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GLEICHHEIT/3081: Top Kill gescheitert - Öl fließt noch monatelang in den Golf von Mexiko


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Neue Beweise für kriminelle Nachlässigkeit von BP
Top Kill gescheitert - Öl fließt noch monatelang in den Golf von Mexiko

Von Joe Kishore
1. Juni 2010
aus dem Englischen (31. Mai 2010)


Vierzig Tage nach der Explosion der BP-Bohrinsel fließt das Öl aus dem Grund des Golfs von Mexiko weiterhin unvermindert ins Meer. Nachdem die Katastrophe wochenlang heruntergespielt und abgedeckt worden war, geben Regierungsvertreter nun zu, dass dies heute schon die schlimmste Umweltkatastrophe in der Geschichte der Vereinigten Staaten ist; - und ein Ende ist nicht abzusehen.

Über das Wochenende gab BP bekannt, dass der jüngste Versuch, den Ölfluss zu stoppen, - das so genannte "Top-Kill"-Verfahren - gescheitert ist. Die Firma gab Pläne für eine neue Taktik bekannt. Dabei soll die leckende Leitung abgeschnitten und versucht werden, das Öl einzufangen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Plan scheitern wird, ist groß und könnte sogar dazu führen, dass noch weit größere Mengen Öl ausströmen, wenn die Leitung abgetrennt ist. Selbst wenn es funktioniert, wird nur ein Teil des Öls aufgefangen.

"Das Scheitern des Top-Kill-Verfahrens vergrößert die Katastrophe um ein Vielfaches", sagte Rick Steiner, Experte für Ölverschmutzung und Meeresökologie, der World Socialist Web Site. "Das Öl wird sicher noch mindestens die nächsten zwei Monate ausströmen."

BP führt gegenwärtig Entlastungsbohrungen aus, die den Druck von dem jetzigen Bohrloch nehmen sollen, sodass das Leck geschlossen werden kann. Diese Bohrungen werden nicht vor August fertig gestellt sein, sagten BP-Vertreter am Sonntag.

Die amerikanische Geologische Gesellschaft geht davon aus, dass täglich zwei bis vier Millionen Liter Öl ausströmen. Die höhere Zahl unterstellt, werden bis Ende August zusätzlich 360 Millionen Liter Öl ausströmen. Unabhängige Experten halten noch viel mehr für möglich. Im Vergleich ergossen sich aus der Exxon Valdez 44 Millionen Liter Öl ins Meer.

Wenn diese Entlastungsbohrungen nicht zum Erfolg führen, dann wird die Verschmutzung weiter gehen, bis das ganze Ölfeld sich in das Wasser entleert hat. Ein BP-Sprecher erklärte am Sonntag, dass die Firma keine Ahnung habe, wie viel Öl sich in dem Reservoir befinde.

BP versucht mit Unterstützung der Obama-Regierung und der US-Küstenwache den Zutritt der Medien zum Katastrophengebiet einzuschränken, besonders da, wo das Öl schon an die Küste schwappt. Ein CBS-Nachrichtenteam berichtete, die Küstenwache habe ihm mit Festnahme gedroht, als es versuchte, einen verölten Strand zu erreichen. Der Crew wurde mitgeteilt, dass diese Einschränkung auf die "Regeln von BP" zurückgingen. Andere Medien haben bestätigt, dass der Zugang zunehmend abgeblockt wird.

Dennoch kommt das ungeheure Ausmaß der Katastrophe immer mehr ans Licht. Wissenschaftler entdecken zusätzlich zu den riesigen Ölteppichen an der Wasseroberfläche des Golfs immer wieder gewaltige Ölblasen unter Wasser.

Zwei Blasen sind schon entdeckt worden, aber das sei "nur die Spitze des Eisbergs", sagte Steiner. "Einiges Öl ist wahrscheinlich schon um die Südspitze von Florida herumgewandert. An der Südostküste Floridas könnten schon bald Ölklumpen auftauchen."

Die Hurrikan-Saison, die am Dienstag beginnt, wird die Lage noch verschlimmern. Wissenschaftler erwarten, dass sie dieses Jahr sehr aktiv sein wird. Ein Hurrikan im Golf wird Öl tief in die Feuchtgebiete und ins Inland treiben. "Der erste kräftige Hurrikan wird es mit der Flutwelle mitten in die Bayous treiben", sagte Steiner. Hurrikane könnten auch die beiden von BP durchgeführten Entlastungsbohrungen stark behindern.

Die Obama-Regierung gibt BP weiter Deckung, obwohl weitere Beweise für kriminelle Verantwortungslosigkeit der Firma unmittelbar vor der Katastrophe aufgetaucht sind. Nachdem Obama anfangs sagte, er sei "zornig und frustriert", verkündet er jetzt, das sprudelnde Öl sei "empörend und herzzerreißend". Aber die Regierung vermeidet es weiter peinlich, die Frage der Verantwortung aufzuwerfen. Sie hält die Position aufrecht, dass weder BP noch die Regierung die Katastrophe hätten voraussehen können.

Carol Browner, Energieberaterin des Weißen Hauses, wurde am Sonntag in der NBC-Sendung Meet the Press gefragt, warum BP nicht auf die Katastrophe vorbereitet gewesen sei. "Es ist wichtig zu verstehen, dass solche Bohrungen schon seit Jahrzehnten gemacht werden", antwortete sie. "Bisher hat es noch keine solchen Unfälle gegeben."

Browner weigerte sich, Tiefwasserbohrungen im Golf für die Zukunft auszuschließen. Sie sagte: "Ich möchte erst sehen, was die Untersuchungen ergeben..."

Die Behauptung von BP und der Regierung, ein Unfall diesen Ausmaßes sei nicht vorhersehbar gewesen, wird durch einen Berg von Beweisen widerlegt. Sie zeigen, dass BP Warnsignale unter tätiger Mithilfe der Bundesbehörde Minerals Management Service (MMS) bewusst beiseite gewischt hat.

Die New York Times berichtete am Sonntag unter Berufung auf interne BP-Dokumente, dass Ingenieure schon im Juni 2009 Bedenken gegen die von Deepwater Horizon verwendeten Ummantelungen des Bohrlochs vorgebracht hatten. Der Bericht eines BP-Ingenieurs in jenem Monat warnte davor, dass die Ummantelung unter dem enormen Druck in der Tiefe, in der die Bohrung stattfand, zerbrechen könnte.

"Das wäre zweifellos ein Worst Case Szenarium", schrieb Mark E. Hafle, ein Chef-Bohringenieur von BP, in dem Bericht. "Ich habe so etwas schon gesehen, also weiß ich, dass es passieren kann."

Die Times schrieb: "Die Firma setzte die Ummantelung dennoch ein, aber erst, nachdem sie von BP-Kollegen eine Sondererlaubnis bekommen hatte. Das war nötig, weil dadurch die Sicherheitsphilosophie der Firma und technische Standards verletzt wurden. Der interne Bericht erklärt nicht, warum die Firma die Ausnahme genehmigte."

Der Bericht in der Times fährt fort. "Im April dieses Jahres kamen BP-Ingenieure zum Schluss, die Ummantelung sei ?zementtechnisch wohl nicht ausreichend?. Das ist einem Dokument zu entnehmen, in dem es darum geht, wie die Ummantelung verschlossen werden sollte, um Gasaustritte aus der Quelle zu verhindern." In dem Dokument wurde auch die Meinung vertreten, dass die Ummantelung wohl nicht die Anforderungen des MMS erfülle.

"In einer zweiten Version desselben Dokuments heißt es: ?Die Zementierung kann passend gemacht werden? und ?Es ist möglich, die Anforderungen des MMS zu erfüllen?." BP zufolge sei die um 180-Grad gewendete Einschätzung nach weiteren Tests getroffen worden.

In den Wochen vor der Explosion vom 20. April gab es viele Anzeichen für Probleme, darunter plötzliche und mehrfache Gasausbrüche aus dem Bohrloch.

"Wie die Unterlagen von BP zeigen, verloren in mindestens drei Fällen die Blowout Preventer Flüssigkeit, was nach den Angaben des Herstellers ihre volle Funktionsfähigkeit beeinträchtige", schreibt die Times. "Ein Kontrollverlust über die Quelle führte zu einem Stopp der Anlage, ohne dass man eine Einschätzung traf, ob mit dem Bohren fortgefahren werden könne oder nicht.

Nachdem Firmensprecher die Aufsichtsbehörde über diese Probleme informiert hatten, baten sie um Erlaubnis, die vorgeschriebenen Tests der Blowout Preventer [Explosions-Sicherung] zu verschieben, bis die Probleme gelöst seien. Normalerweise müssen die Tests alle zwei Wochen durchgeführt werden." Zuerst habe der MMS die Anfrage abgelehnt, später jedoch sei der Bescheid geändert worden.

Noch einmal die Times : "Als der Blowout Preventer schließlich wieder getestet wurde, wurde er unter geringerem Druck getestet. Die Tests wurden bis zur Explosion mit diesem geringeren Druck durchgeführt."

Mit anderen Worten wussten BP und die Regierung, dass die Quelle große Probleme bereitete, und dass dies zu einer Explosion führen konnte. Sie wussten, dass die Explosions-Sicherung selbst Probleme bereitete. Aber BP fälschte die Tests mit Zustimmung der Regierung und ignorierte die Warnungen vor einer möglichen Katastrophe, um mit dem Bohren fortfahren zu können.

Siehe auch:
Die BP-Ölkatastrophe und der amerikanische Kapitalismus
(14. Mai 2010)
http://www.wsws.org/de/2010/mai2010/oel-m14.shtml


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Quelle:
World Socialist Web Site, 01.06.2010
Neue Beweise für kriminelle Nachlässigkeit von BP
Top Kill gescheitert - Öl fließt noch monatelang in den Golf von
Mexiko
http://wsws.org/de/2010/jun2010/oel-j01.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2010