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GEGENWIND/598: Wie die Insel Amrum mit den Folgen der Orkane "Christian" und "Xaver" ringt


Gegenwind Nr. 309 - Juni 2014
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern

350 LKWs voll Wald
Wie die Insel Amrum mit den Folgen der Orkane "Christian" und "Xaver" ringt

von Olaf Harning



Es war ein milder Sonntagnachmittag, an dem das Unheil seinen Lauf nahm. Nach seinem Zug über den Nordatlantik formierte sich Orkan "Christian" am 27. Oktober vergangenen Jahres zu einem Herbststurm, wie ihn die nordfriesische Küste seit fast 15 Jahren nicht erlebt hatte. Und keine sechs Wochen später folgte "Xaver": Als dieser Orkan am Nikolaustag endlich an Kraft verlor, war auf Amrum gut ein Sechstel des gesamten Waldbestandes vernichtet. Für eine Insel, die zu zwei Dritteln aus Strand und Dünen besteht, eine mittlere Katastrophe.


Erst ab 1948 war er auf Heideflächen angepflanzt worden, der Inselwald. "Als Schutz vor Wanderdünen", wie Holger Peters erklärt. Der Vorsitzende des Amrumer Forstverbandes ist zusammen mit Förster Walter Rahtkens seit Monaten damit beschäftigt, die Beseitigung der Sturmschäden zu organisieren. "An vielen Stellen unter den Amrumer Dünen sind einmal Häuser gewesen", hebt Peters die Schutzfunktion des Waldes hervor, "da werden immer mal wieder Fundamente und ehemalige Ackerfurchen frei geweht."

Foto: © Olaf Harning

Inselwald bei Norddorf: Vielerorts auf Amrum gelang es vor der Brutzeit nur noch, die großen Stämme aus der Fläche zu ziehen, der Rest bleibt erst einmal liegen.
Foto: © Olaf Harning

Heute hat Amrum den größten Waldanteil aller Nordseeinseln - ein Pfund, mit dem man auch bei den jährlich 135.000 Übernachtungs- und 100.000 Tagesgästen wuchern kann. "Die Bedeutung des Waldes für den Tourismus ist enorm", sagt auch Frank Timpe, besorgt über das Ausmaß der Verwüstung. Der Chef der "Amrum-Touristik" sieht den hohen Baumbestand als "angenehmes Pendant zu Strand, Heide und Wattenmeer". Immerhin gut 76 Prozent aller Touristen würden die Insel Amrum nur oder vor allem wegen ihrer Natur- und Landschaftsressourcen besuchen. Da seien 30 Hektar vernichteter Wald schon schmerzlich.

Das gilt erst recht für die vielen Radfahrer unter den Gästen. "Mit Rückenwind durch die Marsch nach Wittdün", sagt Peters lachend, "und dann auf dem windgeschützten Waldweg zurück" - so bewegen sich viele Besucher per Fahrrad zwischen den fünf Inseldörfern, die auf dem nur sechs Kilometer langen Geestkern Platz gefunden haben.

Foto: © Olaf Harning

Dass es der nach den Orkanen "Christian" und "Xaver" flächig umgelegte Amrumer Inselwald ist, der hier verbrannt wird, ist zwar nur ein Gerücht - gebrannt hat es Ende April aber doch auf dem Kniepsand. Und weil der März und April auch auf den nordfriesischen Inseln verdammt trocken war, hatten die erneut zu Tausenden an den Strand von Nebel geströmten Touristen nicht allzu lange Spaß am diesjährigen Osterfeuer - es brannte, wie Zunder
Foto: © Olaf Harning

Doch nun, nach "Christian" und "Xaver", ragen von den Waldflächen links und rechts dieses Weges oft nur noch Stümpfe in die Höhe. Hunderte Meter breite Schneisen schlugen die Stürme durch den Forst, auch Teile der Neuanpflanzungen nach Orkan "Anatol" von 1999 sind betroffen. So verwüstet waren Teile des Waldes, dass Peters und Rahtkens erst Monate nach "Xaver" einigermaßen zutreffende Aussagen über das Ausmaß der Schäden treffen konnten.

Am Ende musste der mitsamt Fuhrpark aus Süddeutschland angereiste Forstunternehmer Josef Pirchmoser 13.000 Raummeter Holz aus der Fläche ziehen und die fast 350 Lkw-Ladungen zum kleinen Hafen in Steenodde transportieren. Auf einer Insel im Wattenmeer ist das auch ein logistisches Problem: Mit den Kleinfrachtern "Catjan" und "Sandshörn" werden die Stämme bis heute zum Festlandhafen in Dagebüll gefahren. Oder sie werden auf hoher See auf größere Frachter umgeladen und nach Belgien und Portugal verschifft.

Zusätzliche Hilfen und Fördermittel des Landes Schleswig-Holstein wurden trotz dieser inseltypischen Probleme abgelehnt. Auch finanziell sind die Sturmschäden daher eine Herausforderung: Zwar decken die Einnahmen aus dem Holzverkauf Bergung, Abtransport und die Sanierung der ramponierten Waldwege. Für die Neuanpflanzungen allerdings müssen wohl die Inseldörfer selbst aufkommen: Auf gut 150.000 Euro werden die Kosten geschätzt, dazu kommen langfristig hohe Aufwendungen für die Pflege der Flächen.

Foto: © Olaf Harning

Naher Osten? Afrikanische Steppe? Weit gefehlt. Diese beiden Jungen kicken auf dem "Kniepsand", einer extrem langsam wandernden Sandbank vor der nordfriesischen Insel Amrum. "Vor", weil sie streng betrachtet gar kein Teil der Insel ist, bis Mitte der 60er Jahre noch durch einen Pril von Amrum getrennt war und in den nächsten Jahrhunderten wohl um die Amrumer Südspitze herumwandern wird.
Foto: © Olaf Harning

Ein Trost bleibt Peters allerdings. Denn "langfristig", so betont der Mann vom Forstverband, "ist das für den Wald auch von Vorteil". Zu dicht hätten die Bäume an manchen Stellen gestanden, zudem sei der Forst allzu stark von Schwarzkiefern und Fichten dominiert gewesen. "Letztlich wird der Wald schöner", meint Peters: "In zehn, zwanzig Jahren."

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Quelle:
Gegenwind Nr. 309 - Juni 2014, Seite 54-55
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juli 2014