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GEGENWIND/526: Räumung des selbstverwalteten Jugendkulturzentrums HaK in Bad Segeberg


Gegenwind Nr. 291 - Dezember 2012
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

Wir wurden verjagt!
Räumung des selbstverwalteten Jugendkulturzentrums HaK in Bad Segeberg

von Selbstverwaltete Jugend Bad Segeberg



Wir wurden verjagt und es wurde uns unser Haus genommen. Jetzt sollen wir mit ansehen, wie unser Jugendkulturzentrum "Hotel am Kalkberg" abgerissen wird. Wir sind entsetzt, unglaublich traurig und sehr sehr wütend. Jahrelanges ehrenamtliches Engagement von Jugendlichen wurde am 1.11.2012 durch den Bürgermeister Dieter Schönfeld erschreckend beendet und das HaK geräumt. Bis zuletzt haben wir versucht das alte Bauernhaus als Ort der Kultur und Vielfalt zu erhalten.


Das HaK besteht als selbstverwaltetes Zentrum seit 2000. Es war ein Freiraum für Jugendliche, ein Raum für Kultur, Kunst und Politik mit unkommerziellen, basisdemokratischen Grundsätzen. Viele Gruppen haben sich im HaK getroffen und sowohl ihre Freizeit, als auch ihr Zusammenleben gestaltet. Hier haben wir uns wohlgefühlt und gelernt Verantwortung für das Haus und füreinander zu übernehmen. All die Jahre haben wir quasi ohne finanzielle Unterstützung der Stadt ein Kulturprogramm, Bildungsveranstaltungen, eine Bibliothek, eine Werkstatt, und Räume für Initiativen angeboten. Es war nicht immer leicht, aber wir haben es gern gemacht. Bis andere Menschen entschieden haben, dass es das HaK nicht mehr geben soll.

Bis zuletzt haben wir, die Nutzer_innen und Freund_innen des HAK, Anwohner_innen, Denkmalschützer_innen, eine Mütter-Initiative, der Dachverband Soziokultureller Zentren und viele engagierte Bürger_innen der Stadt versucht, das alte Bauernhaus als Ort der Kultur und der Vielfalt zu erhalten. Teile des Gebäudes sind älter als die geschichtliche Kartierung der Stadt Bad Segeberg, vermutlich 350 Jahre. Doch nichts konnte den Bürgermeister von dem kulturfeindlichen Ansinnen abbringen, das Jugendkulturzentrum in Bad Segeberg abzureißen.

Als bekannt wurde, dass unser Haus bedroht ist, haben sich viele Menschen von überall her mit uns solidarisiert. In der Woche vor der Räumung haben wir viel Besuch und Unterstützung bekommen, es wurde ein umfangreiches Programm auf die Beine gestellt und gehofft, wir könnten es doch noch schaffen zu bleiben.

Wir wollen euch einen Einblick geben, was im und um das HaK los war und was bei uns geht:


Der Tag der Räumung im Überblick

Die Absprache zwischen Stadtverwaltung und Trägerverein des HAK war folgende: Für 16:30 Uhr nachmittags war eine offizielle Übergabe des Gebäudes in Form einer Schlüsselübergabe vereinbart worden. Statt bis dahin zu warten, begann der Abriss des Gebäudes früh morgens um 05:30 Uhr.

05:00 Erste Arbeiter erreichen das HaK

09:00 Beginn der aktiven Räumung

11:30 Das Gebäude ist geräumt

12:00 Spontandemo

16:30 Schlüsselübergabe - massive Polizeigewalt am Rathaus, danach Spontandemo durch die Innenstadt zum Rathaus

18:30 Jugendliche werden aus Ausschusssitzung ausgesperrt, dort: Konzert mit Johnny Mauser


05:30 Uhr morgens am HAK: Abrissunternehmen, Bullen, Räumung

Der einstige Vorsitzende des HaK-Beirats teilte uns schon vor Jahren mit, der Bürgermeister und Teile der Stadt würden ein "falsches verlogenes Spiel" mit uns treiben... So war es nun (wieder einmal) auch am Morgen des 1. November: Anders als erwartet begann der Entgegen aller Absprachen begann der Abriss des HaK früh morgens um 05:30 Uhr. In dem Gebäude befanden sich zu dem Zeitpunkt sowohl diverse Wertgegenstände als auch mehrere Personen. Einige haben sich spontan den Ausspruch "Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht" zu Herzen genommen und sich entschieden, friedlich in dem Gebäude zu verweilen. Der Abrissleiter telefonierte die Polizei. Da eines der Treppenhäuser nicht mehr vorhanden war und es den Arbeitern und der Polizei nicht gelang die Stahltür in den oberen Stock aufzubrechen, wurde zunächst ein Baugerüst aufgestellt, die Dachpfannen abgedeckt und dann Teile des Dachstuhls entfernt, um in das Obergeschoss zu gelangen. Nach fünfeinhalb Stunden wurde die letzte Person von der Polizei vor die Tür gebracht. Es wurde von einem sehr brutalen, unbesonnenen Vorgehen der Polizist_innen berichtet. Obwohl die Personen friedlich im Kreis saßen, wurden sie mit Schlagstöcken attackiert. Eine Person wurde an den Haaren über den mit Scherben übersäten Boden geschleift und ein anderer friedlicher Aktivist mit Tritten die Treppe herunter getrieben. Ein Schüler, der lediglich im Garten des Hauses saß, wurde von der Polizei attackiert und brutal in Gewahrsam genommen. Sowohl die Gerüstfirma als auch das Abrissunternehmen beteiligten sich neben der Polizei aktiv an der Räumung des Gebäudes und beleidigten die Anwesenden Jugendlichen. Einer der Angestellten des städtischen Dienstes war zum Entsetzen der Anwesenden mit der bekannten Neo-Nazimarke "Thor Steinar" bekleidet.

Zehn Minuten nachdem der Bürgermeister feige an dem Gebäude vorbei fuhr passierte der Vorsitzende der NPD in seinem Wagen das Geschehen. Ärger mit Nazis ist fürs HaK leider nichts Neues; es gab bereits mehrere Anschläge gegen das Haus und auch direkte Angriffe auf Jugendliche (z.B. mit Stahlstangen, Baseballkeulen und Schusswaffen).

Mittags, nach der Räumung, startete eine zweistündige Spontandemo durch die Innenstadt bei der das Anliegen der HaK-Initiative viel Zuspruch fand.


Schlüsselübergabe:

Um 16 Uhr 30 sollte der Schlüssel der Stadt übergeben werden. Zwei Mitarbeiter der Stadtverwaltung nahmen unter Polizeischutz den Schlüsselbund mit dutzenden alten, nutzlosen Schlüsseln entgegen. Es wurde ein Redebeitrag vorgelesen, als plötzlich die Polizei grundlos mehrere Demonstrant_innen attackierte. Die Vertreter_innen der Stadt Bad Segeberg befanden sich zu dem Zeitpunkt im Rathaus und haben sich die Knüppelszene durch die Glasfassade angeguckt. Beistehende Personen wurden mit Reizgas und Schlagstöcken attackiert. Dabei wurde eine Person mitgenommen und menschenunwürdig behandelt. Das schockierende und von Grund auf aggressive Verhalten der Polizei ist hierbei anzumerken. Demonstrant_innen, die wegen ihres zerstörten Jugendzentrums weinten, wurden ausgelacht. Eine Person wurde von Polizeibeamten gefragt ob sie mal sein Pfefferspray riechen wolle. Es wurde seitens der Polizei mehrfach gegen Rechte verstoßen, indem Personen, die sich in Gewahrsam befanden, Anwälte, Telefonate und Auskünfte über Dienstnummern verweigert wurden. Ein Demonstrant wurde von der Polizei hinter die Einsatzfahrzeuge geschleppt, bedroht, beleidigt und brutal verprügelt, wo andere ihn nicht mehr sahen nur nur seine Hilferufe hören konnten.


"Öffentliche" Sitzung der Stadtvertreter_innen

Die am Abend stattfindende "öffentliche" Ausschusssitzung wurde vom Bürgermeister als nicht öffentlich erklärt. Kurzerhand ließ er die Polizei kommen und die Jugendlichen aussperren. Einem Vertreter des Kinder- und Jugendbeirats wurde zunächst der Zutritt verweigert und beim Verlassen der Sitzung von einem Polizeibeamten bedroht. Nach einer erneuten Spontandemo durch die Innenstadt fand vor der Glasfassade des Bürgersaales ein Konzert von "Johnny Mauser" statt. Er steht repräsentativ für die vielen Musiker_innen, die ihre ersten Konzerte im HaK hatten und motivierte die Anwesenden, weiter zu machen. Es sei wichtig, weiterhin jungen Menschen einen Raum für Kunst, Kultur und Musik bieten zu können. Genau das hat das HAK immer getan.


Und wie geht's weiter?

Unser Haus ist weg, unsere Tränen noch nicht getrocknet und unsere Wut noch immer da. Uns wurde unser Haus genommen, aber nicht die Kraft, die es schuf. Der soziale Zusammenhalt und das Engagement sind kämpferischer denn je! Soziale Zentren erkämpfen und verteidigen!

Stay rude - stay rebel - stay HaK!

*

Quelle:
Gegenwind Nr. 291 - Dezember 2012, Seite 37-38
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Dezember 2012