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GLEICHHEIT/3629: Pakistan - CIA-Drohne tötet 25 Menschen


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Pakistan: CIA-Drohne tötet 25 Menschen

Von Keith Jones
29. April 2011


Als am 22. April das Dorf Spinwam in Nordwaziristan mit einer amerikanischen Predator-Drohne angegriffen wurde, fanden 25 Menschen den Tod. Nach Angaben eines pakistanischen Regierungsvertreters waren unter den Toten mindestens fünf Kinder und vier Frauen.

Als Reaktion auf die allgemein wachsende Empörung verurteilte die pakistanische Regierung in den vergangenen Monaten mehrfach die amerikanischen Drohnenangriffe, nannte sie "wenig hilfreich" und verlangte, sie nicht fortzuführen oder sie wenigstens stark zu reduzieren. Die Regierung Obama und das Pentagon wischten diese Beschwerden jedoch beiseite und bestanden darauf, dass die Raketenangriffe für den AfPak-Krieg unverzichtbar seien. Sie führen inzwischen mehr als einen Angriff pro Woche aus.

Washington spielt sich als vehementester Verteidiger internationaler Rechtsstandards auf und nimmt gleichzeitig für sich das Recht in Anspruch, die pakistanische Souveränität nach Gutdünken mit Füßen zu treten, indem es beispielsweise mit kaltschnäuziger Verachtung der Zivilbevölkerung Massenerschießungen durchführt..

Die Raketenangriffe vom 22. April fanden am Vortag eines geplanten Massensitzstreiks gegen die Drohnenangriffe statt. Die Organisatoren dieses Protests hatten mit der Beteiligung Hunderttausender gerechnet. Bei den Protesten auf den Straßen von Peschawar sollte für die Unterbrechung der Nachschublinien der Nato nach Afghanistan demonstriert werden. Es war vorgesehen, dass sich auch Menschen beteiligen, die ihre Heimat durch die Drohnenangriffe und den Krieg des pakistanischen Militärs gegen die aufständischen anti-amerikanischen Milizen in den Stammesgebieten des mehrheitlich paschtunisch bewohnten Nordwestens verloren hatten.

Angeblich weil sie Gewalttaten fürchtete, kündigte die pakistanische Regierung an, die Transporte für die USA und die Nato während der Dauer der Proteste auszusetzen.

Peschawar, die Hauptstadt der ehemaligen nordwestlichen Grenzprovinzen Khyber-Pakhtunkwa, ist das Verwaltungszentrum der Föderativen Stammesgebiete (FSG) - die das Zielgebiet praktisch aller amerikanischen Drohnenangriffe sind.

Peschawar ist auch das Tor zum Khyber-Pass, der Lebensader für die Streitkräfte der USA und der Nato in Afghanistan. Obwohl die USA viel unternommen haben, um alternative Versorgungswege zu schaffen, passiert der Großteil an Nahrungsmitteln und Treibstoff für die fast 150.000 amerikanischen und Nato-Soldaten in Afghanistan durch Pakistan.

Die pakistanische Tehreek-e-Insaf (Bewegung für Gerechtigkeit) rief zu dem gegen den Einsatz von Drohnen gerichteten Sitzstreik vom 23. April auf. Der ehemalige Cricket-Star Imran Khan ist Gründer und Vorsitzender dieser politisch rechten Partei.

Am Dienstag letzter Woche sagte Khan, 90 Prozent der bei amerikanischen Drohnenangriffen Getöteten seien unschuldige Opfer "von staatlich unterstütztem Terrorismus". Er beschuldigte die "Regierenden" Pakistans, die "nationale Souveränität für US-Dollars" zu verkaufen und sagte, sie seien für die Drohnenangriffe mitverantwortlich.

In der Tat hat die derzeitige, von der Pakistanischen Volkspartei (Pakistan People's Party - PPP) geführte nationale Regierung noch nie in der UN oder einem sonstigen internationalen Forum die Beendigung der Angriffe gefordert. Kürzlich platzte Innenminister Rehan Malik damit heraus, dass die Angriffe nicht eingestellt werden könnten. Mit seiner Erklärung hat er die sklavische Unterwerfung der pakistanischen Regierung unter die USA offensichtlich gemacht. Schamlos verteidigte einer der höchstrangigen Offiziere Pakistans Anfang des Monats die Drohnenangriffe. Generalmajor Ghayur Mehmood sagte in einer Presseerklärung: "Es gibt zahlreiche Mythen und Gerüchte über amerikanische Predator-Angriffe und Opferzahlen. Tatsächlich gehören viele der bei diesen Angriffen Getöteten zum harten Kern, wobei eine beträchtliche Anzahl von ihnen Ausländer sind."

Khan behauptete, die Resonanz auf die Aktion gegen die Drohnenangriffe sei ein Ergebnis der allgemeinen Entrüstung und der Proteste gegen den Druck Washingtons auf die pakistanischen Behörden, dem CIA-Agenten Raymond Davis die Ausreise aus dem Land zu erlauben. Davis hatte im Januar zwei pakistanische Jugendliche auf einem Markt in Lahore niedergeschossen, worauf die USA auf seiner "diplomatischen Immunität" bestanden. (Siehe: CIA killer Raymond Davis released by Pakistani authorities)

Der Vorsitzende von Tehreek-e-Insaf schwört auf eine "Doppelstrategie" gegen die Drohnenangriffe, "durch die unschuldige Zivilisten getötet werden" - "öffentlicher Druck im Land und Prozesse vor internationalen Gerichtshöfen."

Verschiedene andere rechte und fundamental-islamistische Parteien haben ihre Unterstützung für die Proteste gegen den Drohneneinsatz angekündigt. Darunter Jamaat-e-Islami und Jamiat-Ulea-Islam-Fazl, die beide historisch enge Beziehungen mit dem militärischen Sicherheitsapparat haben. Auch die Pakistanische Moslem Liga-Quaid (PML-Q) ist mit dabei. Die PML-Q wurde von General Pervez Musharraf als zivil-demokratisches Feigenblatt seiner US-gesponserten Militärdiktatur gegründet. Unter Musharraf wurde Pakistan zum logistischen Dreh- und Angelpunkt der amerikanischen Invasion und Besatzung Afghanistans. Auf Washingtons Direktive hin setzte das pakistanische Militär im historisch autonomen Föderativen Stammesgebiet (FSG) einen Krieg gegen Aufständische in Gang, der jetzt in das achte Jahr geht, und stellte der CIA einen Blankoscheck aus, der ihr ermöglichte, die Angriffe mit Predator-Raketen im FSG auszuweiten.

Auf diese Drohnenangriffe, die unter Obama auf ein Vielfaches anwuchsen, fokussiert sich verständlicherweise der Widerstand des pakistanischen Volkes gegen den Afghanistankrieg und die amerikanische neokoloniale Herrschaft über das Land. Diese Herrschaft wird durch die Allianz von Pentagon und pakistanischem Militär aufrechterhalten und verkörpert.

Dass rechte Kräfte, auch Parteien mit engen Bindungen zum militärisch-geheimdienstlichen Komplex, sich als Führung der Opposition gegen die Drohnenangriffe aufführen können, weist auf die Krise der Führung der Arbeiterklasse hin.

Schon vor Jahrzehnten schwor die populistische bürgerliche PPP ihrer anti-imperialistischen und pseudo-sozialistischen Rhetorik ab. Die von Benazir Bhutto geführten Regierungen der späten 1980er und 1990er Jahre setzten IWF-Reformen wie Privatisierungen und Kürzungen von Sozialleistungen durch.

2007 bemühten sich Bhutto und ihr Ehemann, der derzeitige Präsident Asif Ali Zardari, auf Drängen und unter Anleitung der Regierung Bush, um ein Abkommen über eine Machtteilung mit Musharraf, dessen Regime stabilisiert werden sollte. Dieser Deal scheiterte daran, dass Elemente der Regierung Musharraf, möglicherweise der General selbst, keine wirkliche Macht abgeben wollten, aber ganz bestimmt nicht an der Bereitschaft der PPP-Vorsitzenden. Seit sie einer gewählten zivilen Regierung vorsteht, versucht die PPP, die Generäle in Schach zu halten, indem sie sich Washington gegenüber als noch willigerer Bündnispartner im Afghanistankrieg geriert, als die Generäle.

Alle angeblichen Linken in Pakistan-Gewerkschaften, NGOs und verschiedene pseudo-sozialistische Organisationen, wie die pablistische Labour Partei Pakistans und die Gruppe Der Kampf - haben dieselbe Stoßrichtung, nämlich Druck auf die bürgerliche PPP auszuüben. Indem sie alles dieser Orientierung und der "liberalen" Bourgeoisie unterordnen, haben sie versäumt, einen systematischen Kampf zur Mobilisierung der Arbeiterklasse, und damit aller Werktätigen, gegen den Afghanistankrieg und die reaktionäre amerikanisch-pakistanische geopolitische Militärallianz einzuleiten.

Praktisch verhielt sich die pakistanische "Linke" zur Affäre Raymond Davis passiv und überließ es der religiösen Rechten, das Thema zu besetzen.

Die Regierungen und das Militär der USA und Pakistans versuchen, die Drohnenangriffe und die allgemeine Empörung darüber reaktionär im eigenen Interesse auszunutzen. Gegenseitig versuchen sie, der anderen Seite die eigene bevorzugte Strategie aufzudrängen.

Lange Zeit schon drängen die USA Pakistan zu einer Militäroffensive gegen anti-amerikanische Streitkräfte in Nord-Waziristan. Die Drohnenangriffe - und die Drohung amerikanisches Militär in Pakistan einmarschieren zu lassen - sollen Islamabad dazu bringen, einen noch größeren Teil der Lasten der amerikanischen Besatzung in Afghanistan zu schultern, d.h., Tote, Zerstörung von Vermögen, und Vertreibung hinzunehmen.

Admiral Mike Mullen, Vorsitzender des amerikanischen Generalstabs, besuchte letzte Woche Pakistan. Wie bekannt wurde, drängte er in vertraulichen Gesprächen sein pakistanisches Gegenüber, General Kiyani, umgehend eine Offensive in Nord-Waziristan zu starten. Mullen gab jedoch auch eine Reihe von Interviews, in denen er andeutete, das Widerstreben des pakistanischen Militärs gegenüber einer Invasion in Nord-Waziristan hänge mit langjährigen Beziehungen mit dem afghanischen Kriegsherrn und vormaligen Verbündeten der USA, Jalaluddin Haqqani und seinem Milizenverbund zusammen.

"Fast jeder weiß", sagte Mullen der Dawn, "dass der ISI (der wichtigste Geheimdienst Pakistans) in Beziehung zum Netzwerk Haqqani stand. Das Haqqani-Netzwerk ins Visier zu nehmen, ist nach meiner Ansicht für eine Lösung in Afghanistan entscheidend." Dann sagte Mullen noch, das Problem Haqqani sei "entscheidend - es ist nicht das einzige - aber (es ist) entscheidend...für die Schwierigkeiten in den (amerikanisch-pakistanischen) Beziehungen."

Dem pakistanischen Militär sind die Bedürfnisse und das Wohlergehen des pakistanischen Volkes genauso gleichgültig, wie dem Pentagon. Um die Föderativen Stammesgebiete (FSG) zu unterjochen, hat es schon zum Einsatz von Streubomben, Entführungen und Kollektivstrafen gegriffen.

Aber genauso wie Washington versucht es, die Drohnen-Angriffe und die Massenopposition dagegen für die eigenen reaktionären Zwecke auszunutzen. Unter anderem soll Washington, verbindliche Aussagen über das Ende in Afghanistan treffen und seine Geldzahlungen und Waffenlieferungen, darunter Predator-Drohnen, erhöhen.

Als Ergebnis der seit drei Jahrzehnten andauernden blutigen amerikanischen Verwicklungen in Afghanistan ist dieses arme zentralasiatische Land zum Brennpunkt der erbitterten geopolitischen Rivalität zwischen Indien und Pakistan geworden. Angesichts der "globalstrategischen" Partnerschaft der USA mit Indien und dessen Beteiligung an den Entwicklungen in Afghanistan kommen die herrschende pakistanische Elite und das Militär nicht umhin, sich über das Ergebnis des Afghanistankriegs zu sorgen. Daher ihre Beharrlichkeit, ihr ganzes Gewicht, das aus ihrer Gefolgschaft zu den USA resultiert, für ihre eigenen Bestrebungen nach Predator-Drohnen einzusetzen.

Nur die pakistanische und die internationale Arbeiterklasse können und werden sich an die Spitze des Kampfes gegen die Predator-Angriffe, den Krieg in Afghanistan und das Bündnis Pakistans mit den USA stellen.


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Quelle:
World Socialist Web Site, 29.04.2011
Pakistan: CIA-Drohne tötet 25 Menschen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2011