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GLEICHHEIT/5098: Bundesregierung plant massive Aufrüstung


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Bundesregierung plant massive Aufrüstung

Von Johannes Stern
10. April 2014



Die Bundesregierung nutzt den sich zuspitzenden Konflikt zwischen der Nato und Russland für die massive Aufrüstung der Bundeswehr. Das unterstreicht ein Artikel in der aktuellen Ausgabe des Spiegel.

Das Titelbild des Artikels ist Programm. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen steht vor einem Panzer, umringt von bis an die Zähne bewaffneten Bundeswehrsoldaten, und lächelt. Es ist das schaurige Lächeln des deutschen Militarismus, der sich nach zwei Weltkriegen und abscheulichen Verbrechen erneut anschickt, auf die Weltbühne zurückzukehren.

Unter dem zynischen Titel "Leoparden leben länger" (gemeint ist der deutsche Kampfpanzer dieses Namens), gibt der Artikel einen Einblick in die militärischen Pläne des Westens. Die Nato soll in ein anti-russisches Militärbündnis verwandelt werden und seinen Einfluss in Osteuropa massiv ausbauen. Deutschland spielt dabei eine zentrale Rolle. Führende deutsche Politiker und Militärstrategen fordern die Aufrüstung der Bundeswehr. "Die Debatte ist nicht zu stoppen, und die Rüstungsindustrie wittert große Geschäfte", so der Spiegel.

Der Artikel geht zunächst auf die grundlegende Richtungsentscheidung der imperialistischen Mächte ein, die wieder auf einen offenen Kriegskurs gegen Russland einschwenken. Dann beschreibt er die Konsequenzen, die sich auch für Deutschland daraus ergeben. "Die im Lauf der Jahre festgefügte Zusammenarbeit mit Russland liegt seit vergangener Woche offiziell still," so der Spiegel. "Moskau ist demnach nicht länger Partner, sondern Gegner. Daraus folgt der nächste Schritt, selbst wenn er in die Vergangenheit führt: Wie funktioniert im Jahr 2014 - den Begriff hat man in Westeuropa lange nicht mehr gehört - militärische Abschreckung?"

Die Autoren zählen Panzer und Militärgerät und stellen fest, dass das "Abschreckungspotential" der Bundeswehr mit ihrer Umwandlung von einer "Verteidigungs-" zu einer "Interventionsarmee" in den letzten Jahren stark abgenommen hat. "Vor dem Fall der Mauer fußte die Abschreckung auf dem Vernichtungspotential durch Atomwaffen unterschiedlicher Reichweite und auf Hunderttausenden Soldaten mit schwerem Gerät, vor allem Panzern." Allein die Bundeswehr habe damals "sogar zu Friedenszeiten rund 495.000 Mann unter Waffen" gehalten, "dazu 4.100 'Leopard'-Kampfpanzer und knapp 600 Flugzeuge".

Seitdem sei das Rüstungsbudget jedoch "von 3 auf 1,2 Prozent des Bruttosozialprodukts gesunken. Die Bundeswehr hat noch knapp 185.000 Mann, soll weiter schrumpfen und ist weniger auf Landesverteidigung als auf punktuelle Auslandseinsätze ausgerichtet." Statt "Panzerdivisionen und Haubitzen am Fulda Gap" gebe es "Fallschirmjäger und Hubschrauber für das Kosovo, Afghanistan oder ein Krisenland in Afrika".

Die Botschaft derartiger Rechenspiele, wie sie jetzt gehäuft in den deutschen Medien zu finden sind, ist unmissverständlich: nach Jahren der Reduzierung der Truppenstärken und des Einmottens von schwerem Militärgerät soll nun wieder aufgerüstet werden!

Der Spiegel zitiert den Leiter des Kieler Instituts für Sicherheitspolitik, Joachim Krause: "Die Verteidigungspolitik hat sich auf Friedenseinsätze unter relativ günstigen Umständen eingestellt. Die aktuelle Krise führt uns schlagartig vor Augen, dass das möglicherweise zu einseitig und zu naiv war. Das Verteidigungsministerium muss seine Beschaffungsvorhaben daher gründlich überprüfen."

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold, stößt ins gleiche Horn: "Wir müssen darüber nachdenken, ob das unkontrollierte Absenken der Panzerflotte innerhalb der Nato richtig war. Wir sollten in Europa schnellstmöglich die gemeinsame Entwicklung einer Drohne auf den Weg bringen. Auch die Entscheidung zur 'Euro-Hawk'-Drohne sollte überdacht werden."

Laut Spiegel arbeitet das Verteidigungsministerium bereits an der Aufrüstung der Nato in Osteuropa. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen lasse "ihre obersten Generäle prüfen, was man mit dem Bündnis an weiterer Unterstützung für die Ost-Mitgliedstaaten anbieten kann". Es zeichne sich ab, dass sie "gemeinsame Militärmanöver der Bundeswehr etwa mit den polnischen und baltischen Armeen vorschlagen wird", also den Ländern, die am stärksten für eine aggressive Rolle der Nato in Osteuropa trommeln. Erst am letzten Dienstag hatte der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski beim EU-Außenministertreffen in Brüssel die Stationierung zweier Nato-Brigaden (rund 10.000 Soldaten) in Polen gefordert.

Der Spiegel berichtet über Nato-Pläne, die einer Kriegserklärung an Russland gleichkommen: "Wichtige Nato-Militärs plädieren intern dafür, die Bereitschaft der westlichen Land- und Luftstreitkräfte zu erhöhen. Zurzeit würde es 180 Tage dauern, bis die große Masse verlegt und einsatzbereit wäre. Diese Spanne soll verkürzt werden. Das beträfe auch mindestens 10.000 Bundeswehrsoldaten. Zudem sollten, so die Militärs, Panzerverbände verstärkt und Munitionslager aufgefüllt werden. Es wäre das Comeback der deutschen 'Leopard'-Panzer."

Dabei versucht der Spiegel, die deutschen Politiker mehr als Getriebene denn als Treibende dieser Entwicklung darzustellen. Der deutsche Außenminister Frank Steinmeier verstehe die deutsche Ukraine-Politik "rein diplomatisch" und vertrete einen "Deeskalationskurs". Die Außenministerin lehne die Entsendung von "schwerem Gerät" und "dauerhaften Kampftruppen" nach Osteuropa ab. Die Bundesregierung sehe die neue Nato-Strategie "sehr skeptisch und würde die Sache lieber totschweigen".

Das ist nichts als Augenwischerei. Tatsächlich entsprechen die Aufrüstungspläne der Nato der neuen Ausrichtung der deutschen Außenpolitik, die von allen Bundestagsparteien unterstützt wird. Anfang Februar hatten von der Leyen, Steinmeier und Bundespräsident Joachim Gauck auf der Münchener Sicherheitskonferenz das Ende der militärischen Zurückhaltung verkündet. Nun betrachtet die deutsche Bourgeoisie die selbst provozierte Krise in der Ukraine und die Nato-Offensive gegen Russland als Chance, sich wieder der traditionellen Stoßrichtung des deutschen Imperialismus Richtung Osten zuzuwenden und aufzurüsten.

Der Kriegskurs der herrschenden Klasse stößt allerdings auf breiten Widerstand. Die jüngste Umfrage des ARD-Deutschlandstrends ergab, dass "eine Politik, die auf verstärkte militärische Sicherung in Osteuropa abzielt, von der Mehrheit der deutschen Bevölkerung abgelehnt wird". Lediglich vier von zehn Bundesbürgern sprechen sich für eine verstärkte Luftraumüberwachung der Nato in Osteuropa aus, 53 Prozent lehnen sie ab. "Eine Beteiligung der Bundeswehr an entsprechenden Maßnahmen wäre hierzulande wenig populär," so die Umfrage. "Lediglich jeder dritte Bundesbürger (35 Prozent) hält hier ein deutsches Engagement für richtig, 61 Prozent wollen davon allerdings nichts wissen."

Der Deutschlandtrend hat sich nicht getraut, die Frage nach der Entsendung von Nato-Truppen nach Osteuropa, der Wiedereinführung der Wehrpflicht oder der massiven Aufrüstung der Bundeswehr zu stellen - alles Pläne, die gegenwärtig von der herrschenden Elite diskutiert, aber von der Bevölkerung noch viel deutlicher abgelehnt werden!

Pläne der Bundesregierung, die Bundeswehr zukünftig auch im Inneren einzusetzen, müssen in diesem Zusammenhang gesehen werden. Am Montag wurde bekannt, dass das Innenministerium eine baldige Änderung von Artikel 35 des Grundgesetzes anstrebt, um den Abschuss von sogenannten "Terrorflugzeugen" zu erleichtern. "Bei unmittelbarer Gefahr soll der Verteidigungsminister den Befehl zum Einsatz der Luftwaffe im Alleingang geben", berichtet Spiegel Online.

Der Zeitpunkt des Vorstoßes macht deutlich, dass es der Bundesregierung nicht um die Bekämpfung von "Terrorismus" geht, sondern um den Einsatz der Bundeswehr im Innern, dem das Grundgesetz hohe Schranken setzt. Sind diese Schranken erst einmal beseitigt, kann das Militär auch wieder zur Unterdrückung von sozialem Widerstand eingesetzt werden.

In den vergangenen Wochen und Monaten hat die Bundesregierung nicht ein einziges Mal vor einer konkreten Bedrohung durch Terroranschläge gewarnt. Sie hat allerdings einen aggressiven außenpolitischen Kurs eingeschlagen, der von der großen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird. Die Aufrüstungspläne müssen in doppelter Hinsicht als Warnung verstanden werden. Um zu einer aggressiven imperialistischen Außenpolitik im Weltmaßstab zurückzukehren, ist die deutsche Bourgeoisie bereit, jede politische und soziale Opposition im Innern brutal zu unterdrücken.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 10.04.2014
Bundesregierung plant massive Aufrüstung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. April 2014