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GEFANGENEN INFO/094: Ausgabe 357, August/September 2010


Gefangenen Info

Hervorgegangen aus dem Angehörigen Info. Das Angehörigen Info entstand im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989.

Nr. 357, August/September 2010


Inhalt dieser Ausgabe

Schwerpunkt

- Nulla è finito! - Nichts ist vorbei!
- Revolutionäre Geschichte aneignen und verteidigen!
- Linke Geschichte muss immer authentisch vermittelt werden!

Inland

- Berufungsprozess gegen das Gefangenen Info
- Zustellung von Gefangenen Infos an Stammheimer Gefangene blockiert
- Internationale Delegation zum Düsseldorf-3-Prozess
- Einige Informationen zu Tommy Tank

International

- Zur Repression in Italien
- Kampagne für Langzeitgefangene
- "Es gab immer Repression und Widerstand in den Knästen der Türkei"
- Hungerstreik der Mapuche-Gefangenen in Chile
- Hungerstreikerklärung aus der Schweiz
- Erneut Verhaftungen und Folter im Baskenland

Gefangene

- Briefe von Tommy Tank
- Brief von Nurhan Erdem
- Brief von Thomas Meyer Falk
- Briefe von Faruk Ereren
- Briefe von Günter Finneisen

Feuilleton

- Vorstellung von Medien


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Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

erst mit reichlich Verspätung und auf den allerletzten Drücker erscheint nun die hinfällige August-September-Ausgabe. Wir möchten diese Verspätung auf keinen Fall rechtfertigen, doch haben uns parallel laufende Kampagnen (die auf den nächsten Seiten dokumentiert sind) bei der Erstellung dieser Nummer etwas ausgebremst.

Wir möchten das Vorwort natürlich wieder dazu nutzen, über aktuellste Entwicklungen zu informieren und Mitteilungen loszuwerden. Dementsprechend möchten wir gleich auf die Repression gegen unsere Zeitung beginnen. Über mehrere Ausgaben hinweg haben wir über den Prozess gegen unseren presserechtlichen Verantwortlichen berichtet. Der Berufungsprozesstermin steht mittlerweile fest und unser Aufruf diesbezüglich ist unter "Berufungsprozess gegen das Gefangenen Info" abgedruckt. Unserer Empörung hinsichtlich der Blockierung mehrer GI's in Stuttgart-Stammheim haben wir unter "Zustellung von Gefangenen Infos an Stammheimer Gefangene blockiert!" Ausdruck verliehen. Wir fordern die Gefängnisleitung Stammheims dazu auf, ihre willkürlichen Maßnahmen zu unterlassen und den Gefangenen ihre abonnierten Zeitungen auszuhändigen!

Unseren eingesperrten AbonentInnen möchten wir folgende Mitteilungen zukommen lassen:
1. Da uns mitgeteilt wurde, dass die Gefangenen Infos an weitere Gefangene weitergegeben werden können, legen wir dem abonnierten Exemplar weitere Exemplare bei.
2. Dieser Gefangenen Info-Ausgabe ist diesmal die aktuelle Nummer der RHZ (Rote Hilfe Zeitung) als Probeabo beigelegt. Wenn euch diese Zeitung gefällt, könnt ihr sie direkt bei der Roten Hilfe oder auch bei uns bestellen. Sie ist für Gefangene gratis.
3. Wir hatten anlässlich des Prozesses gegen unsere Zeitung einen Unterstützungsaufruf verfasst und in die Knäste geschickt. Nun haben uns einige Gefangene Geld gespendet, was wir als eine äußerst solidarische Handlung ansehen und sehr schätzen. Doch in Anbetracht der zumeist schlechten Situation in deutschen Knästen und der schwierigen Lage der Gefangenen, lässt es unser Gewissen nicht zu, diese Spenden anzunehmen. Wir bedanken uns herzlichst dafür, doch erwarten wir aus den Knästen eine politische Solidarität, keine finanzielle.

Eine weitere Mitteilung betrifft unsere Leserinnen und Leser, die sich an Diskussionen beteiligen wollen, welche in dieser Zeitung laufen:
Da das Gefangenen Info wegen ihrer bescheidenen Seitenzahl von 20 und ihrem sechswöchentlichen Erscheinungsrhythmus die Textauswahl sorgfältig treffen muss, können nicht alle Texte und Leserbriefe in dieser Zeitung abgedruckt werden. Von daher behalten wir uns mögliche Kürzungen vor oder veröffentlichen sie ungekürzt auf der Homepage www.political-prisoners.net. Wir bitten dafür um Verständnis.

Abschließend möchten wir dazu aufrufen, die Betroffenen aus dem anstehenden Verena Becker-Prozess nicht alleine zu lassen und gegen die mögliche Beugehaft von Genossinnen und Genossen zusammenzuhalten. Ebenso dürfen wir es nicht zulassen, dass dieser Prozess durch den Staat in eine Bühne zur Verurteilung revolutionärer Politik umfunktioniert wird.

In diesem Sinne:

Nulla è finito! Nichts ist vorbei!
Revolutionäre Geschichte aneignen und verteidigen!

Die Redaktion


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Schwerpunkt

Nulla è finito! Nichts ist vorbei!
Revolutionäre Geschichte aneignen und verteidigen!

Auch 33 Jahre nach dem sog. Deutschen Herbst, einem der Höhepunkte der Repression in der Auseinandersetzung zwischen dem bewaffneten Befreiungskampf und dem Staatsapparat werden Staat, seine Repressionsorgane und die Medien nicht müde, die Geschichte der Roten Armee Fraktion (RAF) verfälschend und diffamierend darzustellen. Unvergessen ist dabei die Hetzkampagne 2007, die mit verschiedenen Büchern, Filmen, "neuen" Entdeckungen bezüglich der "Baader-Meinhof Bande" aufwartete, um auch diesen Abschnitt der Geschichte in ihrem Sinne umzuschreiben und für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.
Die Diffamierung revolutionärer Kämpfe ist ein weltweites Anliegen der herrschenden Eliten innerhalb des kapitalistischen Systems. Der legitime und notwendige Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung wird im Rahmen der Aufstandsbekämpfung mit allen erdenklichen Mitteln bekämpft, angefangen bei Desinformations- und Hetzkampagnen bis hin zu Folter und extralegalen Hinrichtungen. Es gilt, diesen Angriffen standzuhalten und entschlossen die eigene Geschichte zu verteidigen.
In diesem Kontext muss auch der jetzt anstehende Prozess gegen Verena Becker gesehen werden.
Denn auch 40 Jahre nach ihrer Gründung und 12 Jahre nach ihrer Auflösung steht die RAF noch immer im Fadenkreuz der Repressionsorgane. Ab dem 30. September wird Verena Becker wegen der Tötung des damaligen Generalbundesanwalts Siegfried Buback vor Gericht in Stuttgart-Stammheim stehen. Der Prozess gegen Becker soll dazu dienen, ein weiteres Mal mit der Geschichte der RAF abzurechnen, indem diese umgedeutet, diffamiert und letztlich entpolitisiert wird. Vor Gericht steht also nicht nur Verena Becker, sondern auch die Geschichte und Politik der RAF und damit verbunden die revolutionären Kämpfe in der BRD und weltweit. In Anbetracht der Tatsache, dass die Erfahrungen aus Geschichte und Politik der RAF maßgebliche Lehren für künftige Widerstände und Aufbrüche bedeuten, befindet sich auch die Zukunft des revolutionären Kampfes auf der Anklagebank. Die Bundeswehr führt heute gezieltes Töten von Zivilisten unter Oberst Klein in Kundus durch und das wird von den höchsten juristischen Instanzen gebilligt. Außenminister Westerwelle propagiert dieses Töten, was der liberalen SZ vom 11. August 2010 zu weit geht, denn der Kommentator Heribert Prantl befrüchtet, dass Parallelen zur Tötung in Bad Kleinen vom RAF-Mitglied Wolfgang Grams, "der schon kampfunfähig (...) exekutiert (worden sei)", in Bad Kleinen durch BGS-Beamten gezogen werden könnten."
Um der medialen Hetze und der herrschenden Geschichtsschreibung etwas entgegenzusetzen, organisieren wir am Freitag, den 15. Oktober in Stuttgart eine Veranstaltung unter dem Motto "Nulla è finito! Nichts ist vorbei! Revolutionäre Geschichte aneignen und verteidigen!".
Die Veranstaltung findet nicht zufällig in zeitlicher Nähe zum 18. Oktober statt, an dem sich die Todesnacht in Stammheim zum 33. mal jährt. Zudem werden wir am 16. Oktober die Gräber der verstorbenen ehemaligen RAF-Mitglieder Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe, Wolfgang Beer und Horst Ludwig Meyer besuchen und einen Kranz niederlegen. Denn sowohl die Veranstaltung als auch die Kranzniederlegung sollen auch dazu beitragen, dass diejenigen, die im Kampf für Befreiung gestorben sind, nicht vergessen und die Inhalte und Erfahrungen der Kämpfe von damals nicht verschüttet werden, sondern in die heutigen Kämpfe miteinfließen. Dadurch wollen wir der Geschichtsschreibung und der Verleumdung durch die Herrschenden, die authentische Geschichtsvermittlung und die Geschichte der revolutionären Linken gegenüberstellen.
In der Veranstaltung werden wir dabei unter anderem auf die Fragen eingehen, warum auch weiter nach Illegalen gefahndet wird obwohl sich die RAF im Jahre 1998 aufgelöst hat, warum neue Verfahren und Prozesse gegen ehemalige RAF Mitglieder angestrebt werden und warum in den Medien weiterhin gegen die RAF gehetzt wird.
Im Folgenden möchten wir kurz diese Fragestellungen streifen, um sie dann in der Veranstaltung zu vertiefen.

Rückblick:

Am 18. Oktober 1977 starben die Gefangenen aus der RAF, Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan Carl Raspe, in der JVA Stuttgart-Stammheim. Am 12. November 1977 starb Ingrid Schubert (ebenfalls aus der RAF) im Knast München-Stadelheim. Um zu verstehen wie es soweit kommen konnte, schauen wir kurz auf die Ereignisse des Jahres '77:
Mit Isolation, toten Trakten, Kontaktsperren, sensorischer Deprivation und vier weiteren toten Gefangenen als auch durch die Killfahndung, von staatlicher Seite inszenierten Anschlägen und riesiger medialer Hetze fand der Verfolgungswille und die Repression einen bis dahin nicht gekannten Höhepunkt.
Von Ende März bis Ende April befinden sich zeitweise über hundert Gefangene im Kampf gegen die Isolation im Hungerstreik. Am 7. April wird der Generalbundesanwalt Siegfried Buback vom "Kommando Ulrike Meinhof" getötet. Das ehemalige NSDAP-Mitglied Siegfried Buback stand für ein repressives System, der beständig die Haftbedingungen der Gefangenen verschärft hatte. Während seiner Amtszeit starben vier Gefangene der RAF in Haft.
Nachdem Ende April Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe in Stammheim zu lebenslanger Haft verurteilt wurden, werden auch weitere RAF Mitglieder zu langen Haftstrafen verurteilt und einige Personen, darunter auch Verena Becker, festgenommen.
Am 30. Juli wird Jürgen Ponto, Vorstandsvorsitzender der Dresdner Bank, bei dem Versuch ihn zu entführen, von einem Kommando der RAF erschossen. Anfang August beginnt der fünfte Hungerstreik der Gefangenen. Kurz darauf gibt es einen missglückten Anschlag auf das Gebäude der Bundesanwaltschaft. Am 5. September entführt das "Kommando Siegfried Hausner" Hanns-Martin Schleyer und fordert im Austausch gegen ihn die Freilassung elf politischer Gefangener. Als Reaktion darauf wird seitens der Bundesregierung eine absolute Kontaktsperre über 72 Gefangene verhängt. Die Bundesregierung geht nicht auf die Forderungen des RAF-Kommandos ein und die Situation spitzt sich zu. Einige Politiker sprechen sich - manche offener, manche indirekt - für die Tötung von Gefangenen aus. Am 13. Oktober wird eine Passagiermaschine von einem palästinensischen Kommando entführt und fordert ebenfalls die Freilassung der Gefangenen. Die Maschine wird vier Tage später in Mogadischu/Somalia von der GSG9 gestürmt.
Am 18. Oktober 1977 werden Andreas Baader und Gudrun Ensslin tot, Jan-Carl Raspe sterbend und Irmgard Möller schwer verletzt in ihren Zellen aufgefunden. Kaum einen Monat später wird Ingrid Schubert erhängt in ihrer Zelle aufgefunden. Hanns-Martin Schleyer wird am 19. Oktober 1977 getötet.
Schon vor und nach der Entführung werden rund 40 Personen festgenommen und die Repression ausgeweitet. Unter anderem Rechtsanwälte, Personen, die Gefangene besucht hatten, DruckerInnen und Aktive aus Solidaritätsgruppen waren davon betroffen.
Der Tod der vier Gefangenen stellte eine neue Qualität in der Auseinandersetzung von bewaffnetem Kampf und Staat dar. Irmgard Möller als einzige Überlebende sagt: "Für uns war klar, Selbstmord ist nicht Sache. Wir sind entschlossen zu kämpfen. Ich habe mir die Verletzungen nicht selbst beigebracht." Irmgard hatte geschlafen und war erst beim Transport ins Krankenhaus mit Messerstichen nahe dem Herzen aus ihrer Bewusstlosigkeit aufgewacht. Auch nach 21 Jahren Knast, als Irmgard im Herbst 1993 endlich frei kam, wurde zeitweise gegen sie ermittelt, da sie weiterhin daran festhielt, dass die Gefangenen sich nicht selbst umgebracht haben.
Bereits wenige Stunden nachdem die Toten gefunden wurden, wurde die offizielle Version des Selbstmordes verbreitet, obwohl erhebliche Unstimmigkeiten in den dann folgenden Untersuchungen aufgedeckt werden konnten. Die internationale Linke widersprach in Wort und Tat der staatlich verordneten Wahrheit. So gab es Protestresolutionen, Demonstrationen, Hungerstreiks und militante Aktionen in zehn europäischen Ländern, den USA und Palästina.
Die radikale Linke in der BRD kam trotz der harten Repressionsschläge und der Medienhetze aus der Talsohle heraus und war bis Ende der achtziger Jahre ein starker Faktor im Bereich des antimilitaristischen Kampfes, der Hausbesetzung, der autonomen Frauenkämpfe, der Anti-AKW- und der Gefangenenbewegung.
Ebenso die RAF, die 1982 unter dem Titel "Guerilla. Widerstand und antiimperialistische Front" ein Strategiepapier verfasste. Es gab unter dem Einfluss des "Frontpapiers" viele politisch-militärische Initiativen, auch mit einheimischen Militanten sowie mit Stadtguerillagruppen, Stadtguerillagruppen, wie der französischen Action Directe und den italienischen Roten Brigaden.
"Der Zusammenstoss zwischen Guerilla und Staat '77 war Katalysator für einen Umschlag der politischen Situation", so formulierte es die RAF 1982 in dem besagten Papier.
Der 18. Oktober 1977 steht dabei für die Zuspitzung eines Konfliktes, für die rücksichtslose Verfolgung der revolutionären Linken und symbolisiert seither den vor nichts zurückschreckenden Verfolgungswillen der Repressionsorgane gegen die RAF.

Die Verfolgung von Ehemaligen RAF-AktivistInnen geht weiter

Dass dieser Verfolgungswille auch heute noch vorhanden ist, zeigt sich an dem am 30. September 2010 in Stuttgart-Stammheim beginnenden Prozess gegen Verena Becker.
Bereits im Vorfeld hatte der Prozess einigen Wirbel in der Presse ausgelöst. Quer durch alle Zeitungen gingen Verdächtigungen, dass die RAF (und insbesondere natürlich die Buback-Aktion) vom Geheimdienst geleitet worden sei. Den Ehemaligen wurde vorgeworfen, sie hätten sich ein mafiaähnliches Schweigegelübde (Omerta), das das "Schweigen bis ins Grab" bedeute, auferlegt.
Die RAF verstand sich als Befreiungsbewegung im internationalen Kontext mit den Kämpfen im Trikont und in den Metropolen. Sie stand für Aufrichtigkeit, Mut und Hoffnung, auch unter schwierigen Bedingungen zu agieren und hatte eine gewisse Ausstrahlung. In einem Papier "von Einigen, die zu unterschiedlichen Zeiten in der RAF waren" erklärten Ehemalige aus der Guerilla im Mai diesen Jahres, dass die Justiz und die Medien von ihnen nur "Selbstbeschuldigung und Denunziation" forderten, so dass auch sie - als ProtagonistInnen dieser Zeit - mit dem bewaffneten Kampf als Teil der revolutionären Geschichte abschließen, um die Abrechnung des Staates zu komplettieren. Sie versicherten, sich diesen Angriffen nicht zu beugen und dieser geplanten Abrechnung einen Strich durch die Rechnung zu machen. Sie erklärten weiter: "Wenn von uns niemand Aussagen gemacht hat, dann nicht, weil es darüber eine besondere 'Absprache' in der RAF gegeben hätte, sondern weil das für jeden Menschen mit politischem Bewusstsein selbstverständlich ist. Eine Sache der Würde, der Identität - der Seite, auf die wir uns gestellt haben."
Die angeführten Beispiele zeigen auf, dass der Prozess aus Sicht der Herrschenden eine gute Gelegenheit darstellt, die Geschichte der RAF nochmals neu zu schreiben. Die Vorladungen und Beugehaftandrohungen gegen Ehemalige, die weitergehenden Ermittlungen und flankierend die Medienkampagne tun ihr Übriges, um die angestrebte Abrechnung mit der RAF, oder mit dem bewaffneten Befreiungskampf weiter voranzutreiben. Aus dieser Motivation erklärt sich der ungebrochene Verfolgungswille gegen ehemalige RAF-AktivistInnen.
Die Gesetze zur Bekämpfung des antagonistischen Widerstands vor 30 Jahren werden von den Herrschenden weiter ausgebaut, so sind in BRD-Knästen migrantische und alle anderen kämpfenden Eingesperrten ähnlichen und teilweise noch drakonischeren Isolationshaftbedingungen unterworfen sind - wie damals die Gefangenen aus der RAF. Die politischen Verfahren nach den §§129a/b werden damals wie heute vor Sondergerichten geführt und es werden Linke und Revolutionäre zu hohen Strafen verurteilt.
Mit unserer Veranstaltung, die unter dem Motto "Nulla è finito! Nichts ist vorbei! Revolutionäre Geschichte aneignen und verteidigen!" stattfinden wird, wollen wir einen Teil dazu beitragen, dieser angestrebten Abrechnung in die Quere zu kommen und die Diskussion über diesen Abschnitt der Geschichte der revolutionären Linken in Gang zu bringen. Damit wollen wir auch ein Stück dazu beitragen, dass wir uns die Geschichte der revolutionären Linken - unsere Geschichte - wieder aneignen.

Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen


Termine

Veranstaltung:

Freitag, 15. Oktober 2010 | 19.00 Uhr
Linkes Zentrum Lilo Herrmann
Böblinger Str. 105
70199 Stuttgart

Kranzniederlegung:

Samstag, 16. Oktober 2010 | 12.00 Uhr
am Dornhaldenfriedhof (nähe Karl-Kloß-Str.)
Treffpunkt: 11.00 Uhr
Südheimer Platz (U1/U14 Haltestelle)

Weitere Informationen folgen in den nächsten Tagen.

Für Nachfragen:
kontakt@political-prisoners.net
www.nullaefinito.jimdo.com


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Schwerpunkt

Die Todesfälle vom 18. Oktober 1977

Verhaftet wurden im Sommer 1972 Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe. Diese drei Gefangenen wurden neben Holger Meins und Ulrike Meinhof, die ebenfalls den Knast nicht überlebten, als "führende Köpfe der RAF" aufgebaut und angeklagt, an den Aktionen im Mai 1972 gegen die US-Hauptquartiere in Heidelberg und Frankfurt beteiligt gewesen zu sein. Von diesen Basen wurden per Computer u.a. die Bombenangriffe gegen Vietnam koordiniert. Auch wurde ihnen vorgeworfen, die Polizeihauptquartiere in Augsburg sowie München, ebenso das Springerhochhaus in Hamburg und das Auto eines Richters am BGH (Bundesgerichtshof), attackiert zu haben. Mit der letztgenannten Aktion richtete sich die RAF gegen die Isolationshaftbedingungen, denen die politischen Gefangenen unterworfen waren.
Am Morgen des 18. Oktober 1977 werden Andreas Baader und Gudrun Ensslin tot, Jan-Carl Raspe und Irmgard Möller schwerverletzt in ihren Zellen aufgefunden. Jan stirbt wenige Stunden später. Sofort wird die offizielle Version des Selbstmordes verbreitet, obwohl erhebliche Unstimmigkeiten in den dann folgenden Untersuchungen aufgedeckt werden können. Andreas soll die Pistole angeblich selbst festgehalten haben, obwohl ein Gutachten aussagt, dass der Schuss aus einem Abstand von 30-40 cm abgefeuert worden ist und die Pistole immerhin 17 cm maß. Gudruns Leichnam zeigte zahlreiche leichte Verletzungen und Blutergüsse. Zum Teil werden diese "Quetschungen" damit erklärt, dass der Körper nach der "Selbsterhängung" infolge von Todeskrämpfen heftig gegen harte Gegenstände gestoßen sei. Dies ist allerdings nicht mehr zu rekonstruieren, da die Beamten die Tote sofort abgebunden hatten. Ebenso wie bei Ulrike Meinhof wird auch hier ein Histamintest, der darüber Auskunft gibt, ob ein lebender oder bereits toter Mensch aufgehängt wurde, unterlassen.
So sagt Irmgard als einzige Überlebende: "Für uns war klar, Selbstmord ist nicht Sache. Wir sind entschlossen zu kämpfen. Ich habe mir die Verletzungen nicht selbst beigebracht." (Messerstiche direkt neben dem Herzen) Irmgard hatte geschlafen und war erst beim Transport ins Krankenhaus aus ihrer Bewusstlosigkeit aufgewacht. Nach 21 Jahren Knast kam Irmgard im Herbst 1993 endlich frei. Da sie weiterhin behauptete, die Gefangenen hätten sich nicht selbst umgebracht, wurde deshalb zeitweise gegen sie ermittelt. (red.)


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Schwerpunkt

Linke Geschichte muss immer authentisch vermittelt werden!

Es ist uns wichtig, dass linke Geschichte authentisch vermittelt wird, um sie so zu begreifen und die anstehenden Probleme zu bewältigen. Es gab in den letzten Jahren immer wichtige und gutgefasste Artikel und Ansätze, die Geschichte des bewaffneten Kampfes in der BRD zu dokumentieren, aber das Buch "ROTE ARMEE FRAKTION Texte und Materialien zur Geschichte der RAF" des Berliner ID-Verlag aus dem Jahre 1997 tut das nicht. Dort werden Erklärungen von Gefangenen oder der Guerilla umgeschrieben. Der Verlag hat sich aufgrund dieser Fälschungen gespalten. Authentisches Material zur Geschichte der Guerilla und den Gefangenen gibt es für Interessierte unter: www.labourhistory.net/raf.

Weiterhin empfehlen wir aus gegebenem Anlass einige Medien, die wir für authentisch und solidarisch halten:

Gudrun Ensslin
"Zieht den Trennungsstrich, jede Minute"
Briefe an ihre Schwester Christiane
und ihren Bruder Gottfried aus dem
Gefängnis 1972-1973, Konkret Verlag,
ISBN-10 3894582391

Oliver Tolmein
"RAF - Das war für uns Befreiung"
Ein Gespräch mit Irmgard Möller
über bewaffneten Kampf, Knast und
die Linke, Konkret Verlag,
ISBN 3-89458-149-2

Pieter Bakker Schut
"Stammheim. Der Prozeß gegen die
Rote Armee Fraktion: Die notwendige
Korrektur der herrschenden Meinung"

Pahl Rugenstein Verlag
ISBN 3-89144-247-5

Jutta Ditfurth
"Ulrike Meinhof. Die Biografie"
Ulstein Verlag,
ISBN-10 3550087284

Peter O. Chotjewitz
"Mein Freund Klaus"
Über Anwalt Klaus Crossiant, Verbrecher
Verlag, ISBN 3935843895

Peter Nowak (Hg.), Gülten Sesen, Martin Beckmann
"Bei lebendigen Leib"
Von Stammheim zu den F-Typen-Zellen Gefängnissystem
und Gefangenenwiderstand in der Türkei,
Unrast Verlag, ISBN 3-89771-008-0

Pieter Bakker Schut (Hg.)
"Das Info - Briefe von Gefangenen
aus der RAF 1973 -1977"

Neuer Malik Verlag
ISBN 3-89029-019-1

Gudrun Ensslin und Bernhard Vesper
"Notstandsgesetze von Deiner Hand"
Briefe 1968/1969, Suhrkamp Verlag
ISBN-10 3518125869

Stefan Wisniewski
"Wir waren so unheimlich konsequent..."
Ein Gespräch über die Geschichte
der RAF mit Stefan Wisniewski
ID-Verlag, ISBN 3-89408-074-4


Weiterführende und vertiefende Texte zum Thema aus dem Gefangenen Info ab Nr. 328: Es gilt das gesprochen Wort "Neue" Tondokumente aus dem Stammheimer Prozess 1975-1977 aufgetaucht, Anderslautern, Nr. 328 - Der zweite Tod, Ron Augustin, ehemaliger Gefangener aus der RAF zu den Toten, die den Knast nicht überlebt haben, Nr. 329 - Wie Teile des Auslands auf die Todesnacht in Stammheim 1977 reagierten, Renate Döhr, Nr. 329 - Herbstmelodien, Wie die Geschehnisse im Herbst 1977 sich auf die Musik und das Lebensgefühl der danachfolgenden Generationen auswirkten, Anderslautern, Nr. 330 - Schwarzer Kanal - Operation Herrhausen, Zum Artikel von Jürgen Elsässer in der jw vom 22./23.9.2007, Eva Haule, Nr. 330 - Jutta Ditfurth, Ulrike Meinhof, Rezension von Ron Augustin im Gefangenen Info 332 - Beitrag aus Spanien von einem ehemaligen Gefangenen, Nr. 337 - Bericht zur Veranstaltung am 18.10.07 im Tommy-Weissbecker-Haus in Berlin "Kein Vergeben - Kein Vergessen Gedenken an all die Gefallenen aus dem revolutionären Widerstand", Nr. 338 - Drei Beiträge zum Tod von Christian Geissler, Nr. 341 - Der Tod der RAF-Gefangenen muss neu untersucht werden, Peter Nowak, Nr. 342 - Gehirnwäsche, Nichts als Wahn: Der Aust-Eichinger-Komplex lebt seine Syndrome aus, Ron Augustin, Nr. 342 - Der erste Stammheim-Prozess, Nr. 342 - Die Zeitungen zu Christian Klars anstehenden Freilassung, Nr. 343 - Zur Freilassung von Christian Klar veröffentlichen wir einen Artikel über die Zeit, in der Christian als Illegaler in der RAF aktiv war, Nr. 345 - Knastzeit und drakonische Haftbedingungen - 26 Jahre war Christian weggesperrt, Nr. 346 - Haben Aussagen der Gefangenen aus der RAF heute noch Gültigkeit?, Nr. 346 - Desinformationskampagnen damals und heute, Zum Spiegelartikel 16/2009 "Krieg der Lügen", Nr. 347 - Bilder von Gefangenen: Damals wie heute nicht erlaubt, Nr. 348 - Zur Verhaftung von Verena Becker, Nr. 351 und 352 - Sand im Getriebe der Meinungsmacher? Zur Veröffentlichung des Briefwechsels zwischen Gudrun Ensslin und Bernhard Vesper, Ron Augustin Nr. 352 - Reaktionäre Geschichtspolitik, Zur aktuellen Kampagne gegen ehemalige RAF-Mitglieder, Monika Ertl, Nr. 355 - Etwas zur aktuellen Situation - von einigen, die zu unterschiedlichen Zeiten in der RAF waren, Nr. 355 - Anderslautern und die Röhls Auseinandersetzung um die Röhlsche Geschichtsschreibung, Missbrauch und dem Verhältnis zu Ulrike Meinhof, Nr. 355 - Der Kampf der Gefangenen aus der RAF für kollektive Selbstbestimmung, Nr. 355 (red.)


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Inland

Berufungsprozess gegen das Gefangenen Info

An dieser Stelle veröffentlichen wir den Aufruf "Solidarität mit dem Gefangenen Info"

Der Prozess gegen das "Gefangenen Info" setzt sich vor dem Landgericht Berlin-Tiergarten fort. Wolfgang Lettow, presserechtlich Verantwortlicher für das "Gefangenen Info", wurde am 21. April dieses Jahres wegen einer Verleumdungsklage zu 800 Euro Geldstrafe verurteilt. Hintergrund des Verfahrens war ein Prozessbericht der Roten Hilfe OG Düsseldorf/ Mönchengladbach/Neuss über den § 129b-Prozess in Düsseldorf gegen Faruk Ereren, den wir in unserer Ausgabe 348 abdruckten.
Thematisiert wurde die Verhängung der Beugehaft gegen den in türkischer Folterhaft erblindeten Zeugen Nuri Eryüksel. Er machte zu Fragen, die seine eigene Person betrafen, keine Angaben, da er befürchten musste, dadurch selbst kriminalisiert zu werden. Der Vorsitzende Richter Klein verhängte dann zur Aussageerpressung noch im Gerichtssaal die Beugehaft, die im übrigen 4 Wochen später vom BGH als rechtswidrig aufgehoben wurde. Die ProzessbeobachterInnen der Roten Hilfe OG Düsseldorf/Mönchengladbach/Neuss schrieben in ihrem Bericht dem Richter nach der Verkündung der Beugehaft eine Bemerkung zu, die von vielen Ohrenzeugen als zynisch empfunden wurde. In dem Prozessbericht wurde er mit den Worten "für Nuri sei die Beugehaft wohl ein wirksames Mittel, um sich zu besinnen, denn er sei ja erblindet" zitiert und das "Gefangenen Info" erhielt deswegen die Anklage wegen Verleumdung. Wegen des gleichen Artikels kommt es gegen die Betreiberin der Homepage "Scharf-Links" nach einem Freispruch zu einem neuen Verfahren. Wir denken nicht, dass sich die ProzessbeobachterInnen die zynische Bemerkung ausgedacht hätten und halten die Artikel der Roten Hilfe OG Düsseldorf/Mönchengladbach/Neuss für vertrauenswürdig. Wolfgang Lettow wurde im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Amtsgericht Tiergarten unterstellt, er habe bewusst etwas Falsches über den Richter verbreitet. Mit dieser Argumentation soll die Glaubwürdigkeit unseres Blattes herab gewürdigt werden und uns aufgezeigt werden, dass wir uns hüten sollen, zynische Bemerkungen von Richtern zu zitieren. Zweifelsfrei feststellen lässt sich tatsächlich nicht, was gesagt wurde. Wie bei den vielen Verfahren, bei den Polizisten beteiligt sind, gilt auch insbesondere bei Verfahren über Richter, welche die Rechtsprechung ja personifizieren sollen, dass das, was es in einem sogenannten Rechtsstaat nicht geben darf, in den Augen der Justiz auch nicht geben kann. Wir werden weiterhin kritisch berichten.

Warum wird das "Gefangenen Info" kriminalisiert?

Neben der redaktionellen Arbeit musste die Existenz und damit das Fortbestehen des "Gefangenen Info" auch immer vor den Gerichten verteidigt werden, um damit vor allem das Leben der Gefangenen vor staatlichen Übergriffen hinter Gittern zu schützen. Der Staat versuchte seit 1989, also seit Bestehen dieser Zeitschrift, unter der Federführung der Bundesanwaltschaft und den Geheimdiensten durch rund 30 Verfahren, das "Gefangenen Info" mundtot zu machen. Von den 30 Ermittlungsverfahren endeten mindestens vier im Gerichtssaal vor der Klassenjustiz, die teilweise durch mehrere Instanzen gingen. Verurteilt wurden mindestens zwei RedakteurInnen. Im "Gefangenen Info" wurde und wird das staatliche Vorgehen gegen Gefangene kritisiert. Anlässe von Verfahren waren u. a. Artikel, die die staatliche Version z. B. der Selbstmorde in Stuttgart-Stammheim am 18.10.1977 oder die Erschießung von Wolfgang Grams am 27.6.1993 in Bad Kleinen thematisierten und hinterfragten.
Im aktuellen Verfahren steht die Klage gegen das "Gefangenen Info" in direktem Zusammenhang mit den laufenden § 129b-Prozessen. Hier in der BRD sind ca. zehn kurdische und türkische Gefangene wegen ihrer politischen Arbeit verhaftet und in Isolationshaft. Der § 129b-Gefangene Faruk Ereren bezeichnet das umfassende Isolationsprogramm als "Weiße Folter mit dem Ziel, uns zu zermürben". Faruk Ereren, der sich auf eine Kooperation mit dem Gericht nicht einlässt, wird deshalb mit der Androhung der Abschiebung in die Türkei erpresst.
Die länderübergreifende Verfolgung politischer Oppositioneller aus der Türkei dient nicht nur den Interessen des türkischen Staates, sondern sie dient in erster Linie den Interessen der internationalen Zusammenarbeit zwischen der Türkei und den EU-Staaten sowie den USA. Die Türkei ist aufgrund ihrer strategischen Lage ein wichtiger Partner für das expansive NATO-Bündnis. Auf militärischer Ebene lässt sich das gut anhand der Tatsache aufzeigen, dass die Türkei der größte Waffenabnehmer der BRD ist.
Von 2000 bis 2007 wehrten sich tausende türkische und kurdische Gefangene in Hungerstreiks gegen die neuen Isolationsgefängnisse nach dem Muster des Stammheimer Gefängnismodells, bei dem über 120 politische Gefangene ums Leben kamen. Diese Gefängnisse wurden 2000 als EU-Auflage in der Türkei eröffnet. Während des Hungerstreiks verlangte die Türkei von ihren Verbündeten das Verbot der Öffentlichkeitsarbeit linker türkischer Organisationen in Europa. Zusätzlich verlangt die Türkei die Auslieferung von zirka 300 kurdischen und türkischen AktivistInnen.
In den laufenden § 129b-Prozessen in Düsseldorf geht es um dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der marxistisch-leninistischen DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) aus der Türkei. Dabei werden hierzulande v. a. das Sammeln von Spenden und die Verbreitung von in der BRD legalen Publikationen kriminalisiert.

Nein zur Kriminalisierung linker Medien!

Wir sehen es als notwendig an, gegen die Kriminalisierung linker Medien möglichst geschlossen vorzugehen. So richtet sich unser Protest nicht allein gegen die Kriminalisierung des "Gefangenen Info", sondern auch gegen die Razzien in linken Buch- und Infoläden. Verschiedene linke Berliner und Münchner Buch- und Infoläden waren in letzter Zeit von Repressalien betroffen, bei denen die Zeitschriften "radikal" und "Interim" beschlagnahmt wurden. Dem Berliner Buchladen "Schwarze Risse" drohen Anzeigen wegen "Anleitung zu Straftaten" und "Verstoß gegen das Waffengesetz". Verteidigen wir uns gegen die staatlichen Angriffe auf unsere Infrastruktur und unsere Medien! Auch im Berufungsprozess gegen das "Gefangenen Info" werden wir uns nicht einschüchtern lassen und mobilisieren zu einer Prozessdelegation!

Solidarität ist eine Waffe!

Gefangenen Info - www.gefangenen.info

Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen - www.political-prisoners.net

Rote Hilfe OG Berlin - www.berlin.rotehilfe.de


Termine

Infoveranstaltung:

Prozess gegen das "Gefangenen Info"
und Kriminalisierung linker Buchläden in Berlin
Dienstag, 5. Oktober um 18.00 Uhr
Im Clash (Mehringhof)
Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin

Berufungsprozess / Prozessdelegation:

Montag, 11. Oktober um 13.30 Uhr
Landgericht Berlin-Tiergarten (Raum 731)
Turmstr. 91, 10559 Berlin


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Inland

Zustellung von Gefangenen Infos an Stammheimer Gefangene blockiert!

Die letzte Ausgabe (Nr. 356) des Gefangenen Infos erreichte zahlreiche Stammheimer Gefangene nicht und wurde an unsere Redaktionsadresse zurück geschickt. Auf den Umschlägen befand sich neben dem Eingangsstempel der JVA Stuttgart-Stammheim der Vermerk "Annahme verweigert". Das machte uns hellhörig und wir schrieben die etwa 20 Gefangenen mit der Frage an, ob sie das Info denn tatsächlich nicht mehr haben möchten. Von vier Gefangenen erhielten wir eine Antwort, in der sie uns schrieben, dass sie auf jeden Fall das Gefangenen bekommen möchten und nicht wissen, warum es ihnen nicht zugestellt wurde.
Aber zunächst zurück zu den Hintergründen ihrer Inhaftierung: Die betroffenen Gefangenen sind alle aus kurdischen und antifaschistischen Zusammenhängen. Sie sind zwar wegen unterschiedlichen Verfahren in U-Haft, viele von ihnen kennen sich aber auch schon aus politischen Zusammenhängen draußen. Unter diesen Umständen ist die Haft auch etwas leichter durchzustehen, wie uns ein Gefangener schrieb. Den meisten U-Häftlingen wird vorgeworfen, am 8. Mai bei einem Angriff auf eine faschistische türkische Kneipe in der Nähe von Stuttgart beteiligt gewesen zu sein, bei dem vier Faschisten u.a. am Kopf verletzt wurden. Festgenommen wurde zwar niemand, aber in den folgenden Wochen wurden 15 kurdische Jugendliche mit dem Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung und des versuchten Totschlags (!) verhaftet. In der Ausgabe Nr. 356 berichteten wir ausführlich über die Repressionswelle gegen die kurdischen Jugendlichen in Stuttgart. Vielleicht ist auch dieser Artikel ein Grund dafür, dass die Zustellung blockiert wurde.
Auf alle Fälle machten vier Gefangene in ihren Briefen an uns deutlich, dass sie die Annahme des Gefangenen Infos weder verweigert haben, noch über die Sendungen informiert wurden. Die Schreibtischtäter der Posteingangsstelle der JVA Stammheim drückten unseren Sendungen den Stempel "Annahme verweigert" auf und schickten die Umschläge an uns zurück. In der Zwischenzeit wurden schon zwei Gefangenen die Nr. 356 erneut geschickt und bei einem der beiden kam es ein zweites Mal (!) mit dem Stempel "Annahme verweigert" zurück. Wo kommen solche Instruktionen her?
Dass es sich hierbei nicht um ein "aus Versehen" handelt, liegt auf der Hand. Eine formale Beschwerde wird höchstwahrscheinlich im bürokratischen Apparat der Justizverwaltung stecken bleiben oder als "unbegründet" abgelehnt werden. Aber allein schon um weiteren Stoff für diese Story hier zu bekommen :) werden wir es versuchen und auch weil es uns um das Prinzip geht, dass wir nicht klein beigeben und uns wehren. Deswegen machen wir diese Publikation und deswegen machen wir natürlich auch diese Geschichte öffentlich. Dass Rechtsstaatlichkeit nicht mehr als eine wandelbare Fassade ist, ist für migrantische, politische oder alle anderen Menschen, welche nicht in dieses System passen, auch nichts neues. Wenn wir unseren Blick nochmal auf die Situation der Stammheimer Gefangenen werfen, soll durch die Verhängung der Untersuchungshaft - wie der Name schon sagt - eine Situation geschaffen werden, um sie einzuschüchtern und um Aussagen zu erpressen, obwohl die Ermittlungsbehörden kaum "stichhaltige Beweise" gegen die Gefangenen vorbringen können, da niemand unmittelbar nach der Aktion festgenommen wurde - vielleicht gerade deswegen. Die Anklagepunkte beruhen in diesem Fall hauptsächlich auf die Überwachung von Mobiltelefonen, aus der sich Bewegungsmuster und Kommunikationsnetze erstellen lassen sollen ("das Handy war zur Tatzeit aus") und darauf, dass Personen in schwarzer Kleidung in der Stadt gesehen wurden, um eine Anklage wegen "versuchten Totschlags" zu konstruieren! Glücklicherweise ist die Solidarität zumindestens in Stuttgart recht groß und auch wir sehen unsere Aufgabe darin, diese zu verbreitern!
Ein Gefangener fragte uns, ob die Blockade des Gefangenen Infos im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen Wolfgang Lettow steht. Wegen einem angeblich falschen Richter-Zitat ist unser presserechtlich Verantwortlicher mit einem Verfahren überzogen worden - wir werten dieses Verfahren als einen Angriff auf unsere Soli-Arbeit und denken, dass auch die Blockade der Gefangenen Infos unsere Arbeit behindern soll, da eine Stärkung der Gefangenen den Ermittlungsbehörden ein Dorn im Auge ist.
Demgegenüber wird ein Gefühl von Rechtlosigkeit bewusst produziert. Durch den entstehenden psychologischen Druck soll eingeschüchtert und Aussagen erpresst werden. Das wundert uns zwar nicht, macht uns aber trotzdem wütend. Neben den beiden §129b-Gefangenen Devrim Güler und Ahmet D. Yüksel, die inzwischen glücklicherweise draußen sind, bilden die U-Häftlinge für derzeitige Verhältnisse eine recht große Gefangenengruppe im Stammheimer Knast. Wir wünschen den gefangenen GenossInnen weiterhin viel Kraft und würden uns über eine Beteiligung an den Diskussionen im Gefangenen Info freuen! (red.)


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Kurzmeldungen

Kurzmeldungen bundesweit

Berlin: Am 17. September fanden wieder einmal Durchsuchungen in den Berliner Buchläden M99, Schwarze Risse und Oh21 statt. Gefahndet wurde dieses mal nach der neuesten Ausgabe der Interim, in der ein Aufruf zu Aktivitäten rund um den 03. Oktober abgedruckt war. Erst vor wenigen Monaten wurden die selben Buchläden auf der Suche nach kriminalisierten Zeitungen durchsucht worden. Der M99 wurde bereits zum 51. mal durchsucht. Proteste dagegen sind momentan in Vorbereitung. Achtet auf Ankündigungen! (red.)

Berlin: Die Staatsanwaltschaft hat ihre Revision gegen das Berufungsurteil im Prozess gegen Alexandra R. jetzt begründet. Eine Entscheidung darüber, ob das Verfahren gegen sie erneut aufgerollt wird, ist frühestens in vier bis sechs Monaten zu erwarten. Alexandra war wegen Brandstiftung an einem PKW angeklagt worden und ist am 29. Juni 2010 auch in zweiter Instanz freigesprochen worden. Bereits im November 2009 wurde sie in erster Instanz freigesprochen. Alexandra wurde im Juli 2009 festgenommen und für 156 Tage in U-Haft gesperrt. www.engarde.blogsport.de (red.)

Berlin: Nach über 18 Monaten Haft wurde Laurynas Mogila am 20. September aus der JVA Charlottenburg entlassen. Laurynas wurde verurteilt, weil er am 14. März 2009 bei der United-We-Stay-Freiraumdemonstration einen Polizisten und einen Mannschaftswagen der Polizei angegriffen haben soll. Während seiner Haft hatte Laurynas monatelang keinen Besuch und keine Post. Im Gefängnis verstand er die dort gesprochene Sprache nicht und konnte sich nur mit Hilfe der ihn von außen unterstützenden GenossInnen zurecht finden. Wir begrüßen Laurynas in der Freiheit! (red.)

Magdeburg: Das Revisionsverfahren wegen dem Tod von Oury Jalloh am 7. Januar 2005 beginnt am 25. Oktober um 9 Uhr vor dem Landgericht in Magdeburg. Angeklagt sind zwei Beamte wegen Körperverletzung mit Todesfolge und fahrlässige Tötung durch Unterlassung. Bislang sind Termine bis zum April 2011 angesetzt. Anschließend an den ersten Prozesstag findet in Magdeburg eine Demonstration statt. In erster Instanz wurden im Dezember 2008 die zwei angeklagten Beamten freigesprochen. Weitere Infos unter: www.initiativeouryjalloh.wordpress.com (red.)


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Inland

Internationale Delegation zum Düsseldorf-3-Prozess
Das wahre Gesicht der Klassenjustiz

Am 1. und 2. September wurden im Düsseldorfer §129b-Prozess gegen Nurhan Erdem, Ahmet Istanbullu und Cengiz Oban zwei ehemalige Gefangene aus dem Stammheimer § 129b-Verfahren als Zeugen vernommen. Sowohl Mustafa Atalay als auch Ilhan D. drohte trotz ihres angeschlagenen Gesundheitszustandes Beugehaft bis zu 6 Monaten.
Deshalb hat die Prozessbeobachtungsgruppe und das Netzwerk für die Freiheit der politischen Gefangenen für diese Tage eine internationale Prozessdelegation organisiert. Erfreulicherweise beteiligten sich insgesamt 40 Personen daran, unter anderem die Landtagsabgeordnete der Linken aus NRW, Hamide Akbayir, sowie Menschen aus Belgien und den Niederlanden.
Erst vor kurzem wurde das Stammheimer Urteil in das Verfahren gegen die drei eingeführt. Nun sollten auch die bereits im August 2009 (in einem abgetrennten Verfahren) verurteilten Mustafa Atalay, der zu 5 Jahren Haft verurteilt wurde, und Ilhan D., der zu 2 Jahren und 11 Monaten verurteilt wurde, als Zeugen aussagen. Ilhan war bereits am 6. Juli vor dem Gericht als Zeuge befragt worden.
Da ihr Urteil mittlerweile rechtskräftig ist und sie somit die ersten mit dem Vorwurf der "Mitgliedschaft in der DHKP-C" rechtskräftig Verurteilten sind, sollten sie vor Gericht Auskunft über die vermeintliche Organisationstätigkeit von Nurhan, Ahmet und Cengiz geben.

Zum Prozessgeschehen:
Am 1. September begann die Verhandlung vor dem OLG Düsseldorf mit der Befragung zur Vernehmungsfähigkeit des Zeugen Mustafa Atalay. Mustafa war über 17 Jahre in türkischen und deutschen Knästen und ist dabei gefoltert worden. Der Inhalt der Befragung des zuständigen Sachverständigen bezog sich auf die Vernehmungsfähigkeit bzw. die durch die in der Türkei durch Folter verursachte Herzschwäche sowie die posttraumatische Belastungsstörung von Mustafa. Danach soll die Vernehmungsdauer 20 Minuten nicht überschreiten, da Mustafas Konzentrationsfähigkeit den Belastungen einer richterlichen Befragung nicht länger stand hält.
Für die Befragung von Mustafa Atalay wurde ein aus sieben Fragen bestehender Katalog vorbereitet, der dann auch verlesen wurde. Im Anschluss wurden ihm eine Reihe von Fotos gezeigt, die bereits in mehreren Verfahren benutzt wurden. Zu den Prozessbeobachtern gerichtet, feixte die Bundesanwaltschaft, dass die Anwesenden die Leute auf den Fotos ja kennen würden. Damit kriminalisierte sie alle ZuschauerInnen. Auf Gelächter aus den Reihen der Prozessbeobachter_innen reagierte der Richter mit Strafandrohungen: 1000 Euro und 1 Woche Haft!
In der Verhandlungspause wurde eine junge Genossin von mehreren Gerichtsb...... angequatscht. Sie wurde einer versuchten Strafhandlung bezichtigt, weil sie einen Aufdruck auf ihrer Jacke hatte, auf dem A.C.A.B. steht. Sie wurde aufgefordert, diese auszuziehen, bevor sie wieder in das Gebäude gehe.
Nach der Pause verlas der Rechtsanwalt von Mustafa Atalay, Rainer Ahues, einen Antrag nach § 55, um ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht zu erwirken. Er begründete dieses mit dem in der Türkei eingeleiteten Strukturverfahren; des weiteren bezog er sich auf den Schutz vor Selbstbelastung. Zudem begründete er den Antrag mit der gemachten Aussage des aus der Türkei stammenden "Anti-Terror"-Ermittlers Tutan, der bereits in einem Stammheimer-Verfahren ausgesagt hatte, dass gegen Mustafa Atalay ein solches Verfahren eingeleitet wurde. Die Bundesanwaltschaft widersprach dem Antrag und führte ein BGH-Urteil aus dem Jahr 2009 an. Darin wird Mustafa Atalay ein umfangreiches Aussageverweigerungsrecht abgesprochen.
Ilhan D., ein ehemaliger Gefangener, wurde nach kurzer Vernehmung vom 2. Strafsenat entlassen.
Die Befragung von Mustafa begann. Ihm wurden Telefon-Aufzeichnungen vorgespielt, in denen er Stimmen erkennen sollte. Lediglich in einem Fall konnte Mustafa eine Telefonstimme einer Person zuordnen. Auf Nachfrage erkannte er Cengiz Oban anhand der Stimmlage. Diese kenne er, weil ihm dieser bei einer Übersetzung in einer sozialen Einrichtung geholfen habe. Darüber hinaus sei ihm eine Funktionsträgerschaft von Nurhan E., Cengiz O. und Ahmet Istanbullu in der DHKP-C nicht bekannt. Rechtsanwalt Ahues bemerkte, dass die Stimmen auf einer Tonband-Aufzeichnung unverhältnismäßig seien, da sich mehrere Stimmen akustisch überlagern und so nicht eindeutig zu erkennen wären. Der erste Tag der Vernehmung endete erst nach über 9 Stunden gegen 17.30 Uhr.
Am Donnerstag, den 2.9., wurde Mustafa weiter gegen seinen Willen vernommen. Nach Auffassung der ProzessbeobachterInnen war Mustafa die ganze Zeit auf Grund seines Gesundheitszustandens nicht vernehmungsfähig.
Der Prozess wurde im Laufe des Tages aus gesundheitlichen Gründen unterbrochen, aber nicht wegen Mustafas Zustandes, sondern weil ein Richter erkrankte.
Inzwischen ist bekannt geworden, dass Mustafa nicht mehr als Zeuge in dem Verfahren erscheinen muss. Durch das Engagement der Verteidigung, der Internationalen Prozessdelegation und der Standhaftigkeit Mustafas ist dieser Teilsieg ermöglicht worden. Es kann aber nicht von einem umfassenden Erfolg gesprochen werden, weil Mustafa trotz seines Gesundheitszustandes 2 Tage vor dem Senat erscheinen mußte.
In der Prozesspause gab es am 1.9. eine Kundgebung vor dem Gericht mit Grußadressen des Netzwerks Freiheit für alle politischen Gefangenen, der Stuttgarter Plattform "Weg mit den §§ 129! Gegen die Kriminalisierung von MigrantInnen", der Karawane für Flüchtlinge aus Bremen sowie der Roten Hilfe International. Aus einigen Erklärungen zitieren wir:
"Mit dem heutigen Prozesstag ist einmal mehr das wahre Gesicht der Klassenjustiz in der BRD manifestiert worden: Mustafa Atalay und Ilhan Demirtas - zwei gesundheitlich schwer angeschlagene Menschen, werden als Zeugen vor Gericht geladen, um anhand der über sie gefällten Urteile auch für die jetzt angeklagten Nurhan Erdem, Ahmet Istanbullu und Cengiz Oban ein Urteil fällen zu können.
Dass dabei bewusst mit der gesundheitlichen Situation der als Zeugen geladenen gespielt wird, liegt klar auf der Hand: sie sollen aufgrund ihrer misslichen Lage, um eine etwaige Beugehaft zu umgehen, zu einer Aussage gezwungen werden. (...)
Mit der Vorladung der zwei - die selbst von 2006 bis 2009 in Untersuchungshaft saßen - erfährt das Urteil im Stammheimer §129b Prozess eine ganz praktische Anwendung auf dieses Verfahren vor dem OLG Düsseldorf und stellt damit einen weiteren Schritt zur Kriminalisierung von migrantischen Strukturen, wie auch einen weiteren Schritt zur Etablierung des § 129b dar - Einen weiteren Schritt in der Verfolgung und der geplanten Zerschlagung von revolutionären Kräften - einen weiteren Schritt zum Ausbau eines Verfolgungsapparates, der darauf aus ist, fortschrittliche Strukturen zu schwächen und zu zerschlagen, um Ausbeutung und Unterdrückung zu stabilisieren, aber nicht zuletzt auch um dem privilegierten (Waffen-)Handelspartner Türkei einen Komplizendienst zu leisten (...)." (Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen)

"Dieser internationalen Verfolgung revolutionärer Kräfte müssen wir unsere internationale Solidarität unter Schulterschluss mit den fortschrittlichen kämpfenden anti-imperialistischen, anti-kapitalistischen Strukturen weltweit entgegensetzen. Deswegen sind wir heute hier."(Stuttgarter Plattform "Weg mit den §§129! Gegen die Kriminalisierung von MigrantInnen")

"Es ist uns sehr wohl bewusst, dass die Bedeutung der 129b-Prozesse gegen Euch in Deutschland, aber auch jene in Belgien oder Italien alle im Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung kämpfenden Menschen betrifft.
Der 129b, die europäischen Gesetzgebungen, Terrorlisten, internationale Haftbefehle sind Teil einer sich international entwickelnden präventiven Konterrevolution, die zum Ziel haben, alles, was sich aus einer fundamentalen Kapitalismuskritik heraus bewegt, widersteht oder organisiert, zu stoppen! Die neue Qualität dieses präventiven Charakters ist, dass sie, international organisiert, auch all jene treffen soll, die dies benennen, sich solidarisieren und durch nichts abschrecken lassen. (...)
Auf diese Internationalisierung des präventiven Charakters der Repression gibt es nur eines: Internationale Solidarität organisieren, vernetzen - zusammen kämpfen." (Kommission für eine Rote Hilfe International)

Redaktion


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Inland

Einige Informationen zu Tommy Tank

In dieser Ausgabe veröffentlichen wir mehrere Briefe von Tommy aus der JVA Leipzig, damit die Leserinnen und Leser sich ansatzweise ein Bild von ihm machen können. Ansatzweise heißt in diesem Fall, weil unter den herrschenden Knastbedingungen die Kommunikationsmöglichkeiten stark eingeschränkt sind. Unsere Aufgabe ist es seit über 21 Jahren, dieses Kalkül der Herrschenden zurückzudrängen, damit die Situation in den Kerkern überall transparenter wird, damit den Gefangenen eine Stimme zu geben, die die Voraussetzung für unzensierte Öffentlichkeit und Solidarität ist!
Schon im Sommer wurden, also vor dem Prozess gegen Tommy, in seiner Zelle 3 Ausgaben des "Gefangenen Infos" für 14 Tage beschlagnahmt und dem VS vorgelegt. Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist unsere Zeitschrift auch dort den Herrschenden ein Dorn im Auge.
Tommy wurde am 5.2. dieses Jahres verhaftet. Inzwischen ist er nach vier Verhandlungstagen vom Landgericht Leipzig verurteilt worden: 3 Jahre und 6 Monate Haft wegen schwerer Brandstiftung, Störung des öffentlichen Friedens und versuchtem Diebstahl.
Zum Urteil gab es vom Verfassungsschutz lancierte Angriffe in den Ausgaben der "Leipziger Volkszeitung" (LVZ) vom 1.9. und 2.9. gegen die Verteidigung, die Rote Hilfe der OG Magdeburg und das Netzwerk Freiheit für alle politische Gefangenen.
Die Schnüffler bezogen sich auf einen Brief von Tommy vom 19.7: "Ich stehe in Kontakt mit der Roten Hilfe OG Magdeburg und erfahre Unterstützung". Daraus machten sie in der LVZ "finanzielle und zwischenmenschliche Unterstützung durch die Genossen der RH Magdeburg".
Des weiteren wurde auch der HerausgeberInnenkreis dieser Zeitschrift, das Netzwerk Freiheit für alle politische Gefangenen, angegriffen, weil wir Tommy "auf eine (Gefangenen-)Liste gemeinsam mit der RAF-Terroristin Birgit Hogefeld" führen.
"Meine Anwältin (Rita Belter) kümmert sich auch gut um mich" erwähnte er in dem besagten Brief. Einen Tag später griff in der LVZ der Geschäftsführer der dortigen ARGE die Verteidigerin wegen Äußerungen aus ihrem Plädoyer an: "Wenn überhaupt hätte er (Tommy) die ARGE anzünden müssen, denn die hat seine Existenz zerstört."
Vergegenwärtigen wir uns noch einmal die Praxis dieser Einrichtung, die häufig selbst nach bürgerlichen Maßstäben rechtswidrige Bescheide verschickt und damit viele Menschen unter Druck setzt und ihre kargen Existenzgrundlagen zerstört. Auf diese Kritik droht die ARGE laut derselben Zeitung vom 8.9. evtl. mit der Einleitung von "rechtlichen Schritten" gegen sie. Engagierte linke RechtsanwältInnen waren und sind für die herrschende Klasse immer ein juristischer und politischer Störfaktor, die daher eingeschüchtert und gegebenenfalls ausgeschaltet werden müssen.
Was die LVZ und den Verfassungsschutz insgesamt stört, ist, wie sie es denunzierend ausdrücken, "die Zuwendung" von "Teile(n) des linksextremistischen Millieus" zu Tommy. Sie geben damit auch zu, dass die für uns selbstverständliche Solidarität mit politischen Gefangenen "vom Verfassungsschutz beobachtet wird".
Wir lassen uns durch diese gezielten Angriffe des Staatsschutzes und ihrer medialen GesinnungsjournalistInnen in unserer publizistischen Arbeit natürlich nicht abschrecken. Es zeigt sich, wie wichtig Solidarität ist, um öffentlichen Denunziationen entgegenzuwirken. Alles Gründe für uns, warum wir von Tommy neben dem besagten Brief noch zwei weitere auszugsweise abdrucken. (red.)


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Kurzmeldungen

Kurzmeldungen bundesweit

Nostorf/Horst: Seit dem 12. September befinden sich über 15 Flüchtlinge des Flüchtlingslagers in Nostorf/ Horst im Hungerstreik. Die Flüchtlinge wollen mit ihrem Hungerstreik gegen die menschenunwürdigen Lebensbedingungen in dem Lager protestieren und auf ihre Lage aufmerksam machen. Ausschlag für den Hungerstreik gab ein afghanischer Flüchtling, der über drei Monate in der Einrichtung bleiben muss. Die Hungerstreikenden hatten am 17. September ihren Protest öffentlich gemacht, indem sie mit Klebeband zugeklebten Mündern in der Kantine aufgetaucht waren. (red.)

Chemnitz: Am 18. September stürmte die Polizei das Wohnprojekt Reitbahnstraße 84 und räumte das Haus. Ein weiteres Haus - am Bernsbachplatz 6 - wurde ebenfalls geräumt. Der Trägerverein des Hauses in der Reitbahnstraße hatte sich mit dem Eigentümer verständigt, das Haus bis zum 20. September geräumt zu haben. Daher herrscht auf Seiten des Vereins Ratlosigkeit über die Gründe des Polizeieinsatzes. Zehn Einsatzwagen der Polizei waren im Einsatz und sperrten für den Einsatz die Kreuzung am Bernsbachplatz. Vor Ort wurden von Anwesenden die Personalien kontrolliert. (red.)

Gifhorn: Etwa 200 Menschen demonstrierten am 28. August durch Gifhorn im Landkreis Niedersachsen, um gegen die unhaltbaren Bedingungen anzugehen, unter denen die Flüchtlinge im Lager Meinersen leben müssen. Im Vorfeld der Demo wurde einigen Flüchtlingen damit gedroht, dass die Beteiligten möglichst schnell abgeschoben werden würden. Kreistagsabgeordnete und Behördenangestellte wollen mit verstärkten Abschiebungsmaßnahmen weiter Druck ausüben. Weitere Proteste sind in Vorbereitung. Weitere Information unter: www.thecaravan.org (red.)

Ulm/Murgtal: Im Raum Ulm und Murgtal gab es Anquatschversuche des Verfassungsschutzes. In Ulm klingelte eine Beamtin an der Haustür einer Person, die sie der linken Szene zuordnete und fragte nach einem Austausch über die rechte Szene. Im Murgtal wurde ebenfalls an der Haustür geklingelt und konkret nach einer Zusammenarbeit gefragt. In beiden Fällen wurde das Gespräch sofort unterbrochen. Im Murgtal wurden in den letzten Jahren bereits mehrere Anquatschversuche öffentlich. Keine Zusammenarbeit mit Polizei oder Geheimdiensten! (red.)


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International

Zur Repression in Italien

Am Mittwoch, den 10. Juni 2009, veranlassten die römischen Staatsanwälte Pietro Saviotti und Erminio Amelio ein Ermittlungsverfahren, das zur Inhaftierung von sechs Genossen (einer unter Hausarrest) und mehreren Razzien in ganz Italien führte. Die Zahl der Verdächtigten beläuft sich inzwischen auf 15. Virgil und Constatine Manolo Morlachi, die am 18. Januar 2010 in Mailand festgenommen wurden, waren ebenfalls Betroffene dieser repressiven Maßnahmen.

Die acht Genossen sind wegen der Beteiligung an subversiven Zusammenschlüssen und Bildung einer bewaffneten Bande, die im Ermittlungsverfahren "prokommunistische Roten Brigaden" genannt werden, angeklagt. Die verhafteten Genossen befinden sich im Gefängnis von Siano (CZ). Ziel der Ermittlungen, die vom bürgerlichen Staatsapparat durchgeführt werden, ist die Einschüchterung derer, die eine Veränderung des herrschenden Systems der Ausbeutung und des Rassismus wollen. Wir geben hier einige wichtige Sachverhalte wieder, die der Anwalt von Morlacchi und Vergilio dem Radio Onda d'Urto gab: "Vom 10. Juni 2009 bis zum 18. Januar 2010 hat sich die Situation der 'Angeklagten' nicht verändert. Sie waren vom Anfang des Verfahrens an unter ständiger persönlicher und telefonischer Beschnüfflung. Dabei gab es keinerlei Hinweise auf kriminelle Taten oder Fluchtgefahr. Morlacchi und Vergilio sind aufgrund des §270 des Strafgesetzbuchs angeklagt und werden der Mitgliedschaft in einer bewaffneten Bande bezichtigt. Diese Beschuldigungen ließen sich nicht durch die Razzien am 10. Juni erhärten und finden sich auch nicht im anschließenden Haftbefehl.

Bei der letzten Razzia ergab sich, dass Virgilio einige Verschlüsselungsprogramme besaß, die aber im Internet frei zugänglich und downloadfähig sind und dass die Beschuldigten ein Treffen an einem unbekannten Ort vereinbart haben. Aber das entspricht überhaupt nicht dem Vorwurf der Bildung eines subversiven Zusammenschlusses. Die inkriminierten Schriftstücke sind:

Dreiseitiger Text 'das zionistische Projekt und die Rolle Italiens'/
Leerer Bogen mit Überschrift/Zusatz 'Dokument des internationalen, proletarischen Wiederaufbaus'/
Schriftstück mit dem Titel 'Keine Unterstützung der israelischen Apartheidpolitik', das eine Kritik der Beziehungen zwischen der italienischen Rüstungsindustrie und dem israelischen Militär enthält./
Abbildungen und Broschüren betreffend Anti-Imperialismus und Anti-Zionismus auch im Hinblick auf eine Veranstaltung in Beirut.

Die beschlagnahmten Dokumente haben die Erwägung des Wiederaufbaus einer revolutionären Vorhut zu Inhalt. Sie beziehen sich auch auf eine marxistisch-leninistische Studiengruppe, die sich Anfang der 90er Jahre in Mailand gebildet hatte und sich schwerpunktmäßig mit Lenins Schrift 'Staat und Revolution' beschäftigte."
Anwalt Pelazza betont, dass all dieses Material in keinerlei Hinsicht reicht, um die Genossen der Bildung einer kriminellen Vereinigung beschuldigen zu können.
Die Verhaftungen erfolgten in Mailand und anschließend wurden Morlacchi und Vergilio zu Verhören nach Rom gebracht. Mit Hinweis auf die angebliche Bandenbildung wurde den Genossen verboten, Stellungnahmen an die Öffentlichkeit zu geben. Wir wissen nur, dass sie in einem Hochsicherheitsgefängnis sind und beschuldigt werden 'Gedankenverbrechen' begangen zu haben. Das haben auch die römischen VerteidigerInnen Caterina Calia und Flavio Rossi bestätigt.
"Die Genossen sind nun im Gefängnis Siano Catanzaro. Durch ihre Haftbedingungen sind sie ausgegrenzt. Es wird sehr schwierig werden, sie aus den Mühlen der Justiz freizubekommen", sagt Anwalt Pelazza. Die "Anti-Entführungs-/Plünderungs-/Raubverordnung" vom Februar 2009 ist eine Vorschrift, die im Hinblick auf das organisierte Verbrechen geschaffen wurde. Für diesen Fall ist es die "rechtliche" Begründung für die Verhaftungen.
Die ganze Absurdität der Sache wird am Beispiel des sogenannten Geheimtreffens im Dezember 2007 sichtbar; die Beschuldigten haben sich nicht konspirativ verhalten, sondern sind offen aufgetreten und haben auch Manolo Morlacchis Buch 'Flucht nach vorn' öffentlich vorgestellt."
(...) Das am 10. Juni begonnene Ermittlungsverfahren passt zum repressiven Kurs und zielt darauf ab, den Kampf der kommunistischen und anarchistischen Vorhut lahmzulegen.
Zur Zeit gibt es in Italien Dutzende und Aber-Dutzende kommunistische, anarchistische, anti-imperialistische und anti-faschistische Gefangene. Gegen sie nutzt der Staat all seine Mittel, um sie zu brechen und ihre politischen Anschauungen zu vernichten. Hunderte von Jahren Haft hat er angeordnet, damit die Gefangenen isoliert und hunderte von Kilometern von ihren Familien entfernt sind. Das geschieht in einem abgestuften System der Strafen/Haftbedingungen durch verschärfte Sicherheitsüberwachung lt. 41. Zusatzparagraph des Strafgesetzbuchs. Durch die Anwendung dieser Maßnahmen im letzten Sommer (Sicherheitspaket = pacchetto sicurezza) haben sich einschneidende Änderungen der Strafvorschriften ergeben.
Die Gefangenen sind Betroffene eines speziellen Haftsystems, das sie auch im Knast ausgrenzt, zumal sie vorzugsweise auf abgelegenen Inseln oder in Gefängnisabteilungen, die unter der Bewachung von Spezialeinheiten stehen, festgehalten werden. Der bürgerliche Staatsapparat veranlasst Gefängnisneubauten oder erweitert bestehende Knäste, um diejenigen, die mit revolutionären Zielen gegen das Bestehende kämpfen, wegschließen zu können. Die Errichtung neuer Gebäude geht Hand in Hand mit der Durchsetzung des Zusatzparagraphen 41 und des Hochsicherheitssystems (AS), wie in Suloma, Asti, Allessandria, Voghera, Opera, Carinola, Catanzaro. Zwei neue Gebäudeteile wurden auch in den Knästen von Cagliari und Sassari erbaut. All dies ist Bestandteil der Pläne der Gefängnisverwaltung(en), um ein System der Absonderung bestimmter Häftlinge zu installieren.
Der Straßburger Gerichtshof hat den "Circuit EIV-High Surveillance Indicator", der sich als zweite Stufe der AS-Maßnahmen beschreiben lässt. Dadurch sollen die Mafia-Häftlinge wie auch solche, die als "Terroristen" bezeichnet werden, von den übrigen Gefangenen getrennt werden.
Durch die Einführung des 41bis gibt es für die Gefangenen auch Beschränkungen des Kontakts mit ihren Anwälten und Familien: Statt Vier-Augen-Gesprächen gibt des nur noch Telefonkontakt. Dabei gibt es ein Limit von drei Kontakten pro Woche für die Anwälte und einen für Familienangehörige. Gefangene dürfen sich höchstens zu viert versammeln und das auch nur für höchstens 2 Stunden am Tag; so werden soziale Kontakte (auch schon z.B. gemeinsames Kochen) beschränkt. Wer einem Gefangenen, der den o. g. Vorschriften unterliegt, jedwede Kommunikation (auch z.B. Leserbriefe an Zeitungen) ermöglicht, wird mit einer Strafe von einem bis zu fünf Jahren bedroht. Zuständig für die Durchsetzung der Vorschriften des 41. Zusatzparagraphen ist nicht mehr das Verfassungsgericht (Survaillance Court Jurisdiction), nur noch das Gericht in Rom.
Die Gültigkeitsdauer des 41bis wurde extrem verlängert: Zunächst betrug sie ein bis zwei Jahre, verlängerbar um ein Jahr; jetzt dauert sie vier Jahre, verlängerbar um zwei Jahre. Prozesse werden als Videokonferenz abgehalten. Das Recht auf Verteidigung ist erheblich beschnitten; politische Erklärungen können nicht mehr abgegeben werden.
Durch die Hochsicherheitsmaßnahmen ist das vormalige Gesetz (Circiut EIV) in das AS-System übergegangen. Dieses besteht aus drei Stufen: AS1 , AS2, AS3, ...
Trotz allem setzten die Genossen ihren politischen Kampf für die Entwicklung einer revolutionären Perspektive fort.

Freiheit für die politischen Gefangenen!
Klassensolidarität mit der gesamten revolutionären Avantgarde!

Gegen den Angriff der bürgerlichen Repression!

Für den Aufbau einer Einheitsfront gegen Unterdrückung!

(Gruppe der) Genossen für den Aufbau der Roten Hilfe in Italien


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International

Neuigkeiten zur Kampagne Langzeitgefangene

Am 19. Juni 2010 haben wir den Beginn einer Langzeitkampagne für die Befreiung der politischen Gefangenen angekündigt, die nunmehr schon mehrere Jahrzehnte Gefangenschaft hinter sich haben und die noch nicht befreit wurden, weil sie ihre revolutionäre Identität weiterhin verteidigen. Je enger die Spirale der Krise wird, desto entschlossener wird die Reaktion des Staates bzw. seiner Repressionsorgane gegen alles, was sich bewegt, widersteht oder sich organisiert. Ob gegen die Mobilisierung auf den Strassen, gegen die Kämpfe der Arbeitenden oder gegen die Kämpfe in den Universitäten oder jene der Papierlosen.
Der staatliche Fanatismus wendet sich gegen jene, die ihre Gefängnisstrafe nun schon abgesessen haben. Der unbezwingbare Charakter dieser politischen Gefangenen und das, was sie ausdrücken, nämlich dass Widerstand nicht nur notwendig sondern möglich ist, muss, nach der bürgerlichen Justiz, in der Isolierung der Knäste eingesperrt bleiben.
Diese Tendenz ist weltweit ersichtlich. In Europa ist wahrscheinlich der spanische Staat das wichtigste Beispiel. Es hat dort schwerkranke politische Langzeitgefangene, die nicht befreit werden und andere, die dank den neuen Gesetzen kurz vor ihrer Freilassung noch länger weggesperrt werden: Die Höchststrafe wird von diesen neuen Gesetzen erhöht und befreite Gefangen werden retroaktiv von neuem eingesperrt! Auch in anderen europäischen Ländern wie Frankreich und Italien öffnen sich für unsere GenossInnen, nach langen Jahren im Gefängnis, die Türen nicht ohne einen Kampf um sie freizubekommen.
Während im Rahmen dieser Kampagne die ersten Unterzeichnungen zum Aufruf und militanten Initiativen stattfinden, wird die Kommission für eine Internationale Rote Hilfe vier besondere Situationen in den Vordergrund stellen:

Marco Camenisch (Grünanarchist), seit 2002 in Schweizer Gefängnissen gefangen, nachdem er schon 12 Jahre zwischen 1980 und 2002 in der Schweiz und in Italien gesessen hat.
Georges Ibrahim Abdallah (Kommunist), seit 1984 in den Gefängnissen Frankreichs gefangen, könnte seit 1999 legal befreit werden.
Mumia Abu Jamal (Black Liberation), seit 1981 in den USA gefangen und, seit 1983, im Todestrakt von der Todesstrafe bedroht.
Xaime Simón Quintela «Moreno» (Kommunist), seit 1985 in den Knästen des spanischen Staates gefangen, und hat vor Ablauf von 30 Jahren Knast keine Aussicht auf Befreiung.

Die Wahl dieser Gefangenen wurde wegen ihrer beispielhaften Situation getroffen um den früheren internationalen Kampagnen der Kommission für eine IRH eine Kontinuität und Ausweitung zu geben. Selbstverständlich können alle an dieser Kampagne teilnehmenden Kräfte andere revolutionäre Langzeitgefangene in den Vordergrund stellen - an besonderen Fällen mangelt es, leider!, nicht. Wir teilen auch mit, dass, wegen ihrer besonderen nationalen politischen Agenda, bestimmte der an der Kampagne teilnehmenden Kräfte nicht den 19. sondern den 18. September zur Intervention gewählt haben.
Solidarisieren wir uns mit den politischen Langzeitgefangenen, die sich der Herrschaft des bürgerlichen Staates nicht gebeugt haben und vereinen wir uns im Kampf für ihre Freiheit!

Wir sind nicht alle - es fehlen die Gefangenen!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Kommission für eine Internationale Rote Hilfe Brüssel-Zürich, August 2010

19. SEPTEMBER INTERNATIONALER TAG DER SOLIDARITÄT

UNTERSCHREIBT DEN AUFRUF SCHLIESST EUCH DER LANGZEITKAMPAGNE AN

MIT "EUREN POLITISCHEN GEFANGENEN" UND IHREN SITUATIONEN


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Kurzmeldungen

Kurzmeldungen international

Holland: Am 03. August wurde Renata Zelazna zu 117 Tagen Haft und einer Geldstrafe von 300 Euro verurteilt. Sie wurde nach Urteilsverkündung sofort entlassen. Renata ist eine polnische Anarchistin, die seit April 2010 im Knast in Holland festgehalten wird. Ein Streit mit Bauarbeitern war für die Polizei Grund in ihre Wohnung einzudringen. Als die Beamten auf sie losgehen wollten, hielt Renata ein Messer, mit dem sie Gemüse geschnitten hatte, schützend vor ihren Körper. Dafür wurde Renata wegen versuchten Mordes angeklagt. www.free-renata-zelazna.webs.com (red.)

Iran: Unabhängige Gewerkschaftsaktivisten werden massiv unterdrückt. Mansour Osanloo (Foto), ein Sprecher der Gewerkschaft der Arbeiter und Busfahrer von Teheran, muss ein weiteres Jahr ins Gefängnis, da ihm vom Gerichtshof unterstellt wurde, dass er Verbindungen zu illegalen Oppositionsgruppen hätte. Mehdi Farahi Shandiz befindet sich bereits seit dem 1. Juli 2010 im Gefängnis, nachdem er bei einer Demonstration festgenommen worden war und in einem dafür berühmten Gefängnis gefoltert wurde. Gegen einen weiteren Gewerkschafter, Abdolreza Ghanbari, wurde ein Todesurteil verhängt. (red.)

USA: Verschiedene Organisationen rufen dazu auf, Kevin Rashid Johnson Briefe zu schreiben. Rashid ist Verteidigungsminister der "New Black African Panther Party" und ist im Red Onion State Prison in Virginia eingesperrt, wo er schweren Haftbedingungen ausgesetzt ist. Seine Post wird ihm nur unregelmäßg ausgehändigt, er bekommt keine medizinische Versorgung und wird regelmäßig von den Wärtern traktiert. Weitere Informationen unter: www.torontoabc.wordpress.com (red.)

Spanien: Javi Garcia Victoria, Aktivist der PCE(r) (Kommunistische Partei Spanien [Wiederaufgebaut]) wurde am 14. September 2010 nach beinahe acht Jahren aus seiner Haft entlasssen. Er wurde am 26. November 2002 bei einer Razzia gegen Mitglieder der PCE(r) und der Roten Hilfe International, zusammen mit 24 weiteren Personen verhaftet und zu 6 Jahren Haft verurteilt. Ende 2005 kam er kurzzeitig aus dem Gefängnis, musste aber aufgrund eines neuen Erlasses nochmal ins Gefängnis. Anfang 2009 war er wegen Auseinandersetzungen mit Wärtern zu weiteren 6 Monaten Haft verurteilt worden. (red.)


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International

"Es gab immer Repression und Widerstand in den Knästen der Türkei"

Ein Gespräch über Gefangenenkollektive in den Knästen der Türkei mit einem ehemaligen revolutionären Gefangenen, der nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 in der Türkei viele Jahre inhaftiert war.

Gefangenen Info: Aus der Türkei gibt es immer wieder Nachrichten über massive Angriffe gegen die politischen Gefangenen, bei denen es nicht selten Tote gibt. Gleichzeitig gibt es immer wieder Nachrichten über harte Gefangenenkämpfe. Haben Repression und Widerstand in den türkischen Knästen eine lange Tradition?

Antwort: In den Knästen der Türkei hat es in jeder Phase Repression und dagegen den Widerstand der revolutionären Gefangenen gegeben. Weder die Repression noch der Widerstand haben jemals geendet. Die Kerkerpolitik, ich meine Folter, Ermordung, zur Kapitulation zwingen und Isolierung, die der Staatsapparat der Türkei vom Osmanischen Reich geerbt hat, war immer das Fundament der Gefängnispolitik des Staates gewesen. Und dagegen haben oppositionelle Kräfte, Linke, RevolutionärInnen und PatriotInnen (1) individuell oder organisiert Widerstand geleistet.

GI: Welche Rolle haben die Militanten aus der revolutionären Bewegung gespielt, die im Laufe des Kampfes in Gefangenschaft geraten sind? In welchem Maße haben sie den Widerstand in den Knästen beeinflusst?

A: Der Widerstand hat in verschiedenen Zeitabschnitten mit unterschiedlichen Formen angedauert. Grundlage hierfür war nicht zu kapitulieren, sondern Widerstandsfelder zu erschaffen. In den 70er und 80er Jahren, und auch in den Jahren darauf, hat der Staat hunderttausende Menschen eingesperrt. In den 70ern haben Revolutionäre wie Deniz Gezmis, Mahir Cayan und Ibrahim Kaypakkaya (2) Widerstand gegen die Folter geleistet. Deniz Gezmis und zwei seiner Genossen wurden 1972 hingerichtet, doch kapitulierten sie nicht. Mahir Cayan und neun seiner Genossen wurden bei einer Aktion zur Befreiung Deniz Gezmis und seiner Genossen 1972 ermordet. Ibrahim Kaypakkaya wurde 1973 durch Folter ermordet, ebenfalls ohne sich brechen zu lassen.
In den 80ern, während die Knäste nach dem Putsch zu Militärgefängnissen umfunktioniert wurden, haben revolutionäre Gefangene aus der Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) das Istanbuler Metris Gefängnis in eine Widerstandsbastion verwandelt.
In dieser Phase haben die Gefangenen aus der Devrimci Sol teils alleine und teils gemeinsam mit anderen Gefangenenkollektiven verschiedene Widerstandsaktionen organisiert. Eine dieser Aktionen war ein 75-tägiges Todesfasten im Jahr 1984, bei dem drei Gefangene aus der Devrimci Sol und ein Gefangener aus der TIKB (Türkische Revolutionäre Kommunistische Union) starben. Nach dieser Aktion zog der Staat die Gefängniskleidung zurück, die er zuvor zum Brechen der Gefangenen auf die Agenda gebracht hatte. In den folgenden Jahren führten revolutionäre Gefangene mehrere erfolgreiche Aktionen zur Gefangenenbefreiung durch. Auch vor den Gerichten haben die revolutionären Gefangenen politisch für ihre Rechte gekämpft.

GI: Welchen Faktor stellen die Gefangenenkollektive in den Knästen für die revolutionäre Bewegung dar?

A: Für die Etablierung der Widerstandstradition in den Knästen der Türkei sind die Gefangenenkollektive verantwortlich. Gäbe es diese Kollektive nicht, dann gäbe es diese Widerstände nicht. Das tägliche Programm der revolutionären Gefangenen, ihre Schulung, ihr kulturelles, politisches sowie ideologisches Schaffen, der Widerstand gegen Repression und die Befreiungsaktionen wurden von diesen Kollektiven organisiert. Dank dieser Organisierungen liefen die Angriffe des Staates, die Gefangenen zu brechen, ins Leere.
Das Leben im Knast wurde entsprechend der sozialistischen Ethik und Kultur, entsprechend des sozialistischen Lebens "gemeinsam und kollektiv" organisiert.
JedeR RevolutionärIn, die in den Knast gesperrt wurde, lernte dort den Widerstand kennen und verließ diesen mit politischem Wissen. Die Gefangenenkollektive, die untereinander vernetzt waren, hat es in so ziemlich allen Knästen der Türkei gegeben.
Die Organisierungen der revolutionären Gefangenen beunruhigten den Staat, welcher in den Knästen die Repression steigerte und Massaker durchführte. Die Zahl der Gefangenen, die in den 30 letzten Jahren ermordet wurde, geht in die Hunderte.

GI: Die Einführung von Isolationsgefängnissen nach Typ "Stammheim" sollte ebenfalls dazu dienen, die Gefangenenkollektive zu zerschlagen. Was kannst du uns dazu sagen?

A: Der Staatsapparat hat 2000 die F-Typ Gefängnisse eingeführt, um den Widerstand und die Organisierungen in den Knästen zu brechen. Bei der Zwangsverlegung im Dezember 2000 wurden 28 Gefangene brutal ermordet, indem sie gefoltert, erschossen und sogar lebendig verbrannt wurden. Die revolutionären Gefangenen haben sich mit einem sechs jährigen Todesfastenwiderstand gegen die Isolations- und Vernichtungspolitik des Staates gewehrt.
Das Ziel des Staates war es, mit den als F-Typen bezeichneten Isolationsgefängnissen die revolutionären Gefangenen zur Kapitulation zu zwingen und die Gefangenenkollektive zu zerschlagen. Aufgrund des Widerstandes blieben diese Absichten des Staates fruchtlos. Die Gefangenen haben ihren Widerstand und ihre Organisierungen auch in den Zellen am Leben erhalten. Sie haben ihr kulturelles und ideologisches Schaffen, ihr kollektives Leben weiterhin organisieren können.
Wie bekannt ist, hat der Todesfastenwiderstand in den Knästen und draußen über sechs Jahre angedauert, bis sich der Staat mit einem Erlass hinsichtlich der Einschränkung der Isolation dem Widerstand gebeugt hat. 122 Menschen sind gestorben. Da die Isolationsfolter in den F-Typen andauert, setzt sich der Widerstand dagegen heute noch fort.

Anmerkungen:

(1) Einige linke Kräfte sprechen von "Vatansever" (PatriotInnen), wenn damit AnhängerInnen des nationalen Befreiungskampfes des kurdischen Volkes gemeint sind.

(2) Deniz Gezmis, Mahir Cayan und Ibrahim Kaypakkaya waren Mitbegründer der kommunistischen Organisationen THKO (Volksbefreiungsarmee der Türkei), THKP-C (Volksbefreiungspartei-Front der Türkei) und der TKP(ML) (Kommunistische Partei der Türkei [Marxistisch Leninistisch]).


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International

Hungerstreik der Mapuche-Gefangenen in Chile

Am 12. Juli haben 32 politische Mapuche-Gefangene einen Hungerstreik begonnen, der bis heute anhält. Sie hatten bereits zu Beginn des Hungerstreiks angekündigt, diesen bis zur Erfüllung ihrer Forderungen durchzuhalten.
Die Mapuches sind das zahlenmäßig größte indigene Volk Chiles und repräsentieren 6,6 Prozent der Gesamtbevölkerung von 16 Millionen Einwohnern. Seit der Pinochet-Diktatur (1973-1990) mußten sie bzw. ihre Siedlungsgebiete mehr und mehr den sich ausbreitenden großen Plantagen der Zellstoffkonzerne weichen, die sich zu zwei Dritteln auf ehemaligem Mapuche-Gebiet befinden.
Auch Bergbau- und Erdgasprojekte haben zum Landverlust der Mapuche beigetragen, so beispielsweise in der Nähe des Lleu-Lleu-Sees. Seit vielen Jahren gibt es im Hauptsiedlungsgebiet der Mapuche um den Fluß Bío Bío Auseinandersetzungen zwischen indigenen AktivistInnen und den staatlichen Sicherheitsorganen.
Da immer mehr Mapuche in Gefängnissen weggesperrt und von Militärgerichten verurteilt werden sowie keine reelle Chance auf eine territoriale Selbstbestimmung besteht, breiten sich die Proteste aus. Dieser zunehmende und sich radikalisierende Widerstand ist mit einer immer schärfer werdenden Repression von staatlicher Seite konfrontiert. Um sich eine Stimme zu verleihen, auf ihre Situation aufmerksam zu machen und ihrem Kampf für Autonomie Nachdruck zu verleihen, haben 32 der Mapuche-Gefangenen Mitte Juli des Jahres ihren Hungerstreik begonnen. Mitte August waren kurzzeitig über 50 Mapuche an dem Hungerstreik beteiligt. Seit Mitte September setzen 36 Gefangene den Hungerstreik fort.
Die hungerstreikenden Gefangenen wurden mit Hilfe des "Anti-Terror Gesetzes", das noch aus der Zeit der Pinochet-Diktatur stammt, teilweise zu langjährigen Haftstrafen veruteilt. Die diesbezüglichen Vorwürfe und "Delikte" lauteten u.a. "Bildung einer kriminellen Vereinigung", "Brandstiftung", "illegale Landnahmen".
Dieses sog. Anti-Terror-Gesetz erlaubt es dem Staat somit ganz "traditionsgemäß", willkürlich gegen AktivistInnen oppositioneller Bewegungen vorzugehen und hohe Strafen gegen diese zu verhängen. Zum Beispiel kann die Untersuchungshaft ohne Grund verlängert werden, Verteidiger daran gehindert werden, die Ermittlungsergebnisse einzusehen oder es kann die Identität von Zeugen geheim gehalten werden. Und im Falle einer Verurteilung kann die Strafe verdreifacht werden. Es gibt keine genaue Definition von "Terrorismus", was wahrscheinlich genau der Grund ist, warum dieses Gesetz in 90% der Fälle auf Mapuche angewendet wird.
Doch der Protest beschränkt sich nicht auf den Kampf gegen dieses "Anti-Terror Gesetz". Einer der beteiligten Hungerstreikenden charakterisierte ihren Protest folgendermaßen: "Wir wehren uns gegen den Versuch der Regierung, die gerechten Forderungen der Mapuche-Gefangenen vor der Öffentlichkeit zu verschweigen." So sollen die Forderungen der Mapuche bekannt gemacht und verbreitet werden.
Der Kampf gegen die Militarisierung der Siedlungsgebiete, in denen die Mapuche für ihre Rechte einstehen, ist ebenso ein Teil der Forderungen. Wie auch die Forderung nach dem Ende des willkürlichen Staatsterrors und der zügellosen Gewalt gegen die Mapuche. So kommt es wie zu Zeiten der Diktatur bei Durchsuchungen und Razzien immer wieder zu Mißhandlungen, Bedrohungen und Beleidigungen von Angehörigen der Mapuche aller Generationen.
Im Zuge des Hungerstreiks wurden die Haftbedingungen, denen die Mapuche ausgesetzt sind, weiter verschärft, um ihren Widerstand zu brechen. Staatsanwältin Mónica Maldonado beschrieb die aktuellen Haftbedingungen folgendermaßen: Einzelhaft in verdunkelten Zellen und Versuche, die Inhaftierten zwangszuernähren.
Einige Abgeordnete der Sozialistischen Partei hatten sich solidarisch erklärt und schlossen sich kurzzeitig dem Hungerstreik an. Damit wollten sie das repressive Vorgehen des Staates anprangern. Der chilenische Staat stellte sich aber ein weiteres Mal gegenüber Kritik taub und trieb seine repressive Politik unvermindert fort.
So ist auch zu vermuten, dass das Eingeständnis des Präsidenten, dass seit Dekaden die Mapuche unterdrückt werden, nur eine taktische Äußerung war, um das Ansehen des Landes angesichts der 200 Jahr Feierlichkeiten, die Mitte September stattfanden, nicht zu gefährden. (red.)

Weitere Informationen unter:
www.de.mapuches.org


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Kurzmeldungen

Kurzmeldungen international

Türkei/Kurdistan: Während die PKK sich an einen befristeten Waffenstillstand hielt, wurden Ende August neun Mitglieder der PKK bei einer Militäroperation getötet. Die darauffolgenden Protestdemonstrationen wurden mit harter Repression beantwortet: Unter anderem ein 13 jähriger Jugendliche wurde schwer verletzt. Die Polizei schoss mehrmals in die Luft, um die Menge zu zerstreuen und nahm einige Verhaftungen vor. Kurz darauf wurden 13 Mitglieder der PKK, die im Irak stationiert waren, an türkische Sicherheitsbeamte ausgeliefert. (red.)

Türkei: Am 10. August 2010 wurde der in der Türkei bekannte Schriftsteller Dogan Akhanli am Flughafen in Istanbul verhaftet, da er 1989 an einem Banküberfall beteiligt gewesen sein soll. Dogan Akhanli war nach dem Militärputsch von 1980 im Untergrund. Von 1985-1987 war er als politischer Häftling im Militärgefängnis von Istanbul inhaftiert und wurde dort gefoltert. Er floh 1991 nach Deutschland, wurde hier als politischer Flüchtling anerkannt und später von der Türkei ausgebürgert. Seit Mitte der 90er Jahre lebte er als Schriftsteller in Köln. (red.)

Chile: Mitte August wurden 14 Personen bei einem groß angelegten Repressionsschlag gegen die anarchistische und antiautoritäre Bewegung in Chile verhaftet. Ihnen wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen, sowie an zahlreichen Brand- und Sprengstoffanschläge beteiligt gewesen zu sein. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens werden auch Verbindungen nach Italien und andere Länder hergestellt. Mittlerweile befinden sich sechs Personen unter Auflagen wieder auf freiem Fuß. (red.)

Kolumbien: Am 19. August wurden sieben Guerilleros der ELN (Nationale Befreiungsarmee) von der Armee getötet. Dies geschah im Laufe einer militärischen Ortungsaktion der kolumbianischen Armee. Bei diesem Angriff ist auch ein Waffenarsenal der ELN seitens der Armee beschlagnahmt worden. Die kolumbianische Armee führt seit einigen Wochen beständig Luftüberwachungsmaßnahmen durch. Ziel dieser Aktionen ist es, Lager der ELN aufzuspüren und Guerilleros zu lokalisieren. Wenige Tage zuvor hatten sich sieben mutmaßliche ELN-Mitglieder der kolumbianischen Armee gestellt. (red.)


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International

Schweiz: Hungerstreikerklärung

Wir, Billy, Costa, Silvia und Marco, revolutionäre ÖkoanarchistInnen in Geiselhaft des Schweizer Staates, haben entschlossen einen individuell unterschiedlich langen (15-20 Tage) kollektiven Hungerstreik vom 10. bis Ende September 2010 durchzuführen.
Wegen den umständehalber bestehenden Begrenzungen und Verzögerungen der Kommunikation, die unter uns drei in U-Haft sogar im totalen Kommunikationsverbot bestehen, ist die Abmachung und Organisierung dieser Initiative schwierig und vielleicht nur in der Folge werden ausführlichere auch individuelle Nachrichten, Bestätigungen und Erklärungen möglich sein (*).
Aber als revolutionäre AnarchistInnen wollen wir von hier drinnen hiermit entschlossen unsere internationalistische solidarische Teilnahme jenseits jeglicher spezifischen Tendenz an den revolutionären Initiativen und Kämpfen drinnen und draussen gegen Repression, Knast, Isolation, Folter bekräftigen.
Wir stehen für die Befreiung aller Geiseln im sozialen und revolutionären Krieg gegen das System, für die Befreiung aller, für die Zerstörung aller Knäste und Gehege und aller Gesellschaften, die sowas nötig haben. In diesem Sinne erklären wir auch unsere totale Unterstützung und Solidarität für die neulich entstandenen Befreiungskampagnen für langzeitgefangene RevolutionärInnen.
Unsere Initiative ist Kontinuität im Kampf an der Seite aller, die diesen immer schärferen und brutaleren gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Krieg und Krisenzustand nie nur erdulden wollten.
Unsere Initiative ist auch Ausdruck der Kontinuität unserer langjährigen starken, soliden, affinen und kämpferischen Beziehungen als "grüne/antizivilisatorische" AnarchistInnen.
Als solche sind wir gemeinsam gegen jeden Staat, Pfaffen und Herrn, gegen jeden Knast und jede Repression, gegen jegliche Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, der Frauen durch die Männer, der anderen Spezies und der Natur durch den Menschen.
Wir sind auch untereinander und mit Leuten aus anderen Erfahrungen vereinigt im radikalen Kampf gegen die Schädlichkeiten und Zerstörungen dieses Systems und natürlich gegen dieses System, das sie verursacht und nötig macht. Das heisst gegen dieses bestehende techno-wissenschaftliche industrielle Produktions-, Konsumismus- und Warensystem des Kapitalismus, gegen dieses monopolistische und imperialistische System der Multis und ihrer Staaten.
Ob es nun seine alten oder innovativen Schädlichkeiten und Zerstörungen sind. Und auch wenn sie von der typisch betrügerischen Arroganz der Herrschenden und ihrer Lakaien, das heisst von den Wissenschaftern, Medien, PolitikerInnen, Bullen, Pfaffen und Organisationen auf der Lohnliste der Herrschenden oder ihres pseudo-demokratischen Dialog-Theaters einen humanitären und "umweltverträglichen" Anstrich erhalten und als notwendig erklärt werden. Wie das z.B. bei Nano- und Biotech, GVO, "alternative Energien" und sogar Atomkraft eben der Fall ist! Und auch wenn dieser imperialistische, kriegstreiberische und global terroristische Abschaum der Herrschenden und ihrer KomplizInnen und Institutionen uns "Vandalen", "TerroristInnen", "Öko-TerroristInnen", etc. nennt, sobald unser Dissens und Widerstand und unser Kampf für eine Gesellschaft aus freien und autonomen Individuen ohne Sklaverei, Unterdrückung, Ausbeutung und Zerstörungen real wird!
Wir sind also Menschen, die gegen die ursprünglichen Wurzeln dieses aktuellen Systems grundlegend kritisch sind und kämpfen, weil dieses System ist der am weitesten fortgeschrittene, vollständigste und zerstörerischste Ausdruck der jahrtausende alten anthropozentrischen Zivilisation. Denn diese Zivilisation ist technologische und industrielle (Produktion/Konsum) Herrschaft, ist patriarchale Abrichtung, ist soziale Schichtung und Kontrolle, ist massenweise Einsperrung in Städten, ist Ausbeutung, ist Unterdrückung, ist organisierte Gewalt und Krieg des Menschen gegen den Mensch, des Mannes gegen die Frau, des Menschen gegen die anderen Spezies, des Menschen gegen die Natur und gegen den Rest des Universums.
Abschliessend, aber sicher nicht als Letztes: diese Initiative ist auch ein komplizenhafter, solidarischer und aktiver Beitrag und Gruss an alle euch RevolutionärInnen jeder Tendenz, die ihr uns allein oder vereint und hier und jetzt mit eurer solidarischen, freien und wahren revolutionären Liebe unterstützt und gegen jeden Ausdruck des Monsters Staat und Kapital kämpft: und zwar mit euren Initiativen, mit der Kontinuität und Verstärkung des revolutionären Widerstandes, mit der revolutionären Offensive, sei es am Lichte der Sonne oder der Sterne oder des Mondes, mit allen notwendigen Mitteln.

Zusammen sind wir stark, Solidarität ist unsere beste Waffe!

7. September 2010, aus dem Knast Schweiz,
Billy, Costa, Silvia und Marco


(*) Zur Initiative und weiter, aus dem Lager Pöschwies, Zürich

Im Juni haben wir mit der Diskussion und Organisierung dieser Initiative begonnen. Kurz danach verfügte die Bundesanwaltschaft die bekannten feigen Verschärfungen der politischen und persönlichen Kommunikationsblockade mit Silvia, Costa e Billy, in der üblichen Vernichtungs- und Isolierungslogik eines grundlegend rassistischen und faschistischen, kapitalistischen und imperialistischen Schurkenstaates der Multis, und hier erinnere ich daran, dass nur schon die Genfer Privatbanken 10% des weltweiten Privatvermögens verwalten... Nur schon der Vorwand gegen diese Aggression auf die Integrität und Identität der drei GenossInnen ist ein schwerwiegender Akt der Diskriminierung. Genau das ist es in einem Schurkenstaat, der sich doch seiner vier amtlichen Landessprachen, darunter auch Italienisch, so sehr rühmt, und als Begründung seines Angriffes die Menge an italienischer Korrespondenz heranzieht, die ins Deutsche übersetzt werden müsse. Keinesfalls überraschend ist auch, dass irgendein Bulle der Bundes-Repression aus niedriger politischer Feindseligkeit und Repressalie willkürlich die Korrespondenz zwischen den Dreien und einer Genossin der Roten Hilfe International aus der Schweiz total blockiert, weil sie sich auch zu ihrer Unterstützung öffentlich einsetzt, und zwar in vorderster Front, praktisch und sehr wirksam. Die Kommunikationsblockade heisst praktisch, dass, falls denn die Briefe nicht total blockiert werden, ich erst nach einem bis eineinhalb Monaten eine Antwort erhalte. So wurde die gemeinsame Diskussion und Ausarbeitung einer Erklärung mit besser artikulierten und verfassten Inhalten verhindert. Als einziger konnte ich diese Erklärung entwerfen und allen zusenden. Aber, und das erst im allerletzten Moment, konnten wir uns so gegenseitig nur das sichere Einverständnis über die grundlegenden zu vermittelnden Inhalte mitteilen und die Zeiten festlegen.

Aber eins ist sicher, und wir beweisen es jetzt erneut. Wir drinnen und ihr draussen, wir lassen uns von den kriminellen Logiken der Repressalie und der Aggression des Repressionsabschaums von Staat und Kapital weder terrorisieren noch paralysieren. Im Gegenteil, diese Logiken bewirken die Verstärkung der Mobilisierung, der Auseinandersetzung, der aktiven Teilnahme und Vereinigung auf den verschiedenen Ebenen des Kampfes. In diesem Sinne begrüsse ich das Treffen für die Befreiung der Tiere und der Erde am 10-11-12 September und Silvias Botschaft dazu herzlichst; oder die Vereinigung von kommunistischen und anarchistischen Kräften in Rom für die Initiativen der internationalen Kampagne zur Befreiung der politischen Gefangenen.; oder, wie in Mexiko, Chile, Argentinien, hier und überall begrüsse ich freudig die militanten revolutionären/aufständischen Aktionen der Solidarität und Repressalie gegen die Übergriffe der Repression, weil revolutionäre Repressalie eines der bedeutenden und notwendigen Schlachtfelder des sozialen Krieges ist. Ihre Schandtaten dürfen uns nie verwundern, aber (bis sie nicht hinweggefegt sind) desto unbestrafter sie davonkommen, desto zügelloser werden sie.

Marco Camenisch, Pöschwies
7. September 2010


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International

»Sabotage des neuen politischen Kurses«
Erneut Verhaftungen und Folter im Baskenland

In der Nacht vom 13. zum 14. September hat sich zum wiederholten Male das bestätigt, was Rodolfo Ares, Innenminister der Autonomen Gemeinschaft Baskenland, als Antwort auf die am 5. September diesen Jahres von ETA verkündete Einstellung »bewaffneter offensiver Aktionen« verlauten ließ: dass sich die Polizeikräfte nicht in Waffenruhe befinden. Auf Anordnung des am spanischen Sondergerichtshof für Terror- und Drogendelikte (Audiencia Nacional) tätigen Richters Fernando Grande-Marlaska nahm die Guardia Civil in Zusammenarbeit mit der baskischen Polizei Ertzaintza gegen 4.00 Uhr nachts neun Personen im Baskenland, Kantabrien und Zaragoza fest. Egoitz Garmendia, Aniaiz Ariznabarreta, Erika Bilbao, Rosa Iriarte, Urko Aierbe, Ugaitz Elizaran, Joxe Aldasoro, Sandra Barrenetxea und Eneko Compains wird zur Last gelegt, Führungspositionen in der illegalisierten Jugendorganisation EKIN auszuüben, die dem spanischen Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba zufolge »die Struktur darstellt, welche ETA zur Instrumentalisierung und Führung der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung nutzt«.
Unter den neun Festgenommenen befinden sich u.a. ein Lehrer der Baskischschule AEK, eine Vertreterin der feministischen Bewegung und AktivistInnen aus der Jugendbewegung. Offensichtlich greift hier erneut die altbewährte Strategie der spanischen Regierung 'Alles ist ETA', unter Anwendung derer erst kürzlich eine Demonstration des Bündnisses Adierazi EH!, einem Zusammenschluss aus Mitgliedern von 42 Parteien, Organisationen und Gewerkschaften, unter dem Motto 'Meinungsfreiheit - alle Rechte für alle!' verboten worden war - die Audiencia Nacional sah die Gefahr der »Verherrlichung des Terrorismus«. Im Anschluss an die in einigen Fällen gewaltsam durchgeführten Verhaftungen durchsuchten die Polizeikräfte bis in die frühen Morgenstunden insgesamt 30 Wohnungen und Bars.
Die Festgenommenen wurden direkt in Incomunicado-Haft überführt, woraufhin das Antifolterkomitee TAT sowie die Angehörigen warnend darauf aufmerksam machten, dass es während dieser speziellen Form der Haft, in der die Gefangenen fünf Tage lang vollständig isoliert werden, immer wieder zu Folterungen gekommen sei. Geforderte Maßnahmen zur Verhinderung von physischen und psychischen Übergriffen während der Incomunicado-Haft wurden vom zuständigen Richter abgelehnt, obwohl diese, wie sich bei der Vorführung der Gefangenen vor den Richter Grande-Marlaska am 17. sowie am 18. September herausstellte, dringend notwendig gewesen wären: sechs der neun Festgenommen sagten aus, während der Incomunicado-Haft Folter erfahren zu haben. Eine Gefangene zeigte zudem sexuelle Übergriffe durch die Guardia Civil an. Dessen ungeachtet ordnete Grande-Marlaska Untersuchungshaft für alle neun AktivistInnen an, deren »Mitgliedschaft in bzw. Unterstützung einer terroristischen Organisation« er trotz offensichtlicher Widersprüche zwischen den Aussagen der Polizeikräfte und denen der Festgenommenen für ausreichend belegt hält.
An vielen Orten des Baskenlandes kam es zu Demonstrationen, Kundgebungen und Streiks gegen Repression und Folter.
VertreterInnen der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung bezeichneten die Verhaftungen als »Sabotage des neuen politischen Kurses«, der im Baskenland momentan eingeschlagen werde. (red.)

19.09.2010, Donostia


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Kurzmeldungen

Kurzmeldungen international

Marokko/Westsahara: Die drei Gefangenen Brahim Dahane, Hammadi Naciri und Ali Salem haben vom 15.-17. September einen Hungerstreik durchgeführt. Die drei Gefangenen befinden sich seit mehr als 11 Monaten ohne Anklage in Haft und fordern mit dem Hungerstreik einen gerechten Prozess oder die Freiheit. Bereits Anfang des Jahres hatten sie einen 41-tägigen Hungerstreik durchgeführt, den sie nur unterbrochen hatten, da sich die marokkanischen Behörden verpflichteten, sie zu entlassen - was bis heute nicht geschehen ist. (red.)

Marokko/Westsahara: Ende August wurden in der Hauptstadt der durch Marokko besetzten Westsahara vierzehn spanische AktivistInnen während einer Demonstration für die Unabhängigkeit der Westsahara festgenommen. Die AktivistInnen sind Mitglieder der spanischen "SaharAcciones", die durch Plakate die Unabhängigkeit des Sahrauivolkes, sowie die Einhaltung der Menschenrechte forderten. Zwei Aktivisten wurden durch Tritte und Fäuste der PolizistInnen verletzt. Kurz darauf wurden die AktivistInnen zu den kanarischen Inseln gebracht. (red.)

Indien: Am 21. August ist Musafi Sahani, ein hochrangiges Mitglied der kommunistischen Partei CPI(Maoist), verhaftet worden. Er wurde bereits seit einiger Zeit gesucht, da gegen ihn über 20 Verfahren laufen. Anfang September wurden zwei weitere CPI(M)-Mitglieder verhaftet, denen vorgeworfen wird, sie seien an einer bewaffneten Auseinandersetzung mit Polizisten beteiligt gewesen, hätten im Anschluss daran vier der Beamten entführt und sie nach einem verstrichenen Ultimatum getötet. Einer der Verhafteten war der Verantwortliche für die Region von Luxmipur-Simultala. (red.)

Indien: Am 28. August tötete die Polizei in einem Feuergefecht eine Führungskraft der PCPA (Volksausschuss gegen Polizeiterror) namens Umakanta Mahato. Mahato wurde durch die Behörden gesucht, da ihm die Entgleisung eines Zuges im Mai dieses Jahres vorgeworfen wird, bei denen es 150 Opfer gab. Die PCPA bestreitet bis heute eine Beteiligung an dieser Entgleisung. Am 5. September wurde der Generalsektretär der PCPA, Manoj Mahato, verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, die PCPA würde die CPI(M) unterstützen und er hätte mehrmals zu Morden und zum Aufstand aufgerufen. (red.)


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Gefangene

Briefe aus den Knästen

Tommy Tank:
Briefe vom 19. Juli, 3. und 21. August 2010

Hallo,

schön, das du mir schreibst. Deinen Brief vom 13.7. habe ich erhalten.
Es freut mich, dass du dich mir so offen vorstellst. Ich werde erstmal nicht ganz so viel von mir erzählen. Mein Prozess beginnt im August vor dem Landgericht Leipzig. Termine sind am 2., 11., 17. und 31. August jeweils ab 9 Uhr.
Anklagen sind Brandstiftung (BMW X5), Störung öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten und versuchter Einbruch in einen Computereinzelhandel.
Das Ganze könnte, wenn man mehr in Medien erfahren möchte, im Zusammenhang mit einer sog. "Militanten Gruppe Leipzig" stehen. Dabei soll die Anmerkung kein Schuldeingeständnis sein, vielmehr ein Verweis auf diverse Berichte, die mit meinem Namen in Verbindung gebracht werden. Ich stehe in Kontakt mit der Roten Hilfe OG Magdeburg und erfahre Unterstützung. Meine Anwältin (...) kümmert sich auch gut um mich. Verhaftet wurde ich am 4.2.2010 auf der Straße vor meiner Haustür, als ich grad auf dem Weg zu meiner Bewährungshelferin war. Ein MEK von 5 Mann und 1 Frau zerrten mich in einen fremden Hausflur, zogen mir eine Augenbinde über den Kopf und fesselten mich.
Am 2. August sind keine Zeugen und Sachverständige geladen. Da wird der Haftbefehl wohl nur verlängert und die Anklage verlesen.
(...) Als die 3 Ausgaben GI in meiner Zelle beschlagnahmt und auf deren Nachfrage dem Verfassungsschutz (VS) vorgelegt wurden, wollte ich Auskunftersuchen beim VS stellen. Meine Anwältin meint, mir fehle es am "besonderen Interesse". So eine Anfrage könnte wohl nur durch euch geschehen. 14 Tage lang wurden die wohl geprüft, anschließend erhielt ich sie unbeschadet zurück, ohne irgendwelche Angaben.
Die Anstalt (JVA) wollte sie auf "Extremismus" überprüfen, holte sich Rat beim VS. Letzterer bat um Zusendung der Zeitschriften.
Auf den Direct-Action-Kalender 2010 vom Seitenhieb-Verlag warte ich heute noch. Das Landgericht hat sich vermutlich noch nicht geäußert, ob der zurückgegeben wird.
(...) Soziale Gefangene gibt es hier in Leipzig "genug". Meistens Leute, die mit Straßenbahn schwarzgefahren sind oder Diebe, z.T. Drogenabhängige.
Fast alle von ihnen sind hier, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlen konnten. Einige wenige haben einen HV-Termin verpasst und "verbüßen" diesen "Sitzungshaftbefehl". Manche hatten Angst vor der Verhandlung, andere waren im Drogenrausch gedanklich woanders. Auf unserer Station gibt es 2 junge Burschen mit rechter Gesinnung, Drogenhändler (das geht von wenigen Gramm bis Kg). Ja, eigentlich fast alles dabei.
Das ist das, was ich hier erfahre. Ach so: fast alles U-Haft und Ersatzfreiheitsstrafe. Danke für die Karte! (...) Momentan geht es mir dank der finanziellen, sachspenderischen und zwischenmenschlichen Unterstüzung u.a. durch die Genossen aus Magdeburg "relativ gut". In Leipzig gibt es zirka 2 Stunden Aufschluss, zahlreiche Möglichkeiten zur Freizeit (Spielen, Basteln, Sport, Turniere u.ä.). Schlechter als woanders ist es wahrscheinlich nicht.
Was ich nicht ganz nachvollziehen kann, ist, dass viele Gefangene sich beinahe den ganzen Tag mit Fernsehen und Playstation zocken beschäftigen. Ich persönlich lese lieber ein gutes Buch, schreibe Briefe, (wenn nötig) Beschwerden, beschäftige mich mit elektrotechnischen Angelegenheiten und den Computer-Fachzeitungen. Meine Glotze (Geschenk eines Entlassenen) mache ich nur selten an, eher abends.
Schön, dass es die Fernleihe für Gefangene in Dortmund gibt! Warum bin ich hier der Einzige, der diese Bücherei nutzt.
(...) Es gibt hier so 2-3 Leute, die würden auch Unterstützung benötigen, haben kein oder kaum Einkauf. Insbesondere die, die Ersatzfreiheitsstrafen bekommen, wenn sie keine Arbeit bekommen, haben meiner Erfahrung nach kein Taschengeld. Schlauchen sich aber mühsam durch die Haftzeit. Kann solchen armen Leuten geholfen werden, wie könnte ich dazu beitragen, an welche Stellen verweisen?
Würde mich freuen, wenn du dich noch einmal bei mir meldest. Ich bin übrigens 24 Jahre alt.

P.S. Viel Erfolg in der Berufsverhandlung (gegen das Gefangenen Info am 11.10. in Berlin) (...) Übrigens: In der "jungen Welt" war am 17./18.7. ein Artikel, dass Anklage gegen den 50-jährigen Betriebswirt aus Frankfurt/Main erhoben wurde. Wenn du Kontakt zu ihm haben solltest: Bestell doch "freundliche Grüße". Gerne würde ich schreiben, habe weder Name, noch Adresse der JVA: Gibt es zu dem Fall noch weitere Berichte, Artikel, Infos?

Danke,..., und bis bald, wenn du möchtest.

Tommy Tank, 19. Juli 2010


(...) Zunächst möchte ich in diesen Zeilen meine Gedanken zu einem Vorfall in der JVA Dresden mitteilen und zwar in der Hoffnung, hier Aufklärung zu schaffen.
Mir wurde vor ca. 1 Woche ein Zeitungsartikel aus der BILD gezeigt. Demnach habe ein Gefangener vor wenigen Wochen in der JVA Dresden versucht, Lebensmittel einem anderen Gefangenen zu übergeben. Aus Sicherheitsbedenken heraus sei dies unterbunden worden. Der Gefangene habe deshalb aus Protest ein Dach bestiegen, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen. Im BILD-Artikel wurde außerdem beschrieben, ob hier die Sicherheitsvorkehrungen verschärft werden sollten.
Der protestierende Gefangene wurde vor ca. 3 Wochen hierher verlegt. Ich konnte mit ihm über die Einzelheiten sprechen. Der Gefangene hat russische Wurzeln, spricht gut deutsch. Seine schwangere Frau sitzt auch in der JVA Dresden. Ihr wollte er damals die Lebensmittel überbringen lassen. Er hat es vorher beantragt und genehmigt bekommen. Die Tüte mit Essen habe aber 2 Tage lang rumgestanden, weil die Beamten keine Lust / Zeit hatten. Daraufhin habe er den Hofgang genutzt und dort ein Dach einer Hütte bestiegen. Nach dem Vorfall sei er in den Bunker gebracht und hierher nach Leipzig verlegt worden. Angeblich ist sogar die Tüte mit Lebensmitteln nicht etwa seiner Frau übergeben worden, sondern die Tüte sei hierher gebracht worden.
In der Presse war keine Rede von seiner schwangeren Frau, die er doch nur mit Süßigkeiten und Obst usw. unterstützen wollte. Stattdessen wurde wiedermal ein Skandal seitens der Justiz draus gemacht, weil schon wieder jemand aufs Dach steigen konnte (damals war es ein "Vergewaltiger"). (...)

PS: So, 24.08.2010. Es ist kurz nach 7 Uhr.
Im Radio kamen gerade Nachrichten zum geschilderten Fall. Am 16. Juli 2010 sei demnach ein Gefangener auf das 2 m hohe Dach eines Wachpostens während des Hofganges gestiegen. Das Justizministerium habe nun dort Stacheldraht installiert. Für die JVA Waldheim werde das nun auch geprüft. Der Sender, der hier gerade läuft, heisst "Hit Radio RTL". Wieder kein Wort über die wahren Beweggründe des russischen Mitbürgers aufs Dach zu steigen, um dort seinen Protest und Unmut zu äußern. Stattdessen werden Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Wir Gefangene müssen nun noch mehr Stacheldraht "hinnehmen", eher ertragen. Ekelerregender Staat!

Tommy Tank, 3. August 2010


Seit ca. 1-2 Wochen zeigte der vermutlich polnische Mitgefangene Milan (Name geändert) Tag für Tag kritischere Verhaltensauffälligkeiten in der Reihenfolge: Fenster einschlagen, schreien, Augenbinde vor Kopf, nicht mehr duschen, viel auf Glocke gehen (Notrufknopf), gegen Zellentür urinieren u.ä. ... Es wurde schlimmer.
Am Wochenende sprach ich dies beim Bediensteten an, schlug Dolmetscher vor, um den Gefangenen sprachlich verstehen zu können. Machen die nicht, weil das 700 Euro koste und der Gefangene evtl. dann nichts mehr sagt. Am 01.08. schrieb ich dem Anstaltsbeirat, bat um Hilfe / mit "Vermerk: eilt sehr". Milan hat am 02.08. seinen Bauch aufgeschnitten mit einer Rasierklinge! Es war zu spät. Der Gefangene, der den Haftraum reinigte, berichtete mir, dass der gesamte Boden mit Blut bedeckt gewesen sei. Er meint, das seien mehrere Liter Blut. Der Milan habe demnach sogar deutlich "Blut aus seinem Bauch tropfend verloren". Er habe eine Spur gezogen bis runter zum Arzt. Der o.g. Reiniger soll Beamte gefragt haben, ob er eine Erschwerniszulage für das Aufwischen des übel riechenden Bluts bekäme. Ihm sei dies mündlich abgelehnt worden.
Ich fordere Dolmetscher, wenn sich in möglichen Krisen dadurch eine solche Gefahr abwenden lässt. Wir wissen hier alle nicht, welche konkreten Probleme Milan hatte und wie es ihm jetzt, ca. 26 Std. später, geht. Aus meiner Sicht ist hier Hilfe unterlassen worden. Ich bin gespannt wie unser Anstaltsbeirat auf mein Schreiben reagiert, dem eine erhebliche Selbstverletzung eines fremdsprachigen Gefangenen folgte. Was denkst du, (...), was kann man da machen? (...)

Tommy Tank, 21. August 2010

Schreibt den Gefangenen!
Tommy Tank, Jva Leipzig, Leinestr. 111
04279 Leipzig


Nurhan Erdem:
Zu den Vorladungen von Mustafa Atalay und Ilhan Demirtas

Lieber (...),

(...) Was für eine erfreuliche Nachricht, als ich letzte Woche über meine AnwältInnen erfuhr, dass Ahmet Düzgün und Devrim wieder frei sind! Ich hoffe, Ahmet meldet sich bei Dir, wenn ja, dann grüße ihn von mir.
Über die Verhaftungen in der Türkei von den Tayad-Mitgliedern erfuhr ich aus der Zeitung. Dass sich inzwischen 8 Mitglieder wieder auf freien Fuß befinden, wusste ich nicht. Weiterhin hoffe ich, dass die restlichen 9 Gefangenen auch bald entlassen werden.
(...) Ja, mal sehen, was morgen passieren wird. Es wird ein enormer Druck aufgebaut, um uns zu brechen. Obwohl Ilhan D. mehrfach verkündet hat, dass er mich nicht kennt, glaubt ihm bzw. möchte der Senat ihm nicht glauben. Mit Erpressungen werden die bei mir nicht weiter kommen, es ist so, wie es ist, nur weil von dieser vagen "Geschichte" etwas in der Anklageschrift steht, erpresst man Ilhan mit Beugehaft bis zu 6 Monaten. Beim letzten Verhandlungstag sah er sehr schlecht aus. Ich denke, sein psychischer Zustand verschlechtert sich unter diesem enormen Druck. Der Gutachter bescheinigt ihm, dass sich seit der Haftentlassung seine Gesundheit verschlechtert hat.
Dass wir isoliert sind und seit 22 Monaten tagtäglich dagegen ankämpfen ist ertragbarer als so eine würdelose Show miterleben zu müssen. (...) Heute habe ich einen Brief vom "Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen" erhalten. Es enthielt Informationen über die Berufungsverhandlung am 11. Oktober vor dem Landgericht Berlin gegen das "Gefangenen Info".
Du weißt, dass ich Euch unterstütze und Eure Arbeit für sehr wichtig halte. Was die Herrschenden zerstören möchten, ist Eure Solidarität. In unserem Verfahren versuchen sie, sie auch zu zerstören. Was stört sie? Unsere solidarische Arbeit zu den Gefangenen und den unterdrückten Menschen. Da die herrschende Klasse diese Arbeit enorm fürchtet, verschleiern sie diese Fakten in dem sie Märchen über uns verbreiten von sogenannten "Terroristen".

Herzliche Umarmung,
Nurhan Erdem , Köln, den 31.8.

Schreibt den Gefangenen!
Nurhan Erdem, JVA Köln, Rochusstr. 350, 50827 Köln


Thomas Meyer Falk:
Zum Berufungsprozess gegen Wolfgang Lettow und das GI

Immer wieder gibt es Versuche kritische Stimmen und Publikationen mundtot zu machen. Sei es mit Gewalt oder mittels Staatsgewalt. Während es den sich beleidigt oder verleumdet gefühlten OLG-Richtern unbenommen geblieben wäre eine Gegendarstellung einzureichen, griffen sie zum Mittel der Strafverfolgung. Und das Amtsgericht in Berlin in 1. Instanz spielte mit. Wo die eigenen Argumente offenbar nicht stichhaltig genug sind, soll es nun der Staatsanwalt richten und greift damit nicht nur Wolfgang als Person an, sondern das ganze Projekt, für welches er und das Gefangenen Info stehen.
Eine Publikation mit langer Geschichte, mit Wurzeln im Protest der Angehörigen von RAF-Gefangenen gegen die Haftbedingungen. Eine Zeitschrift, die heute über politische und soziale Gefangene, deren Kämpfe und deren ungebrochenen Lebensmut berichtet.
Sicher, so etwas muss ihnen ein Dorn im Auge sein; und so wird die Strategie betrieben: marginalisieren, kriminalisieren, zerschlagen. Aber dem setzen wir unsere Stimme entgegen, unseren Protest!

Schreibt den Gefangenen!
Thomas Meyer-Falk, JVA Bruchsal, Z. 3117,
Schönbornstraße 32, 76646 Bruchsal


Faruk Ereren:
Zu seiner Situation und dem EuGH Beschluss

Lieber (...),

Deinen Brief vom 2.7.2010 habe ich erst am 21.7.2010 erhalten. Danke!

Leider ist Dein Brief zu spät bei mir angekommen, so konnte ich Dich im Prozess nicht erkennen. (Der Schreiber hatte sich beschrieben, damit Faruk ihn im Gerichtsaal erkennen konnte). So konnten wir uns bei dem letzten Prozesstag in Düsseldorf nicht "kennenlernen". Ich hoffe, Du wirst am 16. August zur nächsten Verhandlung wieder kommen.
Ich möchte mich für Dein Interesse und das aller Genossinnen und Genossen bedanken, die sich für mich und somit gegen den Prozess, die Haftbedingungen, die Auslieferung einsetzen. Das gibt mir sehr viel Kraft und Mut!!! Mir geht es gut. Die Isolationshaftbedingungen bestehen weiter. Ich bin täglich 23 Stunden allein auf der Zelle weggesperrt. Habe eine Stunde Freigang täglich. Ich habe keinen Kontakt zu anderen Gefangenen.
(...) Meine Tage hier im Knast laufen immer gleich ab, mit Lesen und Schreiben. Ich weiß ja, dass draußen die Solidaritätsarbeit nicht einfach ist. Da der Imperialismus auf der ganzen Welt alles angreift und ohne Gnade niederwalzt, müssen wir aber unbedingt die Menschen erreichen.
Wir, die Gefangenen sind Geiseln dieses Angriffs. Wir müssen aber alle zusammen auf die Barrikaden gehen.
(...) Ich habe von dem Urteil des Stuttgarter Prozesses und dem Beschluss des EuGH in der Zeitung gelesen. Trotz des halbwegs positiven Beschlusses des EuGH ist es ein sehr hartes Urteil (gegen A. Düzgün Yüskel und Devrim Güler). (...) Es zeigt sich mal wieder, dass die herrschende Klasse weiterhin auf Verurteilung und Abschiebung besteht.

Ich wünsche Dir weiterhin sehr viel Kraft und Gesundheit bei allen Deinen Arbeiten.

Solidarische Grüße
Faruk Ereren


Lieber (...),

Meine Isolation setzt sich weiter fort, deswegen hatte ich Umschluss, der mir auf Grund meiner Erkrankung selbst vom Gericht zugestanden worden ist, beantragt:
Das zuständige Gericht lehnt es aber inzwischen bei Cengiz Oban und bei einem weiteren Gefangenen ebenfalls ab. Bei dem Letzteren hätten sie angeblich ein Handy gefunden. Das Urteil des EuGH ist für uns wichtig und erfreulich, aber das Gericht ignoriert es bei meinen Verfahren. Sie wollen angeblich ein "unabhängiges Urteil" fällen und mich dann ausliefern. Letzte Woche bin ich ins Krankenhaus eingeliefert worden, weil ich oft nachts in meinen Armen kein Gefühl mehr habe, als ob sie taub seien. Ich wurde deswegen geröntgt, aber das Ergebnis weiß ich noch nicht.
In der Türkei sind bekanntlich 17 Mitglieder von Tayad und der Gewerkschaft KESK festgenommen worden. Mit einer der Festgenommen, Semiha Eyilik, korrespondierte ich. Inzwischen ist sie freigelassen worden. Sie ist eine Genossin von mir!

Herzliche Grüße , Kraft und Gesundheit Faruk Ereren

Schreibt den Gefangenen!
Faruk Ereren, JVA Düsseldorf, Ulmenstr.95
40476 Düsseldorf


Günter Finneisen:
- "der ganz nomale schwachsinn"
- Brief zu Sicherungsverwahrung

hola,

erstmal big thanks für deine post. und wie du siehst will ich dir heute mal genauer beschreiben, wovon ich dir bei deinem besuch erzählte, was ich als "der ganz normale schwachsinn" betiteln würde.
es geht dabei hierbei um die kleinigkeit, dass (...) mir einen brief schickte, wobei sie ein plakat als schreibpapier benutzte, welches ich nach meinung der postkontrolleure nicht sehen dürfte, da es mich als über 50-jährigen, seit über 15 jahren in einzelhaft gefährden würde. doch lassen wir sie es doch selbst beschreiben: eine aushändigung des plakates sei hingegen aufgrund der insgesamt staatsfeindlichen aussagen nicht in betracht gekommen. so sei auf dem plakat im hintergrund eine brennende justizvollzugseinrichtung zu erkennen, die offensichtlich mittels eines sprengsatzes angegriffen worden sei, aus dieser im hintergrund befindlichen vollzugseinrichtung steige zudem dichter qualm auf. im vordergrund seien mehrere vermutlich durch sprengsätze detonierte fahrzeuge zu sehen. am oberen rand des bildes befinde sich ein schriftzug, der zu gewalt gegen staatliche institutionen aufrufe. so sei wörtlich aufgeführt: "attack the prison society - let's burn and destroy all goverments and borders! - let's come together and fight capitalism! let's never forget those locked in the cells of the crime of resting!". am unteren bildrand befinde sich zudem eine aufschrift mit den worten: "fire to the eu". am linken unteren bildrand befinde sich als zeichen ein großes "A", das von einem kreis umrundet sei. dabei gelte dieses zeichen als ein gängiges symbol für das antifaschistische spektrum linker, linksradikaler und autonomer gruppen und organisationen, wobei verschiedene solcher gruppen in deutschland unter beobachtung der verfassungsschutzbehörden stünden.
aufgrund der vollzugs- und insgesamt staatsfeindlichen aussagen und darstellungen müsse befürchet werden, dass eben diese aussagen den antragssteller (also mich den gefangenen) insbesondere in einer vollzugsfeindlichen einstellung bestärken und aufgrund der linksextremistischen aussagen die eingliederung in das leben in freiheit nach einer haftentlassung massiv gefährden würde. dabei gefährden schreiben, die linksextremistisches gedankengut enthalten, regelmäßig so wie vorliegenden fall, die wiedereingliederung (bundesverfassungsgericht nstz 1995, 613), aber im vorliegenden fall auch die innere sicherheit sowie die ordnung der justizvollzugsanstalt celle (vgl. olg frankfurt, zfstrvo 1986, 127). dabei sei insbesondere berücksichtigt worden, dass der antragssteller während seiner inhaftierung nicht vor gewalt gegen vollzugsbedienstete zurückgeschreckt habe, eine geiselnahme begangen und widerstand gegen vollstreckungsbeamte geleistet habe. insbesondere vor diesem hintergrund sei zu befürchten, dass entsprechende darstellung nicht nur die wiedereingliederung des anstragstellers gefährden, sondern darüber hinaus ein erhebliches sicherheitsrisiko für vollzugsbedienstete der justizvollzugsanstalt celle bedeuten würde..."
so klingt es schon im beschluss der hiesigen strafvollstreckungskammer, die das ganze auch für rechtens erklärt. was eh von vorn herein klar war und ist, denn die quote, das diese gerichtsinstanz für gefangene mal was rechtens entscheidet, die dürfte unter einem prozent liegen. und es gibt dann eben noch folgende instanzen, wo es auch nicht viel besser aussieht. doch trotzdem, sie doch mal selbst zu wort kommen zu lassen, das ist doch schon mal schön, nichts zeigt besser die lächerlichkeit, von ihnen, vom ganzen, und sowieso und überhaupt. doch man sollte schon dagegen vorgehen, schon alles braucht doch seine daseinsberechtigung. so oder so.
aber es zeigt eben auch, das der schriftwechsel von und mit gefangenen nicht einfach ist, denn die allgemeine rechtsprechung sagt auch, dass diese damen und herren, die so in der privaten post rum schnüffeln, sich beleidigt fühlen könnten. das ist etwa so wie, wenn du da draußen telefonierst, und demjenigen erzählst, dass ihr womöglich abgehört werdet, und deshalb ein strafverfahren wegen verleumdung kriegst, so sieht die freie meinungsäußerung aus in diesem lande.

Günter Finneisen, 24.7.2010


*Darf man Leute, die wieder Nazimethoden anwenden (wollen) eigentlich auch wieder als Faschisten bezeichnen?* Meine nicht nur gedanklich, sondern auch rechtlich, so im Sinne der freien Meinungsäußerung.
Eben auch dann, wenn man dies mit Fakten klar belegen kann, wie zum Beispiel bei der Sicherungsverwahrung, die wieder in vielen Hirnen und Mündern ist.
Die Sicherungsverwahrung (SV) ist doch ganz klar das Machwerk von Hitler und seinem Gefolge. Geschaffen zu einer Zeit eben, wo die Leute voller Sorgen und Ängste waren, wo solch Propaganda von entarteten, gefährlichen Verbrechern auf fruchtbaren Boden fiel, um der eigenen Wut und Unzufriedenheit ein Ventil zu geben. Wo sich Politiker und Justizler bestens damit hervortun konnten, dass sie doch das Volk schützen und für Zucht und Ordnung auf den Straßen sorgen. Wie, das kommt dir bekannt vor?? Ja, das meine ich doch, dass wir hier eben schon wieder soweit sind... so weit rechts. Das gleiche Getue. Das gleiche Geschrei. Die gleichen Lösungen. Nur, dass wir heute wissen, wohin das damals schon führte.
Wobei, die Sicherungsverwahrung war ja nie wirklich weg, wurde ja nach dem Krieg sang- und klanglos mit in die Bundesrepublik übernommen. Genau wie die meisten Richter und Staatsanwälte, die schon brav unter Adolf gedient hatten. Nur ein neuer Eid. Und so konnten sie auch weiter mit der SV reichlich einsperren. Erst in den 60er Jahren wurden sie durch eine Reform eingeschränkt, wurde für Jahrzehnte schon ein Auslaufmodell, ohne dass es deshalb zu mehr grausamen Verbrechen kam.
Seit einigen Jahren ist diese Hetze von gefährlichen Verbrechern und die Sicherungsverwahrung wieder da, seit einige Politiker sich damit wieder hervortun, und immer mehr Justizler lautstark folgen. Fortan ist die SV auch schon längst wieder um über 300 % gestiegen, und es werden noch viele Folgen, sie müssen nur noch ihre Strafe zuvor absitzen. Wohlwissend, wie z.B. eine Studie belegt, wo 77 Leute zuerst durch Gutachter und Richter zur Sicherungsverwahrung verurteilt wurden, diese aber in höchster Instanz verworfen wurde, dass von diesen 77 Fällen nur 3 wieder rückfällig wurden.
Wer nun meint, dass diese 3 doch drei zu viel wären, der sagt, dass es rechtens und okay ist 74 Unschuldige einzusperren, und möglicherweise auch still hinter Mauern sterben. Denn anders können sie es nicht beweisen. Und, wer so rum schreit, der übersieht auch gerne, dass in dieser Zeit wieder fast alle Morde, Vergewaltigungen etc. von Leuten aus seiner Nachbarschaft begangen wurden, denen er so was nie zugetraut hätte. Und spielt dann wieder den Betroffenen. Also, wie ist das... darf man wieder solch Volksverhetzer, solch Pöbel auf / in den Straßen, die wieder nur das eine wollen, als Faschisten benennen???

Finni 8/10

Schreibt den Gefangenen!
Günter Finneisen, Trift 14, 29221 Celle


Seit dem 1. Mai 2010 in U-Haft
Wegen Flaschenwurfes mit Treffer befindet sich Hakan seit dem 1. Mai 2010 in U-Haft in der JVA Moabit. Der EA unterstützt die Verteidigung mit Euren Spenden, die sich aber zumindest für diese Instanz bei diesem Richter nicht all zu viele Hoffnungen macht.
Hakan freut sich über Eure Post und auch, wenn ihr seinen Prozess zahlreich besucht. Der nächste interessante Prozesstag ist der 6.10., Saal 571, 9.00 Uhr

Schreibt den Gefangenen!
Hakan Eroglu, JVA Moabit
Alt-Moabit 12a, 10559 Berlin

Seit den Action Weeks in U-Haft
Niels Veldhoen wurde am 12. Juni 2009 während der Action Weeks in Berlin festgenommen mit dem Vorwurf, einen Mercedes Benz in Brand gesetzt zu haben.
Niels wurde im September letzten Jahres aus Mangel an Beweisen freigelassen und nach dem Widerspruch der Staatsanwaltschaft erneut verhaftet.
Sein Prozess läuft seit dem 14. September vor dem Moabiter Kriminalgericht.

Schreibt den Gefangenen!
Niels Veldhoen, B.-Nr. 2393/10
JVA Moabit, Alt-Moabit 12a, 10559 Berlin

Neue Gefangenenadressen:
Es haben uns weitere Adressen von zwei Genossen erreicht, die wegen "Mitgliedschaft in der DHKP-C" inhaftiert sind. Sadi Özpolat wurde am 18. Mai 2010 auf Ersuchen der Bundesanwaltschaft in Colmar (Frankreich) und Ünal Kaplan wurde am 24. Februar 2010 in Köln verhaftet.

Schreibt den Gefangenen!
Sadi Özpolat, JVA Rohrbach
Peter-Caesar-Allee 1, 55597 Wöllstein

Schreibt den Gefangenen!
Ünal Kaplan, JVA Diez
Limburger Str. 122, 65582 Diez


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Feuilleton

Mauerfall - Gefangenenrundbrief

Der "Mauerfall" ist ein Gefangenenrundbrief, der ursprünglich von Michel Deutschewitz, einem Aktivisten der Antiknastbewegung, herausgegeben wurde. Mittlerweile ist das Projekt gewachsen und verschiedene Einzelpersonen und Initiativen, wie das Anti-Knast-Projekt Köln, beteiligen sich an der Erstellung und Verschickung des Mauerfalls.
"Wir wenden uns ganz grundsätzlich gegen Knast und Strafjustiz, gegen Gesellschaftsstrukturen, die Macht und Machtlosigkeit, Armut und Reichtum produzieren und dann der Strafjustiz bedürfen, um überwiegend die Chancenlosen und Rebellierenden auszugrenzen und zu sanktionieren. Die Autor/innen und Bezieher/innen des Rundbriefes sind größtenteils Gefangene, kritisch aktive Gefangene. (...) Mit dem Rundbrief versuchen wir, ALLE Gefangene, die sich gegen Repression engagieren (und dabei keine Mitgefangenen "in die Pfanne hauen") und jeweilige Unterstützer/ innen "draußen" hinsichtlich ihrer gemeinsamen Betroffenheit zusammen zu bringen." (Bastelgruppe draußen)
Den Gefangenenrundbrief Mauerfall könnt ihr unter folgender Adresse kostenlos abonnieren: Mauerfall c/o SSK e.V., Salierring 37, 50677 Köln
Spenden sind immer erwünscht! Auch inhaltliche Beiträge können an diese Adresse geschickt werden. Online gibt es den Gefangenenrundbrief Mauerfall unter folgender Adresse zum downloaden: http://www.ivi-info.de/ivi.html#mf


Entfesselt

Die "Entfesselt" ist eine dreimonatig erscheinende Antiknastzeitung, aus dem anarchistischen Spektrum. Die erste vom "anarchist black cross" herausgegebene Ausgabe erschien im Jahr 2006. Laut eigener Aussage soll die Zeitung "eine Kommunikation zwischen "drinnen" und "draußen" ermöglichen, indem wir Texte und Briefe von Gefangenen, Artikel über Gefangenenkämpfe und solidarische Aktionen und verschiedenes mehr abdrucken. Außerdem geht es uns darum den Antiknastgedanken zu verbreiten, verknüpft mit einer anarchistischen Perspektive, denn die Abschaffung von Knästen und Zwangsanstalten kann nur ein Teil auf dem Weg zur Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung darstellen." Die Zeitung veröffentlicht Artikel, die versuchen die Thematik Knast und Repression in den Kontext kapitalistischer Ausbeutung und Unterdrückung zu setzen, was sie aus unserer Sicht lesenswert macht. Zu kritisieren ist allerdings, die ausschließliche Fixierung auf (vermeintlich) anarchistische Gefangene. Dies führt dazu, das die migrantische Linke in den bundesdeutschen Kerkern unterrepräsentiert, bzw. schlicht nicht thematisiert wird. Nichts desto trotz legen wir euch diese Publikation von "anarchist black cross" ans Herz.
Die "Entfesselt" gibt es kostenlos im Internet zum runterladen auf www.abc-berlin.net


Blandine Bonjour & Bernd Köhler
Chansons Sans Cigare - Lieder aus dem anderen Frankreich

Art-Nr.: JUP-00021
Preis: 12.50 Euro incl. MwSt. zzgl. Versandskosten
www.jump-up.de

Bei JUMP UP Productions ist eine neue CD erschienen, die wir euch und insbesondere den Gefangenen nicht vorenthalten möchten.
Das JUMP UP-Team schreibt zur CD: "Blandine Bonjour und Bernd Köhler singen nicht einfach nur Chansons. Sie lassen uns das Leben der Arbeiter und Bauern, der Rebellen und Aufständischen des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts, lebendig werden. Von den Liedern der Commune über den Pariser Mai bis zu den kritischen Alltagsminiaturen eines Georges Brassens oder Jean Ferrat, besingen sie Kampf, Leben und Liebe der einfachen Leute, der Unangepassten, der Quer- und Vorantreiber, ohne die eine gesellschaftliche Veränderung nicht denkbar ist."
Gefangene, die diese CD bestellen möchten, könne sich gerne an unsere Redaktion wenden.


Aufruf an alle Gefangenen

Wir ihr sicherlich mitbekommen habt, dient diese letzte Seite des Gefangenen Infos neben der vierteljährlichen Veröffentlichung von Gefangenenadressen dazu, lesenswerte Bücher, Zeitungen und empfehlenswerte CD's wie DVD's vorzustellen. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der hier seinen festen Platz finden soll, sind Zeichnungen und Gedichte von euch aus den Knästen. Im Rahmen der aktuellen Textreihe zu "Knast und Kapitalismus" rufen wir euch auf, euch auch künstlerisch und kreativ an der Auseinandersetzung zu beteiligen. Bitte schickt eure Ideen, Gedichte und Zeichnungen bis zum (nächster Redaktionsschluss ist der 15. Oktober 2010) an die Redaktionsadresse.


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Knast und Justiz - Das Info gegen Rebellion

jeden Freitag
von 19 bis 20 Uhr auf Radio - FSK -
FM 93,0 MHz / 101,4 MHz (im Kabel)
livestream: www.fsk-hh.org/livestream

E-Mail: knastundjustiz@fsk-hh.org
Telefon: 040 - 432 500 46
Postbox: Redaktion K&J c/o Schwarzmarkt
Kleiner Schäferkamp 46
20357 Hamburg


radio flora - hannovers webradio

"Wieviel sind hintern Gittern, die wir
draußen brauchen!"
Politische Gefangene -
Sendung zu Repression und Widerstand

Freundeskreis Lokal-Radio e.V.
Zur Bettfederfabrik 3, 30451 Hannover
Jeden ersten Dienstag im Monat von 18 bis
19 Uhr.

Zu empfangen per Livestream über:
www.radioflora.de


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IMPRESSUM

Gefangenen Info
August/September 2010, Nr. 357

Das Gefangenen Info ist aus dem Angehörigen Info hervorgegangen, welches im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989 entstand.

HerausgeberInnen:
Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen und FreundInnen

V.i.S.d.P.:
Wolfgang Lettow c/o Stadtteilladen Lunte e.V.
Weisestraße 53, 12049 Berlin

Nichtredaktionelle Texte spiegeln nicht unbedingt die
Meinung der Redaktion wider. Beiträge der Redaktion
sind entsprechend gekennzeichnet.

Redaktionsanschrift:
Gefangenen Info, c/o Stadtteilladen Lunte e.V.
Weisestraße 53, 12049 Berlin
E-Mail Redaktion: redaktion@gefangenen.info
E-Mail Vertrieb: vertrieb@gefangenen.info
Internet: www.gefangenen.info

Bestellungen: Einzelpreis: 2 Euro. Ein Jahresabonnement kostet 29,90 Euro (Förderabo 33,20 Euro), Buchläden, Infoläden und sonstige Weiterverkäufer erhalten bei Bestellungen ab 3 Stück 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschließend auf das Konto des Gefangenen Info zu überweisen ist.

Bankverbindung:
Johannes Santen, Ra
Treuhandkonto
Gefangenen Info
Konto-Nr.10382200
Bankleitzahl: 20010020
Postbank Hamburg

Eigentumsvorbehalt: Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist die Zeitung solange Eigentum der/des AbsenderIn, bis es den Gefangenen ausgehändigt worden ist. "Zur-Habe-Nahme" ist keine Aushändigung im Sinne des Vorbehalts. Wird das Info den Gefangenen nicht persönlich ausgehändigt, ist es der/dem AbsenderIn mit dem Grund der Nichtaushändigung zurückzuschicken.


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Quelle:
Gefangenen Info Nr. 357, August/September 2010
Redaktionsanschrift: Gefangenen Info, c/o Stadtteilladen Lunte e.V.
Weisestraße 53, 12049 Berlin
E-Mail: redaktion@gefangenen.info
Internet: www.gefangenen.info


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Dezember 2010