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DAS BLÄTTCHEN/1920: Die Facebook-Währung


Das Blättchen - Zeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft
22. Jahrgang | Nummer 16 | 5. August 2019

Die Facebook-Währung

von Ulrich Busch


Von Joseph A. Schumpeter stammt die Aussage, dass es überwiegend "Unternehmer" sind, welche die Innovationen hervorbringen (und nicht verbeamtete Wissenschaftler) und dass die Theorie "aus der Beobachtung der Geschäftspraxis" erwachse (und nicht aus dem Studium dicker Bücher). Wenn es für die Richtigkeit dieser These noch eines Beweises bedurft hätte, so wurde dieser jetzt von Facebook-Chef Mark Zuckerberg mit dem Projekt Libra erbracht.

Libra ist der Name für eine private Kryptowährung, die maßgeblich von dem Internet-Dienstleister Facebook entwickelt wird und demnächst an den Start gehen soll. Mit dabei sind rund 20 andere Firmen, größtenteils US-Unternehmen, Plattformanbieter und Zahlungsdienstleister, die sich davon Megagewinne, Unabhängigkeit vom Bankensystem und staatlicher Regulierung sowie eine maximale Steigerung ihrer Marktmacht versprechen.

Das Vorhaben ist kein Nischenprojekt wie etwa die limitierte Kryptowährung Bitcoin, sondern von vornherein als ein überstaatliches und globales Projekt von gigantischen Ausmaßen angelegt. Insofern steht es in Konkurrenz zu allen Weltwährungen und hat das Zeug, das gesamte Weltfinanzsystem kräftig durcheinander zu wirbeln. Die Aufregung, die auf die Ankündigung dieses Vorhabens überall zu spüren war, beim Internationalen Währungsfonds, in der Europäischen Union, bei den Notenbanken, Geschäftsbanken und Finanzinstitutionen, ist keineswegs unbegründet: Von Libra geht für alle eine große Gefahr aus, die zu bannen aber niemand allein und für sich die Kraft, sprich die Macht und das Kapital, hat. Deshalb wird Libra, egal wer alles dagegen ist, kommen, auch wenn die letzte Entscheidung darüber noch nicht gefallen ist.

Während der Weltökonom Joseph Stiglitz noch meint, dieses Projekt müsse umgehend gestoppt werden und die Harvard-Professorin Katharina Pistor die Regierungen der Welt dazu aufruft, ihre Bürger vor der Libra unbedingt zu schützen, was auf entsprechende Verbote hinausläuft, sprechen sich realistische und weitblickende Analysten für einen besonneneren Umgang mit dem Phänomen der Digitalisierung und Privatisierung von Geld und Währung aus. So geht zum Beispiel die Deutsche Bundesbank mit diesem Problem sehr viel differenzierter um. Sie betont, dass es gelte, den technischen Fortschritt, sofern dieser dazu beitrage, den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr und das Wertpapiergeschäft effektiver zu gestalten, nach Kräften zu fördern. Im neuesten Monatsbericht lesen wir dazu: "Innovationen, die Wohlstand mehren und Transaktionskosten senken können, sollten ermöglicht werden. Jedoch dürfen wichtige Ziele wie die Geldwertstabilität, die Finanzstabilität und die Sicherheit des Zahlungsverkehrs nicht kompromittiert werden."

In diesem Zusammenhang räumt sie der den digitalen Projekten zugrunden liegenden komplizierten Blockchain-Technologie durchaus Chancen ein. Andererseits setzt sie derartigen Vorhaben aber auch enge Grenzen und zieht "rote Linien", insbesondere da, wo sie das Währungsmonopol der Staaten, die Geldwertstabilität und die Machtposition der Zentralbanken gefährdet sieht. Die Geschäftsbanken dagegen lässt sie im Regen stehen: Durch die Einführung von Libra werden sie erheblich unter Druck geraten und müssen, um bestehen zu können, weitaus günstigere Lösungen für den internationalen Zahlungsverkehr entwickeln, als dies bisher der Fall ist. Ob ihnen dies gelingt, ist eine offene Frage. - Sie werden vermutlich die eigentlichen Verlierer dieser monetären Innovation sein.

Hier tut sich ein massiver Konflikt auf, indem die verhältnismäßig stark regulierten und in ihren Aktivitäten streng kontrollierten privaten und genossenschaftlichen Banken durch die Einführung einer nicht regulierten und unbeaufsichtigten privaten Kryptowährung unter Konkurrenzdruck geraten. Der Zahlungsverkehr der Banken und die Wertpapierabwicklung sind von der Digitalisierung in besonderem Maße betroffen. Die Umgestaltung von analogen Prozessen mit mannigfachem manuellen Bearbeitungsaufwand und Systembrüchen in digitale, automatisierte Abläufe in den Banken stellt für diese eine enorme Herausforderung dar. Inzwischen hat sich hier aber eine ganz neue Dynamik entwickelt, getrieben von digitalen Technologien und Systemen, insbesondere in Gestalt von Plattformen, E-Commerce und digitalen Token. Die Einführung von E-Geld, in welcher Form auch immer, ist nur eine Konsequenz dieser Entwicklung und man wird ihr letztlich nicht ausweichen können.

Eine private Kryptowährung wie Libra stellt für die Nutzer eine neue Herausforderung dar. Dies erstens, weil es sich hierbei um eine private Währung handelt. Das heißt, es steht weder eine Zentralbank noch ein Staat, noch eine Volkswirtschaft dahinter. Solange die Stabilität gegeben ist und alles gut läuft, wird das niemanden ernsthaft interessieren. Aber was ist, wenn das System kollabiert? Es könnte passieren, dass in einem solchen Fall niemand die Verantwortung trägt und eine Haftung für den entstandenen Schaden auch nirgendwo eingeklagt werden kann.

Zweitens stellt sich die Profitabilität des Systems hier völlig anders als bei einer normalen Währung. Erwirtschaftet zum Beispiel die Europäische Zentralbank einen Gewinn, so hat sie diesen an die Staatshaushalte der Mitgliedsländer abzuführen. Anders bei Libra. Hier profitieren nur die privaten Firmen davon, die zum Konsortium der Emittenten gehören. Zudem findet dabei noch eine gigantische Umverteilung von Vermögenswerten statt, denn das System Libra nutzt die Stabilität anderer Währungen und Anleihen von Staaten, die es in seinen Korb als Reserven aufnimmt, aus, um sich selbst Gewinne zuzuschanzen. Im Verlustfall aber müssten Facebook und die anderen Beteiligungsfirmen keine unangenehmen Folgen fürchten, denn bei der Kryptowährung Libra handelt es sich weder um ein gesetzliches Zahlungsmittel (wofür Zentralbanken und Staaten haften würden) noch um ein Wertpapier im Sinne eines Schuldscheins, noch um haftendes Eigenkapital. Das Risiko ist also ganz privat beim Nutzer konzentriert, während das Projekt für Facebook ein fast risikoloses "gigantisches Bereicherungsprogramm" (Peter Bofinger) darstellt.

Libra ist eine Antwort der privaten Plattformökonomie auf die aktuellen Herausforderungen durch die Digitalisierung. Hierin zeigt sich aber zugleich auch der Griff privater Konzerne nach dem Geld und der Währung, als einer bisher den Staaten vorbehaltenen Sphäre. Libra ist damit auch ein Indiz für die Verschiebung in den Machtstrukturen unter den Bedingungen der Digitalisierung und Globalisierung.

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Quelle:
Das Blättchen Nr. 16/2019 vom 5. August 2019, Online-Ausgabe
E-Mail: redaktion@das-blaettchen.de
Internet: https://das-blaettchen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. August 2019

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