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GLEICHHEIT/4219: Clinton nötigt Indien zu Sanktionen gegen Iran


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Clinton nötigt Indien zu Sanktionen gegen Iran

Von Sarath Kumara
19.‍ ‍Mai 2012



US-Außenministerin Hillary Clinton nutzte in der vergangenen Woche ihren dreitägigen Besuch in Indien, um das Land unter Druck zu setzen und zum Einschwenken auf die Linie der US-Sanktionen gegen den Iran zu bewegen. Sie traf sich mit dem indischen Premierminister Manmohan Singh, der Parteichefin der regierenden Kongresspartei Sonia Gandhi und mit Außenminister SM Krishna. Außerdem besuchte sie Westbengalen und traf dessen Regierungschefin Mamata Banerjee.

Clinton räumte ein, dass Indien heute viel weniger iranisches Öl als früher einführe. "Es ist uns bewusst, dass die Raffinerien ihre Bestellungen zurückgefahren haben, und dass die tatsächlichen Käufe zurückgegangen sind. Durch dieses Handeln ermutigt uns Indien", sagte sie. Gleichzeitig verlangte sie weitere Einschnitte und sagte: "Wenn die internationale Gemeinschaft den Druck mindert oder in ihrer Entschlossenheit schwankt, hat der Iran weniger Anreiz, ernsthaft über die Aufgabe seiner nuklearen Ambitionen zu verhandeln."

Wie schon in andern Ländern, drohen die USA auch in Indien Unternehmen und Banken harte Strafen an, wenn sie Geschäfte mit iranischen Banken tätigen. In Verbindung mit einem europäischen Embargo zielt die amerikanische Gesetzgebung darauf ab, die iranischen Ölexporte auszutrocknen und die iranische Wirtschaft zu paralysieren.

Neben harten wirtschaftlichen Sanktionen drohen die USA und ihr Verbündeter Israel auch mit Militärschlägen. Der Grund für Washingtons aggressives Vorgehen liegt nicht im iranischen Atomprogramm, sondern es geht vielmehr darum, in Teheran ein Regime zu etablieren, das den wirtschaftlichen und strategischen Ambitionen der USA im Nahen Osten und in Zentralasien mehr entgegenkommt.

Das treibt Indien zu einen immer schwierigeren Balanceakt. Auf der einen Seite versucht Neu-Delhi, US-Sanktionen zu vermeiden und seine strategische Partnerschaft mit Washington zu stärken. Auf der anderen will es einen kompletten Bruch mit dem Iran vermeiden, weil dessen Öl- und Gaslieferungen für Indien sehr wichtig sind. Außerdem treibt das Land als regionaler Partner auch in anderen Gütern Handel mit dem Iran.

Indien hat seinen Anteil an Ölimporten aus dem Iran bereits von zwölf Prozent im vergangenen Jahr auf rund neun Prozent reduziert. Außerdem hat die indische Regierung ihre Außenpolitik an die amerikanische angepasst. Im Februar stimmte Indien nach monatelangem Zögern im UN-Sicherheitsrat für eine vom Westen unterstützte Resolution gegen das syrische Regime von Präsident Baschar al Assad, Irans regionalem Verbündeten.

Dennoch unterhält Indien weiterhin Beziehungen zum Iran. Eine iranische Wirtschaftsdelegation besuchte Indien zur gleichen Zeit, als auch Clinton im Land war. Sie unterzeichnete ein Abkommen, in dem sie sich verpflichteten, Reis, Zucker und Sojabohnen aus Indien zu kaufen. Iran hatte sich zuvor damit einverstanden erklärt, für fünfundvierzig Prozent seiner Erdöllieferung an Indien die Zahlung in indischen Rupien zu akzeptieren, um auf diese Weise die US-Sanktionen zu umgehen.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Clinton erklärte der indische Außenminister Krishna, Iran sei "ein Schlüsselland" für Indiens Energieversorgung. Die Außenministerin aus Washington schlug daraufhin vor, Indien solle sich nach alternativen Lieferungsmöglichkeiten aus Saudi-Arabien und dem Irak umsehen. Aber diese Länder stellen bereits fast die Hälfte der indischen Ölimporte. Die Regierung in Neu-Delhi möchte es vermeiden, in allzu große Abhängigkeit von Saudi-Arabien zu geraten, da dieses Land Indiens regionalen Rivalen Pakistan unterstützt.

Während die Beziehungen zu Pakistan äußerst gespannt sind, hält Indien den Iran für ein unverzichtbares Verbindungsglied zu Afghanistan und Zentralasien. Indien nutzt seit einiger Zeit den Hafen von Chabahar im östlichen Iran. Indische Unternehmen haben dem Iran angeboten, beim Bau einer Eisenbahn vom Hafen bis hin zum westlichen Afghanistan zu helfen. Während der US-Besatzung konnte Indien in Afghanistan als wichtiger Geldgeber auftreten. Daher hofft Indien jetzt auf einen besseren Zugang zu Zentralasien; vor allem will es den pakistanischen Einfluss einschränken, sobald die USA ihre Kampftruppen im Jahr 2014 abziehen.

Bei ihrem Besuch in der westbengalischen Hauptstadt Kolkata versuchte Clinton, die Zustimmung der dortigen Regierungschefin Banerjee zu einem Wassernutzungs-Abkommen zwischen Indien und Bangladesch zu gewinnen. Darin wird die Nutzung des Wassers aus dem Fluss Tista geregelt. Die Regierung von Bangladesch hatte auf diesem Abkommen bestanden, ehe sie bereit war, Indien einen Landweg durch sein Gebiet zur Verfügung zu stellen. Letzteres würde den indischen Exporteuren einen direkteren und weniger teuren Weg nach Burma und Südostasien eröffnen. Banerjee war allerdings gegen das Wassernutzungsabkommen, weil sie der Meinung war, die Singh Regierung habe Bangladesch schon viel zuviel Wasser zugestanden.

Die USA fördern engere Beziehungen zwischen Bangladesch und Indien, um so den chinesischen Einfluss in der Region zurück zu drängen. Clinton warb für die Vorteile eines verstärkten indischen Handels mit Südostasien und erklärte, Kalkutta könne so zur Drehscheibe einer neuen Seidenstraßestrategie werden, welche die Länder in Ost-, Süd- und Zentralasien verbinden werde.

Clinton versuchte Banerjee auch dafür zu gewinnen, dass Indien seinen Einzelhandelsektor für ausländische Direktinvestitionen öffnet. US-amerikanische Einzelhändler wie Walmart warten nur darauf, in diesen Markt zu investieren. Er wird in den nächsten fünfundzwanzig Jahren voraussichtlich von sechsundzwanzig Milliarden US-Dollar auf 314‍ ‍Milliarden US-Dollar anwachsen. Im vergangenen Jahr haben Banerjees Trinamool Congress (TMC) und andere Regierungsparteien den Versuch der Singh-Regierung, ausländische Investitionen zuzulassen, noch abgeblockt.

Insgesamt hat Clintons Besuch die Spannungen in der indischen herrschenden Elite verstärkt. Die Meinungen über den Wert oder die potentiellen Gefahren der strategischen Partnerschaft mit den USA gehen weit auseinander.

Washington Rückendeckung stärkt Indiens Einfluss in der Region gegenüber seinen wichtigsten Rivalen: China und Pakistan. Während ihrer Pressekonferenz mit Krishna bot Clinton Indien eine gewisse Unterstützung an, indem sie demonstrativ die pakistanische Regierung ansprach. Sie ermahnte sie, den Terrorismus stärker zu bekämpfen, und spielte dabei auf die Kaschmir-Separatisten an, die auch in Pakistan gegen das indische Militär kämpfen.

Gleichzeitig befürchten viele, Indien könnte durch ein Einschwenken auf die Linie der Obama-Regierung und eine stärkere Konfrontation mit dem Iran Schaden erleiden. Ein Leitartikel in der Hindu erklärte unverblümt: "Auf den Punkt gebracht, wird Neu-Delhi gebeten, seine eigenen wirtschaftlichen und strategischen Interessen durch den Abbau von Ölimporten und anderen Handelsgeschäften mit Teheran zu untergraben, um so die Bedingungen extra-territorialer Sanktionen, die nicht vom Völkerrecht gedeckt sind, zu erfüllen." In dem Artikel heißt es, die indische Regierung dürfe vor dem amerikanischen Druck nicht in die Knie gehen.

Die Obama Regierung erhöht den Druck auf den Iran an allen Fronten. Sie verlangt von ihm, bei den Gesprächen nächste Woche in Bagdad große Zugeständnisse zu machen, während sie gleichzeitig mit Sanktionen und militärischen Aktionen droht. Wie Clintons Besuch in Indien deutlich macht, verstärkt das aggressive Vorgehen der USA die Spannungen nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in Südasien.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 19.05.2012
Clinton nötigt Indien zu Sanktionen gegen Iran
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Mai 2012