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GEGENWIND/499: Kein Kohlekraftwerk in Brunsbüttel und auch nicht anderswo!


Gegenwind Nr. 281 - Februar 2012
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Kein Kohlekraftwerk in Brunsbüttel und auch nicht anderswo!

von Christian Barz und Jochen Sievers


Das absehbare Ende des Atomzeitalters in Brunsbüttel führte in den Planungsbüros nicht zu dem Versuch umweltfreundliche Betriebe anzusiedeln, sondern das 700 MW - Atomkraftwerk sollte nun durch drei Kohlekraftwerke mit 4 Blöcken ersetzt werden. Die elektrische Leistung dieses Kraftwerksparks würde insgesamt ca. 3300 MW betragen für deren Erzeugung eine Feuerungsleistung von mehr als 7200 MW erforderlich wäre! Das bedeutet, weit mehr als die Hälfte der eingesetzten Energie verpufft und heizt bedrohlich die Elbe vor Brunsbüttel auf. Kraft-Wärme-Kopplung wurde bei keinem der drei Kraftwerksprojekte vorgesehen! Statt dessen laufen zusätzliche Planungen für ein Industrieheizkraftwerk, das Siedlungs-, Industrie- und Gewerbeabfälle verbrennen und dem örtlichen Werk der Bayer AG 740.000 Tonnen Hochdruckdampf liefern soll.


Brunsbüttel würde durch die Inbetriebnahme dieser Kohlekraftwerke und des Industrie-Heizkraftwerks zu einem Energiegiganten nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern in ganz Deutschland! Kohlekraftwerke sind keine gesündere Alternative zu Atomkraftwerken. Die Energiegewinnung aus fossilen Rohstoffen muss sofort beendet werden.

Das von GDF Suez (ursprünglich Electrabel) geplante 800 MW Steinkohlekraftwerk konnte bereits durch den Widerstand der örtlichen Bürgerinitiative "Klima und Gesundheitsschutz Unterelbe" und einem breiten Bündnis aus bundesweiten Umweltschutz Organisationen verhindert werden. GDF Suez hat seine Planungen für ein Kohlekraftwerk in Brunsbüttel im Dezember 2010 aufgegeben. Der entsprechende Bebauungsplan der Stadt Brunsbüttel wurde inzwischen aufgehoben und das beim Schleswig-Holsteinischen OVG anhängige Normenkontrollverfahren wurde eingestellt.

Die Firma führte als Ausstiegsgründe aus dem Projekt die fehlende Rechtssicherheit und den fehlenden Partner für das Vorhaben an. Außerdem gäbe es zurzeit keinen Platz für neue Kohlekraftwerke in Deutschland. Die massiven Bürgerproteste in Brunsbüttel waren nach Aussage des Unternehmens (natürlich) kein Grund für den Ausstieg aus dem Projekt.

Die Planungen für die beiden weiteren Kraftwerkprojekte von SüdWest-Strom (2x900 MW) und GETEC (800 MW) laufen weiter.

Die SüdWestStrom (SWS) hat inzwischen zwar eine erste Teilerrichtungsgenehmigung, und auch die wasserrechtliche Erlaubnis wurde Ende Dezember erteilt, aber noch sind nicht alle Hürden genommen! Der Bebauungsplan der Stadt Brunsbüttel für das SWS Kraftwerk wird bereits beklagt. Gegen die wasserrechtliche Erlaubnis wird in kürze Klage erhoben, und auch die Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutz-Gesetz kann noch vom Gericht kassiert werden.

Zudem weht den Gesellschaftern der SWS ein scharfer Wind entgegen. Insbesondere der mit Abstand größte Gesellschafter der SWS, der Schweizer Energieversorger "Repower" (nicht zu verwechseln mit dem Windkraftanlagenhersteller gleichen Namens) steht in seiner Heimat, Graubünden, massiv unter dem Druck der Öffentlichkeit. Die BürgerInnen des Schweitzer Kantons wollen angesichts schmelzender Gletscher und anderer Folgen der Klimaveränderung eine Beteiligung ihres regionalen Energieversorgers an einem derart klimaschädlichen Projekt nicht akzeptieren.

Das von GETEC geplante Kohlekraftwerksprojekt scheint derzeit nicht weiter vorangetrieben zu werden - wohl weil die deutlich steigenden Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Quellen die Wirtschaftlichkeit eines neuen Kohlekraftwerks in frage stellen.


Wogegen sich die Bürgerinnen vor Ort wehren

Würden die verbleibenden 3 Blöcke und das Industrieheizkraftwerk in Betrieb genommen, würden täglich ca. 350 LKWs mit Kohle und Industrieabfällen den Verkehr bestimmen, um den Jahresbedarf von über 200.000 Tonnen "Ersatzbrennstoffe" für das Industrieheizkraftwerk nach Brunsbüttel zu transportieren und die Abfälle der Kohlekraftwerke abzufahren. Zum Betrieb der 3 Kohlekraftwerksblöcke würden im Jahr ca. 7,5 Mio. Tonnen Kohle - überwiegend aus Kolumbien - benötigt, die am Elbehafen umgeschlagen werden sollen.

In Kolumbien wird die für den deutschen Wohlstand benötigte Kohle unter menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut. Regenwälder werden rücksichtslos abgeholzt, um das schwarze Gold in riesigen Tagebauen ab zu bauen und indigene Völker werden gnadenlos aus ihren angestammten Lebensräumen vertrieben. Die kolumbianische Mine Cerrejon ist für ihre Menschenrechtsverletzungen und nicht vorhandenen Umweltstandards bekannt ist. Diese Mine soll der Hauptlieferant für das SWS Kohlekraftwerk werden.

In Brunsbüttel würden drei massive Kesselhäuser mit einer Höhe von bis zu 130 m und die erforderlichen bis zu 150 m hohen Schornsteine das Landschaftsbild zerstören. Hinzu kommen die erforderlichen Kohlehalden, die zumindest im Falle von SWS als offene Halden angelegt werden sollen und auf denen allein für SWS bis zu 560.000 t Kohle gelagert werden sollen. Die Höhe der Halden würde bis zu 25m betragen.

Noch gravierender wären natürlich die Emissionen:

- Kohlendioxyd (CO2) über 15 Mio. Tonnen pro Jahr,

- Feinstaub ca. 1000 t / Jahr

Feinstaub generell erhöht für Kleinkinder von unter einem Jahr das Atemtodrisiko. Er wirkt sich auf die Entwicklung der Lunge aus, verschlimmert Asthma und bei Kindern wird Husten und Bronchitis verursacht.

Feinste Staubpartikel (PM 2,5) können bis tief in die Lunge eindringen und die Lungenbläschen erreichen. PM 2,5 beeinträchtigen ernsthaft die Gesundheit und lassen bei Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen sowie Lungenkrebs die Todesraten ansteigen. Mit erhöhten Feinstaubkonzentrationen nimmt das Risiko für Akuteinweisungen aufgrund von Herz-Kreislauf- und Atemwegsbeschwerden zu.

- Chlor 1300 Tonnen/Jahr

- Schwefeldioxyd 9150 Tonnen/Jahr

- Stickoxyde 9500 t/Jahr,

- Quecksilber ca. 1800 kg/Jahr

Langjährige Belastungen mit Quecksilber können beim Menschen Gehirn-, Nerven-, Leber- und Lungenschäden verursachen

- Arsen 990 kg/Jahr,

- Blei 5270 kg/Jahr,

- Cadmiumud Tallium ca. 2610 kg/Jahr

Cadmium gelangt in die Atmosphäre und von dort in den Boden. Pflanzen nehmen das Schwermetall hauptsächlich über die Wurzeln aus dem Boden auf, so dass auch gründliches Waschen den Cadmiumgehalt der Lebensmittel nicht senken kann. Eine chronische Cadmiumvergiftung kann zu Bluthochdruck, Nieren- und Leberschäden führen.

- Außerdem: Nickel und Dioxine.

Zur Deckung des Kühlwasserbedarfs in den 3 Kohlekraft-Blöcken würden der Elbe rund 300.000 m3 Wasser pro Stunde entnommen und um bis zu 10°C erwärmt wieder in den Fluss zurück geleitet.

Der Wirkungsgrad der Kohlekraftwerke beträgt nur max. 46%. Die an das Kühlwasser abgegebene Wärme belastet das Leben in der Elbe. Bei der Entnahme des Kühlwassers werden Millionen von Kleinstlebewesen und Fischlarven angesaugt und verletzt oder getötet.

Die Landschaft südlich des Nord-Ostsee-Kanals würde noch mehr als bisher durch die riesigen Kesselhäuser und die Schornsteine zerstört. Der CO2-Ausstoß würde mehr als 30% der Menge des schleswig-holsteinischen gesamten CO2-Ausstoßes betragen. Brunsbüttel würde zum Klima Killer!


Wer will auf Kosten der Gesundheit und des Klimas Profite machen?

GDF Suez Energie Deutschland AG

Das Unternehmen ist eine Tochter des weltweit agierenden französischen Großkonzerns GDF Suez. Electrabel ist ein Tochterunternehmen der GDF Suez. Das Unternehmen handelt mit Strom, Gas, Kohle und CO2-Zertifikaten und ist Mitglied an allen europäischen Strombörsen.

Getec Energie AG

"Die Getec-Gruppe handelt mit Strom, Gas und dem Contracting von Stromnetzen. Die Getec Energie AG ist Mitglied an der European Energy Exchange (EEX) in Leipzig und an der österreichischen Energiebörse Energy Exchange Austria (EXAA) in Wien.

SüdWestStrom Kraftwerk GmbH & Co. KG (SWS)

Die Südwestdeutsche Stromhandels GmbH wurde 1999 von 30 Stadtwerken aus Bayern und Baden-Württemberg gegründet, heute zählt die Kooperation ca. 55 Gesellschafter in ganz Deutschland.

An dem in Brunsbüttel geplanten Steinkohlekraftwerk sind ca. 70 kommunale Energieversorger aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beteiligt.

Der Optionsvertrag für das Grundstück besteht seit dem 21. Dezember 2006. Südweststrom und die Hafengesellschaft schlossen ebenfalls im Dezember 2006 einen Vertrag über den Umschlag von 4 bis 5 Mio. Tonnen Steinkohle pro Jahr.

GWE Industrieheizkraftwerk Brunsbüttel GmbH (IHKW)

Die Industrieheizkraftwerk Brunsbüttel GmbH, ist eine Tochter der Gesellschaft für wirtschaftliche Energieversorgung mbH (GWE) und plant im Bayer Industriepark Brunsbüttel die Errichtung und den Betrieb eines Industrieheizkraftwerkes. Die GWE Gruppe ist im Bereich der Energieversorgung für Großkunden und im Immissionshandel tätig.

Auch wenn eins der vier geplanten Kohlekraftwerke bereits verhindert und die beiden noch aktuellen Projekte wirtschaftlich kaum zu realisieren sein werden, geht der Widerstand in Brunsbüttel, zusammen mit der Unterstützung vieler Organisationen aus ganz Deutschland und der Schweiz weiter bis auch das letzte Kohlekraftwerksprojekt endgültig begraben wurde. (mehr Informationen über die geplanten Kraftwerke aus www.bi-unterelbe.de).


Die Forderungen und Ziele der BI Gesundheit und Klimaschutz Unterelbe

Nein zu Gesundheitsgefahren! Wir wollen kein Gift in den Pflanzen und Tieren, die wir essen; kein Gift in der Luft, die wir einatmen.

Nein zur Verseuchung der Böden! Quecksilber, Arsen, Cadmium; selbst Dioxin landet auf den Flächen, den Böden und im Wasser.

Nein zur Luftverschmutzung! Selbst wenn Sie 30 km oder weiter entfernt wohnen: Die Emissionen landen überall!

Nein zur Beschleunigung des Klimawandels! Selbst wenn Sie es noch nicht merken: der Klimawandel beschleunigt sich beängstigend.

Nein zur Entwertung von Haus und Grund! Haus und Grund werden je nach Entfernung zu den Kraftwerken erheblich im Wert sinken.

Nein zu fremden Profiten auf unsere Kosten! Die Stromriesen machen Rekordgewinne - die wir zahlen. Mit Geld und Gesundheit. Ja zu gesunder Luft und Erde Alles, was in Luft und Boden landet, bekommen wir nie wieder weg.

Ja zur Rettung von Klima und Natur! Wir haben nur diese eine Erde - helfen Sie, unsere Lebensgrundlagen gegen Profitgier zu verteidigen.

Ja zu Erneuerbaren Energien! Wir können viel, viel mehr Erneuerbare einsetzen, als uns glauben gemacht wird. Aber wir müssen es fordern. Wechseln Sie zu einem Stromanbieter, der nur grünen Strom aus Erneuerbaren anbietet.

Ja zu dezentralen Lösungen! Energie dort erzeugen, wo sie gebraucht wird und die Wärme genutzt werden kann - das ist in Brunsbüttel nicht der Fall.

Ja zum Erhalt mühsam erarbeiteter Werte! Haben Sie auf den Wert Ihrer Immobilie zur Altersvorsorge gesetzt? Wollen Sie diese Werte erhalten?

Deswegen: Keine neuen Kohlekraftwerke!

Die BI ruft alle Bürger/innen dazu auf, sich trotz allgemeiner Politik-Verdrossenheit aktiv an der Gestaltung Ihrer und unserer Zukunft zu beteiligen.

"Schließlich geht es um unser aller Gesundheit, und die unserer Kinder!"

Einer allein erreicht nur wenig, aber wir alle zusammen können viel erreichen. Darum sind wir gegen das IHKW und die geplanten Kohlekraftwerke im Wirtschaftsraum Brunsbüttel.


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Quelle:
Gegenwind Nr. 281 - Februar 2012, Seite 39-41
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2012