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GEGENWIND/518: Wie viel sozial-ökologischer Umbau ist möglich?


Gegenwind Nr. 289 - Oktober 2012
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Wie viel sozial-ökologischer Umbau ist möglich?

von Klaus Peters



Die Bundestagsfraktion der Partei Die Linke zeigt mit dem "Plan B - ein Projekt für einen sozial-ökologischen Umbau" vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Krisen die Notwendigkeit auf, die bisherige zerstörerische und unsoziale Wirtschaftsweise abzulösen. Gleichzeitig soll dieses Papier deutlich machen, dass die von anderen Parteien propagierte "Green-Ökonomie" oder der "Green New Deal" die Probleme nicht lösen können, sondern weiter verschärfen. Die Vorschläge zu den Leitprojekten: Agrarpolitik, Mobilität, Industrie und Energie konkretisieren den "Plan B".


In der Einleitung des vorliegenden Diskussionspapiers werden die verheerenden Wirkungen der gegenwärtigen Wirtschaftsweise, des "Feudalkapitalismus", dargestellt, die nicht nur Ausbeutung der Natur und zur Spaltung der Gesellschaften bedeutet, sondern auch die Ursache für Kriege um Rohstoffe, für Neokolonialismus und Unterdrückung ist. Da die globale Wirtschaftsleistung seit 1950 um das Fünffache stieg, hat dies u.a. aber gleichzeitig zu einem enormem Anstieg des Treibhausgasausstoßes, zur Überfischung der Meere, zur Ausrottung von Arten, zur Abholzung von Wald und zur Übernutzung von Ackerland geführt.

Der Raubbau an der Natur, Ungleichheit und Armut basieren auf den gleichen gesellschaftlichen Mechanismen, sie stehen im Mittelpunkt von Analyse und Kritik von Plan B. Die Initiative der Linkspartei will Aufklärungsarbeit leisten und Denkanstöße geben. Die Autoren des Papiers stellen fest, dass der Platz des Vorreiters gegenwärtig nicht besetzt ist.


Am roten Faden entlang

Vielfältige Vorschläge zur Einleitung eines Systemumbaus liegen bereits vor: eine 100 Prozent-Steuer auf Monatseinkommen von über 40.000 Euro, die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer, Steuern auf Rohstoffe u.a.m. Im vorliegenden Diskussionspapier werden UTE-Fonds vorgestellt (UTE: Umwelt-Transaktions-Einkommen). Die Mittel aus der Besteuerung von Strom, Erdgas, Heizöl, Kraftstoffen und dem Flugverkehr (ca. 50 Mrd. pro Jahr) sollen für soziale und ökologische Zwecke eingesetzt werden.

Ein Übergang zu einer Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden und später 30 auf Stunden soll, neben der massiven Umverteilung von oben nach unten, ein Kernelement des grundlegenden Wandels sein. Der Umbau der technischen und sozialen Infrastruktur ist ein weiteres Kernelement. Hinzukommen soll eine Demokratisierung der Wirtschaft durch Mitbestimmung und eine Stärkung der Beteiligungsrechte (Initiativ- und Vetorechte) für die Bürger. Beteiligungsrechte sollen beispielsweise auch über Bürgerhaushalte oder über Agenda 21-Prozessen gestärkt genutzt werden können. Zur Veränderung der Kräfteverhältnisse werden ferner die Einführung bzw. Erleichterung von Volksbefragungen und Volksabstimmungen, die Stärkung von Genossenschaften und die Bestellung von Bürgeranwälten genannt.


Die zukünftige Agrarwirtschaft: Wochenmarkt statt Weltmarkt

Vorsichtig werden einzelne Vorschläge zunächst als Vision 2050 vorgestellt, in der eine Landwirtschaft mit regionalen Kreisläufen im Mittelpunkt steht. Der Import von Biosprit soll z.B. bis dahin verboten sein. Die Treibhausgasemissionen und der Stickstoffeinsatz sollen drastisch reduziert und der Futtermittelimport beendet werden.

Die Landbewirtschaftung soll wieder multifunktional werden. Für den Stickstoff- und Pestizideinsatz wären Abgaben zu erheben. Der Fleischkonsum ist deutlich zu reduzieren. Die 1. Säule (Direktförderung) und 2. Säule (Umweltmaßnahmen, Entwicklung der ländlichen Räume) der Agrarförderung der EU sollen zusammengeführt werden. Schließlich wären auch die Regelungen der WTO (Welthandelsorganisation) sozial-ökologisch zu erweitern.


Mobilität für Alle mit weniger Verkehr

Im Kapitel Mobilität schlagen die Initiatoren von Plan B schärfere Tempolimits, Verbesserungen für Fußgänger und Radfahrer, Bürgerbusse und Sammeltaxen für die ländlichen Räume vor. Der Güterverkehr soll stärker auf die Bahn verlagert, Nachtzüge wieder eingeführt werden. Die Reduzierung des Verkehrs wäre insbesondere auch durch den Aufbau regionaler Kreisläufe zu unterstützten.

Das bisherige Wachstum in den Verkehrsbereichen hat erheblich zum Anstieg der Treibhausgasemissionen beigetragen, deshalb soll auch der öffentliche Nah-, Regional- und Fernverkehr Vorrang erhalten. Dazu wären u.a. eine Änderung der Tarifstruktur, Pendlerzulagen und eine Senkung der Mehrwertsteuer für den Fernverkehr erforderlich.


Industrie

Im Bereich der Industrie soll die Einführung eines Energie- und Rohstoffmanagementsystems obligatorisch werden. Als Zielperspektive wird die Kreislaufwirtschaft genannt. Der Energieverbrauch ist jährlich zu senken. Die regelmäßige Berichterstattung soll Umwelt- und Sozialbilanzen einschließen. Beiräte sollen die externe Kontrolle begleiten.


Energie

Die Stromversorgung soll demokratisiert werden. Kommunale Energiedienstleister (Stadt- und Gemeindewerke) wären durch Beiräte zu kontrollieren. Die energetischen Anforderungen an Neubauten sollen weiter steigen. Ferner ist die Einrichtung von Energiesparfonds und Sozialtarife in den Vorschlägen enthalten.


Kritik

Es wäre eine nicht unwesentliche Bereicherung des Plans B, wenn gelänge, Einfluss und Aspekte der notwendigen Veränderung des kulturellen Überbaus, etwa im Sinne Immanuel Kants, Wilhelm von Humboldts und. Heinrich Vogelers, aufzunehmen. Kulturelle Aspekte werden zunehmend vernachlässigt bzw. nur einseitig und isoliert betrachtet.

Im Teil Mobilität ist der Bereich Straßenverkehrssicherheit die Ausschöpfung der Sicherheitspotenziale (Vision Zero) bedauerlicherweise nicht explizit thematisiert worden.

Insgesamt ist festzustellen, dass für die Umsetzung des Plans B keine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse vorausgesetzt wird. Diese ist aber notwendig und soll eigentlich integraler Bestandteil des Grundsatzprogramms sein. Ohne grundlegende Änderung der Herrschaftsverhältnisse hat der Plan B nur geringe Chancen. Deshalb muss auch die Überwindung der kleinbürgerlichen Denkweise, das Bewusstsein für die Notwendigkeit und den Einsatz für einen umfassenden Systemumbaus klar erkennbar thematisiert werden.

Den im Sommer in den Gliederungen eingeleitete Diskussionsprozess zum Entwurf des Plan B will die Linkspartei am 26. und 27. Oktober auf einem Kongress in Berlin abschließend beraten und der Öffentlichkeit vorstellen.



KASTEN

Die Notwendigkeit eines grundlegenden Politikwechsels war zuletzt im Landtagswahlprogramm der Linkspartei Schleswig-Holsteins begründet worden. Die Öffentlichkeit war auf diesen Wechsel öffensichtlich jedoch noch nicht vorbereitet. Die schwache Resonanz kann unter anderem auf den zu geringen Vorlauf, auf das damit verbundene mangelhafte interne und externe Kommunizieren und das Fehlen der jetzt vorliegenden überregionalen Konzeption zurückgeführt werden.

Immer wieder wird die verschleiernde und verwirrende Wirkung der herrschenden wirtschaftlichen, politischen Kräfte und ihrer Medien unterschätzt. Immer wieder werden Versuche, die Bürger umfassender aufzuklären, unterlaufen. Manchmal scheitern moderne Aufklärer auch an eigenem Unvermögen, an Eigeninteresse oder mangelndem Mut.

Die grundsätzlichen gesellschaftlichen Probleme und ihre Lösung sind schon vielfach beschrieben worden. In Publikationen wie "Die Grenzen des Wachstums", "Ein Planet wird geplündert" oder in der Studie "Zukunftsfähiges Deutschland" ist dies beispielhaft geschehen. Die soziale-ökologische Dialektik ist allerdings nur unvollkommen berücksichtigt worden. Deshalb kam es zu "Green-Ökonomie" oder auch "Green-washing". Durch derartige, teils aufwändige Ablenkungsmanöver, und damit sogar sich verstärkende Gerechtigkeitsprobleme, werden die Menschen hingehalten, getäuscht oder in Gleichgültigkeit und Resignation getrieben. Immer mehr Individuen und Gruppen versuchen deshalb wiederum, rücksichtslos für sich herauszuholen, was noch geht. Die Spaltung der Gesellschaft wird weiter vorangetrieben.

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Quelle:
Gegenwind Nr. 289 - Oktober 2012, Seite 20-22
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. November 2012