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GLEICHHEIT/2740: Die Grünen im Saarland setzen auf Schwarz-Gelb-Grün


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Die Grünen im Saarland setzen auf Schwarz-Gelb-Grün

Von Ludwig Weller
17. Oktober 2009


Die Rechtsentwicklung der Grünen, hat mit ihrer Entscheidung im Saarland eine so genannte Jamaika-Koalition bilden zu wollen, einen neuen Höhepunkt erreicht.

Die Grünen hatten sich letzten Sonntag, auf ihrem Parteitag in Saarlois, mit einer satten Mehrheit von 78 Prozent für eine Koalition mit CDU und FDP ausgesprochen und damit ein zunächst erwogenes Bündnis mit SPD und Linkspartei verworfen.

Selbst für viele Anhänger der Grünen, die bisher jede Rechtsverschiebung ihrer Partei mit getragen haben, kam dies unerwartet. Dass die Grünen den gerade abgewählten CDU-Ministerpräsidenten Peter Müller an der Macht halten wollen, stieß auch in den Medien auf Verwunderung.

Wirft man einen Blick auf die Sondierungsgespräche, die die Grünen zunächst mit SPD-Linkspartei und dann mit CDU und FDP geführt haben, wird ein Umstand erkennbar, der von grundlegender Bedeutung ist.

Alle vier Parteien haben sich gegenseitig versichert in allen wesentlichen politischen Positionen übereinzustimmen. Die Vizefraktionschefin der Grünen, Willger-Lambert, betonte, man habe bei beiden Sondierungsgesprächen die "grünen Essentials?" jeweils voll durchgesetzt. Von den mögliche Partnern seien "zwei fast gleichwertige?g Angebote an ihre Partei gekommen.

Angesichts der Wirtschaftskrise rücken alle Bundestagsparteien nach rechts und orientieren sich an den Forderungen der Banken und Wirtschaftsverbände.

Einen wirklichen politischen Unterschied zwischen den traditionell konservativen Parteien CDU/CSU und FDP und den fälschlicherweise immer noch als links bezeichnenden Parteien SPD, Linke und Grüne, gibt es nicht mehr. Es handelt sich bei allen um bürgerliche, staatstragende Parteien, die sich zum Ziel gesetzt haben, die kapitalistische Ordnung gegen die sozialen Interessen der breiten Bevölkerung zu verteidigen.

Darüber sind sich die jeweiligen Koalitionäre im Saarland und anderswo völlig einig. Die "gleichwertigen Angebote" im Saarland, über die es zwischen CDU, SPD, Linke und Grüne keinerlei Differenzen gibt, beinhalten folgendes: Die zukünftige Regierung hält sich an die Schuldenbremse, d.h. sie spart noch mehr an Sozialausgaben und streicht Arbeitsplätze z.B im Bergbau. So hat sich die Linkspartei ausdrücklich für die Schließung des Kohlebergbaus ausgesprochen, ohne jede Bedingung neue adäquate Arbeitsplätze schaffen zu wollen. Damit kamen sie den Grünen und der FDP entgegen, die am liebsten auch Opel, mit dem Argument "umweltschädlich" bzw. "marktbereinigend", plattmachen würden.

Man muss sich noch einmal das Wahlergebnis der saarländischen Landtagswahl vom 30. August vergegenwärtigen. Die Grünen erhielten nur 5,9 Prozent der Stimmen. Sie schafften es knapp in den Landtag und bekamen daher nur drei Abgeordnetensitze. Für zwei der drei Abgeordneten beanspruchen sie nun Ministerposten, die sie auch erhalten werden. Dem Vernehmen nach sollen die Grünen das Bildungsressort und ein neues Ministerium für Umwelt, Energie und Infrastruktur bekommen.

Die regierende CDU, mit ihrem Ministerpräsidenten Peter Müller wurde regelrecht abgewählt, sie verlor 13 Prozentpunkte und verlor die absolute Mehrheit. Und die SPD hatte auch im Saarland eine vernichtende Niederlage erlitten, sie kam auf nur noch 24,5 Prozent. Die Linkspartei erhielt 21,3 Prozent der Stimmen. Mit ihrem Vorsitzenden, Oskar Lafontaine, an der Spitze, der ehemals selbst SPD-Ministerpräsident im Saarland war, konnte die Linke enttäuschte SPD-Wähler auffangen. Die FDP wiederum konnte sich auf Kosten der CDU, auf 9,2 Prozent verbessern.

Lange Zeit sah alles nach einem Regierungswechsel an der Saar aus. Die Linke war sich schnell mit der SPD einig und auch die Grünen sprachen sich zunächst für eine rot-rot-grüne Regierung aus. Dennoch ist das grüne Bündnis mit FDP und CDU nicht so überraschend, wie es manche darzustellen. Ihr Bundesvorsitzender Cem Özdemir strebt seit langem schwarz-grüne Regierungsbildungen an. Er begrüßte daher auch die Entscheidung der Saarland-Grünen als großer Sieg. Es sei eine logische Konsequenz inhaltlicher Übereinstimmung. Gegenüber dem Deutschlandfunk sagte er: "Ich habe ja schon so manche Koalitionsvereinbarung erlebt und gesehen. Aber das, was uns da versprochen wurde, das gab es bislang nirgendwo?."

In Wirklichkeit ging es der CDU und FDP darum, im Saarland unter allen Umständen an der zu Macht bleiben, bzw. zu kommen, um die neue schwarz-gelbe Bundesregierung zu stärken. Um eine CDU/FDP-Mehrheit im Bundesrat zu behalten, die wichtig ist um "durchzuregieren", wie Bundeskanzlerin Merkel sich auszudrücken pflegt, durfte das Saarland nicht verloren gehen. Die Grünen, als Zünglein an der Waage, sprangen also in die Bresche, um für stabile Mehrheiten auch im Bund zu sorgen.

Im Bundesvorstand der Grünen mag es dazu unterschiedliche Auffassungen geben. Fakt ist, der Bundesvorsitzende Cem Özdemir konnte sich durchsetzen. Der Alt-Grüne und Fischer-Kumpan Daniel Cohn-Bendit, verglich den saarländischen Landeschef Hubert Ulrich in der taz mit einem "Mafioso". Die Fraktionsvorsitzende Renate Künast war da schon wesentlich vorsichtiger, sie sagte der Süddeutschen Zeitung: "Das hat Experimentalcharakter für das Saarland. Sonst nichts". Und die Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke stellte sich offen hinter den saarländischen Grünen Chef Hubert Ulrich, sie sagte gegenüber der selben Zeitung: "Das ist eine mutige Entscheidung, die es verdient, den Praxistest zu durchlaufen, bevor man den Stab über ihr bricht".

Mit den kosmetischen Zugeständnissen, die die Merkel-Westerwelle-Regierung jetzt angekündigt hat, wird es bald vorbei sein. Sobald die neue Regierung damit beginnen wird, die ganze Last der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Masse der Bevölkerung abzuwälzen, wird sie sich auf stabile Mehrheiten in Bund und Länder stützen können. Die Grünen im Saarland, aber auch Matchies SPD in Thüringen, die sich dort ebenso überraschend für eine Koalition mit der CDU entschied, haben dafür ihren Teil beigesteuert.

Die Zugeständnisse, die die saarländische CDU und FDP den Grünen machten waren daher wohl kalkuliert und bedeuten alles andere als einen Politikwechsel. Was ist z.B. von Versprechungen der saarländischen CDU zu halten, sie denke über einen Atomausstieg nach, während sie im Bund gerade mit der FDP über Verlängerungen der Laufzeiten verhandelt. Oder von dem "einknicken" der FDP, sie stimme jetzt auch einem richtigen Rauchverbot zu. Und ob die CDU die von ihr eingeführten Studiengebühren wieder zurücknehmen wird, ist angesichts der Schuldenbremse mehr als fraglich. Und selbst wenn sie es tun sollte, wird sie die fehlenden Millionen wo anders einsparen.

Als Lafontaines Linke noch im Rennen war, sprach dieser von einer "verheerenden" Haushaltssituation im Saarland. Zentraler Punkt des Sondierungsgesprächs mit der SPD sei die schwierige finanzielle Situation des Landeshaushalts gewesen, die aufgrund der Einnahmeausfälle der öffentlichen Hand noch schwieriger werde. SPD-Landeschef Heiko Maas der sich schon als zukünftiger Ministerpräsident sah, sagte nach dem Treffen: wir sind uns in den inhaltlichen Fragen, die wir angesprochen haben, weitestgehend einig".

Gewichtige Teile der saarländischen Grünen die dort nur über 1000 Mitglieder verfügen, sprachen sich schon früh für eine Jamaika-Koaltion aus. In einer Stellungnahme der Homburger Grünen kurz nach der Wahl, heißt es: "CDU, FDP und auch die Grünen im Land sind nun gefordert, eine Koalition der Mitte zu schmieden." Linksparteichef Oskar Lafontaine "links liegen lassen" sei im Wahlkampf eine der Botschaften der Grünen gewesen.

Auf Länderebene, wie in Hamburg, regieren die Grünen seit Februar 2008 mit der CDU und tragen Dinge mit, die sie vor Kurzem noch verteufelt hatten. Auf kommunaler Ebene haben die Grünen, alleine in NRW dutzende Bündnisse mit der CDU gebildet. Auf ihrem Erfurter Parteitag im Herbst 2008, auf dem Cem Özdemir zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde, stimmte er die Grünen bereits auf weitere schwarz-grüne Regierungen ein. Nach seiner Wahl sagte er: "Es kann im Einzelfall durchaus sein, dass man grüne Inhalte besser mit Schwarz als mit Rot umsetzen kann." Aber auch für rot-grüne Regierungszeit müsse sich die Partei nicht schämen. Er nahm damit ausdrücklich die Agenda 2010 und den Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan in Schutz.

Man kann also getrost davon ausgehen, dass die Option der Grünen für eine Jamaika-Koalition im Saarland von höchster Stelle der Grünen mit herbeigeführt wurde. Die Grüne Führungselite signalisiert damit auch ihre Bereitschaft, auf Bundesebene jederzeit für schwarz-grüne oder schwarz-gelb-grüne Regierungskoalitionen zur Verfügung zu stehen.

Millionen von Arbeiter und Arbeitslosen mussten in den vergangenen Jahren schmerzliche Erfahrungen mit rot-grünen oder rot-roten Regierungen machen, und haben daher zu Recht der SPD den Rücken gekehrt. Auch wenn die Linkspartei davon noch etwas profitieren konnte, wird sie dasselbe Schicksal ereilen.

Die Vorstellung, dass im Saarland, in Thüringen oder in Brandenburg eine rot-rote-grüne oder SPD/Linke-Regierung plötzlich eine andere, vielleicht sozial ausgewogenere Politik machen könnte, entbehrt daher jeder Grundlage.

In diesem Zusammenhang muss auch die Bildung einer rot-roten Koalition in Brandenburg gesehen werden. Die Beweggründe des brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD), nach zehn Jahren seine Koalition mit der CDU aufzukündigen, sind höchst aufschlussreich. Beide Parteien versicherten nach den üblichen Sondierungsgesprächen Übereinstimmung für einen zukünftigen Regierungskurs und doch entschied sich Platzeck für die Linken.

Die brandenburgische CDU reagierte empört. Der noch amtierende Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sprach gar von "Verrat". Ministerpräsident Platzeck habe schließlich noch im Wahlkampf die Zusammenarbeit mit der Brandenburger CDU als "sehr erfolgreich und vertrauensvoll" gelobt.

Platzeck kalkuliert anders. Er ist sich zwar mit seinen CDU-Kollegen einig darüber, dass eine harte Runde von Sparmaßnahmen und Sozialabbau unumgänglich ist. Doch um diese gegen die arbeitende Bevölkerung durchzusetzen, hält die Linkspartei für geeigneter.

Ohne einen Hehl daraus zu machen, begründete Platzeck seine Entscheidungen für Rot-Rot damit, er könne mit den Linken eine größere Verlässlichkeit für die anstehenden schwierigen Entscheidungen im Land erwarten.

Was meint er damit? Der Berliner Morgenpost vom 16. Oktober zufolge haben sich SPD und Linke grundsätzlich auf einen Personalabbau in den nächsten fünf Jahren geeinigt. Die SPD will demnach bis 2019 in der Landesverwaltung 10.000 Arbeitsplätze streichen,von derzeit 50.000 auf 40.000. Auch in anderen Bereichen hat Platzeck für die künftige rot-rote Regierung einen drastischen Sparkurs angekündigt.

Platzeck, auch bekannt für sein Festhalten an Hartz IV und Schröders Agenda 2010, beruft sich zu Recht auf die Verlässlichkeit Linkspartei in der Berliner Landesregierung. In der Tat: Was SPD und Linkspartei in ihrer fast achtjährigen Berliner Regierungszeit an Sozialangriffen gegen die Bevölkerung durchgesetzt haben, ist bundesweit ohne Beispiel. Selbst in unionsregierten Bundesländer gab nicht einen derartigen systematischen sozialen Kahlschlag. Es ist kein Zufall, dass Thilo Sarrazin (SPD) jahrelang als Finanzsenator die Sparmaßnahmen des Berliner Senats diktierte und nun, nach seinem Wechsel in die Chefetage der Bundesbank rassistische Attacken verbreitet. Seine rechtsradikalen Provokationen sagen mehr über die Geisteshaltung in der SPD/Linkspartei-Regierung, als alle Linkspartei-Programme.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 17.10.2009
Die Grünen im Saarland setzen auf Schwarz-Gelb-Grün
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Oktober 2009