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DA/590: Dreckige Geschäfte - Oder wer glaubt noch an die Heinzelmännchen?


DA - Direkte Aktion Nr. 229 - Mai/Juni 2015
anarchosyndikalistische Zeitung der Freien ArbeiterInnen Union (FAU-IAA)

Dreckige Geschäfte

Oder wer glaubt noch an die Heinzelmännchen?

Claudia Froböse


Meistens wird ihre Arbeit erst gesehen, wenn sie nicht verrichtet wurde, wenn der Teppich schmutzig ist, der Kaffeefleck auch nach einer Woche noch auf dem Schreibtisch ist oder der Papierkorb überquillt. Die Rede ist von Reinigungskräften, die ihre Arbeit früh oder spät erledigen, wenn keine Kundschaft da ist oder außerhalb der Arbeitszeiten von Beschäftigten. Die FAU Kiel hat im Herbst 2014 einen Fragebogen entwickelt und in der Stadt verteilt, um einen Einblick in die Arbeitsverhältnisse von Reinigungskräften zu erhalten - ein Gewerbe, das trotz seiner Wichtigkeit ein Schattendasein fristet.

Seit den 1970er Jahren gibt es den anhaltenden Trend die Gebäudereinigung auszulagern und an private Anbieter zu vergeben. Im Bemühen um Aufträge zahlen diese oft nicht den tariflichen Mindestlohn, der für die Branche 2007 eingeführt wurde. Der erste und einzige Streik von Reinigungskräften in der Nachkriegszeit fand 2009 statt. Damals ging es um 8,7 Prozent Lohnerhöhung für Putzkräfte.

Wer sich aber an die tarifliche Vorgabe von aktuell 9,55 Euro brutto pro Stunde in den alten Bundesländern und 8,50 Euro in den neuen Bundesländern halte, sei auf dem Markt überhaupt nicht mehr konkurrenzfähig. Das Problem dabei sei vor allem die Kundschaft, da diese immer die billigsten Angebote wählen und so Firmen mit vielen illegalisierten Arbeiterinnen und Arbeitern Tür und Tor öffneten. Unter dieser Konkurrenz, die auf niedrige Löhne und vor allem niedrige Zeitvorgaben hinausläuft, leiden natürlich vor allem die Reinigungskräfte.

Petra Müller zum Beispiel arbeitet als Reinigungskraft in einer Forschungseinrichtung: "Ich arbeite an fünf Tagen etwa drei Stunden pro Tag und verdiene im Monat etwa 360 Euro. Das entspricht einem Stundenlohn von etwa sechs Euro, was für die zu machende Arbeit relativ wenig ist. Ich muss sehr schwere Eimer schleppen und mich meistens auch ziemlich beeilen, damit ich in den drei Stunden mit meiner Arbeit fertig werde, es ist also ziemlich stressig. Oft arbeite ich auch eine Viertel- oder halbe Stunde länger."

Festanstellungen als Vollzeitkräfte in diesem Bereich sind selten. Es gilt auch als erwiesen, dass der Job körperlich zu beanspruchend sei, als dass er 40 Stunden in der Woche ausgeübt werden könne. Von einem Teilzeitgehalt auf dem niedrigen Lohnniveau der Branche lässt es sich aber schlecht leben. Demgegenüber stellt die Objektmanagerin Barbara Meyer jedoch fest: "Viele meiner Leute wollen nicht auf Lohnsteuerkarte arbeiten. Sie reinigen eine Stunde am Tag, oftmals neben einer anderen Voll- oder Teilzeitstelle. Wenn sie über 450 Euro kommen würden, müssten sie fast die Hälfte als Steuern abgeben und hätten nur noch 250 Euro übrig. Dafür will kein Mensch arbeiten. Fast 80 Prozent meiner Leute sind auf 450 Euro-Basis eingestellt."

Die Umfrage der FAU Kiel kommt zu alarmierenden Ergebnissen: Vor allem in der Gastronomie und Hotelbranche scheinen Schwarzarbeit, unpünktliche Bezahlung und fehlende Arbeitsverträge üblich zu sein. Insbesondere migrantische Arbeitnehmerinnen werden wegen fehlender Sprachkenntnisse falsch informiert, leisten unbezahlte Überstunden oder ihnen wird sogar wegen fehlender Papiere Angst gemacht. Am schlimmsten trifft es migrantische Haushaltshilfen, die jederzeit einsetzbar sind, weil sie oft auch in den Haushalten leben, in denen sie arbeiten. Teilweise wiesen die ausgefüllten Fragebögen darauf hin, dass die Haushaltshilfen auch an Bekannte "ausgeliehen" worden sind. Besonders Arbeitskräfte, die nicht mehr in den Abhängigkeitsverhältnissen, die sie schildern, beschäftigt sind, haben den Fragebogen ausgefüllt, andere haben sich wahrscheinlich aus Angst erst gar nicht getraut.

Auf die abschließende Frage, ob sie lieber einer anderen Tätigkeit nachginge, erklärt Petra Müller: "Da ich manchmal unter Rückenschmerzen leide, Hautausschlag an den Händen habe und an manchen Tagen einfach nur völlig erschöpft bin, würde ich schon gerne auf andere Weise mein Geld verdienen." Die besonders starke Vereinzelung der Arbeitenden in diesem Bereich stellt für eine Solidarisierung und Arbeitskämpfe jedoch ein zentrales Hindernis dar. Die Reinigungsbranche hat sehr vielfältige Facetten mit unterschiedlichsten Problemlagen, von Arbeitsverdichtung mit "Minilohn" über Schwarzarbeit ohne Arbeitsrechte bis hin zu Ausbeutung in sklavenähnlichen Zuständen. Eins haben sie alle gemeinsam: es sind (Arbeits-)Verhältnisse, die nicht hinnehmbar sind und die wir deshalb verändern müssen.


URL des Beitrags:
https://www.direkteaktion.org/229/dreckige-geschaefte

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Quelle:
DA - Direkte Aktion Nr. 229 - Mai/Juni 2015, S. 6
anarchosyndikalistische Zeitung der Freien ArbeiterInnen Union (FAU-IAA)
Verleger: Direkte Aktion e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2015

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