomisch-handelspolitischer Teil ALCA gehört; der Infrastrukturplan Puebla Panama von Mexiko bis nach Kolumbien, zur Ausnutzung der natürlichen und energetischen Ressourcen; der pazifisch-atlantische Infrastrukturplan IIRSA zur Kontrolle der Amazonía; der zivil-militärische Plan Cabañas für die Kontrolle des Acuífero Guaraní, des global drittgrössten Süsswasserreservoirs im Grenzgebiet von Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay - dies alles begleitet von einem grossen Plan der militärischen Repositionierung: der Regionalen Andeninitiative und ihrer Schockkomponente Plan Kolumbien.

Doch dieses von der Administration Clinton vorangetriebene Grossprojekt traf auf ein verändertes Amerika mit gestärkten Bewegungen des Widerstands gegen die US-Hegemonie und die lokalen neoliberalen Oligarchien: Vielfältige Bewegungen, die in mehreren Ländern zur Regierungsalternative wurden, mit grossen politischen Unterschieden untereinander, aber mit dieser Gemeinsamkeit: der unabhängigen und souveränen Gestaltung ihrer Politik. Für die Spannbreite stehen Brasilien und Venezuela. In diesem Land tauchte 1998 ein grosser Caudillo auf, Hugo Chávez, der sich auf die antiimperialistische und lateinamerikanistische Unabhängigkeit bezog und die Umsetzung des Grossprojekts von Clinton und Bush vorerst verhinderte. Gestorben war es damit aber noch nicht und seit 2010 wird es von der Administration Obama mit neuer Energie vorangetrieben.

In den 80er Jahren betrachtete die sogenannte Carter-Doktrin die Aneignung der Ölreserven im Persischen Golf als Sache der Nationalen Sicherheit. 2003, während der Invasion des Iraks, propagierte der Cheney-Bericht die Notwendigkeit, weitere globale Ölreserven über den Golf hinaus zu kontrollieren, und nannte drei Prioritäten: die andine Region (speziell Venezuela und Kolumbien), die afrikanische Westküste und das Becken des Kaspischen Meers. Dies ist mit ein Grund für die grosse Sorge der USA angesichts der Stärkung der bolivarischen Revolution und des Sozialismus des XXI. Jahrhunderts in Venezuela und anderen Ländern der Region. Dagegen setzen die USA nicht nur die bekannten verdeckten Operationen ihrer Geheimdienste ein, sondern institutionalisieren auch den irregulären Kampf. Im Antrag des Pentagon-Budgets von 2010, dem grössten der Geschichte, steht, dass die USA weiter den »Antiterrorismus, die Taktiken des nicht-konventionellen Krieges, die interne Verteidigung fremder Länder, den Gegenaufstand und Stabilitätsoperationen» unterstützen müssen, was für das Pentagon heisse, «die für die Führung des irregulären Krieges notwendigen Kapazitäten zu institutionalisieren (...) und neue Kapazitätem zu entwickeln, um irregulären Herausforderungen zu begegnen».

Hier spielen Staaten wie Kolumbien eine Rolle.


Kolumbien, der Kain von América

Um den revolutionären Prozess in Venezuela zu sabotieren, griffen die kolumbianischen Regierungen, StaatsfunktionärInnen und dem Regime verbundene irreguläre Kräfte seit 2000 zu verschiedenen Mitteln, alles im Rahmen nordamerikanischer Pläne, wohlverstanden. Seit dem Tod des revolutionären Anführers und Comandante Hugo Chávez nimmt die vom Pentagon aufgepeitschte und geförderte venezolanische Rechte wieder verstärkt die Praxis der Sabotage auf, um die revolutionäre Regierung zu schwächen und zu stürzen. Dazu wird als erstes das zwar knappe, aber doch klare Wahlresultat nicht anerkannt und die venezolanische Opposition beginnt einen kontinentalen Kreuzzug, um internationale Anerkennung zu erlangen. Der einzige Präsident, der den oppositionellen Henrique Capriles in seiner Eigenschaft als Staatschef empfängt, ist Juan Manuel Santos. Es hat sich dabei nicht, wie er jetzt weiszumachen versucht, um die Folge einer schlechten Einschätzung gehandelt, sondern um die Umsetzung einer mit dem Pentagon vereinbarten Politik. Santos fungierte in Kolumbien während langer Jahre als erbittertster Feind des Chavismo: 2002 anerkannte er die Putschregierung und danach rollte er in den grossen Clubs der Oligarchie von Bogotá den roten Teppich für die Putschisten aus, die dort Schutz suchten, nachdem sie versucht hatten, den verfassungsmässigen Präsidenten gewalttätig zu stürzen.

Ein weiterer Sabotageakt der Rechten gegen Volk und Regierung von Venezuela besteht in der von den Wirtschaftseliten programmierten Unterversorgung. Mit Unterstützung ihrer Pendants in Kolumbien (einer Klasse, der Santos angehört) werden Artikel des Grundbedarfs dorthin exportiert und so Mangel in Venezuela erzeugt.

Kürzlich haben die venezolanischen Geheimdienste zwei Gruppen kolumbianischer Paramilitärs verhaftet, die, wie sie selber aussagten, in die venezolanische Hauptstadt gelangen wollten, um dort gewalttätige Aktionen auszuführen. Wer steht hinter diesen Vorgängen: die USA, die kolumbianische Oligarchie oder die venezolanische Rechte? Zweifellos alle drei, es handelt sich um übereinstimmende Interessen und entsprechend um eine natürliche Allianz. Die venezolanische Regierungspartei PSUV hat dieser Tage öffentlich gemacht, von einem Vorhaben der venezolanischen Opposition, 18 Kampfflugzeuge zu kaufen, zu wissen. Die Flugzeuge sollen demnach von den USA verkauft werden und als Operationsbasis eine kolumbianische Militäreinrichtung nahe der venezolanischen Grenze erhalten.

Sollte dies stimmen, befänden wir uns an der Schwelle zu einer bewaffneten Aggression gegen die venezolanische Nation, bei der der kolumbianische Staat die Rolle des verfluchten Bruders übernimmt.

Abschliessend können wir sagen, dass die USA keineswegs auf ihr Projekt der Rekolonialisierung und der totalen Kontrolle Lateinamerikas verzichtet haben, um dessen grosse Reichtümer auszubeuten. Ihre Pläne auf Handels-, wirtschaftlicher, militärischer und infrastruktureller Ebene dauern an und wurden an die neue politisch-administrative Situation in Lateinamerika angepasst. Auf der einen Seite erleben wir einen Prozess der Konsolidierung der Prozesse und Regierungen demokratischen, unabhängigen, nationalistischen und revolutionären Zuschnitts und einen zunehmenden Prozess der Integration der Völker, der Nationen und einiger lateinamerikanischer Staaten. Doch es lauern nicht wenige Gefahren. Denn auf der anderen Seite können die USA in Lateinamerika auf die Unterstützung mehrerer Regierungen und Staaten zählen, die ihnen die Umsetzung ihrer hegemonialen Pläne erleichtern. Dabei spielt Kolumbien wegen seiner ökonomischen und geostrategischen Wichtigkeit eine entscheidende Rolle.

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Quelle:
Correos de Centroamérica Nr. 174, 29. Juni 2013, S. 18-21
Herausgeber: Zentralamerika-Sekretariat, Zürich
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2013