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GEGENWIND/741: Buchvorstellung - Kein Handy, kein Smartphone


Gegenwind Nr. 352 - Januar 2018
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

Buchvorstellung
Kein Handy, kein Smartphone

von Reinhard Pohl


In diesem Buch geht es um 17 Metalle: Scandium, Yttrium, Lanthan, Cer, Praseodym, Neodym, Promethium, Samarium, Europium, Gadolinium, Terbium, Dysprosium, Holmium, Erbium, Thulium, Ytterbium und Lutetium. Sie werden zusammenfassend "Seltene Erden" genannt. Dabei sind sie weder selten noch Erden, sie sind Metalle und kommen häufiger vor als Blei, Arsen oder Silber.


Viele dieser Metalle sind seit wenige als 100 Jahren bekannt, und sie können teils erst seit weniger als 30 Jahren rein hergestellt, aus dem Erzabbau gewonnen werden. Sie werden zunehmend gebraucht, so dass sie vor zehn Jahren wirklich selten waren oder wurden. Man braucht sie für Leuchtstoffe, als Dauermagneten, für Brennstoffzellen oder für Radarsysteme. Sie sind oft sehr viel leistungsfähiger als herkömmliche Metalle - wer sie verbauen kann, kann also ein Mobiltelefon oder einen Leuchtkörper sehr viel kleiner machen als bisher. Seit 15 Jahren gibt es kein Mobiltelefon, kein Smartphone ohne "Seltene Erden".

Es dauerte lange, bis man ihre Möglichkeiten erkannt und erforscht hatte. Und sobald man diese Metalle sinnvoll verwenden konnte, wurden Sie knapp. Aber nicht, weil sie zu wenig vorkommen. Sondern weil sie schwer zu finden, schwer abzubauen und schwer sortenrein herauszufiltern sind. Sie sind sich sehr ähnlich und kommen gemeinsam vor, und zwar nicht "gediegen", also in konzentrierten Adern, sondern als Pulver in der Erde - so erklärt sich auch der Name "seltene Erden". Da sie immer gemischt auftreten, kann man kaum ein einzelnes der 17 Metalle abbauen - wer also zwei oder drei der Metalle sortenrein haben will, muss den Abbau und die Trennung aller dieser Stoffe bezahlen.

Auch wenn die "SE-Metalle" überall auf der Welt vorkommen, gibt es nur wenige Stellen auf der Erde, wo sie so konzentriert gefunden werden, dass sich der Abbau und die Trennung von allen anderen Stoffen lohnt. So merkte man 2009 bis 2011, als die Nachfrage weitaus größer als das Angebot war, dass rund 90 Prozent der 17 Metalle aus China kommen. Das liegt nicht nur daran, dass diese Stoffe dort besonders oft vorkommen. Das liegt auch an den extrem gefährlichen Methoden der Trennung, bei der bis zu 20.000 chemische Prozesse mit teils gefährlichen Säuren hintereinander ausgeführt werden müssen. Es entstehen riesige Abraumhalden mit teils radioaktiven Stoffen, die beim Trennungsprozess freigesetzt werden, und große Mengen an verseuchtem Wasser. Solche Prozesse sind technisch in den USA und Australien ebenso möglich, wo es auch Lagerstätten gibt, dort aber wegen der wesentlich höheren Umweltstandards auch wesentlich teurer. Australien lässt die Minen teils abbauen und schafft das Material nach Malaysia, wo die Metalle mit weit größerer Gefährdung der Arbeiter und Anwohner herausgelöst werden.

Die "Seltenen Erden" kommen fast immer gemeinsam mit Uran und Thorium vor, so entstehen nach dem Abbau bei der Trennung von Erz und Gestein radioaktive Abfälle. In den USA oder Australien müssten diese Abfälle sicher gelagert werden, in Malaysia oder China können sie auf offenen Halden liegen bleiben, bis Wind und Regen sie verteilen.

Die Öko-Bilanz ist trotzdem positiv. Denn "Seltene Erden" werden gebraucht, um Katalysatoren, Energiesparlampen und Magneten und Batterien für Elektroautos, vor allem für die Generatoren von Windenergieanlagen herzustellen. Im Abbau sind die Stoffe mehr als dreckig, in der Nutzung sind sie ökologisch sehr sinnvoll.

Stellt sich die Frage nach dem Recycling. Das ist möglich, wenn große Mengen verbaut werden, wie zum Beispiel in Windenergieanlagen. Das ist unmöglich bei Kleinmengen, wie im Smartphone: Da geht es zum Teil um Hunderstel Gramm pro Gerät. Und ganz unmöglich ist es, "Seltene Erden" als Bestandteil von Bremsbelägen oder Düngemitteln zurück zu gewinnen, denn sie werden in der Landschaft verteilt und von Regen und Flüssen ins Meer gespült. Deshalb werden die "Seltenen Erden" auch als "Gewürzmetalle" bezeichnet: Sie sind in viele elektronischen Geräten, die nach dem Jahre 2000 gebaut wurden, wie Gewürze in kleinen Mengen enthalten.

Ein spannendes Buch mit unklarem Ausgang, weil auch die Autorinnen nicht in die Zukunft schauen können. Und ein interessanter Beitrag in der Reihe "Stoffgeschichten" des Verlages, in der auch Bücher über Kaffee und Kakao, Staub und Dreck, Holz und Kohlendioxid erschienen sind.


Luitbard Marschall, Heike Holdinghausen:
Seltene Erden. Umkämpfte Rohstoffe des Hightech-Zeitalters.
Oekom-Verlag, München 2018, 191 Seiten, 24 Euro

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Quelle:
Gegenwind Nr. 352 - Januar 2018, Seite 66 - 67
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Januar 2018

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