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GEGENWIND/795: Buchvorstellung - Der Matrosen- und Arbeiteraufstand


Gegenwind Nr. 366 - März 2019
Politik und Kultur in Schleswig-Holstein & Hamburg

Sturmvögel, Rote Matrosen 1918/19
Der Matrosen- und Arbeiteraufstand

von Klaus Peters


Das von Paul Herbert Freyer verfasste und 1975 erstmals veröffentlichte Buch "Sturmvögel" schildert in Romanform, aber auf Tatsachen basierend, die revolutionären Ereignisse von Juni 1917 bis zum 13. März 1918 in Kiel und im damaligen deutschen Kaiserreich. Dem Kieler Matrosenaufstand, der im November 1918 zum Sturz der Monarchie führt, waren Forderungen und Befehlsverweigerungen von Besatzungen der Hochseeflotte zwischen Juni und August in Wilhelmshaven vorausgegangen, die auf die schlechte Versorgungslage zurückzuführen waren. Zahlreiche Matrosen wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, Albin Köbis und Max Reichpietsch sind im September sogar zum Tode verurteilt werden.


Trotz der bereits feststehenden Niederlage Deutschlands hatte das Flottenkommando für den 30. Oktober eine letzte große Schlacht gegen die britische Flotte geplant. Diese Schlacht wäre sinnlos gewesen, hätte zehntausende Tote gefordert und hätte zudem die bevorstehenden Waffenstillstandsverhandlungen behindert. Am 29. Oktober kam es deshalb zu ausgedehnten Befehlsverweigerungen. Die Seekriegsleitung ordnete wieder die Gefangennahme einiger Hundert Matrosen an, gab aber den Angriffsplan auf und ordnete die Rückführung der Schiffe des III. Geschwaders nach Kiel an. In Kiel kam es schließlich zu Protestaktionen gegen die Festnahme der Matrosen, die letztlich durch die Mobilisierung der Arbeiterschaft in Kiel zum Matrosen- und Arbeiteraufstand führten. Die Schiffe setzten rote Fahnen. Die Aufständischen hatten sich bewaffnet und legten Forderungen vor. Die Gefangenen konnten schließlich befreit werden. Inzwischen hatte die Regierung Gustav Noske als Vertreter der SPD-Führung nach Kiel geschickt, was sich als verhängnisvoll erweisen sollte.

Trotz einiger gewalttätiger Auseinandersetzungen konnten wichtige Schaltstellen in der Stadt übernommen werden. Zwischenzeitlich waren mit Beteiligung der Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) und der Mehrheitssozialdemokraten (MSPD) auch Arbeiter- und Soldatenräte gegründet worden. Innerhalb weniger Tage hatte sich die Aufstandsbewegung bis Berlin und München ausgebreitet. Am 7. November war in Bayern der Freistaat proklamiert worden, am 9. November dankte der Kaiser in Berlin ab, der Rat der Volksbeauftragten aus MSPD und USPD übernahm die Regierungsgeschäfte. In Kiel war Noske zum Gouverneur gewählt werden, der allerdings dem Obersten Soldatenrat unterstellt sein sollte. Zwei Tage später kam es in Kiel zu einem Waffenstillstand, die Soldatenräte wurden noch im Januar von Gustav Noske wieder abgeschafft. In Kiel kam die Novemberrevolution damit praktisch zum Erliegen.

In Berlin konnte im Dezember noch ein Reichsrätekongress stattfinden. Im Januar jedoch erfolgte bereits eine entscheidende Niederlage der Linken bei dem hauptsächlich zwischen MSPD und USPD, unterstützt von der gerade gegründeten KPD, ausgetragenen Machtkämpfen. Die KPD entstand aus der Spartakus-Gruppe, die bisher Teil der USPD gewesen war. Die Regierung setzte von Gustav Noske befehligte Truppen ein. Wenige Tage später sind Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg vom Militär ermordet werden. Während gegen weitere Aufstände, die von Anhängern einer Räterepublik in anderen Landesteilen initiiert waren, gewaltsam vorgegangen wurde, fanden am 19. Januar Wahlen zur Nationalversammlung statt, aus der die SPD mit 37,4 Prozent als stärkste Partei hervorging. Die KPD hatte an diesen Wahlen nicht teilgenommen. In Weimar trat dann Anfang Februar 1919 erstmals eine Nationalversammlung zusammen.

Der Autor versucht, die Ereignisse spannend zu schildern, was ihm durchaus gut gelingt. Die Analyse des Ablaufs der Novemberrevolution, die auch in dem für die Neuauflage verfassten Vorwort von zwei Mitgliedern der Hamburger Kultur- und Geschichtswerkstatt vorgenommen wird, ist wegen der Komplexität der weitgehend unvorhersehbaren Ereignisse nicht ganz einfach. Die SPD hatte schon bei der Bewilligung der Kriegskredite ihr Versagen demonstriert. Jetzt verbündeten sie sich mit Offizierskorps, Adel, Großgrundbesitzern und Industriekonzernen, jetzt gingen ihre Regierungsvertreter massiv gegen Arbeiter und Soldaten, gegen diejenigen, die sie eigentlich vertreten wollten, vor. Die USPD und die KPD waren zu schwach. Moral und Vertrauen waren gebrochen, neue zerstörerische Kräfte machten sich auf den Weg.

Es empfiehlt sich, weiter in das Thema einzusteigen. Den eindrucksvoll geschilderten Helden von damals ist nur zögerlich und nicht gerade übermäßig Anerkennung zuteil geworden. Für sie gibt es noch einiges zu tun.

Paul Herbert Freyer: Sturmvögel, Rote Matrosen 1918/19,
Ereignisse, Tatsachen, Zusammenhänge,
304 Seiten, 1975, Neuauflage 2018, 14 Euro

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Quelle:
Gegenwind Nr. 366 - März 2019, Seite 64
Herausgeber: Gesellschaft für politische Bildung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2019

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