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GLEICHHEIT/4203: Designierter französischer Präsident kündigt Haushaltskürzungen und Geld für Banken an


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Designierter französischer Präsident kündigt Haushaltskürzungen und Geld für die Banken an

Von Kumaran Ira und Alex Lantier
10.‍ ‍Mai 2012



Nach dem Sieg in der französischen Präsidentschaftswahl am Sonntag macht sich Francois Hollande, der Kandidat der Sozialistischen Partei (PS) sofort daran, seine beschränkten Wahlversprechen fallenzulassen und die Arbeiterklasse mit scharfen Haushaltskürzungen anzugreifen.

An Hollandes Sieg zeigt sich die allgemeine Ablehnung der Sparpolitik und der unpopulären imperialistischen Kriege des noch amtierenden Präsidenten Nicolas Sarkozy. Doch alle Hoffnungen in die kommende Regierung werden von Hollande schnell enttäuscht werden. Er ist dabei, reaktionäre Politik zu machen. Während seines Wahlkampfes kündigte Hollande an, das Haushaltsdefizit um 100 Milliarden Euro zu kürzen, um bis 2017 einen ausgeglichenen Haushalt zu haben. Für soziale Maßnahmen gab es wenig konkrete Vorschläge, etwa Schulsubventionen und die Einstellung von mehr Lehrern.

Am Dienstag erklärte Hollandes Wahlkampfteam gegenüber Reuters, dass seine Berater ihn dazu drängen, einen Bericht der wichtigsten französischen Prüfkommission, des Cour des comptes, als Rechtfertigung für das Abrücken von seinen Wahlversprechen und die Verschärfung von Sozialkürzungen zu nutzen.

Der Bericht soll nach den Parlamentswahlen am 10. und 17. Juni erscheinen. Damit hat die PS noch die Möglichkeit, ihren Sparkurs vor den Wählern geheim zu halten, während sie versucht, eine Regierung einzusetzen. Nachdem sie mit diesen trügerischen Versprechen eine Parlamentsmehrheit errungen und ein Kabinett gebildet hat, kann sie ihre Kürzungen einleiten.

Laut Reuters wissen Hollandes Berater "um das politische Risiko, linke Wähler zu verärgern, und legen ihm nahe, innerhalb von zwei Monaten nach Amtsübernahme am 15. Mai zu handeln. So könne er die Schuld auf die scheidende Regierung Sarkozys abwälzen. Mit einer Ankündigung ist nicht vor den Parlamentswahlen am 10. und 17. Juni zu rechnen. Das sei wichtig, damit Hollande eine regierungsfähige Mehrheit erlangen könne."

Reuters zitierte den Fraktionschef der Sozialisten in der Nationalversammlung, Jean-Marc Ayrault zu dem Kommissionsbericht folgendermaßen: "Es gibt sicherlich Defizite, Dinge, die im Schatten verborgen sind... Wir werden die Wahrheit entdecken und ein Gleichgewicht finden zwischen der Förderung von Wachstum und der Notwendigkeit, die Schulden zu senken."

Reuters schrieb, die PS werde sich bei der Umsetzung der Kürzungen und der Abwehr des Widerstandes der Arbeiterklasse auf die Gewerkschaften verlassen, die Hollandes Sieg begeistert aufgenommen haben. Es hieß, dass die "engen Verbindungen [der PS-Funktionäre] zu [den Gewerkschaften] - vor allem zur gemäßigten CFDT, ihnen kühnere Reformen ermöglichen werden."

Dass Hollandes Team den Bericht des Cour des Comptes erwähnt, erinnert daran, wie der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou 2009 sein Wahlversprechen brach, ein Konjunkturpaket für die griechische Wirtschaft aufzulegen und stattdessen jahrelang verheerende Sozialkürzungen durchführte. Auch er behauptete, das griechische Haushaltsdefizit sei größer als erwartet. Dann begann er mit massiven Angriffen auf die Arbeiterklasse.

Von daher ist es bemerkenswert, dass Hollande vor kurzem in einer Wahlkampfdebatte im Fernsehen Papandreous Bilanz verteidigte.

Die deutsche Regierung plant laut Pressemeldungen ebenfalls, im Juni zugunsten von Sparmaßnahmen zu intervenieren, um Hollande zusätzliche Unterstützung für seine Angriffe auf die Arbeiterklasse nach den Parlamentswahlen zu geben.

Laut Le Monde denken die Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, "dass der neue französische Präsident nicht in der Position sein wird, vor der zweiten Runde der Parlamentswahlen am 17. Juni bedeutende Zugeständnisse zu machen. In diesem Fall wird es zwischen dem 18. Juni und dem Treffen der Europäischen Union am 28. und 29. Juni losgehen."

Merkel und Hollande sind sich zwar bei den Angriffen auf die Arbeiterklasse einig, aber wegen Hollandes Plänen für eine Neuverhandlung des europäischen Fiskalpaktes, der den europäischen Regierungen strenge Auflagen bezüglich ihrer Haushaltsdefizite macht, könnte es zu scharfen Spannungen kommen.

Hollande betont, er habe nichts gegen Ausgabengrenzen, die arbeiterfeindliche Kürzungen notwendig machen, wolle dem Fiskalpakt aber eine "Wachstumskomponente" hinzufügen. Merkel wiederholte am Montag ihre Meinung, der Haushaltspakt stehe "nicht zur Verhandlung."

Diese Debatte über Wachstum ist ein politischer Betrug. Dabei geht es nicht darum, Arbeitsplätze zu schaffen, sondern weiter staatliches Geld an Banken zu verteilen, die den europäischen Regierungen Geld geliehen haben. Hollande will eine Garantie für die Zahlung von Geldern an die Banken - entweder durch "Eurobonds", die von den Staaten der Europäischen Union gemeinsam gestützt werden, oder durch das Drucken von Geld durch die Europäische Zentralbank (EZB).

Berlin ist gegen beides. Deutschland wäre damit entweder gezwungen, für die Schulden anderer Staaten zu zahlen (im Falle der Eurobonds), oder eine größere Preisinflation hinzunehmen.

Hollande sagte, Berlins Politik sei inakzeptabel. In einem Interview mit Slate.fr erklärte er: "Wir werden mit unseren Partnern darüber diskutieren, vor allem mit unseren Freunden in Deutschland, aber sie können nicht zwei Vorschläge gleichzeitig ablehnen - Eurobonds oder Schulden durch die Europäische Zentralbank zu finanzieren."

Scheinbar agiert Hollande mit Unterstützung der Obama-Regierung. Washington ist gegen Merkels Sparpolitik, da Berlin durch die Blockade schneller Ausgabe öffentlicher Gelder an die Banken das Vertrauen in die Banken untergräbt und die Finanzkrise verschlimmert. Im Gegensatz zur amerikanischen Federal Reserve, die nach der Krise etwa 7,7 Billionen Dollar gedruckt und zu niedrigen Zinsen an die Wall Street verteilt hat, hat die EZB sparsamer agiert - oft erst nach diplomatischen Zusammenstößen zwischen Berlin und Paris

In einem Artikel mit dem Titel "Wandel in Paris möglicherweise besser für Amerikas wirtschaftliche Stellung" schrieb die New York Times: "Sarkozy hat sich mit seiner Unterstützung für das deutsche Sparprogramm in der schuldengeplagten Eurozone vom Weißen Haus distanziert. Das Weiße Haus lehnt das Programm ab, da Haushaltskürzungen zu langsamerem Wachstum und hoher Arbeitslosigkeit in Frankreich führen kann, ohne die Forderungen flatterhafter Finanzinvestoren zu befriedigen."

Die Politik, die Hollande und der US-Imperialismus fordert, wäre für die Arbeiterklasse genauso schlecht wie die Sparpolitik, die von Berlin diktiert wird. In den USA hat die Entscheidung der US-Regierung und der Federal Reserve, riesige Geldmengen an die Banken zu verteilen zu tiefen Angriffen auf die Arbeiterklasse geführt: zu Lohnsenkungen bei der Rettung der Autoindustrie, zu massiven Sozialkürzungen und zu einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Die arbeiterfeindliche Politik, die der designierte Präsident Hollande plant, ist ein verheerendes Armutszeugnis für die bankrotte Politik der kleinbürgerlichen "Linken" Parteien, wie Jean-Luc Mélenchons Linksfront und der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA). Diese Parteien haben, ohne Bedingungen zu stellen, zur Wahl von Hollande aufgerufen. Wenn Hollande beginnt, seine Sozialkürzungen umzusetzen, ist es nicht schwierig, sich auszumalen, wie diese Kräfte alles tun werden, um den Widerstand der Arbeiterklasse zu demobilisieren, wie sie es schon unter Sarkozy getan haben.

Diese Kräfte unterstützen Hollande auch dabei, Sarkozys Politik der Anpassung an die amerikanische Außenpolitik fortzusetzen. Hollande unterstützte den Krieg gegen Libyen und hat in Presseinterviews klargestellt, dass er auch Sarkozys Kriegsdrohungen gegen den Iran und eine Militärintervention in Syrien unterstützt.

Er hat versprochen, Sarkozys Entscheidung, Frankreich wieder in die Nato-Kommandostruktur zu integrieren, nicht rückgängig zu machen. Über Frankreichs Rolle in der Nato sagte Hollande Slate: "Ich habe nicht vor, die vorherige Situation wiederherzustellen. Ich fordere eine Bewertung von Frankreichs Rolle und der Verantwortung, die wir im Militärkommando übernommen haben."

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Quelle:
World Socialist Web Site, 10.05.2012
Designierter französischer Präsident kündigt Haushaltskürzungen und Geld für die Banken an
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2012