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GLEICHHEIT/3109: Obamas taktische Veränderung verteidigt Israel


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Obamas taktische Veränderung verteidigt Israel

Von Patrick O'Connor
16. Juni 2010
aus dem Englischen (11. Juni 2010)


Präsident Barack Obamas Treffen mit dem Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas in Washington zeigt wieder einmal deutlich die Mittäterschaft der USA bei der Gaza-Blockade durch die israelische Regierung, die zum Überfall auf die Hilfsflotte am 31. Mai führte. Bei dem Überfall wurden neun Aktivisten von israelischen Kommandoeinheiten der Seestreitkräfte erschossen.

Obama bezeichnete die Lage in den besetzten palästinensischen Gebieten als "unhaltbar" und bemerkte, dass es Diskussionen innerhalb Israels gäbe, welche die Problematik des Status Quo durchaus sehen. Obama erklärte, dass es bei der Aufhebung der Blockade darum gehe, die Sicherheit Israels zu gewährleisten, und dass dies ein neues Sicherheitskonzept beinhalten werde, das sich auf Waffen-Lieferungen konzentriert, statt wie bisher alle Lieferungen zu stoppen und diese dann Häppchenweise nach Gaza hineinzulassen.

Israel konnte die zweijährige Blockade nur Dank der Unterstützung der Vereinigten Staaten beibehalten und damit eine humanitäre Krise für mehr als eineinhalb Millionen Menschen hervorrufen. Was Obama nun vorschlägt ist ein taktischer Richtungswechsel. Es ist mittlerweile offensichtlich, dass die brutale Kollektiv-Bestrafung der Bevölkerung in Gaza für die Wahl der Hamas-Regierung im Jahr 2006 nicht zum gewünschten Ziel führte, die Islamisten zu untergraben und zu vertreiben. Die New York Times berichtete gestern folgendes: "Drei Jahre nachdem Israel und Ägypten ein Embargo über diesen gepeinigten palästinensischen Streifen verhängt hatten und damit die Wirtschaft im dem Gebiet zum Erliegen brachten, ist es nun Konsens, dass der Versuch gescheitert ist, die regierende Hamas zu schwächen und zu stürzen."

Bei der Blockade ging es nie darum zu verhindern, dass simple Raketen von Gaza auf Israel abgefeuert werden, sondern sie ist Teil einer größeren Strategie der israelischen Regierung, um den gesamten Widerstand der Palästinenser gegen die Besetzung ihres Landes zu unterdrücken. Die McClatchy Zeitungsgruppe aus den Vereinigten Staaten berichtete am Mittwoch, dass sie durch eine Klage aufgrund der Informationsfreiheitsgesetze, ein Dokument der israelischen Regierung bekommen habe, das die Belagerung nicht als eine Sicherheitsmaßnahme bezeichnet, sondern als "wirtschaftliche Kriegsführung".

Israels Verbündete werden sich immer klarer über die Tatsache, dass diese Art von Kriegsführung die Fatah gehindert hat, im Gazastreifen wieder eine Präsenz aufzubauen, nachdem sie in bürgerkriegsähnlichen Konflikten im Jahre 2007 entmachtet worden war. Mahmoud Abbas und seine Kollegen, einschließlich des verfassungswidrig ernannten Ministerpräsidenten Salam Fayyad, regieren heute nur in beschränkten Gebieten der Westbank, die nicht direkt von Israel besetzt sind. Abbas Besuch in Washington zeigt ein weiteres Mal seine erbärmliche Unterwürfigkeit; im Anschluss an das Massaker auf der Mavi Marmara versuchte er die Situation zu seinem eigenen Vorteil auszunutzen, indem er darauf drängte, die Beziehungen zu Gaza dahingehend zu ändern, dass die Position der Fatah gegenüber der Hamas gestärkt wird.

Die Außenminister von Frankreich, Italien und Spanien Bernard Kouchner, Franco Frattini und Miguel Angel Moratinos gaben gestern eine gemeinsame Erklärung heraus, worin sie dazu aufriefen, die Blockade aufzuheben. Dabei betonten sie, dass die vollständige Wiederherstellung der palästinensischen Regierungshoheit in Gaza die Voraussetzung für eine dauerhafte Lösung bilde. Der friedliche Anschein der Außenminister steht in starkem Widerspruch zu der Unterstützung Israels durch die europäischen Regierungen. Kouchner und die anderen Außenminister vermieden es, die Rolle der Europäischen Union im Jahr 2006 zu erwähnen, als sie im Quartett von EU, UNO, USA und Russland die Gelder der Palästinensischen Autonomiebehörde eingefroren hatten, nachdem die Hamas die demokratischen Wahlen gewonnen hatte. Das verheerende Finanzembargo war der Ausgangspunkt für die darauffolgende israelische Blockade aller Importe und Exporte nach Gaza.

Die drei Außenminister fügten hinzu, dass bei einer Untersuchung der Ereignisse um die Hilfsflotte sichergestellt werden soll, dass "nicht die gleichen Fehler begangen werden wie nach der Veröffentlichung des Goldstone Reports, dessen Untersuchungsergebnisse vom UN Rat für Menschenrechte benutzt worden seien, um Israel in der Hälfte seiner Beschlüsse zu verurteilen. Mit anderen Worten, der Regierung unter Netanyahu wird versichert, dass keine Maßnahmen gegen sie ergriffen werden, unabhängig davon, was die Untersuchungen über den gewaltsamen Überfall auf die Mavi Marmara ergeben.

Alle Regierungen in Europa und die Vereinigten Staaten anerkennen den Vorwand für die Gewalt Israels gegen die Palästinenser. Sie sehen darin ein legitimes Mittel für die Sicherheit Israels und gegen die Gefahr durch den Terrorismus. Der frühere britische Premierminister Tony Blair und aktueller Gesandter des Quartetts (EU, UNO, USA und Russland) fasste den Standpunkt zusammen als er diese Woche erklärte, dass er zu hundert Prozent auf der Seite Israels stehe, wenn es um die Sicherheit ginge.

Obama versprach während dem Treffen mit Abbas weitere 400 Millionen US-Dollar Unterstützung für den Bau von Häusern und Schulen, sowie für die Entwicklung der Wirtschaft in Gaza und der West Bank. Diese Summe ist ein Bruchteil von dem, was für die Behebung der Schäden in den palästinensischen Gebieten nötig ist, die die israelische Blockade und die kriminellen Bombardierungen von Gaza in den drei Wochen von 2008-2009 angerichtet haben. Die New York Times berichtete zusätzlich, dass davon lediglich 70 Millionen US-Dollar neues Geld seien und dass keine weiteren Details bekannt gegeben wurden, wie das Geld in Gaza verteilt werden soll.

Ein Sprecher der Hamas verurteilte das Hilfsangebot als billiges Ablenkungsmanöver und fügte hinzu, dass dies das Ansehen der Besatzung verbessern solle, damit die kriminellen Praktiken weitergeführt werden könnten.

Die israelische Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erlaubte diese Woche die Lieferung einer beschränkten Anzahl Güter nach Gaza, einschließlich Nahrungsmittel und Getränke. Dieser Akt verdeutlichte nur nochmals die Tragweite der Blockade. Die britische Zeitung Daily Telegraph berichtete am Dienstag, dass die Netanjahu-Regierung sich darauf vorbereite, die Abriegelung zu lockern, als Gegenleistung für amerikanische und internationale Unterstützung für eine israelische, statt einer internationalen Untersuchung zur Ermordung von neun türkischen Aktivisten an Bord der Mavi Marmara. Die Zeitung zitierte einen ungenannten westlichen Informanten aus dem nahen Umfeld der internationalen Gespräche mit Israel, der sagte: "Es zeichnet sich ein Tauschhandel ab".

Die Obama-Regierung spielte eine Schlüsselrolle bei der Entschärfung der Forderungen nach einer internationalen und unabhängigen Untersuchung des gesetzeswidrigen israelischen Angriffes. Sie stellte sicher, dass nur ungenaue Formulierungen in einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates aufgenommen wurden, der eine Untersuchung fordert, und dass dieser keine Verurteilung Israels beinhaltete. Obama weigerte sich diese Woche erneut, die Tötungen durch Israel zu verurteilen und erklärte stattdessen, dass die Vereinigten Staaten deutlich die Handlungen verurteilten, die zu dieser Krise geführt hätten. Er bezeichnete den Angriff auf das Hilfsschiff dabei als Tragödie.

Obama lehnte ebenfalls ab, eine internationale Untersuchung zu unterstützen und verwies stattdessen auf die Resolution im UN-Sicherheitsrat, die sich für eine glaubwürdige, transparente Untersuchung nach internationalen Standards ausspricht.

Haaretz berichtete heute, dass Israel und die Vereinigten Staaten sich auf die Zusammensetzung des israelischen Untersuchungsausschusses geeinigt hätten und dass bald eine öffentliche Ankündigung folgen werde. Der Ausschuss wird von einem ehemaligen Richter des obersten israelischen Gerichtshofes geleitet. Zwei Anwälte aus den Vereinigten Staaten und Europa werden ihm angehören. Haaretz berichtete weiter: "Der Ausschuss wird ein von der Regierung berufenes Komitee sein, doch der Ausschuss wird nicht als offizielle Untersuchung der Regierung betrachtet. Vielmehr wurde der Ausschuss in Einklang mit dem Grundrecht gegenüber der Regierung gebildet. Es ist keine Untersuchung einer staatlichen Behörde.

Die beteiligten Spezialeinheiten werden nicht befragt. Der Ausschuss wird ohne Zweifel einen Persilschein produzieren. Netanjahu gab dies im Grunde genommen zu, als er folgendes am Mittwoch in Bezug auf die Untersuchung erklärte: "Wir kennen die Wahrheit und das israelische Volk kennt die Wahrheit."

Siehe auch:
Amerikanisch-türkische Spannungen und der Überfall
Israels auf die Gaza-Flotte (15. Juni 2010)


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Quelle:
World Socialist Web Site, 16.06.2010
Obamas taktische Veränderung verteidigt Israel
http://wsws.org/de/2010/jun2010/isra-j16.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juni 2010