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GLEICHHEIT/2902: 75 Jahre seit dem Truckerstreik von Minneapolis, Teil 3


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

75 Jahre seit dem Truckerstreik von Minneapolis
3. Teil

Von Ron Jorgensen
7. Januar 2010
aus dem Englischen (27. August 2009)


Hier der dritte Teil einer vierteiligen Artikelserie über ein wichtiges Kapitel der amerikanischen Arbeiterbewegung: den Streik der Lastwagenfahrer in Minneapolis im Jahre 1934 und die Kämpfe, die ihm vorausgingen. Der erste Teil erschien am 29. Dezember 2009, der zweite Teil am 31. Dezember.


Der Juli-August-Streik

Am 5. Juli veranstaltete die Gewerkschaft eine große Demonstration mit anschließender Kundgebung, um die Arbeiter auf den kommenden Kampf vorzubereiten. Auch Führer der AFL und Funktionäre der FLP waren als offizielle Unterstützer des nächsten Streiks eingeladen.

Die Mai-Ereignisse hatten breite Teile der Bevölkerung auf die Seite von Local 574 gezogen. Ein Ergebnis dessen war der beträchtliche Zufluss von Informationen über die Unternehmer und die Bürgerallianz. Sekretärinnen belauschten die Telefongespräche ihrer Chefs und zogen Kopien von wichtigen Briefen oder Schriftstücken, Hausmeister holten Briefe aus Papierkörben und all dies gelang zur Analyse in die Streikleitungen.

Während des Mai-Streiks kam es gelegentlich zu Spannungen zwischen den Streikposten und einzelnen Bauern, die ihre Produkte in die Stadt zu bringen versuchten. Die Gewerkschaft reagierte darauf, indem sie Bauernvereinigungen wie die National Farm Holiday Association aufforderte, Streikposten an den nach Minneapolis führenden Hauptstraßen zu platzieren. In die Stadt durften nur Farmer fahren, die Mitglieder dieser Vereinigungen waren, und sie konnten auf speziell für sie errichteten Märkten ihre Produkte verkaufen. Den Vereinigungen strömten daraufhin viele neue, Beitrag zahlende Mitglieder zu.

Der wichtigste Zugewinn für die Gewerkschaft war die Tageszeitung The Organizer, die gegen die Lügen der Bürgerallianz und der bürgerlichen Presse kämpfte und gegen den Verrat der Schlichter und der FLP-Regierung. Die Zeitung richtete den Blick der Arbeiterbewegung auf ihre wichtigsten Aufgaben. Cannon bezeichnete sie als die "Glanzleistung" des Streiks und schrieb, "ohne den Organizer wäre der Streik nicht siegreich gewesen." [22]

Die Bürgerallianz bereitete sich ebenfalls vor. Charles Rumford Walker schrieb: "Der Polizeichef Johannes erbat eine Verdopplung seines Polizeibudgets. Das Budget müsse die Kosten für 400 zusätzliche Männer und die Unterhaltung einer Polizeischule decken - er wollte 7.500 Dollar für die Schule und 33.200 Dollar für Ausrüstung. 'Die Polizei' sagte Johannes, 'muss wie eine Armee zur Aufstandsbekämpfung ausgebildet sein.' Das Budget umfasste 1.000 Dollar für Maschinengewehre, Mittel für 800 Gewehre mit Bajonetten, 800 Stahlhelme, 800 Gummiknüppel und 26 zusätzliche Motorräder." [23]

Im Mai hatte die Bürgerallianz einen großen Teil ihrer Propaganda gegen das Closed-Shop-System gerichtet, während die Gewerkschaft vor allem das forderte, was die Bundesregierung bereits verabschiedet hatte - das Recht der Arbeiter auf Organisation und Wahl einer eigenen Führung. Die Taktik der durch die Bürgerallianz vertretenen Unternehmer ließ sie in weiten Teilen der Öffentlichkeit als starrsinnig erscheinen.

Jetzt richtete sich die Bürgerallianz viel stärker gegen die kommunistische Führung des Local 574. Sie hoffte, schlecht informierte Arbeiter zu verwirren und die AFL-Bürokratie zu nötigen, den Kampf zu unterbinden. Der Minneapolis Star fragte, ob die Kommunisten heimlich die zumeist doch "ehrenhaften und patriotischen" Gewerkschaften übernommen hätten, um die "Russifizierung der Amerikaner" voranzutreiben. [24]

Teamster-Präsident Tobin half der Bürgerallianz mit einem öffentlichen Angriff auf Local 574 im Gewerkschaftsblatt. "Wir lesen in den Zeitungen, dass die berüchtigten Dunne-Brüder ... im Streik von Minneapolis bei Local 574 eine herausragende Rolle spielten. ...Alles was wir unseren Leuten sagen können ist, dass sie sich vor diesen Wölfen in Schafspelzen in Acht nehmen sollen ... die Gewerkschaft wird Euch helfen, wo sie kann ... um unsere Leute vor diesen Schlangen mit menschlichem Antlitz zu schützen." [25]

Ein von der Gewerkschaftsbasis angenommener Artikel des Organizer antwortete darauf:

"Mit größter Empörung müssen wir feststellen, dass D. J. Tobin, der Präsident unserer Organisation, sich dem teuflischen Spiel der Bosse anschließt, indem er in unserem Magazin einen verleumderischen Angriff vorträgt. Die Tatsache, dass dieser Angriff zum Bestandteil der 'Munition' in der Kampagne der Bosse zur Zerstörung unserer Gewerkschaft wurde, ist für jeden intelligenten Arbeiter ausreichend, um ihren Zweck zu verstehen. Wir möchten D. J. Tobin deutlich sagen: 'Wenn Sie nicht wie ein Gewerkschafter handeln und uns, statt den Bossen, helfen können, dann sollten Sie den Anstand haben zur Seite zu treten und uns unseren Kampf allein führen lassen ... Unsere Führung und unsere Ausrichtung kommt aus unseren eigenen örtlichen Spitzen und nur von dort. Wir setzen unser Vertrauen in sie und werden unter keinen Umständen irgendwelche Angriffe auf sie dulden.'" [26]

Die trotzkistischen Führer des Streiks hatten weiterhin keine Posten in der Gewerkschaft. Um der Bedrohung durch die konservativen örtlichen Funktionäre der Teamsters begegnen zu können, wählten die Arbeiter ein "Komitee der 100" aus den besten Vertretern der Gewerkschaft. Die Turbulenzen des bevorstehenden Kampfes würden rasche Entscheidungen ohne die Möglichkeit der vorherigen Befragung der gesamten Mitgliedschaft erfordern. Der konservative Vorstand der Gewerkschaft war damit in ein Streikkomitee eingebunden, das ihn kontrollieren und überstimmen konnte.

Die Führer von Local 574 sahen sich auch mit Provokationen der stalinistischen Kommunistischen Partei konfrontiert. 1934 setzten die kommunistischen Parteien international die ultralinke Politik der so genannten "Dritten Periode" um. Diese Politik zeitigte in Deutschland ihre zerstörerischsten Resultate, als die Führung der KPD unter Stalins Diktat die Sozialdemokraten als "Sozialfaschisten" abstempelte und Trotzkis Aufruf für die Taktik der Einheitsfront von Kommunisten und Sozialdemokraten und für die Zusammenarbeit mit Sozialdemokraten und Gewerkschaften zum Schutz der Arbeiterorganisationen gegen Hitler und seine Braunhemden zurückwies. Die ultralinke Politik der Stalinisten, im Wesen das Gegenteil des vorherigen opportunistischen Kurses, stieß die sozialdemokratischen Arbeiter zurück und ließ die reformistische Arbeiterbürokratie "aus der Klemme" und vertiefte die Spaltung der Arbeiterklasse, wodurch der Weg für Hitlers Machteroberung im Januar 1933 geebnet wurde.

In den USA rief die Kommunistische Partei zum Aufbau separater "roter" Gewerkschaften auf und stellte sich gegen den politischen Kampf zur Entlarvung und Ablösung der rechten AFL-Führung. In Minneapolis versuchte die KP in Opposition zu Local 574 und der AFL eine konkurrierende Arbeitslosengewerkschaft aufzubauen.

Eine der bizarren Taktiken der KP war auch das Stören der Streikposten von Local 574 mit der Forderung, statt LKW aufzuhalten das Rathaus zu besetzen. Die Stalinisten gaben auch eine Erklärung heraus, in der gefordert wurde, KP-Mitglieder ins Verhandlungskomitee von Local 574 aufzunehmen. Sie erklärte die National Farm Holiday Association der Farmer zu einer sozialfaschistischen Bewegung.

Während des Mai-Streiks wurde deutlich, dass die KP nicht in der Lage war, eine wirklich marxistische Taktik in Bezug auf Gouverneur Olson und die Farmer-Labor-Party anzuwenden. Sie forderte, Local 574 solle zu einem direkt gegen Olson gerichteten Generalstreik aufrufen. Dies geschah zu der Zeit, als Olson selbst verbal und mit einer Spende von 500 Dollar den Streik von Local 574 unterstützte. Die überwiegende Mehrheit der Arbeiter hegte die Illusion, Olson unterstütze den Kampf von Local 574. Die trotzkistischen Führer bewerteten diese "Unterstützung" richtigerweise als eine, die im Verlauf des Kampfes erst auf den Prüfstand kommen müsse, bevor die Arbeiter ihre Illusionen in den Gouverneur verlören.

Während die Arbeiter im Verlauf der Juli- und Augustkämpfe tatsächlich begannen Olson in einem anderen Licht zu sehen, verwarfen die Stalinisten flugs ihre Sozialfaschismus-Rhetorik und bewegten sich, als der Kreml 1935 die Politik der "Volksfront" ausrief, in die entgegengesetzte Richtung. Der Inhalt der Volksfront-Politik bestand in der Unterordnung der Arbeiterklasse unter die Organisationen der liberalen Bourgeoisie. Die KP machte kehrt und unterstützte nun die FLP in Minneapolis und Roosevelt und die Demokratische Partei auf nationaler Ebene.

Am 16. Juli begann ein neuer Streik und "fliegende Streikposten" beherrschten die Straßen von Minneapolis. Die Streikenden begannen den Streik ohne die Schlagstöcke, die sie zum Ende des Maistreiks eingesetzt hatten. Dahinter stand der Versuch, der Polizei jede Rechtfertigung für gewaltsames Vorgehen zu nehmen oder Gouverneur Olson einen Vorwand für den Einsatz der Nationalgarde zu liefern. Bürgermeister Bainbridge forderte dennoch von Olson die Mobilisierung der Nationalgarde. Der Gouverneur veranlasste daraufhin die Mobilisierung der Einheiten und stellte ein provisorisches Bataillon im Zeughaus der Stadt auf.

Von Roosevelt eingesetzte Schlichter sprachen mit beiden Seiten, aber die Bürgerallianz lehnte einen Vertrag mit der Gewerkschaft ab. Am Abend des 18. Juli traf die Bürgerallianz Polizeichef Johannes und drängte ihn zu handeln. Ein Plan des direkten und gewaltsamen Vorgehens gegen die Gewerkschaft wurde in der Hoffnung ausgeheckt, dadurch den Streik zu zerschmettern. Der Minneapolis Star veröffentlichte die am 19. Juli gegenüber den versammelten Beamten erteilten Befehle des Polizeichefs.

"Wir werden damit beginnen Waren zu transportieren ... Lasst Euch nicht verprügeln ... Ihr habt Schusswaffen und wisst, wie man sie einsetzt. Wenn wir mit diesem Konvoi fertig sind, wird es weitere Waren zu bewegen geben ... Nun los, tut Eure Pflicht." [27]

Die Gewerkschaft wich der Provokation an diesem Tag aus. Doch am Tag darauf, dem 20. Juli, kam ein einzelner Lastwagen mit Lebensmitteln von den Verladerampen aus dem Geschäftsviertel. Etwa 100 bewaffnete Polizisten in Funkstreifenwagen, begleitet von weiteren 50 Polizisten zu Fuß, eskortierten den LKW. Als ein LKW mit neun Streikposten den Weg versperren wollte, richteten die Polizisten ihre Waffen auf ihn und feuerten.

"Innerhalb von Sekunden lagen zwei der Streikposten regungslos auf dem Boden des von Kugeln durchlöcherten LKW. Andere fielen entweder verwundet auf die Straße oder versuchten kriechend der tödlichen Falle zu entkommen, als das Feuer wieder einsetzte. Aus allen Himmelsrichtungen eilten Streikende mit heldenhaftem Mut trotz des Gewehrfeuers zu dem LKW um zu helfen. Viele wurden niedergeschossen, als sie stehenblieben, um verwundete Kameraden aufzuheben. Die Polizisten verloren nun jede Beherrschung. Sie schossen in alle Richtungen, trafen die meisten ihrer Opfer in den Rücken, als diese zu fliehen versuchten. Oft schlugen sie mit Knüppeln auf Verwundete ein, die bereits am Boden lagen." [28]

Insgesamt wurden 50 Streikposten und 17 Unbeteiligte verwundet. Henry Ness von Local 574 und der arbeitslose John Belor starben. Der Organizer klagte die Bürgerallianz und Johannes an: "Ihr glaubtet Local 574 ins Vergessen schießen zu können. Erreicht habt Ihr aber nur, dass Local 574 in Minneapolis für jeden Arbeiter und jede Arbeiterin mit Selbstachtung zu einem Kampfruf wurde." [29]

In jener Nacht marschierten 15.000 Arbeiter zum Streikhauptquartier. Am 23. Juli streikten alle Transportarbeiter der Stadt. Mehr als ein Dutzend Mitglieder des Zentralrats der Arbeiter von Minneapolis, die die in New-Deal-Projekten beschäftigten Arbeitslosen vertraten, wurden aus dem Hinterhalt beschossen und alle 5.000 Mitglieder des Central Council of Workers traten in den Streik.

Am 24. Juli säumten 100.000 Menschen die Straßen und nahmen am Massenaufmarsch zur Beerdigung von Henry Ness durch Minneapolis teil. Die Polizei verschwand von den Straßen und die Streikenden übernahmen die Regulierung des Verkehrs.

Die Wut in der Arbeiterschaft wie auch in Teilen der Mittelschichten stieg enorm. Forderungen nach dem Rücktritt des Polizeichefs und der Amtsenthebung des Bürgermeisters wurden erhoben. Viele Arbeiter kamen mit Gewehren bewaffnet zu den Streikleitungen. Aber den Streikführern war klar, dass es der Bürgerallianz in die Hände spielen würde, die Bewaffnung zu erlauben.

Der Streik in Minneapolis blieb trotz bundesweiter Unterstützung eine weitgehend isolierte Bewegung. Den Bürgerkrieg zu entfesseln hätte Olson und Roosevelt den Vorwand für die militärische Zerschlagung des Streiks geliefert. Das Ziel des Kampfes blieben weiterhin die Anerkennung der Gewerkschaft und ein Tarifvertrag. Die trotzkistische Führung entwaffnete die Arbeiter, was der Streikführer Farrell Dobbs als "das Schlimmste, was ich in meinem Leben zu tun hatte" bezeichnete. [30]

Als der Streik fortgesetzt wurde, stellte Polizeichef Johannes vierzig Streifenwagen mit bewaffneten Polizisten zur Begleitung der langsam fahrenden LKW-Konvois ab. Gleichzeitig begleiteten Unmengen unbewaffneter "fliegender Streikposten" diese Konvois. Wenn so auch landwirtschaftliche Erzeugnisse geliefert werden konnten, hatte die Polizei nicht die Kräfte, um allen 166 Unternehmen Schutz zu gewähren.

Es entstand eine äußerst komplexe Situation. FLP-Gouverneur Olson verlor in den Wahlumfragen und ihm wurde klar, dass sein Unvermögen den Streik zu beenden, seine Zukunft untergraben könnte. Ein Historiker drückte es so aus, dass "der Streik Gemäßigten die Schwäche dritter Parteien demonstrierte und die Vorteile, ja, die Notwendigkeit deutlich machte, mit einer nationalen Demokratischen Regierung zusammenzuarbeiten."

Roosevelt rechnete damit, dass er durch ein erfolgreiches bundesstaatliches Eingreifen zur Beendigung des Streiks die FLP sicher unter die Fittiche der Demokratischen Partei bringen könne. James Cannon erläuterte später einmal die Haltung der Communist League of America gegenüber Olson:

"Der Streik gab dem Gouverneur der Farmer-Labor-Party, Floyd Olson, eine harte Nuss zu knacken. Uns waren die Widersprüche, in denen er steckte, bewusst. Auf der einen Seite war er angeblich ein Repräsentant der Arbeiter; auf der anderen Seite war er Gouverneur eines bürgerlichen Staates und fürchtete als solcher die öffentliche Meinung und die Unternehmer. Er steckte in der Zwickmühle, etwas für die Arbeiter tun zu müssen, oder besser gesagt, den Anschein zu erwecken, etwas für sie zu tun, und der Gefahr, dass der Streik aus dem Ruder laufen könnte. Unser Vorgehen bestand darin, diese Widersprüche auszunutzen, indem wir an ihn, den Gouverneur der FLP, täglich neue Forderungen richteten, um herauszuholen, was möglich war. Andererseits griffen wir ihn für jeden falschen Schritt an und ließen uns nicht im Geringsten auf seine Theorie ein, dass die Streikenden sich einfach auf ihn verlassen sollten." [32]

Zusammen mit Roosevelt-Schlichtern entwickelte Olson eine Vereinbarung, die die Weiterbeschäftigung aller Streikenden zusicherte, Gewerkschaftswahlen zustimmte, und Mindestlöhne und ein Schiedsverfahren zur Festlegung zukünftiger Löhne beinhaltete. Für die Vertretung der Verlader beschränkte sich die Vereinbarung auf nur 22 Unternehmen. Der Vorschlag wurde veröffentlicht und Olson drohte mit der Verhängung des Kriegsrechts, sollten die beiden Parteien ihr nicht zustimmen. Durch diese Drohung hoffte Olson einzelne Unternehmen von der Bürgerallianz zu lösen und zum Unterzeichnen zu bewegen. Nur unterzeichnenden Firmen sollte fortan militärischer Schutz beim Warentransport gewährt werden.

Trotz ihrer grundsätzlichen Ablehnung von Schiedsverfahren und der eingeschränkten Vertretung der Verlader, sahen die Führer von Local 574 in dem Angebot eine Grundlage zur Sicherung zukünftiger Vorteile. Durch Wahlsiege in den Firmen, wo dem Vorschlag der Schlichter zufolge die Verlader ausgeschlossen waren, wäre man zukünftig dennoch in der Lage, das Recht zu beanspruchen, auch für sie zu verhandeln. Der Vorschlag wurde der Basis zur Annahme empfohlen und erhielt eine große Mehrheit. Die Bürgerallianz antwortete, sie könne "unter den gegebenen Umständen nicht mit dieser kommunistischen Führung verhandeln" und lehnte die Unterzeichnung ab. [33]

Am 26. Juli verhängte Olson das Kriegsrecht und 4.000 Nationalgardisten besetzten das Geschäftsviertel von Minneapolis. Streikposten und Ansammlungen im Freien wurden verboten. Binnen Stunden wurden die Führer der Communist League of America, Cannon und Max Shachtman, inhaftiert und später aus der Stadt ausgewiesen. Sie stimmten dem zu und richteten sich dann in St. Paul ein, von wo sie fortfuhren den Streik zu führen.

Anfänglich unterzeichneten nur kleine Firmen den Vorschlag der Schlichter, während die großen Unternehmen sich an die Linie der Bürgerallianz hielten. Olson gab dem enormen Druck nach und wich von seinen ursprünglichen Vorgaben ab. Innerhalb weniger Tage wurde 7.500 LKW militärischer Schutz gewährt, auch den Firmen, die den Vorschlag abgelehnt hatten. Um die Bürgerallianz zur Annahme des Vorschlags zu bewegen, zog Olson auch seine Forderung nach Anerkennung der Gewerkschaft durch die Unternehmer zurück.

Am 31. Juli veranstaltete Local 574 eine Demonstration von 25.000 Arbeitern. Olson wurde entschieden verurteilt und die Gewerkschaft erklärte, am folgenden Tag würden die Streikposten trotz des Kriegsrechts wieder aufgenommen.

Am 1. August um vier Uhr in der Frühe besetzten 1.000 Nationalgardisten die Gewerkschaftsbüros und schlossen sie. Zusammen mit Bill Brown und dem Gewerkschaftsarzt wurden Vincent und Miles Dunne in Militärgewahrsam genommen. Die im Gewerkschaftshospital liegenden verwundeten Arbeiter wurden in eine Militäreinrichtung verlegt. Auch im Hauptbüro der AFL führte die Nationalgarde auf Olsons Anweisung hin eine Razzia durch.

Grant Dunne und Farrell Dobbs entkamen der Fahndung und trafen sich mit Mitgliedern des Komitees der 100. Es wurde beschlossen, das Handeln der Gewerkschaft in der Stadt zu dezentralisieren. Die Streikführer tauchten in der Basis unter, was nur geringe Nachteile mit sich brachte. Abseits der Kontrolle durch Polizei und Nationalgarde wurden die Hinterhöfe der Stadt praktisch zum Feld eines Guerillakrieges.

"Etliche Kontrollpunkte wurden in der ganzen Stadt errichtet, hauptsächlich an sympathisierenden Tankstellen, die von den Streifen der Streikenden aufgesucht und verlassen werden konnten, ohne Verdacht zu erregen. Kuriere, die Wohngebiete beobachteten, und Münztelefone in den Tankstellen halfen, um LKW mit Streikbrechern an die Einsatzleitungen der Streikposten zu melden. Die Streikposten fuhren daraufhin zu den gemeldeten Orten, um das Notwendige zu tun und schnell wieder zu verschwinden. Mit Erlaubnis des Militärs arbeitende LKW wurden in der ganzen Stadt bald außer Betrieb genommen.

"Über 500 Anrufe gingen innerhalb weniger Stunden in den Hauptstützpunkten des Militärs ein. Soldaten in Streifenwagen reagierten auf diese Anrufe und stießen üblicherweise auf verprügelte Streikbrecher, nicht aber auf Streikposten." [34]

Ein Versuch Gouverneur Olsons, die Streikführer zu Verhandlungen zu zwingen um den Streik zu beenden, scheiterte kläglich. Die Streikenden antworteten ihm mit der Forderung nach Freilassung ihrer Führer. Unterdessen kam der Organizer mit Schlagzeilen heraus, wie:

"Antwortet auf die militärische Tyrannei mit einem allgemeinen Proteststreik! - Olson und das Militär haben Flagge gezeigt! - Gewerkschafter, nun seid ihr an der Reihe! - Unsere Streikbüros wurden angegriffen! Unsere Führer wurden ins Gefängnis geworfen! 574 kämpft weiter!"

Im Maistreik hatte sich die stalinistische Kommunistische Partei für einen Generalstreik eingesetzt. Die Trotzkisten begrenzten weitere Aufrufe zur Ausdehnung des Streiks nur auf die hinter ihnen stehenden Transportarbeiter, da ihnen bewusst war, dass der Generalstreik kein Allheilmittel für die Arbeiterbewegung war. Der Aufruf für einen Generalstreik hätte es den AFL-Bürokraten ermöglicht, Sitze in einem Generalstreikkomitee zu erlangen, aus dem heraus sie dann mit ihrer Mehrheit jedes von Olson erdachte Abkommen zu Lasten der Arbeiter unterstützt hätten.

Im August war Olson allerdings vollständig als Streikbrecher in Verruf geraten und der Ruf nach einem Generalstreik entfachte im Namen von Local 574 in der ganzen Stadt eine Bewegung der Arbeiter und verhinderte das Untergraben des Kampfes durch die AFL. In dieser neu entstandenen Situation sah Olson sich zu einem Rückzieher gezwungen, entließ die von ihm Inhaftierten und gab den Gewerkschaften ihre Büros zurück.

Am 5. August hob Olson bis auf wenige Ausnahmen alle Transportgenehmigungen auf, ausgenommen einiger für eine begrenzte Anzahl von Waren. Die Bürgerallianz schäumte vor Wut und forderte die Aussetzung des Kriegsrechtes. Am Tag darauf erschien Olson als Gegenspieler des Rechtsanwalts der Bürgerallianz vor dem Bezirksgericht in Hennepin, um die Sache entscheiden zu lassen. Das Gericht stellte sich auf Olsons Seite und bestätigte, dass ihm die Kontrolle über die Garde und die Transportgenehmigungen zufalle. "Die Herrschaft des Militärs ist der Herrschaft des Mobs unter allen Umständen vorzuziehen." [35]

Man geht davon aus, dass die Bürgerallianz mit ihrem Antrag zur Aufhebung des Kriegsrechts die Absicht verfolgte, die Lage bis hin zu wahllosem Erschießen von Arbeitern in den Straßen eskalieren zu lassen. Pfarrer Francis Harris, einer von Roosevelts Schlichtern während der Ereignisse in Minneapolis, schrieb einem Freund, er denke "mit Grauen an die Gewalt und das bevorstehende Blutvergießen." [36]

Während des ganzen Monats August stand Local 574 vor ernsten Schwierigkeiten. Die Kosten zur Aufrechterhaltung der gewerkschaftlichen Aktionen beliefen sich auf 1.000 Dollar pro Tag. Die Führungsschicht war erschöpft und 130 Mitglieder waren durch die Nationalgarde in Haft genommen worden.

Die örtlichen Teamster-Bürokraten versuchten den Streik mit der Forderung zu untergraben, Taxifahrer und Tankstellenbedienstete sollten als besondere Gewerke von Local 574 abgetrennt werden. Einige vom mühsamen Kampf entmutigte Arbeiter wichen zurück und gingen wieder zur Arbeit. Aber die Gewerkschaft erhielt weiter Unterstützung aus der Arbeiterklasse und kämpfte weiter. Sie war sich auch der Probleme des gegnerischen Lagers bewusst.

Am 8. August reiste Olson zu einem privaten Treffen mit Präsident Roosevelt, der gerade eine Klinik in Rochester, Minnesota, besuchte. Olson bat Roosevelt eindringlich, mit der Reconstruction Finance Corporation (RFC) Druck auf die Unternehmen in Minneapolis, besonders jedoch auf die Northwest Bancorporation, auszuüben.

In der Northwest Bancorporation "konzentrierten sich die größten Finanzmittel aller Regionen außerhalb Kaliforniens". Sie war die zentrale Achse der Bürgerallianz, die deren Kredite nutzte, um die zum Open-Shop-System stehenden Unternehmen zu fördern und jene zu bestrafen, die bereit waren, sich mit den Gewerkschaften zu einigen. In der Großen Depression zeigte sich jedoch, dass Teile des großen Bankimperiums nicht in der Lage waren, die Vorgabe des New Deal einzuhalten, dass das Eigenkapital einer Bank zehn Prozent ihrer Einlagen übersteigen müsse. 1933 musste die Northwest Bancorporation sich daher 23 Millionen Dollar aus dem RFC erbitten, um die Bank vor dem Untergang zu bewahren. [37]

Roosevelts Unterhändler, bestrebt die explosiven Klassenspannungen in Minneapolis zu entschärfen, drohten nun damit, diese Finanzmittel zurückzufordern, um die Bürgerallianz auf Linie zu bringen.

Der Streik verschärfte auch die finanzpolitischen Schwierigkeiten der herrschenden Klasse. Der Juli-August-Streik währte insgesamt 36 Tage und kostete die Stadt dem Autor Thomas Blantz zufolge etwa 50.000.000 Dollar. Die Bankeinlagen sanken während des Streiks um 3 Millionen Dollar pro Tag. Etwa 5 Millionen Dollar wurden für Löhne ausgegeben und der Einsatz der Nationalgarde kostete mehr als 300.000 Dollar Steuermittel. [38]

Das geheime Informationsnetzwerk von Local 574 bot dem Ortsverband Einblick in die Verwirrung innerhalb der Unternehmerschaft und der Organizer legte wieder den Finger in diese Wunde:

"Verschiedene Quellen, einschließlich der Äußerungen einzelner Unternehmer selbst, deuten in den letzten Tagen auf eine weitverbreitete Auflehnung der vom Streik betroffenen Firmen hin. Die enormen, in Folge des Streiks aufgelaufenen finanziellen Verluste übersteigen bei weitem die Kosten, die die von der Gewerkschaft geforderten, mäßigen Lohnerhöhungen über einen langen Zeitraum mit sich gebracht hätten ..."

"Die Finanz-Hitler, die jede Gewerkschaft in der Stadt zerschlagen wollen ... konfrontierten diese Unternehmen mit der Alternative der Ruinierung ihres Geschäfts ..."

"Die schlimmste Illusion für uns wäre der Gedanke, die neuen Militärbefehle Gouverneur Olsons zur Beschränkung der LKW-Transporte würden den Streik für uns entscheiden und wir könnten uns abwartend auf diese Unterstützung verlassen. Es waren Olson und sein Militär, die die LKW-Transporte überhaupt erst wieder erzwangen. Es gibt keine Garantie, dass er nicht einen neuen Schwenk vollzieht und dasselbe morgen wieder macht ... Es gibt keine Macht, auf die wir uns verlassen können, außer der unabhängigen Kraft der Gewerkschaft. Vertraut darauf und nur darauf." [39]

Tatsächlich begann Olson eine Kehrtwendung zur Gewährung von Zulassungen zu vollziehen und bald waren tausende LKW auf den Straßen, deren Besitzer nur zu einem Drittel dem Vorschlag der Schlichter zugestimmt hatten. Am 18. August gab die Bürgerallianz jedoch nach und willigte in einen neuerlichen Schlichtungsversuch ein.

Der neue Vorschlag glich dem alten hinsichtlich der Gewerkschaftswahlen, der Vertretung der Inside Worker und dem Ausschluss von Sanktionen. Die Mindestlöhne sollten auf 50 Cent pro Stunde für Fahrer und 40 Cent für andere Arbeiter festgesetzt werden.

Die Wahlen endeten damit, dass Local 574 das Recht auf Vertretung von 61 Prozent der Arbeiter des Transportgewerbes zufielen. Durch Schiedsverfahren wurden die Löhne aller Arbeiter um 2 ½ Cent pro Stunde angehoben. Im zweiten Jahr der Vertragslaufzeit wurden die Löhne nochmals um diesen Satz erhöht.

In den örtlichen Gewerkschaftswahlen wurden die konservativen Elemente der Gewerkschaft abgewählt und durch Vincent Dunne, Grant Dunne und Farrell Dobbs ersetzt.

Wird fortgesetzt



Anmerkungen:

22. Cannon, The History of American Trotskyism, p. 160.

23. Walker, p. 158.

24. Millikan, p. 278.

25. Dobbs, p. 112.

26. James P. Cannon, Notebook of an Agitator (Pathfinder Press, Inc., 1973), pp. 76-77.

27. Walker, p. 165.

28. Dobbs, p. 127.

29. Dobbs, pp. 129-30.

30. Dobbs, p. 137.

31. Gieske, p. 196.

32. Cannon, The History of American Trotskyism, p. 161.

33. Millikan, p. 280.

34. Dobbs, p. 154.

35. Millikan, p. 283.

36. Thomas Blantz, Father Haas and the Minneapolis Truckers' Strike of 1934 (Minnesota History, Vol. 42, No. 1, Spring, 1970), p. 12.

37. Millikan, pp. 235, 242.

38. Blantz, p. 14.

39. Cannon, Notebook of an Agitator, pp. 81-84.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Cruising Pickets des Ortsverbandes Local 574 kontrollieren einen Fahrer.
Polizei setzt Tränengas ein
Blutiger Freitag, 20. Juli. Polizisten eröffnen das Feuer auf Streikposten. Henry Ness von Local 574 und der arbeitslose John Belorvon werden getötet.
100.000 nahmen am Begräbnis des Märtyrers Henry Ness von Local 574 teil
In Minneapolis eingesetzte Nationalgarde
Die Festnahme von Vincent R. Dunne am 1. August während einer Razzia der Nationalgarde in den Büros von Local 574
Die Nationalgarde sichert Streikbrecher
Nationalgarde bei einer Razzia im Hauptbüro der AFL
Mit Einführung des Kriegsrechts wurden die Nebenstraßen von Minneapolis faktisch zum Gebiet eines Guerillakrieg
Die Local 574 - Präsidiumsmitglieder William Brown, Miles Dunne und Vincent R. Dunne nach ihrer Entlassung aus dem Militärgewahrsam

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Quelle:
World Socialist Web Site, 07.01.2010
75 Jahre seit dem Truckerstreik von Minneapolis
3. Teil
http://wsws.org/de/2010/jan2010/tru3-j07.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2010