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GEGENWIND/402: Kriegsdienstverweigerer Finn ist frei


Gegenwind Nr. 257 - Februar 2010
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Kriegsdienstverweigerer Finn ist frei

Von Hauke Thoroe


Nach einer knapp zweiwöchigen Kampagne wurde der Soldat Finn Ingwersen aus Bredstedt (Nordfriesland) aus der Armee entlassen. Sein Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen wurde angenommen. Dem waren drei Wochen Grundrechtseinschränkungen und der Versuch, Öffentlichkeit für den Fall herzustellen vorausgegangen. So wurde Finn z.B. auch nach Einreichen seines Antrages mehrmals durch Militärs unter Druck gesetzt, seine Haare schneiden zu lassen. Gleichzeitig riefen Freunde und Bekannte dazu auf, Briefe an Finn zu schreiben. "Die vielen Briefe waren jedenfalls richtig cool. Ich hätte nicht gedacht, dass es so viele Menschen gibt, die sich für so was engagieren. Danke an alle, die mich unterstützt haben!" bedankt sich Finn bei allen solidarischen UnterstützerInnen.

Finn wurde zum 4.1.2010 zum Wehrdienst im 7. Bataillon Elektronische Kampfführung in die Clausewitz-Kaserne in Nienburg einberufen. "Ich bin zur Bundeswehr gegangen, weil ich wissen wollte, was an den Gerüchten dran ist", kommentiert Finn seine damalige Entscheidung. "Ich dachte: Das sind doch auch nur Menschen. Das kann doch nicht so schlimm sein." Mittlerweile sieht Finn das anders: "Erst hier beim Bund sieht man Waffen in Wirklichkeit. Das ist ganz anders als im Fernsehen. Erst hier habe ich verstanden, dass diese Dinger nur zum Töten da sind!" Aus diesen Zweifeln heraus hat sich Finn entschieden, den Wehrdienst zu verweigern, und am Montag, den 11.1.2010 seinen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer abgegeben.

Die Militärs in Nienburg sind Teil der sog. CIMIC-Einheiten, die eine Schlüsselfunktion bei allen Auslandseinsätzen der Bundeswehr einnehmen. Die CIMIC-Einheiten sollen Lagebilder erstellen, und durch Kontakt zur Bevölkerung ein positives Bild der deutschen Besatzungstruppen vermitteln. Aufgrund der hiermit gewonnenen Informationen werden dann Maßnahmen der Militärs beschlossen. Die CIMIC macht also irgendwas zwischen Aufklärung und Spionage. Wenn jedoch in der deutschen Presse von den CIMIC-Militärs zu lesen ist, ist dies meistens mit positiver Berichterstattung über Wiederaufbaumaßnahmen verbunden. "Diese Tätigkeit ist jedoch so gering, dass man getrost sagen kann, dass es sich um reine Propaganda für die Heimatfront handelt", kommentierte dies Jan Hansen von der Husumer Initiative "militarismus-jetzt-stoppen.de.vu". Zudem seien die wenigen CIMIC-Aufbaumaßnahmen fremdfinanziert, d.h. diese würden nicht aus dem über 30 Mrd. schweren Militäretat beglichen, sondern von NGOs, anderen Ministerien und privaten SpenderInnen. Finn sagte dazu: "Ich verstehe nicht, wie sich Menschen ernstlich einbilden können, dass es eine gute Idee sei, ausgerüstet mit Tötungsinstrumenten Schulen zu bauen und Brunnen zu bohren."

Zeitgleich mit dem Einreichen der Verweigerung begann eine Kampagne, um Finn zu unterstützen. "Unser Ziel war es, zum einen, Finn in seinem Beschluss zu bestärken und zum anderen den Militärs aufzeigen, dass zu dem Thema eine kritische Öffentlichkeit existiert", erklärte Jan Hansen das Vorgehen. Dies sei auch gelungen. So habe Finn fast täglich über 10 Briefe bekommen, und in Berlin am Verteidigungsministerium habe eine Solidaritäts-Aktion stattgefunden, bei der mit Bannern auf das Thema aufmerksam gemacht wurde. Außerdem hätten, um den Druck zu erhöhen, verschiedenen Menschen in der Kaserne und im Kreiswehrersatzamt angerufen, um sich nach dem Verfahrensstand zu erkundigen. "Meine Erfahrung ist, dass Behörden dann sehr schnell überfordert sind, und versuchen, die Sache möglichst schnell abzuwickeln", sagte Hansen dazu.

Hauptstreitpunkt mit seinen Vorgesetzten waren Finns lange rote "Dreads" (Locken). Er wurde auch nach seinem Entschluss, den Wehrdienst zu verweigern, mehrmals aufgefordert, dem Befehl nachzukommen, seine Haare bis zum nächsten Tag abzuschneiden. Da Finn dies ablehnte, wurde ihm ständig unterschwellig mit "Konsequenzen" bzw. Arrest und einmal sogar mit Verfahren bei der Staatsanwaltschaft gedroht. Das Subtile daran ist, dass diese Konsequenzen ständig im Raum stehen, aber nicht weiter benannt werden. "Diese ständige Belastung und Unklarheit macht es dem Betroffenen sehr schwer bei seiner Meinung zu bleiben", kommentiert dies Jan Hansen. Das Gemeine daran sei, dass mit dieser Methode der unterschwelligen Bedrohung und des im Unklaren lassen des Betroffenen eine massive Verunsicherung der Person erreicht werden kann." Durch die ständige Bedrohung entsteht ein Unsicherheitsgefühl, dass strategisch eingesetzt wird, um den Willen des Betroffenen zu brechen", führt Hansen weiter aus. In seinen Augen sei dies ein weiterer Beleg dafür, dass eine Garantie von Grundrechten in Armeen unrealistisch sei und nur in der demokratischen Propaganda existieren könne. "Was Finn erlebt hat, zeigt, dass die Praktiken des Befehls und Gehorsams in Armeen strukturell nicht mit der Forderung nach selbstbewussten emanzipierten Menschen vereinbar sind."

In Hansens Augen sei die Kampagne erfolgreich gewesen. "Ab dem vierten Tag der Kampagne gibt es eine deutliche Veränderung in Finns Behandlung." Dazu führt Hansen weiter aus, dass Finn letztlich weder eingesperrt noch ein Verfahren bei der Staatsanwaltschaft eingeleitet worden sei. Seine mehrmalige Weigerung, die Haare schneiden zu lassen, sei letztlich lediglich mit einer zehntägigen Ausgangssperre bestraft worden. Außerdem war damit das Thema vom Tisch. Danach seien Finn keine weiteren für einen Kriegsdienstverweigerer untragbaren Befehle mehr erteilt worden. Das eigentlich freie Wochenende habe er zwar in der Kaserne verbringen müssen, aber diese Zeit habe Finn genutzt, um die vielen aufmunternden Briefe zu beantworten. "Mir zeigt dieses Beispiel, dass es durchaus gelingen kann, auch scheinbare Riesen wie die Bundeswehr mit Protest unter Druck zu setzen!", kommentierte Jan Hansen die Wirkung des Falles.

Letztlich müsse mensch sich aber klarmachen, dass Kriegsdienstverweigerung ein seit über 40 Jahre immer wieder erstrittenes Recht sei, führt Hansen weiter aus. Und der Staat würde nach wie vor die Menschen, die neben dem direkten Kriegsdienst in der Armee auch den indirekten als Zivildienst getarnten Kriegsdienst ablehnen, sehr hart bestrafen. "Am Amtsgericht Lübeck wird am 9.2.2010, 11:15 Uhr gegen den totalen Kriegsdienstverweigerer Fabian verhandelt. Fabian muss mit einer Haftstrafe rechnen, weil er jegliche Unterordnung unter die Wehrgesetzgebung aus Gewissensgründen ablehnt!" Hansen hofft, dass sich zu diesem Termin sehr viele UnterstützerInnen auch im Amtsgericht in Lübeck einfinden.

Mehr Infos: www.militarismus-jetzt-stoppen.de.vu


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Quelle:
Gegenwind Nr. 257 - Februar 2010, Seite 53-54
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2010