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DAS BLÄTTCHEN/1066: Demokraten sind die Totengräber der Demokratie


Das Blättchen - Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft
14. Jahrgang | Nummer 1 | 10. Januar 2011

Demokraten sind die Totengräber der Demokratie

Von Max Hagebök


Ich lebe jetzt in der zweiten Demokratie, glaube ich.
Die ersten Jahre verbrachte ich in der deutschen demokratischen Republik. Es gab Wahlen, Wählerversammlungen und in den Betrieben wurde der Plan diskutiert. Irgendwie waren die demokratischen Spielregeln da und irgendwer nahm sie ernst. Ich durfte wählen und tat dies auch. Oft sprach ich meine Wahrheiten aus und häufig wurde ich dafür geprügelt. Akteneinsicht habe ich nicht genommen, warum auch. Ich lebte also in der Gewissheit, mich einmischen zu wollen, es auch manchmal zu können und nie etwas zu ändern. Nur eins konnte ich, mich menschlich verhalten. Ob ich dies aber immer tat?

Es bleibt für die ersten Jahre in der Republik die erkenntnisreiche Lehre, dass die schönsten Regeln in der Demokratie von machtpolitischen Interessen ausgehebelt werden. Mit den Jahren verloren die Herrscher immer mehr die Scham, die Menschen zu entmündigen. Ich verlor mich immer mehr in der Rolle des verstehenden "Sache"verständigers. Die individuellen Ansprüche wurden in Sachinteressen umgepolt. Die Sache regulierte die Demokratie und die Demokraten.

Nachdem die demokratische Republik von den Demokraten abgewählt wurde, wurde diesen klar, dass es niemandem gelungen war, das Demokratische der DDR zu zerstören. Es dauerte nur etwas länger und die Republik wurde ihrem Gründungsnamen gerecht. Das war dann aber auch das Ende der DDR.

Nach diesem demokratischen Todesakt vergaßen die Demokraten und die Sieger diesen Moment. Die DDR wurde auf ihre diktatorische Teilmenge begrenzt und schwebt nun für alle Ewigkeit im politischen Firmament als Legitimation der heutigen Demokratie.

Nach ersten Befürchtungen, dass diesmal die Demokratie gelebt wird, konnte ich übergangslos an die Erfahrungen aus meinem ersten Leben anknüpfen.

Auch im neuen Deutschland sticht die Macht die Demokratie. Ich ging also wieder zur Wahl, ich sagte meine Wahrheiten und, es änderte sich nichts. Viele gingen zur Wahl, viele glaubten den Versprechungen der Politiker und, es änderte sich nichts.

Da wurde mir klar, dass die Demokratie nur eine Bewegungsform des menschlichen Lebens ist und nicht ein zielorientierter Akt von Menschen für sich. Die Demokraten sind immer nur dafür da, die Machtinteressen von wenigen zu legitimieren.

Dabei werden die Mächtigen immer schamloser. Sie lügen, betrügen und zerstören. Sie nennen ihre Politik nicht einmal mehr demokratisch. Was die Meinung des Volkes ist, ist denen egal. Denn das demokratische Immunsystem ist zerstört. Da hilft kein Wutbürger, dieser kongeniale Zwilling der Herrscher, noch die vielen Splittergruppen der Wohlstandsverlierer. Beide Akteure kümmern sich um die marginalen Probleme ihres Wohlstandes. Der egoistische Ansatz des heutigen Widerstands ist immer undemokratisch. Es sind wieder nur wenige, die den Stein des Anstoßes als Teil einer politischen Lawine sehen. Dafür braucht es Wissen und Kultur. Beides geht den heutigen Scheindemokraten völlig ab. Die Stuttgart 21 Kämpfer wählen die Hartz IV Politiker. Die Atomkraftgegner wählen die Kriegspartei "Die Grünen". Diese Häppchendemokraten filetieren die Sauerein der Politiker, um ein Filetstück zu erhalten.

Was bleibt? Wenn die DDR eine Diktatur war, dann ist dies die Bundesrepublik auch. Beide Diktaturen leben von einer ungebildeten Mehrheit, die trotzdem politisch ist. Dies ist eine gefährliche Mischung.


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Quelle:
Das Blättchen Nr. 1/2011 vom 10. Januar 2011, Online-Ausgabe
Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft, 14. Jahrgang
Herausgeber: Wolfgang Sabath, Heinz Jakubowski
... und der Freundeskreis des Blättchens
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2011