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GLEICHHEIT/3383: Obama-Administration nimmt Iran als Angriffsziel ins Visier


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Obama-Administration nimmt Iran als Angriffsziel ins Visier

Von Patrick Martin
1. Dezember 2010


Die Obama-Administration hat enorme Anstrengungen unternommen, um den Iran durch eine weltweite Kampagne zu destabilisieren und den Weg für eine direkte militärische Aggression freizumachen. Das bestätigen zahllose von WikiLeaks neu veröffentlichte Dokumente. Die ersten von mehr als 250.000 geheimen diplomatischen Mitteilungen zwischen dem Außenministerium und 270 US-Botschaften und Missionen in aller Welt wurden Sonntagnacht von der gegen den US-Militarismus gerichteten Internet-Plattform ins Netz gestellt.

Die Dokumente enthüllen die verschiedensten Bemühungen der US-Regierung im vergangenen Jahrzehnt und insbesondere während der letzten drei Jahre, Unterstützung für ihre Kampagne gegen den Iran zu mobilisieren. Gleichzeitig hielt sie Israel von einem voreiligen Luftangriff auf die Islamische Republik ab, der nach Ansicht der US-Führung kontraproduktiv wäre und den Iran langfristig stärken würde.

Die provokativste Behauptung, die die Dokumente enthalten, stammt aus einem Bericht vom 24. Februar 2010 über ein amerikanisch-russisches Treffen, in dem es heißt, Nordkorea habe per Schiff neunzehn mittelgroße, von Russland entwickelte Raketen, die Atomsprengköpfe tragen könnten, an den Iran geliefert. Diese Behauptung wurde in den US-Berichten über die WikiLeaks-Dokumente herausposaunt, als wäre sie eindeutig bewiesen. Dabei handelt es sich um nicht mehr als eine unbestätigte Annahme der US-Regierung, ähnlich den Lügen, die die Bush-Administration 2003 vorbrachte, um das Eindringen in den Irak zu rechtfertigen.

Die New York Times widmete sich in einem langen Artikel der vermeintlichen "Geheimen Lagerung" von Raketen, die den Iran ihrer Aussage nach befähigen würden, Städte in einer Entfernung von zweitausend Meilen anzugreifen. "Vom Iran aus abgeschossen, würde das den Sprengköpfen theoretisch eine Reichweite bis nach Westeuropa, einschließlich Berlin, verleihen. Nach Nordwesten abgefeuert, könnten die Sprengköpfe leicht bis nach Moskau gelangen."

Der Bericht der New York Times war mit der Obama-Administration abgesprochen - wie die Redaktion der Zeitung schamlos zugab und wozu sie folgende Erklärung lieferte: "Auf Ersuchen der Obama-Regierung hat sich die New York Times bereit erklärt, den Inhalt der Mitteilung nicht zu veröffentlichen."

Die WikiLeaks-Dokumente zeigen auch, dass US-Botschaften im Mittleren Osten und in Zentralasien angewiesen wurden, ihre Spionageaktivitäten auf den Iran zu konzentrieren, insbesondere in den Ländern mit einer gemeinsamen Grenze. Dies war notwendig, da es in Teheran keine offizielle US-Vertretung mehr gibt, seit militante Studenten die Botschaft 1979 übernahmen und sie - absolut zu Recht - als ein "Spionagenest" bezeichneten.

Washington übte auf Länder mit umfangreichen wirtschaftlichen Beziehungen mit Teheran, insbesondere China, Russland und Deutschland, kaum verhüllten diplomatischen Druck aus. Die Bush-Administration schritt 2007 gegen China ein, um eine Schiffsladung Raketenhalterungen abzufangen, die von Nordkorea aus über Beijing auf dem Weg in den Iran war. Es gab wenigsten ein Dutzend ähnlicher diplomatischer Vorfälle, bei denen es um Schiffsladungen ging, die von Kohlefasern über Faserkreisel bis zu simplen Chemikalien reichten.

Besonders bedeutend ist das wiederholte Eintreten der Monarchen Saudi-Arabiens und anderer arabischer Scheichtümer für eine amerikanische Militärintervention gegen den Iran. Sämtliche gekrönte Häupter am Persischen Golf zittern bei der Erinnerung an die iranische Revolution, die die absolute Monarchie des Schahs stürzte, der damals der mächtigste Herrscher im Mittleren Osten war.

Bereits 2005, zwei Jahre nach Beginn der US-Krieges im Irak, drängten arabische Führer Washington hinter den Kulissen, den Angriffskrieg in den Iran auszudehnen, obwohl sie die Invasion im Irak wegen der überwältigenden Ablehnung in ihren Ländern nach außen hin ablehnten. Sie orientierten sich an den Lügen, mit denen die Bush-Administration ihren Angriff auf den Irak gerechtfertigt hatte und behaupteten, der Iran werde, falls man nicht einschreite, mit Sicherheit eine Atombombe entwickeln.

Der saudische König Abdullah drängte die USA immer wieder, die Atomanlagen des Iran anzugreifen, "um der Schlange den Kopf abzuschlagen", während Beamte in Bahrain und in Jordanien ihre Gesprächspartner drängten, im Ernstfall militärische Mittel gegen den Iran einzusetzen. "Die Gefahr, die Sache laufen zu lassen ist größer als die Gefahr, sie zu stoppen", sagte Bahrains König Hamad ibn Isa Al Khalifa zu US-General David Petraeus bei dessen Besuch.

Diese offensichtliche falschen Warnungen, dass eine iranische Bombe 2006, 2007 oder 2008 "unausweichlich" war, liefert eine nützliche Messlatte, um ähnliche Argumente einzuschätzen, die heute sowohl von der Obama-Administration, als auch aus Israel kommen.

Der unzensierte Blick auf die arabischen Scheichs wirft auch Licht auf eine wichtige außenpolitische Initiative der Obama-Administration: Die Ausweitung der amerikanischen Militärbeziehungen mit den Staaten am Persischen Golf und insbesondere die Wiederaufnahme massiver Waffenverkäufe an Saudi-Arabien und seine kleineren Nachbarn.

Diese Verkäufe haben sowohl eine politisch-diplomatische, wie auch eine militärisch-technische Komponente, denn der gewaltige Zustrom von amerikanischen Waffen bedeutet, dass amerikanische Truppen problemlos gemeinsam mit ihren Verbündeten in Saudi-Arabien, Qatar, Kuwait, Bahrain, den Vereinigten Arabischen Emiraten und im Oman operieren können. "Wir helfen diesen Verbündeten und Partnernationen, ihren eigenen Abwehrschild gegen den Iran zu schaffen", sagte ein US-Offizier damals der Presse. "Er stellt eine Abschreckung gegen den Iran dar, hilft uns aber auch in vielfältiger Weise."

Als Außenministerin Hillary Clinton die WikiLeaks-Veröffentlichung der Dokumente öffentlich anprangerte, griff sie die anti-iranischen Kommentare, die von US-Diplomaten aus den arabischen Hauptstädten geschickt wurden, als Beweis dafür auf, dass die Sorgen über die vermeintliche iranische Bedrohung weithin geteilt werde. "Ich halte es für keine große Überraschung, dass der Iran zu großer Sorge Anlass gibt, und das nicht nur in den USA", sagte sie und fügte hinzu: "Die Depeschen beweisen, dass der Iran in den Augen seiner Nachbarn und über die Region hinaus eine ernsthafte Bedrohung darstellt."

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu äußerte sich in ähnlicher Weise. Er führte die WikiLeaks-Dokumente als Beweis dafür an, dass die arabischen Führer Israels Feindseligkeit gegenüber dem Iran teilten. Er erklärte: "Unsere Region ist seit sechzig Jahren Opfer eines Märchens, das Israel als die größte Bedrohung darstellt. In Wahrheit verstehen die Führer, dass diese Ansicht bankrott ist. Zum ersten Mal in der Geschichte herrscht Einigkeit, dass die Bedrohung vom Iran ausgeht."

Admiral Michael Mullen, Vorsitzender des Generalstabs, nahm die Veröffentlichung der WikiLeaks- Dokumente zum Anlass, Vorbereitungen für Militäraktionen gegen den Iran zu bekräftigen. In einem Interview mit CNN sagte Mullen am Sonntag: "Der Iran befindet sich immer noch auf einem Weg, der es ihm ermöglichen wird, Atomwaffen zu entwickeln, und einsatzfähig zu machen, auf Raketen zu montieren und diese einzusetzen."

Auf eine direkte Frage des Moderators Fareed Zakaria, sagte er: "Wir denken in der Tat seit einiger Zeit über militärische Optionen nach. Und ich habe mit vielen darüber gesprochen, dass wir Optionen auf dem Tisch liegen hatten. Wir werden das auch weiterhin und in Zukunft so halten..."

Was genau er mit diesen "militärischen Optionen" meinte, sagte Admiral Mullen nicht. Aber ein Terroranschlag in der iranischen Hauptstadt schien innerhalb von 24 Stunden zumindest eine Antwort zu geben. Männer auf Motorrädern nahmen zwei iranische Atomwissenschaftler ins Visier, befestigten Bomben an ihren Autos, fuhren weg und brachten sie dann zur Explosion.

Majid Shahriari, Professor an der Fakultät für Kerntechnik an der Shahid-Beheshti- Universität in Teheran wurde getötet und Fereydoon Abbasi, Professor derselben Universität, der in ein Atomforschungsprogramm des Verteidigungsministeriums involviert ist, wurde verletzt. Die Ehefrauen beider Männer und eine andere Person wurden bei den Angriffen, die sich an zwei verschiedenen Orten ereigneten, verletzt.

Die Art der Durchführung und die Parallelität der Angriffe legen nahe, dass ein oder mehrere Geheimdienste am Werk waren. Es ist der fünfte Angriff dieser Art auf iranische Atomexperten in kurzer Zeit. Von Professor Shahriari heißt es, er sei Experte auf dem Gebiet der Isotopentrennung gewesen und habe an der Höchsten Nationalen Verteidigungsuniversität gelehrt, die von der iranischen Armee betrieben wird. Irans Atomanlagen sind, wie berichtet wurde, mehrmals Ziel von Cyber-Attacken gewesen, unter anderem mittels des Stuxnetwurms, der Gerüchten zufolge von den Israelis entwickelt wurde.

Auf einer Pressekonferenz sagte Präsident Mahmoud Ahmadinedschad, dass bei dem Mord "zweifellos die Hand des zionistischen Regimes und westlicher Regierungen im Spiel war". Ali Akbar Salehi, Leiter des iranischen Atomprogramms, warnte die USA und ihre Verbündeten, "nicht mit dem Feuer zu spielen".

Presseberichten zufolge war Abbasi Ziel der von den USA betriebenen Sanktionen gegen das Regime, die vom UNO-Sicherheitsrat angenommen wurden und ihn seit 2007 wegen seiner Rolle im iranischen Atom- und Raketenprogramm daran hinderten, internationale Reisen zu unternehmen.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 01.12.2010
Obama-Administration nimmt Iran als Angriffsziel ins Visier
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2010