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GLEICHHEIT/5958: Sanders signalisiert Bereitschaft, Clinton zu unterstützen


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Sanders signalisiert Bereitschaft, Clinton zu unterstützen

Von Patrick Martin
11. Juni 2016


Zwei Tage nach seiner Niederlage bei den Vorwahlen in Kalifornien ist Bernie Sanders, der Senator aus Vermont, in Washington, D.C., eingetroffen. Dort traf er sich mit Präsident Obama und anderen Parteiführern der Demokratischen Partei, um mit ihnen zu diskutieren, wie er seine Wahlkampagne abschließen und die Demokratische Präsidentschaftskandidatin, die ehemalige Außenministerin Hillary Clinton, unterstützen wird.

Im Anschluss an das Treffen mit Sanders veröffentlichte Obama ein Online-Video, in dem er seine volle formelle Unterstützung für Clinton als Demokratischer Präsidentschaftskandidatin verkündete. Er erklärte: "Ich glaube, es gab noch nie jemanden, der so qualifiziert war für dieses Amt." Daraufhin führte er Clintons Rolle bei wichtigen militärischen Regierungsentscheidungen an, wie z.B. den Einsatz der Spezialeinheit Navy SEALs, bei dem Osama Bin Laden ermordet wurde.

Das Video war bereits am Dienstag aufgenommen worden, noch bevor die Wahllokale am vorletzten Tag der Vorwahlen in New Jersey, Kalifornien und vier anderen Staaten geschlossen hatten. Als der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, zum zeitlichen Ablauf befragt wurde, wies er darauf hin, dass Associated Press und andere Medien Clinton auf Grundlage einer Umfrage unter den Superdelegierten schon am Montag zur "voraussichtlichen Präsidentschaftskandidatin" erklärt hatten.

Das unterstreicht den zynisch inszenierten Charakter der AP-Meldung, die in Absprache mit dem Weißen Haus und hohen Vertretern der Demokratischen Partei ausgearbeitet wurde. Sie wollten Clinton so schnell wie möglich zur Siegerin erklären und den Wettkampf beenden, ohne Rücksicht auf die Millionen Wähler, die erst am nächsten Tag ihre Stimme abgeben würden.

Nach einem einstündigen Treffen mit Obama im Weißen Haus trat Sanders vor die Medien und verlas eine dreiseitige, maschinengeschriebene Erklärung, in der er Clinton nicht ausdrücklich unterstützte, aber klar machte, dass er ihre Nominierung nicht mehr anfechten werde.

Er erklärte: "Ich habe am Dienstagabend kurz mit Ministerin Clinton gesprochen und ihr zu ihrer sehr starken Wahlkampagne gratuliert. Ich freue mich darauf, sie bald zu treffen und zu planen, wie wir zusammenarbeiten können, um Donald Trump zu besiegen und eine Regierung zu gestalten, die uns alle repräsentiert und nicht nur das eine Prozent."

Sanders traf sich anschließend auf dem Capitol Hill mit Senator Harry Reid, dem scheidenden Führer der Demokraten im Senat, und mit Senator Charles Schumer, der Reid im Januar ablösen soll. Sanders sprach nach dem Treffen mit den beiden Senatoren nicht mit der Presse, sondern traf sich mit Vizepräsident Joe Biden.

Diese Pilgerfahrt nach Washington macht Sanders' Anspruch zunichte, der Anführer eines Aufstands gegen die Vorherrschaft der rechten, unternehmerfreundlichen Politik in den Vereinigten Staaten zu sein. Sanders hat die Unterstützung von Millionen von Jugendlichen und Arbeitern auf der Grundlage seiner Angriffe auf die "Millionäre und Milliardäre" und seiner Forderung nach einer "politischen Revolution" gewonnen. Nichtsdestotrotz hat er jahrzehntelang als loyaler Verbündeter des Establishments der Demokratischen Partei gearbeitet.

Seine Wahlkampagne hatte von Anfang an das politische Ziel, der zunehmenden sozialen Opposition und den antikapitalistischen Stimmungen in der Bevölkerung zuvorzukommen, sie aufzufangen und sie zurück in die Sackgasse der Demokratischen Partei zu leiten. Jetzt bereitet er sich darauf vor, diese Pläne in die Tat umzusetzen, indem er akzeptiert, für Clinton - die Kandidatin der Wall Street sowie des Militärs und der Geheimdienste - auf Stimmenfang zu gehen.

Der innere Widerspruch zwischen Sanders# populistischen Phrasen und seiner Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur der Demokratischen Partei, einem der wichtigsten politischen Instrumente der "Millionäre und Milliardäre", wurde durch seine Bemerkungen beim Verlassen des Weißen Hauses unterstrichen. Er erklärte, er wolle alles tun, um "der augenblicklichen Tendenz hin zu einer oligarchischen Form der Gesellschaft entgegenzuwirken, bei der eine Handvoll Milliardäre eine enorme Macht über unser politisches, wirtschaftliches und mediales Leben ausübt".

Weder Sanders noch ein einziger der versammelten Vertreter der von der Wirtschaft gesteuerten Medien bemerkte die Ironie: dass er auf den Stufen des Weißen Hauses, des Symbols und Machtzentrums der Oligarchie, versprach, gegen die Oligarchie zu kämpfen - noch dazu nach einem einstündigen Treffen hinter verschlossenen Türen mit Obama, dem militärischen Oberbefehlshaber, der dieser Oligarchie dient.

Niemand hat in den letzten acht Jahren mehr getan, um diese Oligarchie zu stärken, als Präsident Obama: er hat die Wall Street auf Kosten der Arbeiter gerettet; er hat die Löhne der Autoarbeiter drastisch gekürzt, um Rekordprofite für GM, Ford und Fiat-Chrysler zu ermöglichen; er hat die Kosten für die Gesundheitsversorgung, getarnt als Gesundheits-"Reform", von den Unternehmern auf die Arbeiter verlagert; und er hat überall auf der Welt Krieg geführt, um die globalen Interessen des amerikanischen Kapitalismus zu verteidigen.

Von Beginn seiner Wahlkampagne an hat sich Sanders geweigert, die Politik der Obama-Regierung zu kritisieren. Er hat die Vorherrschaft der Milliardäre über das politische und wirtschaftliche Leben Amerikas verurteilt, ohne zu erwähnen, dass Obama der Diener der Milliardäre ist. In Bezug auf die Außenpolitik hat Sanders zu den zahllosen Gräueltaten geschwiegen, die von der von Obama befehligten Kriegsmaschinerie verübt werden: angefangen von den Drohnenmorden bis zur Bombardierung Libyens und Syriens und der andauernden militärischen Gewalt im Irak und in Afghanistan.

Mit dem Treffen von Sanders und Obama am Donnerstag begann eine inszenierte Operation, um so viele Sanders-Anhänger wie möglich in die Kampagne zur Wahl Clintons als Obamas Nachfolgerin einzubinden. Außerdem sollen sie natürlich auch für die Wahl von Demokratischen Kandidaten für den Senat, das Repräsentantenhaus und für staatliche und kommunale Ämter eingespannt werden.

Wichtige Anhänger von Sanders haben bereits begonnen, sich hinter Clintons Präsidentschaftskandidatur zu stellen: z. B. Senator Jeff Merkley aus Oregon, Sanders' einziger Anhänger im Senat, sowie der Abgeordnete Raul Grijalva, Vorsitzender der Fraktion der Progressiven im Repräsentantenhaus; außerdem die liberalen Lobby-Gruppen Move-On.org und Democracy for America.

Sanders hat sich, trotz seiner langjährigen Positionierung als "Unabhängiger", voll in die Demokratische Partei integriert. Er hat seine Wahlkampagne als Mittel gesehen, um die Demokratische Partei auf jeder Ebene zu stärken und zu unterstützen.

Dass er seinen Wahlkampf bis zum Parteitag der Demokraten in Philadelphia Ende Juli fortsetzen will ist, im Gegensatz zur Darstellung in den Medien, keine Trotzreaktion auf Clinton und das Establishment der Demokraten. Es ist die von Sanders gewählte Form, mit der er unter seinen Anhängern Illusionen darüber verbreiten will, die Demokratische Partei könne für die linken Stimmungen unter Jugendlichen und Arbeitern empfänglich gemacht werden.

Alle eventuellen Zugeständnisse im Parteiprogramm, sei es bei den Regeln für künftige Präsidentschaftsnominierungen oder bei der Auswahl des Vizepräsidenten, sind bedeutungslos und werden lediglich dazu dienen, seine Anhänger dazu zu überreden, bei der Demokratischen Partei zu bleiben.

Das ist die bankrotteste und gefährlichste Perspektive überhaupt, denn sie ordnet die Arbeiterklasse politisch unter eine der zwei Parteien der Konzerne unter. Diese Perspektive lässt die Arbeiter völlig unvorbereitet auf die noch rechtere und militaristische Politik, die nach den Wahlen im November folgen wird, egal ob Clinton oder der mutmaßliche Kandidat der Republikaner, Donald Trump, gewinnen wird.

Die Erklärung von Sanders vor dem Weißen Haus hat klar gemacht, dass er der wichtigste Propagandist der "Jeder-außer-Trump"-Kampagne sein wird. Diese Kampagne wird das Zentrum der Bemühungen der Demokratischen Partei und sämtlicher Organisationen in ihrem Umkreis bilden, darunter die Gewerkschaften und pseudolinke Gruppen wie die International Socialist Organization und die Socialist Alternative, um Hillary Clinton als das kleinere Übel darzustellen.

In der Praxis hat die rechte Politik von Obama und Clinton, die Sanders verteidigen wird, dabei geholfen, in Teilen der Bevölkerung Unterstützung für den faschistoiden Milliardär zu mobilisieren. Wie Obama in seinem Propagandavideo für Clinton erklärt, wird ihre Wahlkampagne "auf dem Fortschritt aufbauen, den wir unter der Obama-Regierung gemacht haben".

Für die große Mehrheit der Arbeiterklasse sind der Lebensstandard und die sozialen Bedingungen heute schlechter als zu der Zeit, als Obama sein Amt antrat. Eine gemeinsame Umfrage des Wall Street Journal und von NBC ergab diese Woche, dass unter Wählern, die erklärten, sie würden noch "sehr stark" unter den Auswirkungen des Wall-Street-Crashs und der darauf folgenden Rezession leiden, 56 Prozent für Trump und nur 26 Prozent für Clinton waren.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 11.06.2016
Sanders signalisiert Bereitschaft, Clinton zu unterstützen
http://www.wsws.org/de/articles/2016/06/11/clin-j11.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2016

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